Mayock-Watch, Week 14: Pittsburgh Steelers – Cleveland Browns oder wenn das Mittelmaß schreit

Wir wissen seit heute Vormittag, wie sich ein Steeler-Heimspiel anfühlt. Wir wissen schon lange um die Stärken und Schwächen der Pittsburgh Steelers, in Offense und Defense. Daher ein Browns-lastiges Preview vor dem Donnerstagsspiel heute Nacht/02h LIVE bei ESPN America und Sport1+ (Wh. morgen, Freitag 20h bei ESPNA, 19h45 bei Sport1+).

Cleveland erlebt mal wieder eine durchschnittliche Saison mit einigen guten Ansätzen, aber mindestens ebenso viel Frustration, die insbesondere durch eine sterile Offense hervorgerufen wird. Clevelands Philosophie – ergo GM Mike „West Coast“ Holmgrens Philosophie – gilt unter Anhängern als umstritten, da man das Spielermaterial für ungeeingnet für eine Timing-Offense hält und zudem gerne daraufhin verweist, dass man doch ganz old school Running Backs wie Hillis oder Hardesty im Kader hätte, von denen leider der eine bockt und der andere zu viele Verletzungen erleidet.

So richtet sich die meiste Kritik auf das undurchsichtige PlayCalling von Chefcoach Pat Shurmur, der den jungen QB Colt McCoy trotz fehlender Anspielstationen bis zum Verbluten werfen lässt, um eine Woche später wieder fuffzich Laufspielzüge anzusagen. Resultat: Unmassen an three’n’outs und Armut an Punkten. Cleveland scort ganze 14,6pts/Spiel, die Gesellschaft liest sich wenig illuster: Nur JAX, IND, KC, STL punkten noch seltener.

Waren im letzten Herbst noch die beiden divergierenden Pole Holmgren/Mangini als Sündenböcke ausgemacht, gilt nun plötzlich die Blutsbrüderschaft Holmgren/Shurmur als Beweis dafür, dass kohäsive Inkultur nicht immer zwangsläufig zum Erfolg führen wird. Weil dem Fachidioten (sprich: geborenen Assistenzcoach) Shurmur zunehmend adäquate Führungsqualitäten abgesprochen werden, gilt der Mann hinter vorgehaltener Hand bereits als horrende Fehlbesetzung für den Cheftrainersessel.

Aus verschiedenen Statements der Führungsriege ist herauszudeuteln, dass man auch McCoy wohl noch nicht 100%ig als „Franchise-QB“ vertraut und durchaus nicht davor zurückscheuen würde, einen solchen im kommenden April via Draft zu holen. Überhaupt McCoy: Die Statistiken lesen sich wie der Inbegriff des Mittelmaßes: 12 Spiele, 14 TD, 9 INTs, kein Spiel mit mehr als einer INT, nur sechs Spiele mit mehr als 1TD. Dass sich der Mann trotzdem wohl fühlen soll, liegt primär daran, dass der verhasste ex-OffCoord Brian Daboll sich in den sonnigen Süden verzogen hat.

Beim Studieren von Clevelands Statistiken fällt eines auf: Die Browns sind voller McCoys. Bis auf die schwache Lauf-Defense (#30 DVOA) ragt schlicht nichts Nennenswertes aus der grauen Masse des unteren NFL-Durchschnitts (Plätze 18-26) heraus. Die Defense erzwingt enorm viele Punts, aber kaum Turnovers, während der Angriff fehlerarm (wenige Turnovers), aber unexplosiv (Puntitis) auftritt.

Stimmungsbarometer in den gängigen Foren: Man hat bereits das Vertrauen verloren, dass angesichts des eklatanten Fehlens eines „Playmakers“ im Angriff mal ein großes Spiel herausflutscht, vergräbt sich in Galgenhumor und hofft auf einen herausragenden Wide Receiver oder Quarterback im kommenden NFL-Draft.

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Pittsburgh Steelers — Liebe zwischen Tradition und Moderne

Zum heutigen Nacht-Heimspiel der Pittsburgh Steelers (02h LIVE gegen Cleveland bei ESPN America/Einführung am Nachmittag) ein Gastbeitrag vom Graubündner Marc Melcher, ein Steelers-Fan, der im September mal den Spirit der Steelers live vor Ort miterleben durfte.

Heinz Field von innen

Hein Field von innen - Foto: Marc Melcher


Wir sitzen in einem Taxi und fahren vom Flughafen in Richtung Downtown. Vorbei an den Vororten, eingebettet in eine schöne, aber unscheinbare Hügellandschaft. Hinein in einen ebenso unscheinbaren, aber weniger schönen Tunnel. Am Ende dieses Tunnels erscheint – wie aus dem nichts- die Skyline von Pittsburgh. So unerwartet und so nah wie die Wolkenkratzer plötzlich vor uns auftauchen, so überwältigend ist der Anblick. Unter uns vereinen sich der Allegheny und Monongahela zum Ohio  River, vor uns das Stadtzentrum und zu unserer linken Heinz Field.  Spätestens jetzt wird uns klar, mit der Stadt die Jahrzente lang unter der Stahlindustrie ächzte, ist es vorbei. Aus Pittsburgh ist eine moderne, mittelgrosse Stadt Nordamerikas geworden. Eines aber hat sich in den letzten 75 Jahren nicht verändert. Die Liebe von Pittsburgh zu seinen Steelers.

Pittsburgh International Airport ist nicht der Nabel der Welt. Abends um acht sind die Geschäfte geschlossen, Restaurants und Cafés laden ebenfalls nicht mehr zum Verweilen ein. Das erste was dem Ankömmling um diese Zeit am Flughafen auffällt, ist die lebensgrosse Statue von Fullback Franco Harris, dem Moment nachgebildet, indem der Linebacker die Immaculate Reception – postum zur besten Szene der NFL aller Zeiten gekürt – empfangen hatte. Spätestens im Taxi wird mir klar, wie weit die Liebe zu den Steelers geht. Lenkrad, Handschuhfach, Rückspiegel und Rückenlehnen sind in black&gold gehalten. Bevor wir dem Fahrer die Destination nennen können, fragt er: „Steelers Fans“? Unser Ja zaubert ihm ein kleines, unerwartetes Lächeln auf die Lippen.

Zugegeben, eine pulsierende Stadt ist Pittsburgh nicht. Die Suche nach einer Bar haben wir schnell als hoffnungslos aufgegeben. Ein letztes Bier in der Lobby, und dann ab ins Bett – Jetlag ausschlafen.

Foto: Marc Melcher

Foto: Marc Melcher

Seahawks @ Steelers. An diesem Sonntagmorgen erwachen wir mit dieser Mischung aus Vorfreude und Nervosität, mit diesem Gefühl, nicht warten zu können bis es losgeht. Wir sind dabei nicht die einzigen. Der Frühstücksraum ist proppevoll mit Steelers Fans. Pancakes, Rühreier, Speck und Filterkaffee, danach so schnell wie möglich in Richtung Heinz Field. Lange ist der Weg nicht. 10 Minuten Fussmarsch und wir sind auf dem riesigen Parkplatz vor dem Stadion. Das Tailgating, morgens um 10 Uhr, scheinbar schon seit längerer Zeit im Gange. Da wird gegrillt, gegessen, gespielt und getrunken, was das Zeug hält. Möglicherweise habe ich mich geirrt. Pittsburgh pulsiert ja doch! Nach einem kurzen Spaziergang über das Gelände werden wir auch schon von den ersten Tailgatern angesprochen. „No Way! You guys came over from Switzerland just to see the game?“ Der Typ, Amerikaner mittleren Alters, übergewichtig und mit einem grauen, leicht schmutzigen T-Shirt scheint über unseren weiten Weg derart erfreut, dass er uns gleich zu seinen „Buddies“ erklärt. Irgendwann höre ich auf zu zählen, wie vielen Personen wir an diesem Morgen vorgestellt werden,  wie viele Hot Dogs und wie viele Dosen Bier wir angeboten bekommen – nicht das wir die Angebote ablehnen würden.

Polamalu Leibchen

Foto: Marc Melcher

Unser neuer Freund beginnt zu erzählen. Von den Freitagen, wenn Bankangestellte Steelers Trikots anstatt Anzügen tragen dürfen. Von den guten alten Zeiten im Three Rivers Stadium. Wo man noch hingegangen sei, um Football zu sehen, ganz ohne jegliche Werbung. Ein alter Eingang stehe noch, unten am Fluss. Hier wo jetzt ein Parkplatz ist, habe Franco Harris damals noch gespielt. Nur eines, so scheint mir, hat sich in den letzten 75 Jahren wirklich nicht geändert. Die Liebe dieser Menschen zu den Steelers.

E-Mail Adressen ausgetauscht, versprochen nächste Saison wiederzukommen und ab ins Stadion. Sechs grosse Lombardi Trophies sind das erste was uns innerhalb von Heinz Field begegnet. Im „Bauch“ dieser grossen Pokale stehen die wahren Lombardi Trophies. Je 3,5 Kilogramm Sterlingsilber, die Pittsburgh am Leben zu erhalten scheinen, ihre Bewohner träumen und lieben lassen. Sie hoch tragen, aber auch tief fallen lassen können. „Those are quite mondays in town, when the Steelers lose“, betonte unser neuer Freund vorhin.

Pittsburgh Three Rivers

Foto: Marc Melcher

Wer wissen will, wie ruhig 65 000 Menschen am selben Ort sein können, muss sich anschauen wie Ben Roethlisberger zu Boden geht und liegenbleibt. Die Sekunden scheinen endlos. Ben rührt sich nicht, die Fans geschockt. Hände vor den Gesichtern oder nervös auf Terrible Towels rumkauend wird gewartet. Doch Ben wäre nicht Ben, wenn er nicht kurz darauf wieder aufstehen und weiterspielen würde. Die weitere Geschichte des Spiels ist schnell erzählt. Es war nicht das stimmungsvollste, es war nicht das spannendste Spiel und es war auch nicht der schönste Football. Die Seahawks gingen förmlich unter.

Dennoch war es mehr, als ich mir vorgestellt habe. Wenn ich heute das Terrible Towel in meiner Wohnung betrachte, kann ich sie bis hierher spüren. Wenn ich an die Menschen in Pittsburgh denke, die auch am Montag noch black&gold gekleidet waren. Wenn ich an all die Gastfreundschaft, die wir beim Tailgating erlebt haben und an die Unterhaltungen zurückdenke, spüre ich sie. Und wenn es endlich wieder Sonntag ist und NFL Network startet, flammt sie von neuem auf. Die Liebe zu den Pittsburgh Steelers.