Lions-Draft von 2011: Zwei sind noch da

Vor zwei Jahren hatten die Detroit Lions ganze fünf Draftpicks: Einmal in Runde eins, zweimal in Runde zwei und zwei späte Picks aus den letzten Runden. Bei letzteren erwartet man grundsätzlich nie allzu viel Output, insofern ist an den gescheiterten Karrieren nicht viel zu beklagen, aber auch bei den frühen Picks ist nach zwei Jahren eine gemischte Zwischenbilanz zu ziehen.

Nick Fairley, Defensive Tackle aus Auburn, war mit dem 13ten Pick gekommen. Eine Einberufung, die man nicht unbedingt hatte kommen sehen, weil er a) als Top-5 würdiges Talent gegolten hatte und b) Detroit seine großen Schwachstellen an allen anderen Orten als Defensive Line gehabt hatte. Fairley hatte zu Karrierebeginn Probleme mit Fußverletzungen und kam lange Zeit nur mäßig in Schwung. Viele Beobachter konstatierten aber vor allem im Laufe der 2012er-Saison einen merklichen Formanstieg und zählen Fairley mittlerweile zu den besten Spielern auf seiner Position. Ein Tackle-Duo wie Ndamukong Suh/Fairley dürfte es ligaweit kein zweites geben.

Fairley hatte aus dem College als fouler (und fauler) Spieler gegolten. Ich habe den College-Spieler Fairley gehasst, weil keine Partie ohne versteckte Tätlichkeiten oder zünftige Schlägereien. Wenn man heute Suh eine Spielweise nachsagt, die über gesunde Härte hinausgeht, dann muss man erstmal Fairley im Dress der Auburn Tigers gesehen haben, um einen dirty-Spieler als solchen zu brandmarken. Von solchen Aktionen ließ Fairley in der NFL bisher mehr oder weniger ganz ab. Was man ihm aber lange nachsagte: Faulheit mit „au“. Das Label, gerne mal mitten im Spiel ein Päuschen einzustreuen, ist Fairley noch nicht losgeworden, und gilt als größtes Verbesserungspotenzial für die Zukunft.

Aus dem Umfeld der Franchise ist vermehrt zu hören, dass der Mann langsam in eine Führungsrolle im Team hineinwächst. Nach zwei Einbuchtungen in den ersten beiden Jahren Detroit ein nicht zu unterschätzender Faktor, denn Probleme dieser Natur haben die Lions zu Genüge. Fazit: Wenn man sich anschaut, wie sich die Kadertiefe in Detroits D-Line entwickelte und wo das Prospect Fairley heute steht, bin ich überzeugt, dass GM Martin Mayhew den Pick liebend gern wiederholen würde.


Ein Pick, den die Lions nicht wiederholen würden: WR Titus Young zu Beginn der zweiten Runde zu holen. Young war von der Boise State University gekommen, wo er bewegte Zeiten hinter sich gehabt hatte. Alle wussten: Titus Young ist ein schwer kontrollierbarer Bursche. Selbst die relativ integere sportliche Führung dort hatte mit Young und dessen Sozialisierung erhebliche Schwierigkeiten gehabt. Heute, zwei Jahre später, ist die Geschichte fast tragisch.

Ich habe Titus Young, den Spieler, geliebt. Jeder Teil der prachtvollen Boise-Offense hat einen Platz im Herzen. Und Young war einer der Hauptprotagonisten im herzzerreißendsten Footballspiel der letzten Jahre, als er zu Thanksgiving 2010 in den frühen Morgenstunden – bei uns war bereits die Sonne aufgegangen – mit einem Wundercatch das Feld für die Legende des Kickers Kyle Brotzman [Highlights][ganzes Spiel] bereitete:

Young war eineinhalb Saisons Slot-Receiver in Detroit, und trotz zu häufiger Drops und immer mal wieder eingestreuten unsauberen Routen sagte man ihm nach, sportlich gesehen einen Zweitrundenpick wert gewesen zu sein. Menschlich war die tickende Zeitbombe Titus Young eine andere Seite, aber spätestens nach der Geburt seines Sohnes (daher auch die nicht unwitzige Trikotaufschrift „Young Sr.“) hatte man sich einen Reifeprozess erhofft. Er kam nicht, und nach offenem Boykott gegen die Spielansagen von OffCoord Linehan wurde Young Mitte der Saison 2012/13 erst suspendiert, und später aus dem Vertrag entlassen.

Soweit der fassbare Teil der Saga Young. Nach einer Serie an Verhaftungen im laufenden Frühjahr wegen diverser Delikte begann die Sache, unheimlich zu werden, inklusive Statements aus der eigenen Familie, die öffentlich über Schizophrenie spekulierte. Es gilt als ausgemachte Sache, dass sich Franchise, Teamkollegen und Young selbst im Klaren über den kritischen mentalen Zustand von Titus sind. Unklar ist, ob und wie es noch helfen kann: Young erwarten mehrere Jahre Knast, sofern die Verteidigung nicht mit dem Punkt „gespaltene Persönlichkeit“ durchkommt.

Fazit: Angesichts der düsteren Geschichte hinter der Fassade ist es schwierig und wohl auch wenig pietätvoll, Young unter rein sportlichen Aspekten zu beurteilen. Wären wir Maschinen (und die NFL kommt da nahe hin), und würden es tun, ist Young ein großer Flop. Aber die aufheiternden Statements aus dem Mannschaftskader der Lions legen den Schluss nahe, dass die Beteiligten in Detroit die menschliche Seite nicht vergessen haben, und die scheinbaren Verrücktheiten einzuordnen wissen.


RB Mikel LeShoure ist neben Fairley also der einzige Lions-Draftpick von 2011, der noch im Kader ist. LeShoure ist ein Power-Back, der von der Northern Illinois University gekommen war und unter der Hand als bester Running Back der 2011er-Klasse gegolten hatte. Die Haupt-Fragezeichen betrafen auch hier den Charakter; ein zimerplicher Bursche war LeShoure nie gewesen. Kam in die NFL, verletzte sich gleichmal schwer und wusste sich in der Zeit der Rekonvaleszenz nur mit Marihuana zu vertrösten. LeShoure hat in zwei Profijahren ebenso viele Verhaftungen zu Buche stehen, soll sich aber ansonsten erstaunlich gut ins Mannschaftsgefüge gepasst haben.

Sportlich war der Pick damals hinterfragbar, und er ist es auch heute noch. Detroit hatte üble Probleme in der Offense Line und im Defensive Backfield gehabt, und holte einen Luxus-Pick nach dem anderen. Und so wurde in einer Offense, die dafür gebaut war, sämtliche Rekorde an Passversuchen pro Saison zu sprengen, ein Jahr nach dem Erstrundenpick Jahvid Best auch der 2nd rounder LeShore geholt.

Wie großartig LeShoure einschlug, bewies erst die Arbeitsteilung mit den Free Agents von der Straße Kevin Smith/Joique Bell, und dann die Verpflichtung von RB Reggie Bush. LeShore ist kein „richtiger“ Flop, sondern als Back mit einer kraftvollen Spielweise schlicht nicht der optimale Spielertyp für die Lions-Offense, die zudem seit vielen Jahren konsequent die fürs Laufspiel so wichtige Guard-Position ignorierte.

Es steht außer Frage, dass ein one-two punch zwischen einem flinken, fangstarken Back wie Bush und einem klassischeren Arbeitstier wie LeShoure einer Offense Variabilität offerieren kann. Es ist halt mehr die Frage, ob es sich dafür auszahlt, seine eklatanteren Schwächen zu ignorieren und einen relativ hohen Draftpick dafür zu investieren. Insofern steht bei Mikel LeShoure ein ernsthaftes Urteil noch aus; fix ist nur: Der Angriff ist nicht um ihn herum, sondern eher an ihm vorbei konzipiert. (das muss beim vorhandenen QB-WR Tandem Stafford/Johnson nicht automatisch eine schlechte Idee sein, stellt aber nichtsdestotrotz zu Recht die Sinnfrage hinter die Einberufunvon LeShoure)

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8 Kommentare zu “Lions-Draft von 2011: Zwei sind noch da

  1. Ich muss euch mal wieder ein GROßES LOB aussprechen. Was ihr hier jeden Tag auf die Beine stellt.

    Detaillierte Berichte über die verschiedensten Themen rund um die NFL.

    Ich verfolge nun seit 3 Jahren intensiv die NFL und insbesondere dabei meine Lions 🙂 !!!

    Eure Artikel zeigen mir immer wieder, wie wenig ich doch eigentlich über diesen wundervollen Sport weiß. daher bin ich gewillt immer wieder von euch zu lernen.

    Macht weiter so !!!

    Ach ja … Ist es in zukunft eventuell auch geplant, Berichte über die NBA zu verfassen ?
    Ich glaube, da wäre ich nicht der Einzige, der gerne mehr über diese Sparte lesen würde 🙂 !!!

    Grüße aus Magdeburg
    Oli

  2. Und wenn bzgl. NBA Lesestoff gewünscht ist, dann natürlich auch die Zeitschrift Five (deren Chefredakteur André Voigt ist) oder im Web http://nbachef.blogspot.de/ von Sebastian Dumitru der auch öfter mal bei Got Nexxt dabei ist und immer mal wieder für die Five schreibt.

  3. Danke Leute für eure Antworten 🙂 !!!
    Es gab in der letzten Saison ja einen regelmäßige PÜodcast von Andre Voigt auf NBA.de.
    Leider wurde dieser eingestellt. Ich werde mich aber mal mit euren Vorschlägen auseinandersetzen 🙂 !!!

    Danke nochmal und weiter so 😉 !!!

  4. Weiß nicht ob es eventuell jemanden von euch interessiert, habe aber nach ein paar Tagen suchen, jetzt einen überragenden Blog zu allen Geschenissen in und rum um die NBA gefunden.

    Diesen wollte ich euch natürlich nicht vorenthalten.

    http://nbachef.blogspot.de/

    Viel Spaß 🙂 !!!

    P.S. : Sorry für die Schleichwerbung 😉 !!!

  5. Haha … oh man,
    ich sollte vielleicht mal besser aufpassen, wenn hier jemand was postet 😉 !!!

    Sorry,
    dann gebührt der ganze Ruhm natürlich Whistler 😀 !!!

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