Glaskugel 2012: Pittsburgh Steelers

Eigentlich könnte man für die Pittsburgh Steelers jedes Jahr die gleiche Vorschau schreiben: super Defense, toller Ben, schlechte O-Line – mindestens Playoffs. Die letzte große Veränderung gab es 2006, als der damals 34-jährige Mike Tomlin, vormals DBs Coach der Bucs und DC der Vikings, den Cheftrainerposten vom ewigen Bill Cowher übernahm. Tomlin ist nach Cowher und Chuck Noll erst der dritte Head Coach der Steelers seit 1969. Das wird er auch erstmal bleiben, erst in den letzten Tagen hat Tomlin seinen Vertrag bis 2016 verlängert.

Überhaupt ist die Geschichte der Steelers eine Geschichte der Kontinuität. Seit Jahren und Jahrzehnten ist das personell management wie aus dem Lehrbuch: building through the draft. Gerade die Spieler aus den Runden zwei bis fünf werden in steter Regelmäßigkeit ab ihrem zweiten oder dritten Jahr Stammspieler und Leistungsträger. GM Kevin Colbert schafft es Jahr für Jahr, eine Mannschaft zusammenzustellen, die um den Super Bowl mitspielt.

Defense

In der Defense ist eigentlich alles so wie immer. Die D-Line ist groß, dick und namenlos; die Linebackers sind sehr smart und noch viel aggressiver, manchmal auch andersrum; CB Ike Taylor macht eine Seitenlinie dicht und den Rest übernimmt Safety Troy Polamalu. Orchestriert wird das ganze seit gefühlt 1963 von DC Dick LeBeau.

Einige kleinere personelle Änderungen auf der defensiven Seite gibt es aber doch. Altersbedingt hängen DE Aaron Smith und LB James Farrior ihre Pads für immer in den Spind; leistungsbedingt wurde CB Bryant McFadden vor die Tür gesetzt und geldbedingt hat Nr.2-CB William Gay in Arizona unterschrieben.

Schedule

Wk1 @ DEN (SNF)
Wk2 v NYJ
Wk3 @ OAK
Wk4 BYE
Wk5 v PHI
Wk6 @ TEN (TNF)
Wk7 @ CIN (SNF)
Wk8 v WAS
Wk9 @ NYG
Wk10 v KC (MNF)
Wk11 v BAL (SNF)
Wk12 @ CLE
Wk13 @ BAL
Wk14 v SD
Wk15 @ DAL
Wk16 v CIN
Wk17 v CLE

Für alle vier wurde die Nachfolge aber bereits in-house geregelt – wie das bei den Steelers eben so üblich ist. Um Smiths Nachfolge balgen sich zwei 1st-rd pick: Ziggy Hood (2009) und Cam Heyward (2011). Hood konnte bis jetzt noch nicht sonderlich überzeugen und Heyward hatte nach fehlenden OTAs und richtigem Trainings Camp letztes Jahr auch so seine Schwierigkeiten, sofort durchzustarten. Das sollte aber vor allem im Falle Heyward nicht viel heißen, die meisten jungen Steelers starten nicht sofort voll durch.

So ist man dann in Pittsburgh auch gar nicht so traurig, daß Gay und McFadden nicht mehr dabei sind. Mit Keenan Lewis (3rd-rd 2009), Curtis Brown (3rd-rd 2011) und Cortez Allen (4th-rd 2011) sind drei vielversprechende Jungspunde im Kader, von denen man viel erwartet. Starter neben Taylor soll Lewis werden.

Farrior wird jetzt in Vollzeit von Larry Foote ersetzt, der mit seinem Nebenmann Lawrence Timmons auch die Aufgabe haben wird, den in der dritten Runde gedrafteten Sean Spence einzulernen.

Umgeben sind Foote/Timmons immer noch vom besten OLB-Duo der Welt. Ohne Diskussion. James Harrison und LaMarr Woodley haben hinter sich auch zwei talentierte Nachwuchskräfte, die sich ihre Sporen verdienen wollen. Jason Worilds (2nd-rd pick 2010) und Chris Carter (5th-rd pick 2011) machen sich noch zwei, drei Jahre warm, bis der 34-jährige Harrison dann mal abtritt.

So hat Pittsburgh auf so gut wie allen Positionen talentierte junge Leute, die ganz old-school mäßig erstmal zwei, drei Jahre alles von der Pike auf lernen und dann die Altvorderen ablösen.

Immer wieder taucht das Gerede von “ach-zu-alte-Defense-Pittsburgh” auf, aber wenn man sich das mal genau beguckt, stimmt das gar nicht. In der D-Line kommen Heyward und Hood; dazu noch der diesjährige 4th-rd pick Alameda Ta´amu, der Casey Hampton ablösen wird. Timmons und Woodley wurden erst 2007 gedraftet und für die beiden anderen LB-Spots – die ja erstmal noch hervorragend besetzt sind – sind auch schon Nachfolger im Kader. In der Secondary sind drei sehr junge Cornerbacks, in die viel Vertrauen gesetzt wird. Viel besser geht langfristiges Teambuilding gar nicht.

Offense

In der Offense sind zwei Veränderungen zu beobachten. Zum einen wurde der langjährige Offensive Coordinator Bruce Arians unter mysteriösen Umständen gegangen – sehr zur Verärgerung von QB Ben Roethlisberger. Der muß sich jetzt mit dem im persönlichen Umgang nicht immer sehr einfachen Todd Haley arrangieren. Zum anderen haben sich die Steelers in den letzten zwei, drei Jahren ganz heimlich, still und leise eine junge, talentierte Offensive Line zusammengestellt, die für erhebliche Überraschungen sorgen könnte.

Fangen wir mit der Offensive Line an. Auch hier sieht man deutlich das langfristige Konzept – und vielleicht sogar schon dieses Jahr erste Ergebnisse. Nach Jahren unterirdischer Leistungen von alten, kaputten Männern könnten dieses Jahr vier hungrige Typen in der Linie stehen, die allesamt jünger als 25 Jahre sind und alle 1st- bzw. 2nd-rd picks waren.

In der Mitte snapt Maurkice Pouncey. Der 1st-rd pick 2010 ist zwar nach wie vor overhyped, aber trotzdem ein guter Center. Der letztjährige 2nd-rd pick Marcus Gilbert hat schon als Rookie eine gute Figur als RT gemacht und sollte nur noch besser werden. Der ehemalige RT Willie Colon, der in den letzten beiden Jahren verletzungsbedingt kaum gespielt hat, soll einen Guard geben, während der diesjährige 1st-rd pick David DeCastro die andere Guard-Positionen übernehmen wird. Um den Posten als Left Tackle streiten sich der diesjährige 2nd-rd pick Mike Adams und der altbekannte Max Starks. Als back-ups für die gesamte Linie stehen daneben noch die genauso altbekannten Trai Essex, Doug Legurksy und Ramon Foster bereit.

Insgesamt also eine deutliche Verbesserung gegenüber den letzten Jahren mit noch rosigeren Aussichten für die Zukunft. Die andere Veränderung gibts auf dem Posten des Offensive Coordinators.

Exkurs Todd Haley

Haley, der neue OC, ist ein seltsamer Typ. Er selbst hat nie Football gespielt, sondern Golf – und das auch einigermaßen erfolgreich. Aufgrund einer Rückenverletzung reichte es aber nicht für die PGA Tour. Nun war aber sein Vater, Dick Haley, eine große Nummer in der NFL. 20 Jahre lang war Dick Director of Player Personnel der Pittsburgh Steelers und ab 1991 für 12 Jahre in gleicher Position bei den Jets.

Dort heuerte Todd 1995 im Scouting Department an. 1997 übernahm Bill Parcells die Jets und war vom jungen Haley so begeistert, daß er ihn gleich in seinen Trainerstab übernahm. Haley begann als Quality Control Coach und wurde später Wide Receivers Coach. In beiden Position arbeitete er sehr eng mit Offensive Coordinator Charlie Weis zusammen. (Überhaupt war der Kern der späteren Patriots-Bagage damals unter Parcells zusammen bei den Jets: Bill Belichick, Romeo Crennel, Weis, Eric Mangini, Scott Pioli)

Nach einem dreijährigen Intermezzo als WR-Coach bei den Bears dachte Parcells sofort an seinen jungen Assistenten, als er die Dallas Cowboys übernahm. Dort war Haley von 2004 bis 2006 Passing Game Coordinator und WR Coach, machte aus dem ungedrafteten Tony Romo einen guten Quarterback und mußte die Diven Terrell Owens und Terry Glenn bei Laune halten. Manchmal hat er sie auch einfach öffentlich zusammengestaucht.

So hat er es dann auch 2007 und 2008 als OC der Arizona Cardinals mit Anquan Boldin gemacht. Allerdings so erfolgreich, daß er die Cards-Offense um Kurt Warner, Larry Fitzgerald und Boldin zu einer der aufregendsten der ganzen Liga gemacht hat und sogar ganz kurz vor dem Super-Bowl-Sieg stand.

Arizonas Cheftrainer zu diesem Zeitpunkt war Ken Whisenhunt, der nicht nur Vorgänger von Arians als Pittsburghs OC war, sondern 1991 von Dick Haley als Tight End für die Jets verpflichtet wurde. So ist das in der NFL.

2008 verpflichtete Pioli, nun GM der Kansas City Chiefs, Haley als HC. Schon von Anfang an gab es Spannungen innerhalb der Mannschaft und des Trainerstabes. So wurde OC Chan Gailey noch während des ersten Training Camps entlassen. Sportlich allerdings ging es aufwärts und im zweiten Jahr gar in die Playoffs. 2010 stand schließlich unter keinem guten Stern, als die drei besten Spieler – RB Jamal Charles, TE Tony Moeaki und S Eric Berry – mit schweren Verletzungen das gesamte Jahr über nur zuschauen konnte. Mit einer 5-8-Bilanz und vielen Gerüchten um Egomanie, Hybris und paranoid überall vermuteter Illoyalität mußte Haley gehen.

Passing Game & Running Game

Kurz zusammengefaßt: Haleys Einflüsse als Play Caller umfassen vor allem Parcells, Weis und Whisenhunt. So ist es auch kein Wunder, daß die Chiefs eines der lauflastigsten Teams der Liga waren. Aber ebenso waren die Cards unter Haley eine der paßfreudigsten Offenses. Daß Haley extrem anpassungsfähig ist und seine Offense um die Spieler herum baut, die er hat und nicht andersrum, wird auch immer wieder als seine große Sträke beschrieben.

Mit Mike Wallace, Emmanuel Sanders und Antonio Brown findet Haley nun in Pittsburgh drei starke junge WR und mit Ben Roethlisberger einen QB, der das Ei auch gerne mal über 50 Yards schleudert. Daher sollte es da weitergehen, wo es unter Arians aufgehört hat. Also viele 3-/4-WR-sets, deutliches Übergewicht des Paßspiels und vor allem eine starke vertikale Komponente.

Monsieur Wallace ziert sich zwar derweil noch wenig, unter seinem Restricted Free Agent Tender zu spielen, aber das Problem wird früher oder später auch gelöst werden. Es ist auch auf der WR-Position auf beeindruckende Weise das gute Händchen im Draften zu sehen: Wallace war ein 3rd-rd pick (2009), Sanders ebenso (2010) und Brown ein 6th-rd pick (2010).

Das seit Jahren schon kränkelnde Running Game kränkelt auch weiterhin. Der etatmäßige Top-RB Rashard Mendenhall befindet sich noch für einige Zeit in der Reha, nachdem er sich im Januar das Kreuzband gerissen hat. Seinen Platz wird Isaac “Redzone” Redman übernehmen, der in den letzten Jahren schon erfolgreich als short yardage-back agiert hat. Dazu kommt noch Rookie Chris Rainey, ein verdammt aufregender space player á la Darren Sproles. Rainey könnte ein schönes Spielzeug für Haley werden, der mit Dexter McCluster genau so einen Typen auch schon in Kansas City hatte.

Ausblick

Also eigentlich alles so wie immer in Pittsburgh. Top-D; starkes Paßspiel um Big Ben und seine starken WRs; nur die Offensive Line sollte besser sein, als in den vergangenen Jahren. Es wird vielleicht einige Startschwierigkeiten geben mit der neuen Offense, die Haley installiert. Aber insgesamt müßte es schon mit dem Teufel zugehen, sollten die Steelers nicht um die Krone der AFC mitspielen. Es müßte Wallace bockig bleiben bis zum Sanktnimmerleinstag; es müßte Haley irgendwie eskalieren; es müßten sich Polamalu und Harrison verletzen oder Roethlisberger ausfallen. Wenn nicht, dann same procedure as every year.

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Dümmer als die Affen

Wir halten es bei den NFL-Previews für SPOX.com als Tradition, am Ende eine Saisonbilanz für die jeweilig vorgestellte Franchise zu tippen. Ich bin seit jeher kein Freund solcher Tipps, ist es doch bekannt, für wie zufällig ich den Ausgang eines Großteils der NFL-Spiele halte, aber ich beuge mich dem Gruppenzwang. Bloß: Darf ich mir am Saisonende auf die Schultern klopfen lassen, wenn die Buccaneers Anfang Jänner tatsächlich mit haar- und tippgenau sechs Saisonsiegen rausgeflogen sind?

Antwort: Nope. Ich habe auf dem deutschen Football-Weblog Football Is Sex, Baby! die Behauptung aufgestellt, ein Tippen auf den Saisonausgang sei für die NFL überflüssig, weil Lotterie, und habe dies mit einem von ungefähr zigtausend famosen Blogeinträgen von Brian Burke auf Advanced NFL Stats untermauert: Pre-Season Predictions Are Still Worthless. Ich schrieb:

[…] Des weiteren sei angemerkt, dass es keine zuverlässigen Indikatoren für eine präzise Vorhersage der Bilanz der kommenden Saison gibt. Nicht die Pythagoreische Erwartung, nicht sonstwelche Berechnungen auf Ebene der Spielzüge, nicht die Eier der Pundits im amerikanischen TV. Dafür ist in der NFL zu viel Zufall im Spiel. Zum Beispiel ist ein Affe, der alle Teams auf 8-8 tippt, im Durchschnitt ähnlich präzise (oder sogar präziser, wenn wir die Abweichung der Quadratischen Mittel (RMSE) als Kriterium hernehmen) als die aufwändig mit vielen Formeln und für gutes Geld verkauften Projektionen der Football Outsiders. […]

Zur Diskussion steht: Wie kann ich die Vergangenheit auf die Zukunft projizieren? Wie kann ich aus Zahlen schließen, mit welcher Bilanz Franchise XY in der Saison 2012/13 abschließen wird?

Burke vergleicht drei Methoden:

  1. Einfach alle Mannschaften auf 8-8 tippen.
  2. Ein Äffchen namens Koko, das für jede Mannschaft 6 Siege plus ein Viertel der Vorjahressaison tippt.
  3. Die für gutes Geld von den Football-Outsiders verkaufte Methode fortgeschrittener Statistik.

Footballissexbaby hat sich daraufhin die Mühe gemacht, die verschiedenen Methode (plus Pythagoreische Erwartung) für die vergangenen drei Saisons miteinander zu vergleichen: DVOA gegen Koko, den Affen. Ich kann vorwegnehmen: Das Resultat ist nicht rosig…


(you’re entering the stats zone)

Über Korrelationen zwischen den Saisons

Nach einer weiteren Studie von Footballissexbaby („Die Vorhersagekraft der Pythagoreischen Erwartung“) korreliert das Punkteverhältnis der vergangenen Saison mit 0.43 mit der Sieg-Niederlage-Bilanz derselben Mannschaft in der folgenden Saison.

Zum Vergleich: Die Siegbilanzen der Mannschaften korrelieren nur mit 0.36. Eine Nullkommasechsunddreißig, die sich so interpretieren lässt: Wenn die Siegbilanz von Team A in der Saison 2009 eine Standardabweichung über dem Ligadurchschnitt lag, wird die Siegbilanz in der Saison darauf (2010) 0.36 Standardabweichungen über dem Durchschnitt liegen.

Beispiel: Das durchschnittliche Team gewinnt in der NFL – völlig überraschend! – 8 Spiele. Die Standardabweichung von diesem Mittelwert liegt im Zeitraum der letzten zehn NFL-Saisonen bei 0.193 (auf 16 Spiele gerechnet 3.08 Siege). Das Testteam hat also roughly 11 Siege eingefahren (8 + 3.08). In der darauf folgenden Saison würde man von diesem Team nach besagter Theorie 9 Siege erwarten (Mittelwert von 8 plus 0.36 mal 3.08).

Persönlich bin ich ein Fan von Burkes „Efficiency Model“ (ich habe es für eigene Zwecke sogar etwas ummodelliert und ausgebaut), das nicht darauf abzielt, die Anzahl an Siegen zu tippen, sondern die wahre Stärke einer Mannschaft zu schätzen, auf Basis der kleinsten von NFL-Statistikern gemessenen Einheit: Den Spielzügen – und zwar jedem einzelnen. Jeder Mannschaft. Jedes Spiels. Der kompletten Saison. Die entsprechende Excel-Tabelle sieht… nicht nervenschonend aus. In Burkes Modell korrelieren Saison n und Saison n+1 mit 0.55, eine erhebliche Verbesserung.


Zufall in der Saisonbilanz einer Mannschaft

Mittels der Methode der Varianzabweichung lässt sich der Anteil des Roulettes auf den NFL-Spielfeldern errechnen bzw. schätzen. Ich würde sagen „schätzen“, weil eine gnadenlose Rechnung („errechnen“) implizieren würde, dass jede Mannschaft gleich gebaut ist; was ich für inkorrekt halte: Manche Teams passen besser auf andere und umgekehrt.

Wie rechnen wir?

Wir erstellen eine simple Excel-Tabelle mit den Records aller Mannschaften seit 2002 – damit haben wir eine Spanne von zehn Jahren. Wir messen die Varianz der Saisonbilanzen. Ergebnis: Sie streuen mit 0.193^2 (0.193 ist die Standardabweichung der Records, wie schon oben geschrieben).

Eine rein zufällig verteilte Footballliga würde eine Varianz von 0.125^2 aufweisen [0.5*0.5/16]. Nun lässt sich die Abweichung der imaginären, rein zufällig verteilten Liga mit der realen NFL vergleichen:

VAR (Zufallsliga) / VAR (reale NFL) = 0.125^ / 0.193^2 = 0.42

Burke hat – wie eben verlinkt – für einen anderen Zeitraum ein identisches Ergebnis errechnet: 42% der Siegbilanz einer Mannschaft kann demnach dem reinen Zufall zugeschrieben werden. Oder sagen wir: „Ungefähr“ 42%.

Die Zahl darf man aber durchaus als Hausnummer verwenden; sie deckt sich mit anderen Beobachtungen. Etwa, dass sich Spiele mit einem Score Differenz (also maximal acht Punkten) zufällig verhalten. Und pro Saison werden mehr oder weniger die Hälfte der Spiele in der Regular Season innerhalb eines Scores entschieden.


Schianos berufliche Zukunft steht auf einem Würfel

Fassen wir zusammen: Der König unter Blinden ist nicht mal einäugig. Wir haben keine Instrumente, die uns zuverlässige Prognosen für die kommende NFL-Saison liefern können. Ein Affe hat mehr oder minder die gleiche Chance, die Saison gut oder schlecht zu tippen, wie wir oder wie unsere Lebensabschnittsgefährtin, die unter „Eiern“ was anderes versteht und die ganz einfach alle Spiele auf 50/50 tippt.

Ein Grund dafür, dass wir in der NFL nur mit so geringer Präzision tippen können, ist die geringe Anzahl an Spielen, weswegen es von Jahr zu Jahr – und oft mitten in der Saison- extrem viel vom Phänomen „Regression zur Mitte“ zu erleben gibt. Eine Verlängerung der NFL-Saison um die lang und breit diskutierten zwei Spiele würde mit Sicherheit eine Besserung bringen, aber Punkt ist: Wollen wir das? Wollen wir eine längere Saison, nur um ein klein wenig vom Zufall aus dem Spiel zu boxen?

Ich nicht. Wir werden also wieder tippen und einige Tipps werden korrekt sein und einige richtig neben der Spur. Wir werden uns im Hinterher nur noch an die guten Tipps erinnern und uns stolz auf die Schultern klopfen („ich hab’s euch doch gesagt!“). Punkt ist: Wir hatten bei diesen wenigen goldrichtigen Tipps reinstes und unverfälschstestes Glück.

Wir werden im Jänner wieder vom nächsten Trainergenie Schiano fusseln, wenn die 12-4 Buccs (10-1 in engen Spielen) die NFC South gewonnen haben und vom Ende der Packer-Ära, weil Rodgers statt 1% mehr als 2% INT-Quote widerfahren und die Defense nur noch fuffzehn statt fünfhundertfunfundzwanzig Interceptions abfängt. Wir werden vergessen, wie eng die 32 Teams in ihrem Leistungsniveau beeinander liegen. Wir werden vergessen, wie viel Unsicherheit jede Spielsituation umgibt. Wir werden wieder stattdessen was von better execution und guts und clutch Eli und momentum hören und faseln.

Und ich kann es nicht erwarten.

Die NFL beginnt bald.

Noch 38 Tage.

Um noch einmal drüber nachgedacht zu haben.

Ich fühle mich scheiße.

Der Freeh-Report zeichnet an einigen Stellen horrende Bilder vom Wesen an der Pennsylvania State University. Einfaches Putzpersonal traute sich nicht, das abscheulichste denkbare Verbrechen, sexuellen Missbrauch von Kindern, zu melden, weil Football die Universität regierte. Weil Paterno ein Gott war. Weil Football Penn State war.

Dieses Blütenweiß, dieses wunderschöne, einzigartige, riesige Stadion in College Station, irgendwo im Nirgendwo im Bundesstaate Pennsylvania, dem man heute ansieht, wie hier in runden fuffzich Jahren etwas gewachsen ist, dieser alte Mann Mitte 80 und seit drei Generationen am Ruder – für mich war das jahrelang bewundernswert. Nun fühle ich mich naiv. Dass Paterno sportlich dem Programm nicht mehr zu helfen vermochte, konnte jeder sehen. Dass eine Galionsfigur wie Paterno für den College Football aber etwas Gutes stellte, war für mich auch stets klar. Weil es das sonst nirgendwo gibt.

Stellte sich aber heraus, dass dieser Schein trügte. Ein Schein, dem auch ich unkritisch verfallen war.

In mir hatte sich über die Jahre der Eindruck verfestigt, dass Paterno über den anderen stehe. Es gibt Gestalten (anders: Head Coaches) an den Seitenlinien, denen ich in ihrem Streben nach Allmacht und ihrer Selbstzentrik einiges zugetraut hätte. Nicht so Paterno. Das Grand Experiment hatte für mich irgendwo separat – und über den anderen – gestanden, trotz einiger Indizien, die man nun – mit dem Wissen um Sandusky und die Führungskultur bei Penn State – in der Retrospektive anders interpretieren würde. Das Kartenhaus ist erst jetzt zusammengefallen. Die Augen wurden mir erst jetzt geöffnet.

Das tut mir leid. Sehr, sehr leid sogar.

NFL-Franchises im Kurzporträt, #17: Carolina Panthers

Trotz einer noch sehr kurzen Geschichte haben die Carolina Panthers schon vieles durchgemacht – vom Topteam zum Bodensatz und am Ende einen Kick vom Superbowl-Titel entfernt.

Die Kätzchen schlüpfen

Die NFL vergab Mitte der 90er zwei neue Plätze – Jaguars und Panthers entschlüpften. Für Carolina und seinen Owner Jerry Richardson (ein ehemaliger NFL-Profi) sprach vor allem die Tatsache der riesigen Begeisterung (besser: das viele Geld) in der Region um Charlotte. Man wollte das Stadion per Verkauf von Sitz-Lizensen bezahlen. Noch am ersten Tag waren alle Lizenzen verkauft – BEVOR überhaupt die Sicherheit da war, dass Carolina eine Footballmannschaft bekommen würde.

Erster Aufstieg

Unter Coach Dom Capers waren die Panthers dank Free Agency und guter Einkäufe schnell erfolgreich – schon im zweiten Jahr stand man wie die parallel gegründeten Kollegen in Jacksonville im Conference Finale, verlor gegen die Packers. Der schnelle Aufstieg dank teurer Free Agents resultierte aber in einem ebenso schnellen Abstieg: Aufgrund fehlender Weitsichtigkeit wurden die Panthers in den nächsten Jahren immer schlechter, auch, weil das QB-Talent Kerry Collins mit Alkoholproblemen zu kämpfen hatte. Collins verschlug es zu Trekking-Touren nach Europa, während die Panthers Capers feuerten und den ehemaligen Superbowl-Coach George Seifert einstellten, der auch nur kurzfristigen Aufschwung bringen konnte.

Fall und Wiederaufstieg

Der Aufstieg war rasant – der Abstieg auch. 2001 verlor man unter Seifert nach Auftaktsieg sämtliche weiteren Spiele und war mit 1-15 Bodensatz der NFL. Das Management hatte den Mut, den gestandenen Coach abzusägen und installierte mit John Fox den Defensive Coordinator der New York Giants.

Fox baute sich innerhalb kürzester Zeit seine Mannschaft zusammen und hatte kurz nach Amsantritt eine Defensive Line, die noch heute für Gänsehaut sorgt: DE Julius Peppers, DT Kris Jenkins, DT Brentson Buckner, DE Mike Rucker. Die Fox’sche Philosophie lautet: Stoppe den Lauf und laufe selbst. Auftritt Stephen Davis. Gemeinsam mit QB Jake Delhomme spielten sich die Panthers im Herbst 2003 dank haufenweise spektakulär knapper Siege (u.a. geblockte PATs in der letzten Spielsekunde, Comebacksiege 16sek vor Schluss, fünf Overtimes) in die Playoffs.

Das Playoffspiel bei den Rams gehört zu meinen absoluten Favoriten. Ich saß schweißnass im Zimmer. Müde, erschöpft. Zweifache Overtime und Carolina gewann im fünftlängsten Spiel der Ligageschichte beim hohen Favoriten 29-23.

Drei Wochen später eine knappe Niederlage dank gegnerischem Field Goal in letzter Sekunde in einer abenteuerlichen Super Bowl. 29-32 gegen New England, und seit diesem Tag hoffe ich, dass die Panthers in absehbarer Zeit mal den verdienten Titel holen. Wenn nötig, dann mit QB Newton.

Die Jahre danach verliefen wechselhaft – messbar auch an den schwankenden Leistungen Delhommes. 2005 scheiterte man im NFC-Finale, 2008 nach einer brillanten Regular Season im ersten Playoffspiel. Jeweils schwache Auftritte Delhommes. Die Schwächen von Fox‘ Spielidee, nämlich mit einem auf Fehlerminimierung bedachten QB, viel Lauf und viel Defense zum Erfolg zu kommen, wurden nun in dem Moment offenbar, in dem der geforderte Quarterback Delhomme sein nervöses Abzugshändchen offenbarte.

Nach einem selten schlechten Jahr 2010/11 ist die RivEra angebrochen und mit dem überraschend vielversprechenden QB-Talent Cameron Newton wenigstens die Hoffnung nach Charlotte zurückgekehrt.

The Vault

Bank of America Stadium

Bank of America Stadium

Die Panthers tragen ihre Heimspiele im in den 90ern gebauten, seelenlosen Bank of America Stadium (Spitzname: „The Vault“) aus (ca. 70.000 Plätze) – vor allem die Fans wären mir ein Dorn im Auge: Bei Rückständen fliehen sie gefühlt noch früher als andernorts, oder buhen ihre Mannschaft gnadenlos in Grund und Boden.

Rivalitäten

Hitzigste Rivalität ist jene mit den Tampa Bay Buccaneers, die zirka in den Jahren 2003, 2004 begründet wurde, damals mit zwei bärenstarken, aber unterschiedlich gepolten Defenses und teilweise Schlägereien nach jedem Spielzug.

Auch NFC-South-Gegner Atlanta haben die Panthers schon zum Rivalen „gewonnen“. Atlanta, weil a) die beiden Heimatstädte Charlotte und Atlanta sich nicht grün sind, b) die Wege zum jeweiligen Auswärtsspielort nicht die allerweitesten sind und c) die Panthers jahrelang ihre Probleme mit Michael Vick hatten.

Ansonsten könnte man nur noch die Dallas Cowboys nennen, gegen die Carolina in der Regular Season praktisch immer verliert, die sie aber in beiden Playoffspielen bislang geputzt haben, beide Male auf dem Weg ins NFC-Finale.

Gesichter der Franchise

  • Julius Peppers – DE, und bisher bester Spieler der Franchise. Peppers war in seiner Blütezeit so gut, dass bis heute im NFL-Draft jede Franchise ihre Fühler nach ähnlich athletischen Abwehrspielern ausstreckt.
  • Kris Jenkins – DT und kritischer Geist. Jenkins war leider zu häufig verletzt und hatte bei den Panthers und Jets jeweils zu kurze Hochphasen, ist aber vermutlich der beste Defensive Tackle, den ich bisher in der NFL habe spielen sehen.
  • John Fox – Head Coach, Mastermind einer Top-Defense und um ein Haar Superbowl-Champ.
  • Steve Smith – der Super-Zwerg. Der wunderbare Superbowl-Touchdown gegen die Patriots ist noch im Gedächtnis, wie auch die sensationelle Vorstellung in den Playoffs 2005/06 bei den Bears. Überhaupt dürfte Smiths 2005/06er Saison eine der großartigsten aller Zeiten für Wide Receivers sein.
  • Jake Delhomme – ich habe Delhomme gemocht, weil er zwar kein Gunslinger war, aber immer wieder diese inspirierenden Momente hatte. Die beiden Playoff-Pleiten in Seattle und gegen Arizona waren verheerende Spiele, aber abseits davon wird mir Delhommes Karriere heute zu schlecht geredet.

korsakoffs Highlight

Playoffspiel 2003/04 gegen die Rams – Die drei Wochen darauf folgende Superbowl war auch spektakulär, aber das Playoffspiel bei den Rams war instant classic. Bizarre Touchdowns, fantastische Interceptions, verschossene Fieldgoals, eine immer wieder stockende RedZone-Offense der Rams – Gefühlswellentäler und ein völlig unerwarteter Außenseitersieg in der zweiten Overtime. Ein Spiel, für das es sich lohnt, drei Monate nur Graupenspiele serviert zu bekommen – und here you get the Highlights:

Eckdaten

Gegründet: 1995
Besitzer: Jerry Richardson (ehemaliger NFL-Profi) zu 48%
Division: NFC South
Erfolge: Superbowl-Verlierer 2003, 4x Playoffs (6-4)

Von Tanier zu Posnanski

Nächster Wechsel bei den Football Outsiders. Diesmal ist es Mike Tanier, der zum in Kürze startenden Projekt Sports on Earth (von USA Today und MLB Advanced Media) wechseln wird. Mike Tanier schrieb jahrelang die unterhaltsame Kolumne „Walkthrough“ und der Abgang ist für einen FO-Leser seit 2005 wie der Verlust eines guten Bekannten. Es war auch die FO-Kolumne, die sich nicht so sehr durch Zahlen, dafür durch großartige Schreibe auszeichnete. Mein favorisierter Eintrag Taniers wird wohl auf alle Zeiten die Hymne auf Steve McNair bleiben: Remembering Steve McNair.

Tanier wechselt wie gesagt zu Sports on Earth (das SOE-Blog ist schon online) – das Projekt, das auch den ebenso großartigen Schreiber Joe Posnanski dazu veranlasste, die renommierte Sports Illustrated nach kurzer Zeit schon wieder zu verlassen. Posnanski ist aktuell in den US-Schlagzeilen, weil er eine Biographie über den gestürzten Starcoach von Penn State, Joe Paterno, veröffentlichen wird – eine Biographie, die ursprünglich nicht vor Jahresende raus gehen sollte, aber unter Druck auf August 2012 vorverlegt wurde.

Nun sickern immer mehr Meldungen durch, die Paternos Schweigen (bzw. aktive Vertuschung) im Falle „Sandusky“ als harmlose Episode darstellen – für Posnanski eine Gratwanderung und ein möglicher Verlust von Kübeln an Reputation. Wie heikel die Thematik ist, sieht man daran, dass Sports Illustrated sich im Juni weigerte, ein Exzerpt aus der Paterno-Biographie zu veröffentlichen – und das war vor dem Freeh-Report.

NFL-Franchises im Kurzporträt, #16: San Diego Chargers

Pleiten, Pech und Pannen unter Palmen… oder so. Ein paar der größten Spieler aller Zeiten haben in San Diego gewirkt. Erfolge hat die Franchise indes kaum vorzuweisen.

Erste Stromschläge

Gegründet 1959 als Los Angeles Chargers, ist die Franchise schnell nach San Diego runtergezogen und spielte fortan ein Jahrzehnt in der American Football League. Einmal reichte es dabei sogar zum Titel – 1963 in einem lächerlichen Endspielkantersieg über New England. Allerdings waren die „Football unter Palmen“-Chargers schon immer eher die Schönwetterspieler und absolvierten immer periodisch eine gute und dann wieder 2-3 schlechte Jahre.

Die Jahre von „Air Coryell“

Ab Mitte der 70er quarterbackte der Kalifornier Dan Fouts die Chargers und mit Beginn der 80er war man ein hoch respektiertes Team, das allerdings zweimal das AFC-Finale verlor. Diese Jahre sind in den NFL-Annalen als die Jahre der spektakulären, vertikalen Offense „Air Coryell“ verankert, eine für die damalige Zeit revolutionäre Offense mit starker Einbindung des Tight Ends Kellen Winslow sr. – Vorläufer der von Joe Gibbs, Norv Turner oder Mike Martz veranstalteten Angriffsspektakel.

Vor allem die 81er-Mannschaft lieferte zwei ganz nette Anekdoten für die Footballhistorie – zuerst mit einer gewonnenen, spektakulären Offensivschlacht in Miami. Und dann mit dem AFC-Finale.

Es war ein lauer Vorfühlingstag bitterbitterkalter Abend in Cincinnati, so kalt, ich höre Echo des klirrenden Fensterscheiben immer noch. Gemütliche -22°C bei Windstille und Windchill -50°Celsius.

Minus fuffzich.

Ich musste mal bei -24° (Windchill nicht reingerechnet) zehn-zwölf Minuten sturmbedingt auf einem Skilift ausharren. Ich kann garantieren, dass das nicht so angenehm ist (hint: schamlose Untertreibung). Wer da ohne Handschuhe Football spielt oder mit Handschuhen auf der Tribüne sitzt, hat einen Knicks in der linken Gehirnhälfte. San Diego ging 7-27 „baden“.

Danach war man jahrelang ein eher verspottetes Team, bis 1992 Bobby Ross neuer Head Coach wurde und nach einem Fehlstart innerhalb weniger Jahre um den legendären Linebacker Junior Seau eine höheren Ansprüchen genügende Mannschaft baute. Dass die AFC eine schwache Conference war – geschenkt. 1994 wurstelte man sich sogar bis in die Super Bowl durch. Ergebnis: Eine verheerende Schlappe gegen San Francisco, und nur deshalb 23-Punkte-Niederlage, weil die 49ers auf halbem Weg keine Lust mehr hatten.

Der Aufschwung war nur von kurzer Dauer. San Diego begab sich in der Folge wieder in die kuscheligen Niederungen der AFC West. Unglaublich: Schon jetzt sind acht (!) Mitglieder der Superbowl-Mannschaft der Chargers gestorben. Und es sind bizarre Tode: Selbstmorde (Junior Seau), Blitzeinschläge, Flugzeugabstürze – letzterer betraf einen besonders gruseliger Fall in die Everglades, die Sümpfe Floridas. Über Flug ValuJet 592, den Absturz und die Suchaktion danach, habe ich mal eine Dokumentation gesehen, ich werde noch heute beim Gedanken daran vom Schauer übermannt.

Talentvergeudung at its worst

1998 hatte man im Draft die zweite Wahl und holte QB Ryan Leaf. Leaf galt als so gut wie der direkt vor ihm genommene Peyton Manning. Resultat: Manning gilt heute als einer der besten QBs ever. Leaf gilt als einer der größten Flops ever, verscherzte es sich mit alles und jedem und machte nur noch als Modelficker und Drogendealer Schlagzeilen.

Der Flop Leaf führte auch dazu, dass die besten Jahre des kurz danach geholten RB LaDainian Tomlinson einfach verschenkt wurden, da der QB Drew Brees zu lange brauchte, um sich zu entwickeln und seine Blütezeit dann woanders erlebte. San Diego hatte so schlechtes Ansehen, dass 2004 der von den Chargers auserwählte Eli Manning fast Rotz und Wasser heulte, als ihn S.D. an #1 draftete.

Marty Schottenheimer coachte San Diego aber immerhin zu respektablen Saisons – 2006/07 war man das beste Team der NFL, nur um das erste Playoffspiel daheim zu vergeigen. Seither coacht Norv Turner. Resultat: Fast jedes Jahr starten die Bolts katastrophal, erreichen dann dank Kraftakt die Post Season, gewinnen dort ein Spiel und fliegen dann raus. QB Philip Rivers gehört zu den besten, aber das Fenster des Erfolgs schließt sich langsam.

QUALCOMM Stadium

Qualcomm Stadium

Qualcomm Stadium

San Diegos Footballstadion hat gewaltige Ausmaße für seine 67.000 Plätze, gilt aber trotz seiner wehenden Fähnchen und FootballunterPalmen-Image als langweilig und veraltet. Im vergangenen Winter war das Stadion sogar mal überflutet. Lange spielen die Chargers nicht mehr hier.

Rivalitäten

Die ganz großen Rivalitäten haben die Chargers nicht entwickelt. Selbst in den klassischen Auseinander-„Fetzungen“ der AFC West ist man eher der Außenseiter. Am ehesten waren in den vergangenen Jahren die Denver Broncos der größte Konkurrent, wenn auch „nur“ sportlicher Natur. Diverse Playoffgeschichten lieferte man im abgelaufenen Jahrzehnt mit Jets, Patriots und Colts, aber von einer echten Rivalität zu sprechen, wäre glaube ich vermessen.

Gesichter der Franchise

  • Dan Fouts – QB mit tiefsten Bomben Anfang der 80er, als die Chargers ihre erste Glanzzeit hatten.
  • Junior Seau – LB. Legendärer Linebacker und der Star schlechthin der Chargers in den 90ern. Nahm sich vor wenigen Wochen das Leben und dürfte posthum in die Hall of Fame gewählt werden.
  • Rodney Harrison – SS. Lange Zeit ein Idol in San Diego, ehe er dann in New England zwei Superbowls holte und einen dritten knapp verpasste – weil sein Gegenspieler den Ball mit dem Helm fing.
  • Ryan Leaf – QB und legendärer Bust im 1998er-Draft. Ich finde es ja witzig, dass sämtliche Pundits auf die Chargers und den Leaf-Pick als kolossale Dummheit so einprügeln, nachdem es vor dem Draft Konsens gewesen war, dass Leaf die #2 locker wert sei. Klassischer Fall von hindsight bias.
  • LaDainian Tomlinson – RB. Gilt als einer der besten Running Backs aller Zeiten. Persönlichkeit mit Klasse, deren sportliche Höchstleistungen in San Diego aufgrund zahlreicher anderweitiger Probleme regelrecht verschenkt wurden.
  • Philip Rivers – QB. Spielt noch nicht lange, darf aber als einer der erfolgreichsten Luftjäger angesehen werden.

korsakoffs Highlight

Playoffspiel 2006/07 gegen die Patriots – Marty Schottenheimer at his best. San Diego dominierte nach Strich und Faden und hätte die Patriots zur Halbzeit unter der Erde haben müssen. Aber als Brady innerhalb von Sekunden einen rattenscharfen Drive das Spielfeld hinunterorchestierte, war klar: Die Patriots bleiben im Spiel. Schlussviertel, Brady auf der Suche nach dem Comeback: Interception der Defense, Spiel AUS…

Wait! Der Verteidiger McCree mit dem Fumble beim Return, der das Spiel gewinnen muss (!!!). Brady kriegt die zweite Chance, gleicht aus, dreht Minuten später die Partie und mit auslaufender Uhr verschießen die Chargers das Field Goal und verlieren als deutlich besseres, aber weniger abgewichstes Team daheim 21-24, trotz Acht-Punkte-Führung und Interception.

Eckdaten

Gegründet: 1959
Besitzer: Alex Spanos (Immobilien)
Division: AFC West
Erfolge: Superbowl-Verlierer 1994, AFL-Champion 1963, 17x Playoffs (10-16)

NFL 2012 bei SPOX: Tampa Bay Buccaneers Vorschau

Verweis in eigener Sache: Nach einiger Zeit bin ich mal wieder an alte Stätte zurückgekehrt und habe im Rahmen der SPOX.com-Vorschau auf die NFL-Saison 2012/13 meinen ersten Beitrag geleistet: Die Saisonvorschau auf die Tampa Bay Buccaneers. Alle SPOX-Vorschaueinträge kann man unter diesem Link finden.

Einfach… unglaublich

Als Kind hatte ich einen Film über Wyatt Earp gesehen und war dann jahrelang überzeugt von einer Kinofigur ausgegangen. Wyatt Earp lieferte sich in seinem Leben Zilliarden von Schießduellen und Schusswechseln, wurde dann aber über 80 Jahre, und das, ohne jemals einen Kratzer abbekommen zu haben. Eine Filmgeschichte. Stimmt… nicht wirklich. Wyatt Earp lebte tatsächlich – und weil seine Geschichte so fassungslos unglaublich ist, ist Wyatt Earp Filmmaterial geworden.

Vor wenigen Wochen las ich von einer unglaublichen Serie in einem Casino in Nevada, wo im Roulette die Serie hingelegt wurde, von der ich schon seit Kleinkindzeiten träume: Sieben Mal in Serie die 19 gelocht. Die Wahrscheinlichkeit dazu liegt bei 1 zu 114 Milliarden.

Bar in Downtown Melbourne. Am Tisch gegenüber hockt ein bekanntes Gesicht. Wir haben uns seit Jahren nicht gesehen, aber der Junge aus dem Nachbardorf, dessen Bruder mit mir in der Schulbank saß… es ist tatsächlich er. Unchlaublich.

Oder?

Das schwer greifbare Gesetz der kleinen Wahrscheinlichkeiten besagt, dass alles passieren kann, wenn man nur hinreichend Versuche startet. Sieben Mal in Serie die 19 lochen – datt iss genauso wahrscheinlich, wie die Serie 9-3-4-22-36-18-34. Oder anders: Bei dem Pensum in den Casinos mit ihren endlosen Rouletteserien sollte 19-19-19-19-19-19-19 alle 15 Monate vorkommen. Das, und warum Aaron Rodgers’ furchtbare Bilanz im vierten Viertel auch reiner Zufall sein könnte, können wir bei Chase Stuart/Football Perspective nachlesen: Der Wyatt Earp Effekt.

Die Thematik fügt sich nahtlos in weitere Phänomene ein, die unser Hirn nur schwer begreifen will. Wie die sprichwörtlichen Fantillionen Affen, wo bei einem irgendwann das Äquivalent zu Romeo und Julia herausspringen wird, wenn sie nur lange genug auf den Schreibmaschinen tanzen dürfen. Oder beachten Sie eintausend zufällige Finanzjongleure auf der Börse. Allesamt schlechter als der Durchschnitt. Allesamt mit 40% Leistungsstärke. Nach Jahr eins werden die schlechten aussortiert. 400 von eintausend bleiben übrig und dürfen weitermachen. Same procedure im zweiten Jahr. Diesmal bleiben noch 160 übrig. 240 werden aussortiert. Nach Jahr drei sind noch vierundsechzig Leute übrig, nach Jahr vier noch fünfundzwanzig. Nach dem fünften Jahr sind genau zehn Leute noch mit auf der Party. Zehn Leute, die es gepackt haben. Zehn Leute, allesame schlechter als der Durchschnitt. Nach oben gespült rein vom Gesetz der Wahrscheinlichkeiten. Es schaffen nicht immer die Besten. Die Besten können auch einfach Pech gehabt haben. Vielleicht schafft das beste Team der NFL im Jänner nichtmal den Einzug in die Playoffs.

Beachten Sie zumindest die Möglichkeit dessen.

NFL-Franchises im Kurzporträt, #15: Dallas Cowboys

America‘s Team, einer der teuersten Sport-„Vereine“ der Welt (ca. 1,3 Mrd. Euro), ist bei genauerer Betrachtung eher etwas anderes geworden: Jerry Jones’ Spielzeugwiese. Es ist die Geschichte eines Besitzers, der Idole, langjährige Freundschaften, haufenweise Moneten gegen eines eingetauscht hat: Seine Liebe zu einer Franchise, die andere groß gemacht haben – und die er auf den Gipfel hob.

Steers? Rangers? Cowboys!

Die AFL war Ende der 50er grade im Begriff zu entstehen, nachdem die NFL Lamar Hunt die Gründung einer Footballmannschaft in Dallas verweigert hatte. Hunt gründete daraufhin die Dallas Texans und mit der AFL eine neue Football-Liga und zwang die NFL zum Umdenken. Noch im Jänner 1960 vergab die NFL eine Lizenz für eine Footballmannschaft in Dallas. Nach Monaten entschied man sich dafür, die Mannschaft Cowboys zu taufen, anstelle von Steers oder Rangers. Cowboys. Texanisch eben.

Der Sprinter und die Ringe

Nach dem Präsidentenmord von Dallas trugen die Cowboys ab Mitte der 60er erheblich dazu bei, das Selbstvertrauen der Stadt wieder aufzupolieren. Head Coach Tom Landry baute um WR Bob Hayes (Sprint-Olympiasieger) eine titelreife Mannschaft, die fast die ersten beiden Superbowl anstelle der Packers bestritten hätte. 1967/68 lieferte man sich in Green Bay die berühmt/berüchtigte „Ice Bowl“, mit -25°C ohne Windchill eines der kältesten Spiele der NFL-Historie.

Die 70er waren geprägt von QB Roger Staubach und aufgrund gelungener Außendarstellung immer schneller steigender Popularität der Mannschaft. Landry galt als sehr innovativer Coach mit modernem Scouting und die Marketing-Abteilung kreierte die ersten Cheerleader in der NFL. Superbowl V wurde noch verloren, aber ein Jahr später war man nach Sieg über Miami schon Weltmeister – wie auch 1977/78, als die Denver Broncos geputzt wurden. In den 80ern verkalkte Landry dann zusehends und die Erfolgsbilanzen wanderten immer weiter gen Süden.

Der Neuankömmling

Ende der 80er kaufte dann der riesige Fan und ehemalige Footballspieler Jerry Jones die Franchise und feuerte nur wenige Tage später die Legende Landry. Der neue Coach war Jimmy „Betonfrisur Johnson, Jerrys ehemaliger Studienkumpel von der University of Arkansas. Johnsons erste Aktion: QB Troy Aikman draften. Resultat: Erste Saison, 1-15. Aber Johnson und vor allem Aikman lernten schnell.

Mit der Taktik, Eigenbauprodukte via Draft zu holen, stabilisierten sich die Cowboys innerhalb weniger Jahre und waren schon im vierten Jahr unter Johnson Superbowl-Champion (Kantersieg gegen die Bills). Herausragend in Erinnerung bleiben unter OffCoord Norv Turners Anleitung die „Triplets“: QB Aikman, RB Emmitt Smith, WR Michael Irvin. Aber das Erfolgsgeheimnis der Cowboys war ein anderes: Sie schafften es immer und immer wieder, unbekanntes Talent in der späteren Runden des Drafts zu finden.

1993 verteidigte man den Titel, wieder ein Sieg gegen die Bills in der Super Bowl. Danach allerdings schmiss Jones Johnson aufgrund fehlender Kompatibilität mit seinen Vorstellungen von Football raus. Jones wollte wohl beweisen, dass der Kader, den er persönlich als GM zusammengestellt hatte, personell gut genug war, um auch johnsonlos zu brillieren.

Der neue Head Coach war der etwas clownige Barry Switzer, der am Vorhaben „Titel-Hattrick“ dank Steve Young und seinen 49ers scheiterte. Switzer holte sich aber 1995/96 den Ring, unter anderem mit einem eben von den 49ers gekommenen weiteren Clown, CB Deion Sanders, im Kader. Switzer war damit auch nach Vorgänger Johnson der zweite Coach, der College- und NFL-Meisterschaft gewann.

Mehr Hype, denn Fundament

In den Jahren danach wurden mehrere Schlüsselspieler des Dopings (Zufall oder nicht – Sie entscheiden!) überführt oder hatten triebgesteuerte Probleme mit Frauen. Switzer blieb noch ein paar Saisons, ebenso wie Aikman, dessen Karriere nach etlichen Gehirnerschütterungen 2000 fertig war. Emmitt Smith spielte noch ein paar Jahre weiter, um den Rekord an Rushing Yards zu brechen (schaffte es 2002). Erst Bill Parcells motzte die verreckte Karre „Cowboys“ Mitte der 2000er wieder auf.

In den letzten Jahren waren die Cowboys eine überhypte Mannschaft – gemessen an den sportlichen Darbietungen. Es wurde Talentvergeudung betrieben. Mittlerweile spielt man im neuen, unfassbar monströsen Cowboys Stadium – Jerry Jones‘ Denkmal, in dem er vermutlich selbst noch persönlich Hand anlegte und die Schrauben zu den Sitzreihen im dritten Rang andrehte – in Arlington genau zwischen Dallas und Forth Worth. Dort, wo Super Bowl XLV stattfand. Dallas hätte teilnehmen sollen – und war schon zur Saisonhälfte krepiert: 1-7.

Das Monstrum                     

Dallas Cowboys Stadium

Dallas Cowboys Stadium

Seit 2009 eben jenes neue, unfassbar gigantische (eben texanische) Cowboys Stadium (je nach Wahl 80.000 bis 105.000 Plätze). Die Arena kann auch als persönliches Denkmal Jerry Jones‘ gelten und ist versehen mit allem Schicki-Micki und einer monströsen Anzeigetafel, die über dem Spielfeld thront. Das Ding ist so riesig (harhar, texanisch), dass davon schon mehrmals Punts abgeprallt sind.

Auch die alte Arena, das Texas Stadium, war eines der berühmteren NFL-Stadien gewesen, dank seiner misslungenen Dachkonstruktion – als Halle gedacht, konnte das Dach nicht sämtliche Last tragen und wurde mit einem Loch versehen. Wie man solche Fehler schönt? Die Cowboys sagten ganz einfach – Ein Loch, damit Gott uns beim Spielen zuschauen kann. So klingt Selbstvertrauen.

Rivalitäten

Größter historischer Rivale sind die Washington Redskins – zurückgehend auf die Zeit, als es die Dallas Cowboys noch nicht einmal gegeben hatte. Die Rivalität zwischen Cowboy und Indianer hatte ich im vergangenen Herbst schon mal angeschnitten, und sie geht weit über den Sport hinaus, war unter anderem dafür verantwortlich, dass Dallas trotz geographischem Unsinn in der NFC-East mitspielt.

Immer noch verschärft, aber deutlich hinter den Redskins einzuordnen, sind die beiden anderen Divisionsrivalen aus der NFC East. Die Philadelphia Eagles sind dabei insbesondere aufgrund diverser „Bounty“-Geschichten aus den 80ern und 90ern, sowie dank der Flauseln des T.O. in den 2000ern ein ungern gern gesehener Gast, die New York Giants der „sanfteste“ Konkurrent.

Sportlicher und historischer Natur sind die Auseinandersetzungen mit Pittsburgh Steelers und Green Bay Packers. Die Steelers sind dabei seit den 70ern ein Gegenpool zu den stets aufregenderen, extrovertierteren Cowboys, die Packers gehören seit der Anfangszeit der Superbowl-Ära in den 60ern zu den großen Konkurrenten. Dallas verpasste zweimal denkbar knapp die ersten beiden Superbowls gegen Green Bay („Ice Bowl“) und musste in den 90ern schließlich zusehen, wie die Käsköpp unter der QB-Legende Favre der großen Cowboy-Dynastie den Rang abliefen.

Eine besondere sportliche Auseinandersetzung ist jene zwischen San Francisco und Dallas – gründend vor allem auf den Grabenkämpfen in den 90ern, als das eine Team sich so aufstellte, um das andere im NFC-Finale schlagen zu können. Zeiten, in denen der Conference-Titel in der NFC die 95%ige Miete zum Superbowlsieg war. Dreimal gewann Dallas mit Aikman. Einmal San Francisco mit Steve Young. Intensiviert wurde die Sache durch den Wechsel von „Primetime“ Deion Sanders, jenem egomanischen Spinner, der heute im NFL Network einen so speziellen (ich betone den positiven Unterton!) Zugang zu den Spielern findet.

Die eine oder andere Nickligkeit gibt es im Prinzip mit fast jeder der populäreren NFL-Franchises. Die Cowboys sind, wenn man mal beide Augen fest zudrückt, so was wie der FC Bayern der NFL: Entweder geliebt oder gehasst. Sie scheiden die Geister und so wirklich scheint es Jerry Jones nicht zu passen, wenn eine unspektakuläre Franchise wie New England in den 2000ern daherspaziert und sich in der Gunst der Bandwagoners nach oben arbeitet.

Gesichter der Franchise

  • Jerry Jones – Owner, Stadionbauer und General Manager. Dallas Cowboys personifiziert und entsprechend gemocht und gehasst quer durch die Lande.
  • Tom Landry – erster Head Coach der Dallas Cowboys (28 Jahre!, 1960-1988) und Erfinder zahlreicher Defensivformationen (u.a. „4-3“ Defense) und -taktiken („Doomsday Defense“). Zweimaliger Superbowlchamp und insgesamt fünfmal in der Superbowl.
  • Roger Staubach – Scrambelnder Quarterback und Medienstar aus den 70ern. Mitverantwortlich für die heutige Popularität der Franchise und Erfinder des „Hail Mary“-Passes.
  • Troy Aikman– QB. Der Anführer der sogenannten “Triplets”, trotz vieler Gehirnerschütterungen und recht kurzer Karriere dreifacher Champion und Hall of Famer. Heute mittelmäßig interessanter Co-Kommentator bei FOX.
  • Emmitt Smith – RB mit den meisten Rushing Yards aller Zeiten, Teil der „Triplets“, aber aufgrund der eher keimfreien Persönlichkeit und unspektakulären Spielweise oft übersehen. Bei mir vor allem bekannt aufgrund der horrenden Grammatikfehler – eine Kompilation der Fauxpässe gibt es bei Youtube. (bitte Ohren ausschalten)

korsakoffs Highlight

Playoffspiel 2007/08 gegen die Giants – völlig unnötige Playoff-Pleite für die Cowboys nach gefühlter haushoher Dominanz in der ersten Hälfte, ließen die Giants stets irgendwie am Hauseck lungern. Als dann plötzlich im Schlussviertel New York 21-17 führte, spielten sich unglaubliche Szenen im Texas Stadium ab: Eine a-u-f-g-e-s-c-h-e-u-c-h-t-e Offense rund um Tony Romo, die in jedem Spielzug den Touchdown suchte, anstatt beständige Drives auszuspielen. Das forcierte Big Play kam – für den Gegner, der die außer Rand und Band spielenden Cowboys böse, böse verlud.

Eckdaten

Gegründet: 1960
Besitzer: Jerry Jones (Öl, Football)
Division: NFC East
Erfolge: Superbowl-Champ 1971, 1977, 1992, 1993, 1995, Superbowl-Verlierer, 30x Playoffs (33-25) – Stand 2012

Penn State und der Fall Sandusky: Die Strafen der NCAA sind verkündet

Die NCAA-Strafen gegen das Footballprogramm der Pennsylvania State Nittany Lions im Falle „Sandusky“ sind raus und können bei NCAA.com nachgelesen werden. In aller Kürze:

  • 60 Millionen Dollar Geldstrafe in einen gemeinnützigen Fond für den Kampf gegen Pädophilie. Entspricht in etwa einem Jahresumsatz des Footballprogramms (ca. 70M) und ist über fünf Jahre verteilt zu zahlen. (Dazu gesellen sich noch NCAA-unabhängig 13 Millionen von der Big Ten Conference einbehaltene Dollars, die aus Fernsehverträgen für die Bowl Season nicht ausbezahlt werden)
  • Vier Jahre lang Reduzierung der Stipendien für Footballspieler ab 2013 von 25 auf 15 und gleichzeitige Reduzierung auf die Gesamtanzahl an Footballstipendien von 85 auf 65 – das dürfte die massivste Strafe sein, nachdem die Stipendien doch immer noch die beste Waffe im Recruiting sind und Penn State damit auf Jahre hinaus sportlich gehandicappt sein wird. Können die Fans dann mal zeigen, wie ernst das mit dem proklamierten „more than just winning“ genommen wird (Penn State hat einen Zuschauerschnitt von ca. 102.000 Fans/Heimspiel).
  • Bowl-Sperre für vier Jahre – angesichts der Recruiting-Limitierung wären es eh kaum mehr als drittklassige Bowls geworden.
  • Streichung aller Siege von Penn State seit 1998. 1998. Ein Zeichen der NCAA, nachdem der Freeh-Report nahe gelegt hatte, dass Paternos wirkliches Vergehen des Stillhaltens erst ab 2001 eklatant war (1998 waren die Ermittlungen noch zum Schluss gekommen, dass Sandusky möglicherweise unschuldig sei). Paterno verliert damit über 110 Siege und rutscht in der ewigen Bestenliste vom ersten Platz runter und raus aus den Top-10. Gestrichene Siege sind eines der Strafmittel der NCAA, und ich weiß nicht so recht einzuschätzen, welchen symbolischen Wert sie in den Staaten genießen. Ich halte sie für eine eher schmerzlose Strafe.
  • Penn State spielt fünf Jahre auf Bewährung, muss während dessen erkennbare Strukturen zur Selbstbereinigung aufbauen.

Zusätzlich dazu dürfen alle Spieler – neu rekrutierte Freshmen, Recruits für 2013/13 und die gestandenen alten Spieler – wohl alle ohne NCAA-Strafen wechseln. Die genauen Modalitäten sind noch abzuklären (möglicherweise werden die Wechsel nur innerhalb der Big Ten Conference erlaubt sein). Wenn ich den obigen Link richtig interpretiere, dürfen auch aktuelle Spieler ihr Stipendium behalten, sollten sie 2012/13 nicht am Football teilnehmen.

Obwohl die Strafen nur auf das Footballprogramm beschränkt zu sein scheinen – dabei war die Verrohung der Sitten allem Anschein nach bis hinauf in die höchsten Gremien der Universität gegangeen – ist es ein recht massives Zeichen der NCAA, das allem Anschein nach bei weiten Teilen der von mir geschätzten Experten (wie Wetzel, Forde, Mandel oder Doyle) positiven Anklang findet. Man sieht darin die längst überfällige harte Hand der NCAA in einem der vielen, vielen Skandale (genau gesagt: dem größten bisher) der letzten Jahre.

Die Death Penalty wurde also wie gestern erwartet abgewandt, die Show in State College wird weitergehen, wenn auch ohne Paterno-Statue und ohne Student-Section. Penn State dürfte ein paar Jahre um die 7-5 oder 4-8 Saisons spielen und der Ruf der Universität dürfte erstmal auf Jahre hinaus verbrannt sein. Manch einer regt sich darüber auf, dass mit den aktuellen Spielern eines der schwächsten Glieder in der Kette bestraft wurde, aber wo sonst sollte man ansetzen? Verlieren gehört im Sport nun mal zu den größten Strafen und Penn State dürfte  sich über Jahre damit anfreunden müssen.

Die NCAA behält sich vor, noch individuelle Strafen gegen Beteiligte am Sandusky-Skandal auszusprechen.

Sandusky selbst wird vor einem ordentlichen Gericht verhandelt und dürfte sein Leben nicht mehr aus dem Knast kommen.

„Nie dagewesene“ NCAA-Strafe gegen Penn State

Update Mo 23.7.2012/20h14: Der Artikel über die heute Nachmittag ausgesprochenen Strafen ist online.

Die NCAA hat für morgen Montag, 15h MESZ eine Pressekonferenz einberufen, auf der der NCAA-Präsident Mark Emmert die Strafen seitens der NCAA zum grausigen Falle „Sandusky“ gegen das Sportprogramm der Penn State Nittany Lions aussprechen wird (die Verkündigung wird auf NCAA.com live gestreamt).

Das Internet ist aktuell voll von Ankündigungen, dass die Strafe „unprecedented“ (frei übersetzt: beispiellos) sein wird, was schon allein deswegen bemerkenswert ist, weil die NCAA im Normalfall hinter verschlossenen Türen arbeitet und bis zur klammheimlichen Verkündigung nichts nach außen dringen lässt.

Es stellt sich bei kurzer Recherche heraus, dass sich sämtliche Quellen auf die Aussage eines profilierten CBS-Investigativreporters (Armen Keteyian) zurückführen lassen; Keteyan gilt als höchst vertrauenswürdig und stets exzellent informiert und ist nicht dafür bekannt, heiße Luft zu produzieren.

Temporärer Todesstoß

Es wird seit einiger Zeit über das Damoklesschwert „Death Penalty“ (Ausschluss des Sport- oder Footballprogramms vom NCAA-Spielbetrieb) diskutiert, und tatsächlich wollte Emmert in den vergangenen Tagen ein solches nicht ausschließen. Die NCAA-Regeln sind für Fälle wie „Sandusky“ nicht präzise genug definiert und schweben irgendwo im luftleeren Raum, aber es gäbe ein Hintertürchen, das die Death Penalty möglich machen würde: Höchst unethisches Verhalten und mangelnde Kontrolle seitens der Universitätsführung, und zwar in so gravierendem Ausmaß, dass der Ausschluss ohne Vorwarnung passieren könnte.

Dazu würde passen, dass vor dem legendären Beaver Stadium an diesem Wochenende unter Protesten das Paterno-Denkmal erst verhüllt und dann abmontiert wurde.

Unkonventionelle Entscheidungen

Es gilt jedoch als keineswegs geritzt, dass die NCAA die Death Penalty aussprechen wird, und aktuell deutet in State College nichts darauf hin, dass Heimspiele im Herbst bereits abgesagt worden sind. Bliebe auch die Frage, warum die NCAA über solche Fälle entscheidet und nicht die Justiz. Und wirklich sinnvoll erscheint eine Zusperrung von einem Jahr (oder zwei Jahren) dann auch nicht (man beachte auch, dass die Big Ten Conference dann plötzlich ihres Championship-Spiels beraut sein könnte).

Vielmehr könnte die Strafe unkonventionell sein – so unkonventionell, wie dass Emmert einen auf Goodell macht und ohne große NCAA-Ausschüsse einfach mal (überstürzt?) eine Strafe in die Welt posaunt. Eine Strafe, die Signalwirkung haben könnte und Selbstverständnis wie Außendarstellung der NCAA für künftige Fälle massiv verändern könnte.

Nicht ausgeschlossen, dass Penn States Footballprogramm ein oder mehrere Jahre als Nonprofit-Organisation auftreten muss, mit Fonds für die Geschädigten bzw. zur Prävention – Fonds, die von den mit Penn States Football generiertem Umsatz gefüllt werden.

Andere Quellen – wie zum Beispiel Yahoo – sollen erfahren haben, dass die Strafen Ausschlüsse von Bowls und Streichungen von Stipendien von empfindlichem Ausmaße betreffen könnten.

Man kann Stand heute nur spekulieren, was morgen an Strafen ausgesprochen werden wird. Es deutet allerdings viel darauf hin, dass sie die Zukunft von Penn State massiv beeinflussen werden und seitens der NCAA ein Präzendenzfall geschaffen werden wird (ein Präzendenzfall ist bereits, dass die NCAA überhaupt über diesen Fall entscheidet und dann auch noch auf die Art und Weise, wie sie zustande gekommen ist).

Über die persönlichen Strafen gegen Sandusky und diverse hochrangige, noch lebende Vertreter der Universitätsleitung werden die Gerichte entscheiden.

Das Stadion, das RGIII baute

Die Baylor University und ihre Community sind in diesen Zeiten so enthusiastisch wie nie zuvor. Das hat noch immer einen Grund, und dieser nennt sich Robert Griffin III, genannt „RGIII“. Dieser Robert Griffin III unterschrieb vor kurzem seinen ersten Profivertrag mit den Washington Redskins aus der US-Hauptstadt und ist dort schon vor seinem ersten Profieinsatz auf dem besten Weg zur Kultfigur. Er kommt von der Baylor University.

Baylor ist eine private Universität, gelegen in Waco im Herzen von Texas, mit Nähe zur Baptistenkirche. Die Universität ist zwar Teil der großen Big 12 Conference, aber innerhalb dieses Bündnisses der wohl kleinste Player zwischen den Giganten von Texas und Oklahoma. Und auch im Sport blieb das Team von Baylor, die Bears, über Jahrzehnte im Hintergrund, trotz des einen oder anderen Stars wie zum Beispiel dem Leichtathleten Michael Johnson Ende der Achtzigerjahre.

Erst mit dem kometenhaften Aufstieg des charismatischen Quarterbacks RGIII, der vor zwei Jahren begann und im abgelaufenen Herbst sogar zum unglaublichen Gewinn der Heisman Trophy führte, setzte ein richtiger Stimmungsaufschwung ein. Heute ist er soweit, dass Baylor in Kürze damit beginnen könnte, sein neues Stadion für rund 45.000 Zuschauer zu bauen – ein Projekt, das erst im November 2011 lanciert wurde und nur in der momentan vorhandenen speziellen Aura, die dieses Programm umgibt, Aussicht auf Erfolg hatte.

In der vergangenen Woche hat der Aufsichtsrat der Universität den Weg freigemacht und den Bau der 250 Millionen Dollar teuren neuen Arena genehmigt. Nur noch ein kleiner Stolperstein steht im Weg: Die Heimatstadt Waco muss am 7. August einen Zuschuss von 35 Millionen Dollar genehmigen, aber niemand zweifelt mehr daran, dass Waco nach all dem Hype um Griffin und des begeisterten Studentenkörpers noch absagen könnte. Außerdem wird rund die Hälfte der Arena von privaten Boostern finanziert und die Fundraising-Aktivitäten laufen bisher voll nach Plan. Fast 100 Millionen wurden bereits gesammelt.

Das Stadion selbst wird im Norden des Campus errichtet, direkt gegenüber der Interstate 35, die zu den meistbefahrenen Highways in den Vereinigten Staaten gehört. Es wird umgeben von einem Fluss und kleineren Gewässern. Die Zuläufe werden über Brücken erfolgen. Und für alles, was sich nicht in Worten ausdrücken lässt, können fürs Erste die Renderings auf der offiziellen Universitäts-Homepage sprechen.

Baubeginn soll noch im August sein, damit zum Start der Saison 2014/15 die ersten Bälle fliegen können und das alte, baufällige Floyd Casey Stadium abgerissen werden kann. Die Zeichen stehen gut, dass das Gesamtprojekt Signalwirkung für das Image nicht nur der Universität Baylor und der Stadt Waco, sondern für die komplette Region Central Texas haben wird. Und zu einem nicht zu vernachlässigenden Teil ist dafür Robert Griffin III zuständig, der kleine Hürdensprinter, der Quarterback, der die Heisman Trophy ins Football-Niemandsland brachte.

Die Euro Bowl 2012: Schlacht der Philosophien

Eurobowl 2012 am 21. Mai 2012, und die Cadaln… Calad… Calanda Broncos sind mit von der Partie. Nach einem Gespräch in einem Innsbrucker Club kenne ich nicht mehr als die Verachtung österreichischer Footballfans für die Graubündener. Neugierig geworden und bei Marc Melcher vom Bündener Tagblatt nachgefragt – und schon sind wir alle schlauer.


Am Samstag Abend findet in Vaduz die Euro Bowl statt. Das Spiel wird zum Duell der Gegensätze. Auf der einen Seite die etablierten Vienna Vikings, die auf einheimische Spieler setzen, auf der anderen Seite der „Neuling“ Calanda Broncos, ein Team, das fast nur Importspieler aufstellen wird. Doch wer steckt hinter dem finazkräftigen Schweizer Team? Und wie werden die Broncos in der Schweiz wahrgenommen? Hintergründe aus Chur, der Heimatstadt der Calanda Broncos.

Nur fünf Jahre dauerrte der Weg der Calanda Broncos von der Rückkehr in die oberste Schweizer Spielklasse bis an die Spitze Europas. Dass diese Entwicklung viel mit einem Geldgeber zu tun hat, weiss inzwischen ganz Football-Europa. Die Philosophie der Broncos, die besten Spieler des Kontinents zu verpflichten und dieses Kader mit – für europäische Verhältnisse – hochkarätigen Nordamerikaner zu ergänzen, stösst besonders in Österreich auf Kritik. Die Fanbasis der Broncos hält von den Kritikern nicht viel – sie werden als Neider abgetan. Fans und die lokale Presse stehen fest hinter den Broncos und ihrem „Mäzen“.

Hinter der Finanzkraft der Broncos steht der ehemalige Besitzer eines florierenden Autogeschäfts in Chur. Das grosse Geld hat er mit dem Verkauf des Geschäfts gemacht. Auf den ersten Blick fällt der Geldgeber nicht auf. Er ist ein Fan wie jeder andere, ein Lebemann und guter Freund von vielen Spielern und Fans. Die Broncos sind „sein Kind“ und die Träume der Broncos-Fans seine Aufgabe.

Diese Träume spielen sich auf der europäischen Bühne ab. Sie handeln von Spielen auf hohem Niveau, von Siegen gegen die ganz grossen Teams Europas und natürlich von der Euro Bowl. Und um die Träume zu verwirklichen, sehen die Broncos über einiges hinweg. Beispielsweise über die gesamte Schweizer Liga. Inmitten einer klassischen Amateur-Liga betreiben die Broncos semi-professionellen Football. Lassen Spieler extra für die Gamedays einfliegen, verpflichten ehemalige US-College-Grössen. Kein anderer Schweizer Verein hat auch nur den Hauch einer Chance gegen die Broncos. Sie reihen national Titel an Titel und besiegen die Gegener in der Swiss Bowl auch schon mal eben mit 50 Punkten Unterschied. Kein Wunder, müssen sich die Broncos vorwerfen lassen, die Schweizer Liga „kaputt zu machen“.

Zu Recht – zumindest kurzfristig gesehen. Doch kann dem Team wirklich übel genommen werden, Grosses erreichen zu wollen? Ziele zu haben, die mit einer durchschnittlichen Schweizer Mannschaft unerreichbar wären? Die Liga hinkt jenen in Deutschland, Österreich, Frankreich, und Skandinavien meilenweit hinterher. Football ist eine klassische Randsportart in der Schweiz, die (mit Ausnahme der Broncos) vor tristen Kulissen auf Bolzplätzen ausgetragen wird. Es kann schon Mal vorkommen, dass Teams gar nicht zu Play-Off-Partien antreten und Forfait erklären. Die Schweiz ist ein Football-Entwicklungsland.

Langfristig gesehen sind die Broncos deshalb eine Chance für die Schweiz. Sie haben die Möglichkeit, dem Football hierzulande einen Namen zu verschaffen und Nachwuchs für alle Schweizer Teans zu generieren. Auf dass in fünf bis zehn Jahren auch ein Schweizer Team mit einheimischem Kader an der europäischen Spitze mithalten kann.

Somit kommt es am Samstag in Vaduz zum Duell der Philosophien. Europas Football-Krösus gegen eine funktionierende Organisation, die auf Eigengewächse setzt. Und zur Revanche des letztjährigen Viertelfinals, das Wien hauchdünn für sich entschieden hat.

Für mich stecken die Broncos in diesem Jahr aber in der (leichten) Favoritenrolle – nicht zuletzt wegen des hohen Sieges gegen die Tirol Raiders. Zwei Dinge sprechen für die Broncos: Die O-Line und Running Back DJ Wolfe (ehemals Oklahoma Sooners). Die O-Line ist wohl die mit Abstand beste des Kontinents. Die Schwergewichte Alexander Haritonenko (GER), Andre Mathes (GER) und Stefan Becker (AUT) sind jederzeit in der Lage, riesige Löcher in die gegnerische Defense zu reissen. Löcher, die der pfeilschnelle Wolfe in Innsbruck zu zwei Touchdowns (69 YDS und 71 YDS) ausgenutzt hat.

Dass die Euro Bowl übrigens nicht in Chur, sondern in Vaduz (Liechtenstein) stattfindet, hat einen profanen Grund. Die Sportanlagen der Kleinstadt Chur liegen seit Jahren Brach und genügen den Anforderungen der EFL nicht. Die stört die Broncos Fans nicht – im Gegenteil. Sie freuen sich auf die ganz grosse europäische Football-Bühne. Das Interesse rund um das Spiel ist gross. Diverse Euro-Bowl Plakate zieren Chur zurzeit. Die lokalen Medien, welche die Broncos während dem ganzen Wettbewerb begleitet haben – liefern grosse Vorschauen auf die Euro Bowl.

Wahre Liebe: „The Essential Smart Football“ (Chris Brown)

The Essential Smart Football Review

The Essential Smart Football von Chris Brown

Ganz ehrlich: Es war mein erstes Buch über American Football. Dass ich es überhaupt las, hat einen Grund: Den Autor. Und man kann keinen Gedanken zu diesem Buch schreiben, ohne nicht auf dessen absolut fantastische Weblog zu verweisen: Smart Football. Auf diesen Namen hört die Privatseite von Chris B. Brown, seines Zeichens Football-Pragmatiker und Strategiespezialist, in seiner Freizeit einem Beruf auf juristischem Gebiet nachgehend.

The Essential Smart Football ist im Grunde eine Aneinanderreihung mancher von Chris Browns besten Blogeinträgen, plus einigem neuer Inhalt (Verhältnis 2/3 Blog zu 1/3 wirklich Neuem). Als Problem empfand ich das nicht. Irgendwie ist es schön, den einen oder anderen lieb gewordenen Eintrag auf Papier neu zu entdecken, in den Händen zu halten und vor dem Einschlummern aufzusaugen.


Das Buch beginnt mit einer einleitendem Hymne auf den Football und ich gestehe: So einen Text wollte ich auch schon immer schreiben. Ich habe es nur nie annähernd so hinbekommen. Das ist wahre Liebe. Nicht blinde Liebe. Wahre Liebe. Da heißt es:

This interplay of mind and muscle – of the raw physics of bodies flying across a field as a result of some combination of planning, preparation and geometry – has long fascinated me. Of course, we cannot forget that football is a game, and no matter the hyperbole in the media, coaches are not geniuses because they can draw up a pass play, and players are not heroes because they scored a touchdown.

(!!!)

Und:

But I am convinced that football is too rich a subject not to be examined in detail. In the essays that follow, I try to speak to two audiences: football coaches and interested fans.

Der komplette Text hängt bei mir neben dem Schreibtisch. Was folgt, ist klassischer Smartfootball-Stil: Auf kurzen und knackigen acht bis zehn Seiten werden eine Reihe an Konzepten aus der Footballhistorie mit Browns charakteristischen Graphiken versehen in einem flockigen Englisch abgearbeitet, und in jedem Satz spürt der Leser Browns Bewunderung für diesen Sport.

Wir erfahren, warum Mike Leach ein Genie ist, weshalb Superbowl 45 die Kulmination von Entwicklungen auf der Abwehrseite war, wieso keine Offense jemals (okay, fast nie) den Ball spiken sollte, worin der Clou der 3-3-5 Defense liegt und weswegen Ed Reed und Polamalu wirkliche Superstars über die Epochen hinaus sind. Innovation ist oft ein Zufallsprodukt aus right place at the right time, und keiner weiß, wie viele Superspieler da draußen in der Anonymität verbrannt wurden.

Chris Brown hat mich vor etlichen Jahren mit seiner Sichtweise der Spieltheorie („Football and Decision Making“) sowie der Struktur einer Offense („The Constraint Theory of Football“) dazu gebracht, Football mit anderen Augen zu sehen. Und das war lange, nachdem ich dank Brown begriffen hatte, wie viel Zufall da draußen eigentlich herrscht.

Ich möchte nicht zu stark in Lobeshymnen verfallen. Ich hege einen Tick weniger Vertrauen in Browns Ausführungen über die Defense und manch einer mag ausgerechnet im allerletzten Kapitel über die Entwicklung hin zu Wilfork, Belichick und der Schönheit ihrer vielseitigen Patriots-Defense geschichtliche Schwächen des Autors erkennen. Aber nichtsdestotrotz lohnt sich die Lektüre.

Serviert werden nebst Einleitung 19 leicht lesbare, weil kurz und knackig gehaltene Essays von NFL über Entscheidungstheorie bis zu Nischenthemen aus dem tiefsten Süden des College Footballs, und auch wenn es nirgendwo stundenlang ins Detail führt, bietet dieses fast zusammengewürfelte Sammelsurium The Essential Smart Football für locker vertretbare Münze beste Unterhaltung für den einen oder anderen verregneten Sommernachmittag – bei Amazon (ca. €7) oder auch bei Kindle (ca. €4).

Sacks

Mal wieder was zum Nachlesen: Pro Football Focus hat einen sehr guten Artikel veröffentlicht, der einmal mehr die Kurzsichtigkeit der Sack-Statistik bei der Bewertung von Einzelspielern betont. PFF.com bietet im gleichen Atemzug auch seine altbekannte Alternativlösung zur Einzelbewertung an. Ich hoffe, dass auch PFF.com mit dem vermehrten Einsatz von „All-22“ in Zukunft ein noch präziseres Bild vom Geschehen auf dem NFL-Feld geben wird können.