Mountain West Conference 2012/13 Preview: Boise State und der Reload-Button

Nächste Conference im Change-Modus. Die Mountain West Conference sieht dieser Tage alle Jahre neu aus und wird nach dem Verlust der einstigen Zugpferde TCU, Utah und BYU nach der Saison 2012/13 auch den Mid-Major schlechthin, die Boise State Broncos, verlieren. Und dann steht die Wertigkeit dieser Liga wieder zur Diskussion…

Boise State Broncos

Wenn Universitäten wie Nebraska oder Michigan mit Jahrtausenden an Tradition aufmarschieren, kommen die kleinen Boise State Broncos aus dem Nirgendwo in Idaho wie die pubertären Jungs des Weges, auf alles an Geschichte scheißend und mit dem stechend blauen Spielfeld in Boise als markantestem Merkmal. Aber Boise State hat auch sportlich einiges drauf.

Boise State, das ist in den letzten sechs, sieben Jahren der Schrecken der Arrivierten schlechthin geworden, eine junge Universität ohne große Geschichte und mit limitierten Ressourcen, die Jahr für Jahr für große BCS-Debatten zu sorgen vermochte. Das ging vom absolut fantastischen Fiesta Bowl-Sieg über Oklahoma hin über die letzten vier Jahren, in denen drei Spiele verloren wurden: Zweimal mit einem Punkt, einmal in der Overtime.

Nun ist der Kern der ganz großen Boise-Ära abhanden gekommen: Der langjährige Heisman-Kandidat QB Kellen Moore, RB Doug Martin, die beiden besten Passfänger Shoemaker und Efaw, die besten Offense Liner OT Solder und C Byrd, die drei besten Defensive Liner McClellin, Crawford und Winn sowie der leading tackler Byron Hout und LB Tevis bis hin zum S George Iloka sind nicht mehr spielberechtigt. Das Material, das die Broncos heuer in den NFL-Draft entsendeten, können Unis wie Alabama nicht alle Jahre schicken. Und trotzdem besteht für einen beinharten Boise-Fan Grund zur Hoffnung. Das beginnt beim Head Coach Chris Petersen, einem Pokerface mit nachgewiesen zentnerschweren Eiern.

Petersen hat den Broncos eine ganz eigenartige und trotzdem wunderschöne Offense verpasst, deren allermarkantestes Wahrzeichen das gesellige Treiben an der Anspiellinie ist: Kein Spielzug ohne fünf bis sechs Motions, dann der Snap und eine change of direction oder ein end around im Laufspiel oder ein schneller Pass zu einem der dutzenden Wide Receivers. Boise States Angriff pflegt, ohne Anzeichen von Nervosität seinen Stiefel runterzuspielen und notfalls immer wieder den einen oder anderen Trickspielzug einzustreuen, um die einschlummernde Defense aufzuwecken. Diese underdogaffine Angriffsstrategie wird gnadenlos durchgezogen, und selbst gegen eklatant unterlegene Gegner wird nie mit Nachdruck der Dolchstoß gesucht.

Damit fuhren die Broncos im vergangenen Jahr über Georgia wie ein Dampfhammer drüber, würgten damit einen Gegner, der dieses Jahr in den Top-10 eröffnet, komplett ab und mussten ihre BCS-Träume erst gegen eine wiedererstarkte TCU-Mannschaft im November begraben. TCU, das ist auch das Vorbild der Broncos für diese Saison: Nach etlichen Abgängen waren die Frogs 2011 anfangs ein eher wackeliges Team, steigerten sich dann im Verlauf der Saison und gehörten zum Ende des Jahres mit Gewissheit zu den besten sieben, acht Mannschaften im College Football. Die Blaupause für Boise 2012?

Wir werden sehen. Im Angriff hat Petersen eine Entscheidung zwischen dem scrambelnden QB Grant Hedrick und Backup Joe Southwick zu treffen, während im Hintergrund mit Nick Patti schon der Nachfolger bereitsteht. Der Top-RB dürfte der verletzungsanfällige, aber spektakuläre D.J. Harper sein und bei den Wide Receivers gefällt mir der junge Matt Miller extrem gut.

Auch der heimliche Star, die Defense, sieht sich vielen Änderungen bevorstehend. Die Defensive Line sieht sich erstmal der meisten Qualität und Quantität beraubt, was dem Schwachpunkt der vergangenen Saison, der Secondary, nicht helfen dürfte. Einzig der neue DE Demarcus Lawrence soll allerhöchsten Ansprüchen genügen.

Die angesprochene Secondary dürfte dagegen von etlichen rekonvaleszenten Spielern profitieren: Die großartigen CB Jerrell Gavins und CB Jamar Taylor sind ebenso wieder da wie die vielen hochgelobten Safetys – womit im Prinzip alle wichtigen Positionen geklärt werden. Außer dem Kicker natürlich…

Boise State hat einen recht einfachen Schedule. Die Saisoneröffnung am 31.8. bei Michigan State ist der härteste Brocken, danach folgen bessere Sparringspartner, weswegen eine 11-1 oder 10-2 Saison für die Broncos durchaus trotz des Aderlasses nicht ausgeschlossen ist.

Die Verfolger

Durchaus eine attraktive Mannschaft stellt das Nevada Wolfpack vom Hall of Fame-Coach Chris Ault – eine von nur zwei Mannschaften, die in den letzten vier Jahren die Boise State Broncos schlagen konnten (die andere ist TCU). Ault ist der Erfinder der mittlerweile auch hierzulande praktizierten Pistol Offense, und Ault gilt zudem auch auf seine alten Tage noch als Mann, der die jungen Hüpfer in seiner Truppe mit seiner Begeisterung für den Sport erreichen kann, obwohl der Mann im TV stets dreinschaut wie drei Wochen Regenwetter. In diesem Jahr steht Ault mit WR Brandon Wimberley ein exzellentes Motivationsinstrument wieder zur Verfügung: Wimberley wurde im Juni 2011 böse niedergeschossen, und obwohl anfangs niemand daran glaubte, dass Wimberley sich noch einmal ohne Rollstuhl fortbewegen könnte, stand der Mann im Frühjahrstraining in der Startaufstellung und wirkte fit und spritzig als wäre nichts gewesen.

Spannend wird davon ab die Offense, wo in der letzten Saison der wirklich herausragende Scrambler QB Cody Fajardo massiv aufgezeigt hat. Fajardo ist allerdings aus Glasknochen gebaut und wenn Nevada einen richtigen Schwachpunkt im Kader hat, dann ist es die fehlende Tiefe bei den Backup-Quarterbacks…

Markant ist auch die mutmaßliche Nummer 3 der Conference, die Air Force, mit ihrer extrem lauflastigen Offense. Die Falcons spielen nicht aus der Flexbone-Aufstellung wie etwa Georgia Tech, aber es ist eine triple option offense mit vielen verschiedenen Gesichtern, aus denen heraus die fünf, sechs eingelernten Spielzüge ausgespielt werden. Die Air Force hat ein ähnliches Problem wie Boise, muss zirka fünfundzwanzig Starter in der Offense und dreiundzwanzig Starter in der Defense ersetzen – wie viel von dem Aderlass durch das glänzend funktionierende Schema F an Offensivsystem aufgefangen werden kann, bleibt abzuwarten.

Weniger ein klares Schema, dafür abhängig von großartigen Einzelspielern sind die San Diego State Aztecs vom beliebten Head Coach Rocky Long. Dumm ist da allenfalls, dass diese großartigen Einzelspieler jüngst in die NFL gewechselt sind (QB Lindley, RB Hillman). Der Fünfkampf um die QB-Position bleibt ein offenes Rennen, auch wenn vieles darauf hindeutet, dass der Mann mit dem monströsen Wurfarm, Ryan Katz, das Rennen machen wird, da er auf die sehr vertikal angelegte Offense am besten passen dürfte. Fragezeichen bleiben in der Offensive Line, aber als Sicherheitsziel gibt es den TE Gavin Escobar, der sich athletisch in eine Reihe mit den Herren Gronkowski und Graham einordnen lässt.

Was San Diego State interessant machen könnte: Long kündigte letzte Woche an, in dieser Saison in des Gegners Platzhälfte jedes 4th down ausspielen zu wollen! Ich bin noch skeptisch, ob und wie lange Long sich das nach der ersten Medienschelte wegen eines Scheiterns trauen wird, aber allein der Gedanke: Sensationell.

Das Mittelfeld

Neben Nevada sind auch noch Fresno State und Hawaii in die MWC rübergewechselt. Vor allem letztere Uni dürfte der Conference Mehrwert bringen, da die Hawaii Warriors mit ihrem attraktiven Gebiet reinstes Recruiting-Gold bedeuten. Zudem haben sie heuer einen neuen, altbekannten Head Coach: Norm Chow. Und immer, wenn „Norm Chow“ fällt, ist der abgedroschene Terminus „pro-style-offense“ nicht weit weg. Chow tut sich gemäß dem Motto „mit 66 Jahren fängt das Leben erst an“ noch den Stress an, zum ersten Mal in seiner Karriere einen auf Head Coach zu machen, und wir dürfen nach all den Passfeuerwerken in den letzten 15 Jahren zum ersten Mal eine wenigstens etwas balancierte Offense erwarten.

Auch die Fresno State Bulldogs haben einen neuen Head Coach: Tim DeRuyter von Texas A&M, dem man exzellente Qualitäten nachsagt. Die wird es auch brauchen, da Fresno mit Derek Carr (Bruder von David Carr) zwar einen guten Quarterback besitzt, aber die Defense als äußerst porös und somit hauptschuldig für die enttäuschende 4-9 Bilanz im letzten Jahr gilt.

Die Wyoming Cowboys waren eines der Teams mit der größten Diskrepanz zwischen Siegbilanz (8-5) und statistischem Hintergrund (#102 auf meiner Excel-Liste). Ein Erklärungsansatz: Wyoming putzt den Bodensatz, ist aber nicht in der Lage, durchschnittliche Teams zu schlagen – und wenn, dann sind es knappe Siege. 2011 war man 5-0 in Spielen mit einem Score Differenz. Das schreit nach Regression zur Mitte. Immerhin: Dieses Jahr kehrt mit MLB Oliver Schober jener Deutsche ins Team zurück, der im letzten Jahr verletzt ausgefallen war. Das sollte der wirklich schwachen Lauf-Defense helfen.

Ich nehme dann noch die Colorado State Rams aus Fort Collins mit rein, die nach der schwer enttäuschenden Zeit unter HC Fairchield nun mit Jim McElwain (ehemals OffCoord von Alabama) einen neuen, jungen dynamischen Cheftrainer bekommen. McElwain führte sich mit Suspensionen gegen zwei seiner besten Abwehrspieler ein, nachdem diese „unzivilisiertes Verhalten“ gegen neu an der Uni eingeschriebene Studenten (Studentinnen?) an den Tag gelegt hatten.

Die Rams besitzen eigentlich gute Ingredienzien in der Offense: RB ist mit Chris Nwoke ein recht spektakulärer Mann, dazu gesellt sich der Superzwerg unter den Wide Receivers, Thomas Coffmann, als deep threat. Problematisch ist vor allem die Lauf-Defense, die aufgrund der häufigen Rückstände der Rams meistens hart geprüft wird, und oft genug nicht hält. Das droht die Stimmung in den Keller zu ziehen – außer natürlich, man gewinnt das Saisoneröffnungsspiel in Denver gegen den Lokalrivalen Colorado. Am allerbesten wäre es natürlich, wenn es McElwain gelingen würde, dieses Jahr als Aufbaujahr für 2013 zu verkaufen. Dann nämlich sähe es nach einem Abgang von Boise State hinsichtlich Conference-Führerschaft gar nicht so übel aus…

Bodensatz

Die UNLV Rebels erlebten seit 2000 keine Saison mit positiver Bilanz und schmierten auch 2011 böse ab und nach nur vier Siegen in zwei Jahren gerät Head Coach Bobby Hauck schön langsam ins Visier der Kritiker. Bisher konnte Hauck auf die Entwicklung junger Talente verweisen, und auch 2012 wird der Kader sehr unerfahren sein, aber man erwartet nun Ergebnisse.

Bei den New Mexico Lobos dagegen ist man schon froh, die unselige Zeit unter Mike Locksley hinter sich gebracht zu haben. Locksley hatte als Cheftrainer kein Fettnäpfchen ausgelassen, von Schlägereien gegen Assistenztrainer über Beleidigungen von Journalisten hin zu Sufffahrten seiner Spieler im Auto seiner Tochter war alles dabei, was sich ein Vorgesetzter eines Footballprogramms nicht leisten sollte. Der Neue ist mit Bob Davie ein ehemaliger Trainer von Notre Dame. Das war dann allerdings vor über einem Jahrzehnt und seitdem hatte Davie sich nur als Pundit im Fernsehen verdingt – kein Mensch vermag zu sagen, welche Offense denn installiert wird. Nicht unwichtig ist aber: Man wird abseits des Feldes ruhigere Zeiten erleben und besser auftreten als unter Locksley.

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2 Kommentare zu “Mountain West Conference 2012/13 Preview: Boise State und der Reload-Button

  1. Freu mich schon wie ein kleines Kind aus die neue Saison. Vorallem aber auf Boise, bin gespannt wie sie die ganzen Abgänge verkraften können . Wobei ich mir um die Defense mehr sorgen mache als um die Offense.Übrigens gibts den Season opener gegen MSU nächste Woche Freitag live auf ESPN America

  2. Pingback: College Football 2012/13, TV-Guideline für Week 3: Pauken in Las Vegas | Sideline Reporter

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