Die Quarterback-Klasse von 2013 gilt als schwächste seit vielen, vielen Jahren. Die Quarterback-Position ist die Leuchtturm-Position der NFL und ergo auch des NFL-Drafts. Durch das Fehlen eines Superstars auf Quarterback hat der Draft 2013 ein merkwürdig gesichtsloses Erscheinen. Es gibt aber auch die andere Seite, die da wäre: Viele unterschiedliche Spielertypen für unterschiedliche Spielsysteme in einer Liga, in der immer noch zumindest drei, vier Teams händeringend nach einer akzeptablen QB-Lösung suchen. Das macht den Draft 2013 aufregend: Es gibt kein Top-Prospect. Es ist völlig in der Schwebe, wann die ersten Quarterbacks vom Board gehen, welche es sein werden, wie viele Quarterbacks überhaupt in der ersten Runde gehen (die Rede ist zwischen eins und vier). Diese Unsicherheit weiß ich noch nie. Und sie ist spannend.
Ebenso spannend, wie die höchst gehandelten Prospects, die nicht so langweilig sind, wie man annehmen würde. Ich stelle sie heute vor im wohl längsten Blogeintrag ever auf Sideline Reporter.
Geno Smith: Der schwarze Schlaks

Geno Smith – Bild: Wikipedia
Geno Smith gilt als komplettestes Paket unter den diesjährigen Quarterbacks. Er ist groß gewachsen, wirft schöne Bälle und kann im Notfall mit seiner geschmeidigen Art auch die 15 Yards zum neuen 1st down selbst zurücklegen. Geno Smith fabrizierte am College bei den West Virginia Mountaineers atemberaubende Zahlen jenseits von Gut und Böse. Man muss dieses Stats aber in den richtigen Kontext setzen. Erstens: Geno Smith spielte erst in der Big East Conference, und dann in der Big 12 Conference. Das sind Ligen, die für ihre Passfeuerwerke bekannt (oder berüchtigt) sind. Zweitens: Geno Smith spielte in den letzten beiden Jahren unter der Aufsicht von Dana Holgorsen, einem der treibenden Köpfe hinter der „Air Raid“-Offense.
„Air Raid“ ist ein Passspektakel, das die breiten Hash Marks am College nutzt, und mit einer gnadenlosen Spread-Aufstellung aus der Shotgun-Formation dem Quarterback relativ leichtes Spiel bietet: Viele offene Räume, wenige richtig schwierige Würfe. So sah auch die Mountaineers-Offense aus, mit ihren Dumpoffs für WR Stedman Bailey und das gelbe Blitzlicht, WR/HB Tavon Austin. Smith musste vergleichsweise wenig beisteuern. Die Yards nach dem Catch machten die Musik.
Ganz zufällig entstanden die fantastischen Zahlen aber auch nicht. Smith wird mit 1,88m und 100kg Kampfgewicht NFL-Gardemaß nachgesagt und der Wurfarm gilt als sehr gut, wenn auch nicht in den Sphären eines Aaron Rodgers oder Matthew Stafford. Hat Smith einen guten Tag und Zeit in der Pocket, nimmt er Defenses problemlos auseinander. Zu beobachten ist auch das gewisse „Etwas“, dieses Selbstvertrauen, auch die schwierigen Pässe in Doppeldeckungen zu werfen, die sich mittelmäßige College-Quarterbacks nicht trauen. Das spricht für eine gesunde Portion Selbstvertrauen bei Smith.
Das komplette Kartenhaus bricht aber in dem Moment zusammen, in dem Gefahr in Verzug ist, oder in Footballsprache: Der Passrush durchzubrechen droht. Es spielt dabei nicht mal eine so große Rolle, ob wirklich gleich alle Blitzes einschlagen; es ist dieser Anflug, dass es gleich auf die Fresse geben könnte. Diese Momente sind diejenigen, bei denen Geno Smith die Angst in die Augen geschrieben steht und er die Contenance verliert. Wo ein Brady zwei Schritte nach vorn macht und den Defensive End ins Leere greifen lässt, gibt Smith den Gabbert-Klone und hühnert drei Meter rückwärts genau in dessen Arme. Das ist der gute Fall. Die schlechten sind Fumbles und Interceptions.
Glaubt man US-Experten wie Mayock oder Cosell ist der gefühlte Druck bei Geno Smith dessen Hauptproblem und erklärt nicht nur viele Sacks, sondern auch, weshalb immer mal wieder ein eigentlich simpel ausschauender Ball auf einen meterweit frei gelaufenen Receiver ins Nichts fliegt: Smith wird technisch unsauber und gibt zuviel Druck in den Wurf. Lochpässe sind im Soccer ein probates Mittel; im Football sind sie ein verschenktes Down.
Smith arbeitete in der Offseason mit einigen anerkannten Quarterback-Gurus zusammen, um seine Technik und das Spielverständnis zu verbessern; in kurzen Hosen auf dem Trainingsplatz waren die Verbesserungen spürbar. In wirklichen Spielsituationen konnte er den Fortschritt freilich nicht beweisen, weil es die nicht mehr gab.
Die Offenses des Dana Holgorsen sind zwar nicht reine one read-Offenses (one read = Quarterback schaut sich nur nach einem ausgemachten Ziel um und läuft los, wenn dieses abgedeckt ist), aber es gilt trotzdem als Konsens, dass Smith nicht die ganz schwierigen Sezier-Aufgaben hatte, wenn es um Verständnis von Intentionen der gegnerischen Defense ging. Scouts wie Cosell machten bei Smith die Tendenz aus, zu lange auf dieses erste Ziel zu starren, und dann den Wurf ebenda hin anzubringen. Das gelingt dir in besagter breiter College-Offense, führt in der NFL aber eher zu fünf Interceptions denn fünf Touchdowns. Problem für Smith: Man ist sich nicht einig, ob diese Tendenz mit Coaching auszumerzen ist.
Es gab im April einen verheerenden Scouting-Report der eigentlich anerkannten US-Zeitschrift Pro Football Weekly, die Smith menschlich auf eine Stufe mit Jamarcus Russell oder Mario Basler stellte – ein Artikel, der Smith in der Öffentlichkeit im Nachhinein eher geholfen als geschadet haben dürfte: Die Fraktion pro Smith – so ziemlich alle außer PFW – reagierte mit Unverständnis und es gilt als ausgemacht, dass Smith ein Arbeitstier ist, der nicht an fehlendem Fleiß scheitern wird.
So haben wir den Frontmann und gleichzeitig das Symbol der Quarterback-Klasse von 2013: Ein beweglicher Mann mit guten Grundvoraussetzungen, der an einigen Stellen im Repertoire eines Quarterbacks noch nicht geschliffen ist und mit Passrush nicht klarkommt, aber nicht auf der faulen Haut liegt, sondern intensiv an seinen Schwächen arbeitet.
Es steht außer Frage, dass Geno Smith in anderen Draftklassen nicht in der ersten Runde einberufen würde, aber 2013 ist ein Ausnahmejahr. Das Verlangen der Teams nach Quarterbacks wird letztendlich dazu führen, dass er irgendwann im Verlauf der Nacht auf Freitag (also in Runde 1) einen Abnehmer finden wird. Und das garantiert uns mehr oder weniger einen Geno Smith, der in Kürze als NFL-Starter auf dem Feld stehen wird.
Ein weiterer schwarzer Quarterback, und ein sympathischer dazu. Forza, Geno.
Matt Barkley: Sonnyboy mit gutem Herzen

Matt Barkley – Bild: Wikipedia
Matt Barkley ist der komplette Gegenentwurf zu Geno Smith: Weiß, etwas dicklich, Grobmotoriker, aber aufgewachsen in einer „Pro Style“-Offense in einem der medial meistbeachteten Colleges, der University of Southern California. USC hatte sich in den vergangenen zehn Jahren einen Ruf als Ausbildungsstätte von überhypten QB-Prospects erarbeitet, Granaten wie Carson Palmer, Matt Leinart, Matt Cassell, Jon David Booty oder Mark Sanchez sei Dank. Barkley galt als der nächste in der Linie, und hätte er vor einem Jahr den Weg in die NFL gesucht, er wäre mit dem achten Pick zu den Miami Dolphins gegangen.
Tat er nicht. Matt Barkley erlebte am College keine einfache Zeit, sollte als Nachfolger des charmanten Modelgesichts Sanchez in den Tumult geschmissen werden, aber dann kam erst mit Lane Kiffin ein Arschloch als Head Coach, ehe die NCAA mit Strafen auf Verstöße der Uni Mitte der 2000er Jahre reagierte und USC von allen Bowlspielen ausschloss. Barkley spielte eine starke 2011er-Saison gegen einen schwachen Schedule, konnte sich aber nicht mit „seinem“ Bowlspiel verabschieden und entschied sich, am College zu bleiben.
Und weil man bei den Jungs, die an der Uni vier Jahre durchspielen, mehr Zeit hat, die Fehler zu finden, gilt Barkley heute nur mehr als mittelmäßiges Prospect. Der große Werfer für die sensationellen Pässe in Dreifachdeckung war er nie, das hatte nie jemand bestritten, aber in einem Jahr, in dem USC alle Hoffnungen mehr als enttäuschte, konnte auch Barkley nix gegen einen Absturz aus dem Lehrbuch machen. Er ließ sich narrisch machen, warf ungewohnte Pässe in gedeckte Zonen.
Als er sich erfangen hatte, schlug eine Schulterverletzung zu. USC qualifizierte sich für die Bowl Season und durfte diesmal auch mitspielen. USC wurde für die Sun Bowl am Silvesterabend nach Albuquerque (noch mal: Albuquerque) ausgewählt. Albuquerque liegt in der Wüste von New Mexico und ist für die Großstadtjungs aus Los Angeles in etwa so aufregend wie der tägliche Sonnenuntergang.
Insofern kann man drüber streiten, ob Barkley gestraft oder belohnt war, weil er aufgrund besagter Schulterverletzung nicht mitspielen konnte. Jetzt wartest’ vier Jahre auf dieses Spiel und dann ist es erst die Pest und dann biste auch noch verletzt. Scheiße hoch drei.
Das war die Anekdote, aber ärgerlicher war, dass Barkley aufgrund besagter Schulter auch in der Offseason wenige Trainingseinheiten bestreiten konnte und wenige Gelegenheiten hatte, die aufgekommenen Zweifel zu widerlegen. Als sicher gilt: Barkley ist mit seinem sehr präzisen Wurfarm gemacht für eine timing-orientierte Kurzpassoffense. Das ist ein Spielsystem, auf dem viele NFL-Playbooks basieren, aber die meisten OffCoords gehen mittlerweile dahin, ihre System zu öffnen, tiefere Elemente einzubauen, um die Abwehr auseinander zu ziehen. Da macht der Barkley nicht mit.
Persönlich war ich nie von Barkleys Standing, seiner Präsenz in der Pocket, seinem Mut, seiner Antizipation, überzeugt. Barkley ist ein weiterer dieser blassen Jungs, die jedes Jahr in Massen aus dem College kommen, in der NFL wenns gut läuft zwei, drei Jahre spielen, ehe sie ausgeguckt sind, und weil sie nicht den Zauberarm haben, können sie nicht mehr antworten, wenn der Gegner die Gretchenfrage stellt.
Da Barkley ein gutherziger Mann ist, der in seiner Freizeit in Afrika Lehmhütten für das Straßenvolk baut anstatt mit Paris Hilton in Nachtclubs zu tanzen, ist man trotzdem geneigt, dem Mann alles Gute zu wünschen. Vielleicht bricht Barkley ja den Trend. Viele Experten, auf die ich was gebe, sehen in Barkley ein Talent für die dritte oder vierte Runde und verweisen drauf, dass sein „big School“-Status ihn nach oben spüle. Andere sehen ihn als solide Option für die erste oder zweite Runde. Ausgehen kann man Stand heute von letzterem.
Tyler Wilson: Mein Coach ist ein Affe
Prospects 2013
Name Rd
Geno Smith 1
Matt Barkley 1-2
EJ Manuel 1-2
Ryan Nassib 1-2
Mike Glennon 2-3
Zac Dysert 2-4
Tyler Bray 2-4
Tyler Wilson 2-4
Matt Scott 2-5
Landry Jones 3-4
Brad Sorensen 5-7
Sean Renfree 5-7
Collin Klein 7
Ryan Griffin 7
1 - Smith
2 - Manuel
3 - Barkley
4 - Nassib
5 - Bray
5 - Glennon
Wenn Matt Barkley von einem Arschloch gecoacht wurde, was soll dann Tyler Wilson denken? Der musste an der University of Arkansas zwei Jahre hinter dem Suffkopp Ryan Mallett versauern, ehe er von der Leine gelassen wurde und die Offense von Head Coach Bobby Petrino auf ein neues Level hob. Für Bobby Petrino zu spielen ist so ziemlich die zwiespältigste Aufgabe, die man sich vorstellen kann: Auf der einen Seite sind dir großartige Statistiken quasi a priori geschenkt. Auf der anderen murmelst du den ganzen Tag lang „Hurensohn. Arschloch. Vollidiot.“
Die Quarterbacks des Bobby Petrino genießen in der NFL keinen allzu guten Ruf, was daran liegt, dass sie quasi ausnahmslos die Erwartungen enttäuschen. Das liegt daran, dass Petrino ein one read-ähnliches System spielen lässt, das seine Passoffense am College gut aussehen lässt, wenn der Quarterback nur schnell genug den Ball aus der Pocket bekommt. In der NFL geht das nicht, weil der Gegner zu schnell, zu stark, zu schlau ist. Es gibt Spieler, die aus einem one read-ähnlichen-System kommen und es gepackt haben (Cam Newton). Die meisten schaffen es nicht.
Tyler Wilson war nach seinem ersten Jahr als Starter seines Head Coaches beraubt, da Bobby Petrino das machte, was er immer macht: Eine Schweinerei. Petrino fuhr ohne Helm mit dem Motorrad durch die Gegend, eine hübsche Kellnerin im Schlepptau. Es passierte ein Unfall. Petrino versuchte zu vertuschen was noch zu vertuschen war, aber es misslang. Es kam ans Licht, dass die Kellnerin nicht die einzige war, mit der Petrino seine Frau und seine Kinder hintergangen hatte. Petrino wurde gefeuert, Arkansas lag in Trümmern, und Tyler Wilson musste ohne den Lehrmeister die Offense orchestrieren.
Er spielte erwartet schlecht. Der Wilson von 2011 ist ein komplett anderer Quarterback als der Wilson von 2012. Es gilt ähnliches wie bei Barkley: Ein Jahr mehr, um die Schwächen offenzulegen. Diese wären da der etwas limitierte Wurfarm, eine leichte Allergiereaktion auf zu starken Passrush und zu viele forcierte Pässe. Weil Wilsons Hände außergewöhnlich klein sind, ist der eine oder andere Fumble vorprogrammiert.
Was dagegen für Wilson spricht, sind seine Führungsqualitäten und der bedingungslose Einsatz. Im Notfall steht Wilson bis zur allerletzten Sekunde in der Pocket seinen Mann und versucht noch den Pass anzubringen, wenn die ersten beiden Rippen schon knacksen. Das ist Kurt Warner-esk. Auch die Gehirnerschütterungsgefahr ist es. Wilson hatte schon eine heftige, und man kann schon den einen oder anderen künftigen Ausfall vorab eintragen.
In Summe ist Wilson ein nur mäßig eindrucksvolles Prospect, der aber zumindest in 1-2 Jahren seine Chance als Starter bekommen dürfte und im schlimmsten Fall ein sehr guter Backup/Ergäzungsspieler der Kategorie Orton oder Dalton werden kann.
E.J. Manuel: Jimbos Lieblingsschüler
E.J. Manuel ist das typische Kid aus der Highschool, das als „Athlete“ mit viel Tamtam rekrutiert wird um für ein klangvolles College zu spielen, dann aber erstmal auf die harte Tour hinter einem soliden Quarterback lernen muss, einspringt und dabei genügend zeigt, um alle noch mehr zu entzücken, ehe er dann die Zügel wirklich in die Hand bekommt – und nach zwei Jahren alle mit einem Gefühl des Unvollendeten verlässt.
Manuel ist ein bisher nicht eingelöstes Versprechen, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit Florida States Head Coach Jimbo Fisher in die Entwicklung dieses Spielers steckte. Alle sind sich einig, dass der 1,93m-Brocken Manuel mit seiner Beweglichkeit und Wurftechnik NFL-tauglich ist, aber es gibt die typischen Probleme zu vermelden: Reagiert nervös auf Anflüge von Passrush, streut auch ohne Druck immer mal wieder einen völlig vermurksten Ball ein, kennt nur Grundkonzepte einer NFL-Offense.
Da bleibt die Frage, wie entwicklungsfähig Manuel noch ist, nachdem er vier Jahre speziellste Beachtung am College genoss, aber immer noch nicht mehr als Halbfertigware ist. Können ihm NFL-Trainer radikal seine zu hohe Ellbogenpositionierung im Wurf austreiben?
Immerhin: Er kann eine read-option-Offense leiten und dürfte schon mal qua dieses Fakts modern genug für die NFL sein. Manuel ist kein großer Scrambler, aber er ist schnell genug und flink genug, um eine ständige Bedrohung für die 7yds-Scrambles zum neuen 1st down zu sein – ein potenziell gigantisches Asset, weil er sich auch nicht scheut, einen Hit mitzunehmen.
Manuel ist eines der großen Mysterien des Drafts, da man sich nicht einig ist, wo er vom Tablett geht. Ein mutiges Team könnte ihn Ende der ersten Runde holen, aber er könnte auch in die Tiefen der zweiten Runde fallen. Wer ihn zieht, muss wissen, was er bekommt: Ein Riesentalent, das noch viel zu lernen hat. So viel, dass es möglicherweise vor der Reife verbrennt ist.
Tyler Bray: Der Bomber von Knoxville
Tyler Bray ist der Name, den ich häufig aus reiner Gewohnheit als „Brady“ in den Laptop tippe, aber die Unterschiede zu einem gewissen Patriots-Quarterback sind größer als ein Buchstabe. Mehr noch, sie sind so groß, dass wir gerade noch die Position „Quarterback“ als Gemeinsamkeit durchgehen lassen können. Danach wird es murksig, denn während Brady mit einen unheimlichen Willensleistung den Durchbruch schaffte, ist Bray eher das schlampige Genie, das seine von oben herab geschenkten Talente vergeudet, dass es gestraft gehört.
Bray ist vielleicht der Mann mit dem stärksten Arm in der Klasse von 2013, aber das negiert sich zu weiten Teilen, weil er ein hopp-oder-topp-Spieler ist, der sich nicht lange um die Komplexität der Defense schert, sondern einfach mal den Snap nimmt und den Feuerball rauslässt. Entsprechend viele Bälle fallen ins Nichts, wenn die Receiver nicht sensationelle Routen laufen. Bray und Mobilität? Vielleicht haben wir doch noch eine Ähnlichkeit mit Brady gefunden: Beide sind immobil wie eine Scheibe Toastbrot.
Vielleicht war Bray am College in Tennessee ein Opfer der Umstände (zwei Trainerwechsel, rabiates und ungeduldiges Umfeld, das der Vergangenheit nachtrauert). Vielleicht auch nicht, denn wenn wir im Eintrag für Wide Receiver von drei potenziellen Volunteers für die erste Runde lasen, müsste der Supporting Cast doch eigentlich sensationell gewesen sein. Ein weiteres Problem bei Bray: Er entwickelte sich in drei Jahren am College überhaupt nicht. Entwicklung, das ist aber, was er braucht – und zwar zumindest ein Jahr. Daher wäre eine Einberufung in der ersten Runde mit entsprechend einher gehender Erwartungshaltung von Fans und Eigentümer eher kontraproduktiv.
So oder so bleibt die bange Frage, ob Bray überhaupt trainierbar ist. Am College tendierte er dazu, mit Nase auf zweieinhalb Metern über den Campus und am liebsten seinen Coaches beibringen zu wollen, wie das Footballdingens denn überhaupt funktioniert. Die Ohren taub für gute Ratschläge und null Selbsthinterfragung bei offen geübter Kritik? Ick weiß nicht, ick weiß nicht. Bray ist eine Verlockung, die mit dem Apfelbaum des Adams vergleichbar ist. Zu viele dieser QB-Prospects sind in den letzten Jahren auf die Fresse gefallen.
Ryan Nassib: Dougs Zögling
Wenn so viele der bisherigen Quarterbacks mit wilden äußeren Umständen und ständig wechselnden Trainerstäben am College zu kämpfen hatten, ist Ryan Nassib der reinste Langweiler dagegen: Aufgewachsen im gut behüteten Universitätchen Syracuse, vier Jahre Starter unter dem leisen Arbeiter Doug Marrone, einen 25-25 Record eingefahren, ohne Aufruhr in die NFL verabschiedet.
Nassib ist der Montee Ball unter den Quarterbacks: Kann alles ein bisschen, ist nirgendwo sensationell. Beweglich, um dem Passrush auszuweichen, aber kein Sprinter. Viele Seiten des Playbooks bereits intus, aber nicht instinktiv genug, um seine Athletik auszunutzen um dem Passrush intelligent auszuweichen. Guter Arm, aber die tiefen Bälle sind zu langsam, als dass sie konstant zum Erfolg führen. Nassib sieht aus wie einer der souveränsten Backups für die Zukunft: Guter Spieler, kommt auf Dauer mit Passrush nicht zurecht, wird nur mit überragendem Coaching den notwendigen Entwicklungssprung zum Tom Brady 2.0 schaffen.
Doug Marrone, wie geschrieben Nassibs Coach am College, ist mittlerweile Head Coach der Buffalo Bills. Die suchen seit zirka zwei Jahrzehnten einen Quarterback und werden diesmal auch einen draften. Die Buffalo Bills draften an #8 in der ersten und #41 in der zweiten Runde. Viele sehen den Zögling Nassib automatisch mit einem der beiden Picks nach Buffalo gehen. Die Wahl klingt so logisch, dass sie unlogisch klingt. Marrone weiß besser als alle anderen um die Limits des Ryan Nassib. Wird er ihn trotzdem draften?
Der Rest der Klasse von 2013
Mike Glennon von North Carolina State ist Tyler Bray minus Charakterproblem, mit einer fehlenden Prise Selbstwertgefühl. Man könnte den Rest übernehmen: Wunderschöne, hart geworfene Bälle, manchmal etwas unpräzise, aber nur solange der gegnerische Passrush die Pocket mit Samthandschuhen angreift. Wird es schmutzig, kollabiert Glennon unter der eigenen Erwartungshaltung und fabriziert nur noch Fumbles und Bälle auf den zweiten Rang. Sieht aus wie eine sicherere Tüte als Bray, aber mit etwas weniger „Upside“.
Landry Jones von der University of Oklahoma weiß, was hohe Erwartungshaltungen sind, gilt aber als ausgeguckt und stagniert seit Jahren in seiner „Entwicklung“. Jeder weiß, dass Jones nicht den Arm für das vertikale Spiel hat, und jeder weiß, wie farblos sein Spiel werden kann, wenn die Offense Tackles ihm nicht die Zeit geben, wenigstens den zweiten Mann anzuschauen. Landry arbeitete als Vorbereitung auf den Draft mit einem anerkannten Quarterback-Genie (George Whitfield jr.) zusammen, und der jodelte nette Töne über seinen Kunden, aber das Interesse der Teams scheint nicht mal mehr groß genug zu sein, dass sich nationale Medien besonders für den Trainingstag der University of Oklahoma interessierte. Das ist bemerkenswert, denn es gibt wenige Colleges, die von mehr Buzz umgeben sind als Oklahoma. Bei Jones und den Quarterbacks ist das anders. Gilt als gute Option für die dritte oder vierte Runde, mit 2-3 Jahren Einlernzeit an der Seitenlinie.
Ein völlig faszinierender Spieler ist Zac Dysert von der „kleinen“ University of Miami, nämlich jener in Ohio. Es gibt gute Scouts, die vernarrt sind in Dysert, der alles haben soll und am allermeisten ein instinktives Spielgefühl („in nullkommaneun Sekunden ist der Tight End mit der #87 offen, als feuere ich“). Die abschreckenden Parts sind die schwache Conference, in der Dysert spielte und dabei keine weltbewegenden Stats produzierte, sowie eine unangenehm hohe Zahl an schwachen Routine-Würfen in seinen Game-Tapes. Dark horse.
Dark Horse ist auch Matt Scott von Arizona, ein wuseliger Mann mit etwas unkonventioneller Spielweise: Beim Passen liegt der ganze Körper im Wurf, sofern nicht grad wieder Matt-Stafford-like ein Sidearm-Wurf eingebaut wird. Beim Scrambeln sieht das extrem aufgeregt aus, als hätte Scott alles, nur nicht die Ruhe weg. Gilt als Vertreter der „neuen“ QB-Generation mit hohem Kompatibilitätsfaktor für Option-Offenses, aber als längst nicht weit genug, um mit dem Wissensstand von heute eine Einberufung vor der vierten oder fünften Runde zu rechtfertigen.