NFL: Wie werden Spielerverträge gegen die Salary-Cap verrechnet?

Die NFL feiert am Montag Dienstag, 12.3. „Neujahr“, wenn die Verträge auslaufen und die Free Agency 2013 beginnt. Dann werden wieder Hundertschaften an entlassenen Athleten auf der Straße sitzen und hoffen, irgendwo aufgenommen zu werden. Einige wenige werden brutal abkassieren. Einige werden mittelmäßig kassieren. Einige werden für Ligaminimum spielen müssen. Die Free Agency habe ich letztes Jahr mit einer Auktion vergleichen und erklärt, weswegen der Gewinner oft der Verlierer ist („Fluch des Gewinners“). Grund dafür ist die Gehaltsobergrenze in der NFL, die so rigide wie in keiner anderen US-Sportart durchgezogen wird und für so viel Parität wie nur möglich sorgt. Ich möchte heute kurz erklären, worum es bei dieser Salary Cap geht.

Begriffsabgrenzung: Cap-Number vs. Cash Flow

Wir müssen bei der Salary Cap prinzipiell zwischen zwei Dingen unterscheiden: Cap-Number (Zahl, die gegen die Salary Cap zählt) und Cash Flow (effektive Auszahlung des Gehalts). Für NFL-Franchises ist nur die Cap-Number eine Herausforderung, da es keine Franchise mit Liquiditätsproblemen gibt: Jeder Owner kann heute einem Spieler 50 Millionen per sofort in‘ Arsch schieben ohne mit der Wimper zu zucken.

Was jedoch herausfordernd sein kann, ist die Cap-Number. Ich werde morgen noch genauer darauf eingehen, aber im Kern ist es so, dass am Ende jeder Saison eine Salary Cap (Gehaltsobergrenze) für die kommende Saison vereinbart wird; für 2013/14 gelten 123 Millionen Dollar, die jedes Team für seine 51 teuersten Spieler (der Kader hat, wenn nach der Preseason alle Messen gelesen sind, insgesamt maximal 53 Spieler) nutzen kann. Diese Zahl ist eine Basis für die 32 Franchises – mehr werden wir morgen sehen („Cap Rollover“). Man beachte dabei, dass es sich hierbei nicht um effektiv gezahltes Geld (Cash Flow) handelt, sondern um eine – wie geschrieben – recht abstrakte Zahl: Cap-Number. Um diese zu verstehen, müssen wir erklären, wie ein Vertrag in der NFL aufgebaut ist bzw. sein kann.

Die Spielerverträge der NFL

NFL-Spielerverträge bestehen im Kern aus zwei Faktoren: Grundgehalt (base money) und Handgeld (Unterschriftsbonus/signing bonus). Dazu können sich diverse Boni und Prämien gesellen, wie zum Beispiel ein Roster-Bonus (Spieler an Stichtag X noch im Kader) oder Prämien für besondere Leistungen („wenn du 27 Touchdowns in einer Saison fängst und wir den Superbowl erreichen, kriegt du 500k Erfolgsprämie“) oder aber auch „Option-Boni“.

Grundsätzlich gilt: Die Gehälter werden während des Herbstes wöchentlich oder zwei-wöchentlich ausgezahlt und die Verträge sind jederzeit kündbar. Für die Spieler ist vor allem das guaranteed money wichtig, also der Anteil an Kohle, den er auf alle Fälle zugesichert bekommt, solange er nicht ohne Helm Motorradunfälle produziert oder illegale Hundekämpfe veranstaltet.

Der Signing Bonus (also besagtes Handgeld) ist guaranteed und wird sofort ausgezahlt. Bestimmte Gelder in der Zukunft können auch guaranteed sein, z.B. gibt es im jüngsten Flacco-Vertrag injury guarantees: Flacco bekommt auf alle Fälle ein paar dutzend Millionen, wenn er wegen Verletzung seine Karriere beenden müsste. (das sind dann Option-Boni).

Ein Rechenbeispiel

Nehmen wir eine Art „Standardvertrag“ für einen sehr guten Cornerback. Die Kennzahlen sind: 5 Jahre, 50 Millionen Dollar, 25 Mio. als Signing Bonus, 4 Mio. Option-Bonus (guaranteed) im zweiten Jahr. Das Grundgehalt ist: 1 Mio. im ersten Jahr, 2 Mio. im zweiten, 5 Mio. im dritten, 8 Mio. im vierten, 5 Mio. im fünften Jahr.

Der Cash-Flow beschreibt, in welchem Jahr der Spieler wie viel Kohle auf sein Konto überwiesen bekommt. In diesem Vertragsfall sähe das so aus: 25 Mio., wenn die Tinte auffm Vertrag getrocknet ist. Nach Ablauf des ersten Jahres hat der Spieler insgesamt ein weitere Mio. kassiert (wöchentlich, 2-wöchentlich oder grad wie im Vertrag vereinbart). Im zweiten Jahr kassiert er weitere 2 Mio. + einen 4 Mio.-Bonus (Option-Boni werden typischerweise im zweiten Jahr ausgezahlt).

Im dritten weitere 8 Mio. Nach drei Jahren hat der Spieler 40 Mio. von den 50 Mio. eingestrichen. Die letzten zehn Mio. gibt es so verteilt in den letzten beiden Jahren. Nach Ablauf des fünften Jahres ist der Spieler Free Agent, wenn der Vertrag nicht unterwegs überarbeitet oder gekündigt wurde.

Die entsprechende Cash Flow-Tabelle sieht also so aus:

Jahr   Grundgehalt   Handgeld   Bonus    Cash Flow
1       1 Mio.       25 Mio.    -        26 Mio.
2       2 Mio.       -          4 Mio.    6 Mio.
3       8 Mio.       -          -         8 Mio.
4       5 Mio.       -          -         5 Mio.
5       5 Mio.       -          -         5 Mio.

Dieser Cornerback hätte nach dem ersten Jahr bereits über die Hälfte seiner 50 Millionen zugesichert bekommen: 26 Millionen. 26 Mio.? Sprengt das nicht noch mehr alle Rahmen als Flacco?

Die Antwort: Nein, denn Cash Flow und Cap-Number sind – wie schon eingangs geschrieben – zwei paar Schuhe. Denn es gibt einen Trick, und der nennt sich „Pro-Ration“ (anteilsmäßige Verteilung): Der Signing Bonus (Handgeld) wird auf die Vertragslaufzeit (sofern sie nicht fünf Jahre überschreitet) linear verteilt. Die Fünfjahres-Grenze wurde eingeführt, um nicht Szenarien wie in der NHL zu bekommen, wo 17-Jahresverträge ausgeschrieben werden, um die Handgelder pro Jahr zu drücken.

Künftig eingebaute „Option Boni“ werden auf die ab dann geltende verbleibende Vertragsdauer verteilt, sofern sie guaranteed sind. Ein Roster-Bonus dagegen ist nicht guaranteed, zählt einmal und wird nicht auf mehrere Jahre verteilt. (das war vor einem Jahr der Grund, weswegen die Colts Peyton Manning feuern mussten) In unserem Falle haben wir aber einen garantierten option-Bonus.

Aus all diesen Faktoren errechnet sich dann die Cap-Number. Nehmen wir obigen Vertrag unseres Standard-Cornerbacks, der vor zwei Jahren mal in der Pro Bowl stand und nun einen Vertrag bekommt: So sehen seine Cup-Numbers aus:

Jahr   Grundgehalt   Handgeld   Bonus    Cap Number
 1       1 Mio.       5 Mio.     -         6 Mio.
 2       2 Mio.       5 Mio.     1 Mio.    8 Mio.
 3       8 Mio.       5 Mio.     1 Mio.   14 Mio.
 4       5 Mio.       5 Mio.     1 Mio.   11 Mio.
 5       5 Mio.       5 Mio.     1 Mio.   11 Mio.

Obwohl der Cornerback 27 Millionen Dollar im ersten Jahr auf seine Bank überwiesen sieht, zählt er in selbigem Jahr nur 6 Mio. gegen die Salary Cap. Obwohl er in den letzten beiden Jahren nur noch zehn Millionen kassiert, zählt er 22 Millionen gegen die Cap. Grund darin ist, dass die Boni linear auf seine Vertragslaufzeit verteilt werden (der Option-Bonus natürlich nur auf die letzten drei Jahre).

Ist das alles?

Natürlich nicht, denn wäre das alles, könnte die NFL den erstbesten Bachelor vom Straßeneck aufklauben – oder Mike Tannenbaum. Jetzt geht es um die Frage, was passiert, wenn unser Cornerback so scheiße spielt, dass er nach zwei Jahren eigentlich sofort gefeuert gehört. Und das führt uns zu einer extrem wichtigen Komponente: dead money, die gefürchtete Vertragsstrafe. Grundsätzlich gilt für einen NFL-Vertrag: Alles, was der Spieler kassiert und kassiert hat, zählt gegen die Salary Cap (also Grundgehalt und alles guaranteed money). In obigem Fall sind nur 29 Mio. Dollar guaranteed (25 Handgeld + 4M Bonus) und die können dank des Tricks der „Cap-Number“ auf fünf Jahre abgeschrieben werden.

Wenn der Spieler jedoch entlassen wird, hat er einen Teil des Gehalts bereits als Handgeld kassiert; in diesem Fall zählen sämtliche Restbestände, die als guaranteed money noch auf der Tafel stehen, per sofort als Vertragsstrafe gegen die Salary Cap. Man sagt dazu, der verbliebene linear verteilte Signing Bonus (also das Handgeld) wird „accelerated“ (beschleunigt) auf das Jahr der Entlassung.

Aus dem konkreten Beispiel: Der CB spielt so schlecht, dass er nach Jahr eins entlassen werden soll; in dem Fall sind noch 24 Mio. (4 Jahre zu je 5 Mio. + 4M Bonus) des Gehalts, das der Spieler bereits kassiert hat, nicht abgeschrieben. Die Vertragsstrafe (dead money) beträgt also 20 Mio. Und diese mindert sich in unserem Beispiel nach jedem Jahr um 6 Mio.; ab dem Moment, in dem der Option-Bonus gezahlt wird, wird auch dieser bei Entlassung als dead money abgeschrieben.

Wird der Spieler nach dem vierten Jahr entlassen, würde er 6 Mio. gegen die Salary Cap zählen, obwohl er nicht mehr im Kader steht: Denn sieben Millionen beträgt das dead money (5M Handgeld + 1M Option-Bonus) Vom Grundgehalt zählt bei Entlassung nix als Vertragsstrafe, weil das Grundgehalt ja nicht guaranteed ist und erst in der Zukunft kassiert worden wäre.

Jahr   Grundgehalt   Handgeld   Bonus    Cap Number Dead Money
1       1 Mio.       5 Mio.     -         6 Mio.    25 Mio.
2       2 Mio.       5 Mio.     1 Mio.    8 Mio.    24 Mio.
3       8 Mio.       5 Mio.     1 Mio.   14 Mio.    18 Mio.
4       5 Mio.       5 Mio.     1 Mio.   11 Mio.    12 Mio.
5       5 Mio.       5 Mio.     1 Mio.   11 Mio.     6 Mio.

Es gibt eine wichtige Unterscheidung zwischen Handgeld und Option-Bonus: Weil dieser in Zukunft liegt, kann ein Team den Option-Bonus im Falle eines Trades in den ersten beiden Jahren an eine andere Mannschaft weitergeben. Das Handgeld dagegen nie: Das wird immer bei der Vertragsunterschrift geltend und liegt somit immer in der Vergangenheit.

Und jetzt? Sind wird durch?

Fast. Es gibt noch zwei Faktoren, die erklärt werden müssen.

Regel des 1. Juni – viele Teams entlassen Athleten mit unliebsamen Leistungen oder Verträgen in den Tagen nach dem 1. Juni, weil man dann das dead money/Vertragsstrafe nicht in ein einziges Jahr reingepflanzt bekommt, sondern auf zwei Jahre verteilt anschreiben kann. Jedes Team kann max. drei Spieler auf diese Weise nach dem 1. Juni „entsorgen“. Prominentes Beispiel war vor ein paar Jahren Kurt Warner in St Louis.

LTBE – die Initialen steht für likely to be earned und ist ein undurchsichtiger Schätzwert für Spieler mit komplizierten Erfolgsprämien im kommenden Vertragsjahr. Das LTBE wird im Sommer eingerechnet, wenn JJ Watt eine Erfolgsprämie auf den Sack-Rekord bekommen soll. Wer weiß schon, ob Watt den Rekord knackt? Im Falle einer Nichterreichung wird dem Team der „gestohlene“ Cap-Room für die kommenden Saison angerechnet.

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15 Kommentare zu “NFL: Wie werden Spielerverträge gegen die Salary-Cap verrechnet?

  1. Danke für die Aufklärung, war mir nicht alles so bewusst. Ich finde es wäre wichtig, wenn die Medien häufiger erklären würden, warum und weshalb das System so ist wie es ist, dann würde man oft besser verstehen, wieso bestimmte Spieler entlassen werden.

    Man hört im Fall von Boldin zb. häufig von Salary Cap Issues, aber was genau dahinter steckt, kann ich erst jetzt abschätzen: Boldin ist im letzen Vertragsjahr und hat 6 M Grundgehalt + 1,5 M prorated Signing Bonus. Deswegen sparen die Ravens 6 M, wenn sie Boldin entlassen. Wenn man den Ravens Fans erklärt, dass Boldin nach dieser Post Season gehen muss, werden sie enttäuscht sein, aber mit der Erklärung der Cap Situation ist das viel einfacher zu verstehen, weil man (so wie ich das verstehe) annähernd genau abschätzen kann, wie die Cap Situation jeder Franchise ist.

    Auch das mit dem Fluch des Gewinners ist ein interessanter Gedanke, auf den ich nicht von allein gekommen wäre 🙂 ist aber nachvollziehbar, auch wenn ich einen Peyton Manning immer vom Markt kaufen will, egal ob zu teuer oder nicht 😉

  2. Eine kleine Ergänzung: Das Salary Cap gilt nach Ende der Preseason (und damit nach den finalen Roster Cuts) für alle 53 Spieler plus Practice Squad (nochmal 8 Spieler). Und auch Spieler die auf Injured Reserve gesetzt werden, zählen mit.

  3. Erstmal ein Lob für die schöne Erklärung, damit ist man erstmal sehr gut für Artikel und Diskussionen über NFL-Verträge gerüstet.

    Mir sind allerdings ein paar sachen aufgefallen, bei denen ich mir nicht sicher bin ob du dich schlicht vertippt hast oder ob ich das system schlicht nicht in gänze verstanden hab…

    Zum einen ist mir in der Tabelle zum Cashflow aufgefallen, dass im Jahr 3 ein festes Gehalt von 8 MIo gezahlt werden soll, der Cashflow aber nur 5 Mio beträgt, während es in Jahr 4 anders herum ist.
    Auch der Abschnitt zur Vertragsstrafe verwirrt mich etwas: Schließt die im Beispiel genannte Entlassung nach Jahr 1 den Option Bonus schon mit ein? Der Option Bonus wird doch erst im zweiten Jahr, und damit nach der Entlassung, gezahlt.

  4. @cashman5: Danke für die Hinweise.

    1) Cash Flow: 8 vs 5 Mio. ist ein Tippfehler und ausgebessert.
    2) Der Option-Bonus ist nicht eingeschlossen, bevor er nicht ausgezahlt ist. Der Option-Bonus kann getradet werden (Trade muss allerdings vor dem Stichtag der Auszahlung erfolgen).

  5. „in dem Fall sind noch 24 Mio. (4 Jahre zu je 5 Mio. + 4M Bonus) des Gehalts, das der Spieler bereits kassiert hat, nicht abgeschrieben. Die Vertragsstrafe (dead money) beträgt also 20 Mio. Und diese mindert sich in unserem Beispiel nach jedem Jahr um 6 Mio.; ab dem Moment, in dem der Option-Bonus gezahlt wird, wird auch dieser bei Entlassung als dead money abgeschrieben.“

    Sollten es dann nicht 20 Millionen und dementsprechend für die restlichen 4 Jahre jeweils 5 Millionen sein?

  6. Wenn er vor der Deadline des Option-Bonus (normalerweise am Tag vor Beginn der Free Agency des nächsten Jahres) gecuttet wird, zählt er 20 Mio. Dead Money gegen die Cap (Dead Money wird nie auf mehrere Jahre aufgeteilt, es sei denn (wie oben geschrieben), der Spieler wird nach dem 1.6. entlassen).

    „Übersteht“ er den Stichtag, kriegt er 4 Mio. Bonus, der „prorated“ auf vier Jahre wird. Also 24M, mit 6M Abschreibung pro Jahr.

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