Für alle, die sich wundern, warum auf diesem Blog kaum Diskussionen über Doping und Gehirnerschütterungen/Verletzungen in der NFL (respektive auch: im College Football) stattfinden: Geht nicht. Ohne Expertise ist es schwierig, über Dinge zu schreiben. Ich empfehle trotzdem, diese Kern-Problematiken im American Football nicht zu vergessen. So schön strukturiert dieser Sport ist, so viele dunkle Seiten gibt es. Aus dem stillen Hinterkämmerlein raus kann man nicht mehr als diese komplexen Thematiken immer mal wieder anzusprechen.
Am Sonntag ist Super Bowl. Während uns in den letzten Wochen die Playoffs in Atem hielten, wurde der Untersuchungsbericht im Falle von Junior Seau, jenem legendären Linebacker, der sich letzten Mai das Leben genommen hatte, veröffentlicht. Kai Pahl (dogfood) von Allesaussersport hat am 11.1.2013 in Screensport Zwo dazu die relevanten Informationen kompakt zusammengefasst. Mit freundlicher Genehmigung darf ich die Abhandlung im Folgenden abdrucken.
Der thematische Sprung zur NFL ist kein großer: gestern (Anm. korsakoff: Am 10.1.) wurde vom National Institutes of Health ein Untersuchungsbericht zum Selbstmord des ehemaligen Linebacker-Stars Junior Seau veröffentlicht. Der Bericht stellt fest, dass Seau an Hirnschäden (“degenerative brain disease“) litt, die auf zahlreiche (Mikro-)Traumata zurückzuführen seien.
Damit stellt der Bericht eine Verbindung zu “chronic traumatic encephalopathy” (CTE, dt: Dementia Pugilistica) her, die in den letzten Jahren in Studien verstärkt als Konsequenz von Sportarten wie American Football oder Eishockey und ihren zahlreichen Schlägen und Stößen gegen den Kopf, genannt werden.
Junior Seau brachte sich im Mai 2012 mit einem Schuss durch die Brust um. Die Journalistin Jill Lieber Steeg hat für die Union Tribune San Diego das Leben von Junior Seau nach Ende seiner Football-Karriere nachgezeichnet und dabei eine unfassbar tragische Geschichte über einen Menschen geschrieben, der sein Leben nicht mehr in Griff bekam. Ich lege beide Teile nochmal allen ans Herz, da sie sehr präzise den Absturz eines Menschens nachzeichnet, der die Kontrolle über seinen Kopf verliert. Teil 1: “Song of sorrow”, Teil 2: “Bitter endgame”
Seau ist kein Einzelfall und alle Indizien von Studien deuten darauf hin, das CTE in unterschiedlichen Ausprägungen, ein im Football weit verbreitetes Problem ist. In einer Studie der Universität Boston wurde bei 18 von 19 untersuchten Hirnen toter Football-Spieler CTE festgestellt. Was den Studien noch fehlt, ist eine umfangreiche Zahlenbasis, da nur die Gehirne toter Menschen auf CTE untersucht werden können.
Eine vierstellige Zahl von ehemaligen NFL-Spielern und Hinterbliebenen hat inzwischen die NFL verklagt, weil die NFL nicht ausreichend über die Risiken des Profi-Footballs informiert habe.
Die Spielergewerkschaft NFLPA hat am Donnerstag (Anm. korsakoff: Am 10.1.) eine wachsweiche Pressemitteilung herausgegeben, in der sie unterstreicht, wieviel sie als Gewerkschaft tut und erreicht hat – aber noch keine Konsequenzen aus den bislang veröffentlichten Studien zieht. Qu: Sports Illustrated
Aus: Screensport Zwo: Bonds, Seau, SPL und SPORT1-Abgang, Allesaussersport vom 11.1.2013.
Bühne der Schmerzen
In diesem Kontext hat mich dogfood auch auf einen Artikel aus dem Esquire hingewiesen, der am 18. Jänner auf esquire.com online gestellt wurde und die generelle Denke im Football thematisiert. Ich empfehle dringend, sich die Zeit zu nehmen und den Artikel durchzulesen: Theater of Pain. Ryan Clark sagt da zum Beispiel:
People always ask me, ‘Are you feeling good?’ No. You never feel good. Once the season starts, you never feel good. But it becomes your way of life. It becomes the norm.
Quelle: Theater of Pain/Esquire
Der Artikel ist Mannschaftspsychologie galore. Der Mann spielt. Die Pussy sitzt am Seitenrand. Die Rasenschachfiguren des Coaches. Wenn man sich diese Zeilen so durchliest, werden noch viele Seaus vergehen und viele Bänder in den Knien der RG3s zerfetzen, bis der Umdenkprozesses ernsthaft ins Rollen kommt.