Die Pittsburgh Steelers sind der Superbowl-Rekordchamp (6 Titel). Der Finalgegner hat zwar „ganze“ drei Superbowls (zweimal davon, als die Superbowl noch nicht unter diesem Namen ausgespielt wurde) gewonnen, ist aber der Rekordmeister der National Football League. Heute in der Vorstellung. Matchups gibt es erst im Sonntagabend-Vorprogramm.
Was die Packers ausmacht – geschichtlich
Die Green Bay Packers dürfen sich als das Traditionsteam in der NFL sehen. Gegründet 1919 als Amateurclub und zwei Jahre später als professionelle Franchise der NFL beigetreten, sind die Packers seit damals das einzige Team im amerikanischen Profisport, das als Non-Profitorganisation seinen Fans gehört. Über 112.000 Menschen sind Stakeholder der Packers.
Packers? Ein merkwürdiger Teamname. Die Herkunft ist so simpel wie einleuchtend: Die Gründerväter um Curly Lambeau brauchten ohne Finanzspritze durch einen Besitzer Schotter. Und den steuerte ein Unternehmen bei: Die Indian Packing Company. Daher rührt auch der Name „Packers“.
Und die Packers waren erfolgreich – sehr sogar. Bis Ende der 40er holten sie sechs Meistertitel unter Lambeaus Ägide. Lambeau? Dürfte jedem Footballinteressierten ein Begriff sein. Curly Lambeau zu Ehren wurde nach seinem Tod das Stadion der Packers in „Lambeau Field“ umbenannt. Es gilt als eines der legendärsten in Amerika.
Ein 70.000 Zuschauer fassendes Stadion in einer 100.000 Einwohner fassenden Stadt. Und nicht nur immer ausverkauft, sondern mit über 80.000 Menschen auf der WARTELISTE für Saisonkarten ein Ort, der im Lauf der Zeit zu einem Mythos hochstilisiert worden ist, ähnlich wie ein Bernabeu-Stadion in Madrid.
Ende der 50er kam mit dem charismatischen Vince Lombardi ein neuer Erfolgscoach, der die Packers in den 60ern unter QB Bart Starr und RB Paul Hornung zur absoluten Großmacht heranzüchtete.
Lombardi? Lombardi? Auch das wird der geneigte Football-Fan schon einmal gehört haben. Oder auch nur der Schönwetterzuschauer. Und das wohl deswegen: In der Super Bowl wird um die Vince Lombardi Trophy gespielt, benannt nach eben diesem Coach. Als Ende der 60er AFL und NFL begannen, den Meister der Meister auszuspielen, gewannen Lombardis Packers die ersten beiden Auflagen dieses Duells. Die ersten beiden Super Bowls, auch wenn sie, wie wir mittlerweile wissen, damals offiziell noch keine „Super Bowls“ waren.
Nach Lombardis Tod verschwanden die Packers gut ein Vierteljahrhundert in der Versenkung. Aber eines ist im kleinen Green Bay immer schon gelungen: Man hatte charismatische Leute am Ruder, Publikumslieblinge, die ganz wesentlich zum Erfolg beitrugen. In den 90ern ging es mit den Packers wieder aufwärts und das lässt sich an einigen berühmten und weniger berühmten Spielern festmachen.
Mike Holmgren zum Beispiel, dem stets grimmig dreinschauenden, dicklichen Head Coach, der quasi als erste Amtshandlung 1992 Brett Favre von den Falcons einkaufte. Favre sollte von Beginn an eine der sensationellsten Serien durchspielen, die es jemals gegeben hat: Über 18 Jahre verpasste der QB kein Spiel. Favre wurde zum Liebling in Green Bay, im hohen Norden, im ganzen Land. Auch Männer wie der „Prediger“ DE Reggie White oder der unglaublich fette DT Gilbert Brown waren massiv daran beteiligt, dass im Jänner 1997 die Vince Lombardi Trophy erstmals nach Green Bay „heimkehrte“. Seither sind die Packers stets Playoff-Anwärter.
Was die Packers ausmacht – spielerisch
Seit 2006 ist Head Coach Mike McCarthy in Green Bay am Ruder. Was McCarthy mit seinem Gegenüber Mike Tomlin teilt: Er geht in der Diskussion um die beiden Mannschaften völlig unter. Obwohl Green Bay seit Jahren nahe am Titel dran ist: McCarthy ist nicht in der Diskussion.
Das waren andere: Brett Favre zum Beispiel. Der trat 2008 zurück und GM Mike Tannebaum installierte blitzschnell den QB Aaron Rodgers als Nachfolger. Rodgers hatte jahrelang als Packers-QB in spe gewartet. Als Favre doch weitermachen wollte, hielt man in Green Bay am jungen Rodgers fest und verjagte das Idol Favre – ein Skandal.
Rodgers spielte von Anfang an super, zumindest statistisch. Im ersten Jahr schaute wenig bei rum, aber 2009/10 geigten die Packers mächtig auf. Rodgers ist schneller als erwartet das Gesicht der Packers geworden, obwohl Rodgers kaum Reibungspunkte bietet, sieht man von seiner (mutmaßlichen) Freundin ab. Nach der Verletzung von RB Ryan Grant im ersten Saisonspiel 2010/11 darf man getrost insistieren: Green Bays Offense ist zu 90% Aaron Rodgers.
In den Playoffs hat sich dank des völlig unbekannten RB James Starks eine Laufspiel-Komponente dazugeschwindelt. Starks hat maximal durchschnittliche Zahlen (3,8yds/Lauf), aber Starks sorgt wenigstens für ein bisschen Entlastung und dafür, dass sich keine Defense allein auf das Passspiel einschießen kann. Das gibt Rodgers hinter einer suboptimalen Offensive Line genug Möglichkeiten, seine Receiver auszugucken. Die Armada ist trotz des Ausfalls von Top-TE Finley groß: WR Greg Jennings (1265yds, 12 TDs), WR James Jones (679yds, 5 TDs), Jordy Nelson (582yds, 2 TDs), Oldie-WR Donald Driver (565yds, 4 TDs), RB Brandon Jackson (342yds, 1 TD) und eine Handvoll Role Players.
Die Defense galt nach dem Ausfall von MLB Barnett als eher namenlos. Angeführt vom DefCoord Dom Capers hat sich die gesamte Unit (2009 #2 der NFL, allerdings mit totalen Kollapses gegen Pittsburgh (sic!) und Arizona) ab Mitte Oktober gewaltig gesteigert. Sie zeichnet sich durch starken Zug zum QB aus. Green Bay spielt 3-4, bringt aber mit DT B.J. Raji und DE Cullen Jenkins (soll am Sonntag fit sein) starken Druck schon mit der Defensive Line zustande.
Auf Blitzes geschickt werden häufig DE/OLB Clay Matthews jr. (oder eigentlich Matthews III) und CB Charles Woodson, die bekanntesten Namen der Defense. Beide sind effizient: Während Woodson ein außergewöhnlich kompletter Spieler (Deckung und Blitzes) ist, macht Matthews auch noch die Sacks (14 in der Reg. Season, 3 in den Playoffs). In der Secondary lauert mit CB Tramon Williams ein Mann, den einst keiner wollte: Intelligenter Bursche, der ein Näschen entwickelt hat und in den Playoffs die Bälle anzieht (3 INTs).
Was die Packers ausmacht – Die Schlüsselspieler
Aaron Rodgers. Ich habe es oft genug gesagt: Ich habe mich in den Spieler Aaron Rodgers verknallt. Hoch intelligenter Bursche und es ist ein Genuss, ihm in der Pocket zuzusehen. Rodgers wird nicht nervös, auch wenn mal eine Ladung Defensive Backs in sein Gesichtsfeld geschickt wird, sondern macht seine drei Tippelschritte und bringt trotzdem einen rattenscharfen 35yds-Pass an. Rodgers zeichnet blindes Verständnis mit seinen Receivern aus und ist zudem sehr beweglich, kann auch selbst scrambeln (über 300yds heuer) und ist dementsprechend auch nicht schüchtern, wenn es darum geht, die Pocket zu verlassen. Rodgers ist kein Lautsprecher. Ich könnte kein Interview von Rodgers aus dem Stehgreif aufrufen. Aber ein fantastischer QB. Wäre er Fußballer und Stürmer, man würde sagen: Er hat derzeit einfach einen Lauf. Oder man drückt sich wie dogfood/Allesaussersport aus:
2008 zeigte [Rodgers] aber so viel Potential, dass die Packers seinen Vertrag bis 2014 verlängerte, 2009 verbesserte er sich nochmals und 2010 hat er dann endgültig sein Coming Out und und wird derzeit in den Playoffs als heißer wie Frittenfett gehandelt.
Ich nenne die Rubrik „Schlüsselspieler“, aber anstatt WR Greg Jennings kommt an der Stelle WR Donald Driver dran. Driver ist seit gefühlt zwei Jahrzehnten in der NFL dabei (ist es tatsächlich erst seit 1999??) und hat fast ausnahmslos 1000-1200yds/Jahr gefangen und 6-9 TDs/Saison. Ein Muster an Beständigkeit, ohne die Krönung: Vor drei Jahren machte Driver einen extrem langen TD im NFC-Finale, aber das haben die Packers dann am Ende trotzdem – und verdient – verloren. Driver ist ein Mann, dem ich den Titel (wie Rodgers) von Herzen vergönnen würde. So lange dabei, so viel Beständigkeit und so ruhig geblieben. In Zeiten, in denen ein #85, ein Terrell Owens oder ein Randy Moss Woche für Woche rumzicken, eine Wohltat.
Die eigentlichen Heroen spielen aber in der Defense. Angefangen mit dem lange unbedachten NT B.J. Raji (sprich: Radschi). Raji macht die Mitte des Spielfeldes platt und fungiert in der Offense als Vorblocker/Goal-Line-Fullback für die Running Backs. Im Halbfinale returnierte „Big Man With The Football“ Raji einen Ball zum Touchdown. Der Unterschied beim 21-14 Sieg.
Superstar der Defense ist OLB Clay Matthews jr., den die Wortspielkönige schon HurriClayne getauft haben. Nicht nur wegen der wehenden Haare nicht ganz aus der Luft gegriffen, angesichts solcher Bilder:
Die Familie ist footballverrückt: Der Opa spielte in der NFL, Vater Clay war mehrfacher Pro Bowler, Onkel Bruce ist als einer der besten Offense Liner aller Zeiten und Hall of Famer. Bruder Casey hat vor ein paar Wochen das College-Football-Endspiel verloren. Jetzt soll der fällige Titel für die Familie eingesackt werden. Clay itself ist Spätzünder: Am College (USC) spielte er ohne Stipendium, ging als walk-on zum Footballteam. 2010/11 bekam er die zweitmeisten Stimmen bei der Wahl zum Defensivspieler des Jahres. Der spielt am Sonntag auf der anderen Seite: Troy Polamalu.
Letzter im Bunde der Star-Verteidiger: CB Charles Woodson, einst alles überragender Cornerback in Michigan und Gewinner der Heisman Trophy, was für Verteidiger eine absolute Rarität darstellt. In Oakland jahrelang in einem dahinsiechenden Team, aber seit seinem Wechsel nach Green Bay hat sich Woodson zu einem kompletten Cornerback entwickelt, der alles kann: Enge Deckung, INTs abfangen, Blitzing. Woodson hat vor fast einem Jahrzehnt mit den Raiders eine furchtbare Superbowl-Schlappe einstecken müssen. Diesmal hat er eine Chance, mit 34 Jahren doch noch Superbowl-Champ zu werden.
Noch ein sentimentaler Held: RB John Kuhn, schon ein Ringträger (vor Jahren als Sparringspartner auf dem Trainingsplatz der… erraten: Steelers). Kuhn hat wie vor Jahren Duce Staley (richtig: auch mal ein Steeler) dafür gesorgt, dass eine ureigene deutsche Tradition in den US-Stadien Einzug gehalten hat: Das lange UUUUUUUUUUUUUUUU. Was hierzulande ein Rudi Völler ausgelöst hat, passiert nun auch in den US-Arenen, wenn Kuhn am Ball ist. Nope – kein Ausbuhen der Mannschaft. Es ist der Tribut an John Kuhn, nicht mehr als ein situationsbedingt eingesetzter Spieler. Aber ein Publikumsliebling, und in den Playoffs ein Stimmungsbarometer: In Philadelphia und Atlanta war das lange U deutlich vernehmbar. Also waren haufenweise Packers-Fans im Stadion.
Warum ich die Packers siegen sehen möchte
Zum ersten, weil jeder mal dran ist. Pittsburgh hat eine Reihe Superbowls gewonnen. Green Bay lange keinen mehr und Rodgers, Woodson und Driver sind einfach mal dran.
Genug der Floskeln. Nachdem die US-Experten noch eine Antwort schuldig sind: Wer darf den Siegerpokal für Green Bay in Empfang nehmen, nachdem das Podium zwar gigantisch riesig sein wird, aber kaum die 112.000 Anteilseigner aufnehmen wird können? Ich tippe auf CEO Mark Murphy. Sicher bin ich mir nicht. Wir werden es am Montagmorgen wissen. Vielleicht…