Update 16.1. 23h45: Ich lese gerade bei Deadspin, dass unten angesproche Te’o-Geschichte mit der toten Freundin wohl ein Schwindel ist. /Update Ende
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Nicht bloß ein paar Kilos, sondern Zentner wiegen die mit Tradition gefüllten Rucksäcke, wenn heute Nacht, 02h30 MEZ LIVE bei ESPN America, in Miami/FL das BCS-Championship Game 2013 angepfiffen wird. Und das aus Gründen, denn die Ansetzung #1 Notre Dame Fighting Irish (12-0) gegen #2 Alabama Crimson Tide (12-1) steht Synonym für gemeinsam 247 Jahre Footballgeschichte, zirka 2400 Spiele, fast 1700 Siege, roundabout 25 National-Championships und acht Heisman Trophy Sieger.
Es handelt sich um zwei Programme, deren Anhängerschaft zu den größten landesweit gehört, die aber auch spalten wie wenige andere. Bei Notre Dame ist der Lärm hausgemacht: Die Uni zelebriert sich als eine der größten, wichtigsten Katholikenuniversitäten und lieferte auf dem Footballfeld nicht nur weltweit bekannte Rituale („Touchdown Jesus“) ab, sondern auch viele Spiele für die Ewigkeit. Dieses Programm ist von einer Aura umgeben, das es im College Football kein zweites Mal gibt, vergleichbar vielleicht mit den All Blacks im Rugby oder dem FC Barcelona im Fußball.
Alabama gehört im Gegensatz dazu zu den Unis, die es mit der Qualität der Lehrstühle nicht so genau nimmt (und wegen der immer knapper werdenden staatlichen Zuschüsse auch nicht kann), „punktet“ aber mit seinem grimmigen Head Coach Nick Saban, der so viel Charme versprüht wie ein feuchtes Toastbrot, und seiner Zugehörigkeit zur Southeastern Conference (SEC), jener Conference, die seit sechs Jahren alle BCS-Titel abstaubt und deren Überlegenheit vielen Fans des College Football mittlerweile ein Dorn im Auge ist. Im eher ruralen Bible Belt sind die Crimson Tide aber sowas wie das heimliche Ersatz-Profiteam, das es dort nie geben wird.
Kurzum: In einer Zeit, in der das Ende der BCS (Bowl Championship Series) ausgemachte Sache ist und in Bälde (ab 2014/15) erstmals in der Geschichte der Div-I FBS ein kleines Meisterschaftsplayoff installiert wird, und in einer Zeit, in der zahlreiche historisch gewachsene Rivalitäten dem Conference-Realignment Wahn zum Opfer fallen, wirkt Notre Dame – Alabama wie ein Relikt aus einer längst überholten Vergangenheit, ein letztes Zucken des Zaubers der Vergangenheit.
Was bieten die Jungs spielerisch auf?
Das lässt sich auch an den Spielstilen der beiden Mannschaften ablesen: Bei beiden dominiert in der Offense Fehlerminimierung mittels Laufspiel und bloß nix den Instinkten der Spieler überlassen, den Rest soll eine furztrockene Defense erledigen. Was bei Saban seit Äonen gang und gebe ist, dürfte seinem Gegenüber, dem No-Huddle-Offense Guru Brian Kelly (nicht verwandt mit Chip), den Ekelherpes herauftreiben, aber Kelly scheint pragmatisch genug zu sein, um seine Ideale des Erfolgs willen aufzugeben.
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Und so ist Notre Dames Superstar nicht wie seit zirka 100 Jahren üblich ein Quarterback, sondern der ILB #5 Manti Te’o, ein Mann hawaiianischer Abstammung, der neben seiner einschüchternden Präsenz auf dem Feld als guter Führungsspieler und aufgrund seiner jüngsten Lebensgeschichte (Oma und Freundin diese Saison innerhalb von 24h gestorben) auch als Quelle der Inspiration gilt.
Te’o führt die Front-Seven an, obwohl er eine merkwürdige Rolle spielt: Notre Dame versucht prinzipiell, nur mit vier Passrushern zu arbeiten (plus manchmal OLB Tuitt) und vor allem mit dem NT Louis Nix, Te’o weitestgehend abzuschirmen; Te’o arbeitet fast mehr wie eine Art dritter Safety, fängt deshalb auch viel mehr INT (7) ab als er Sacks (1.5) produziert.
Gegen Alabama und deren aggressives Laufspiel wird Te’o aber weiter „vorne“ und weniger geschützt von der Line operieren müssen, denn das Matchup des Tages soll Alabamas NFL-reife Offensive Line gegen eben jene Front-Seven sein. Dazu ist RB #42 Lacy kein spektakulärer, aber ein zufriedenstellender Mann („graue Maus“ wäre übertrieben). Die Sprints und Big Plays legt der Freshman #4 T.J. Yeldon hin. QB #10 A.J. McCarron, zuletzt zweimal der Hero gegen die bärenstarke LSU-Defense, muss da nur noch die Bolzen vermeiden und die Dinger halbwegs unfallfrei an den Mann bringen (von WR #9 Amauri Cooper schwärmen aber mittlerweile auch schon die NFL-Scouts, obwohl der Junge Freshman ist).
Fraglich ist, was Notre Dames Offense aufstecken wird: Brian Kelly galt bei seiner Anheuerung als Mastermind einer blitzschnellen No-Huddle-Offense, weswegen einst sogar TV-Verträge mit dem Partner NBC angepasst werden mussten (!), Stichwort „Länge der Übertragungen und Werbepausen“. Nach drei Jahren Kelly in South Bend ist allerdings nix von No-Huddle zu spüren.
Es gibt aber Hoffnung: Alabamas gefürchtete Defense ist zwar schnell, zeigte sich bei näherem Hinsehen allerdings als verwundbarer als man es annehmen würde, und war vor allem gegen mobile Quarterbacks ein Wackelkandidat. Notre Dame hat einen Scramble-QB, den Grünschnabel #5 Everett Golson, der nicht immer überzeugend aussieht, sich aber bisher noch vergleichsweise gut durchlavierte.
Der RB Theo Riddick ist ein aus der Not geboren „konvertierter“ Wide Receiver, ein extrem agiler Mann, aber dessen „Muskeln“ wirken gegen die Schränke, die da in der Defensive Line der Crimsons stehen, wie ein paar verirrte Furunkel. Deswegen dürfte Notre Dames größte Waffe der NFL-Star in spe, TE Tyler Eifert sein, ein Mini-Gronkowski, gegen den es physisch keinen adäquaten Gegenspieler in Alabamas Abwehr gibt.
Wen sollte man favorisiert sehen?
Notre Dame ist 12-0, aber noch nicht über alle Zweifel erhaben: Die Jungs sind 5-0 in engen Spielen und nervengestählt, aber „5-0“ in Partien gegen Pitt oder Michigan kann man auch als Alarmsignal werten (letztes Jahr war ND noch 3-3 gewesen). Alabama dagegen spielte einen für SEC-Teams relativ einfachen Schedule, auch weil der Paradegegner Michigan eher enttäuschte, hatte aber mit den besseren Teams im Schedule (LSU, Georgia) teilweise arge Probleme.
SRS favorisiert Alabama mit 7 Punkten. Die Wettbüros sehen ähnliche Spreads. Ich würde Alabama eher höher favorisieren (14 Punkte aufwärts), aber es gibt zwei Dinge, die da dagegen sprechen:
- Notre Dames Defense dürfte tatsächlich nicht allzu viele Yards und Punkte aufgeben.
- Ich erwischte mich in den letzten zwei Jahren häufig dabei, Alabama zu überschätzen; yup, die Truppe ist super, aber sie ist nicht so superb, dass sie mal eben im Vorbeigehen allen anderen ein 30-3 einschenkt.
Also: Alabama mit 7 unterschreibe ich, auch wenn die Leute die SEC-Dominanz satt haben.
Spiel ist ab 02h30 LIVE bei ESPNA, die Tapes kommen wie folgt: Di, 8.1. um 12h und um 19h.