Wie sieht eine Passverteidigung in der NFL aus?

Die Passverteidigung ist nach der Pass-Offense der zweitwichtigste Erfolgsfaktor in der National Football League. Sie ist brutal abhängig vom Funktionieren sämtlicher Elemente in der Wirkungskette („10 Mann machen alles richtig, 1 etwas falsch = Touchdown“), und es gibt sehr viele unterschiedliche Wege zum Erfolg:

  • Primärer Fokus auf Zonendeckung.
  • Primärer Fokus auf Manndeckung.
  • Scheiß auf Deckung, wir bringen Passrush!
  • Kombinierte Systeme.

Es gibt kein Patentrezept: Mehrere der besten Pass-Defenses der NFL sind konzeptionell völlig unterschiedlich aufgebaut. Wenn du Pittsburgh mit Chicago mit NY Jets vergleichst, sind das für NFL-Verhältnisse Welten. Es gilt aber nicht, sofort voll reinzutauchen, sondern erstmal die wichtigsten Ideen der Deckung zu präsentieren. „Deckung“, das ist in erster Linie die Aufgabe der Defensive Backs, also Cornerbacks und Safetys, die gemeinsam die Secondary (oder auch: Defensive Backfield) bilden.

Ich schrieb oben: 1 etwas falsch = Touchdown. So krass ist es nun auch nicht immer, denn wir werden sehen: Es gibt unterschiedliche Schemen, und während manche anfälliger sind gegen Big-Plays (hopp-oder-topp), sind andere anfälliger gegen kurze, beständige Raumgewinne (Jargon: bend but don’t break). Es ist immer ein Trade-Off und eine Frage: Welchen Tod sterbe ich lieber? Will ich überhaupt sterben?

Cover = Abdecken

Es gibt prinzipiell fünf Deckungs-Schemen, die mit „Cover minus Ziffer“ gekennzeichnet werden; es läuft von Cover-0 bis Cover-4. Die Zahl hinter dem „Cover“ gibt die Anzahl der tiefen Zonen („deep zones“), die die Secondary deckt, an. Cover-0 zum Beispiel ist ein Abwehrsystem ohne tiefe Zonen, oder, die Mitdenkenden werden es schon gecheckt haben: Reine Manndeckung. Auch Cover-1 gilt noch als Manndeckungssystem, weil nur der Free Safety ganz hinten eine Zone absichert. Cover-2, 3 und 4 gelten landläufig als Zonendeckung.

Wichtig: Die Ziffer kennzeichnet nur die „tiefen Zonen“. Die Cover-2 Defense z.B. deckt zwei tiefe Zonen, kann aber auch in der Front-7 welche decken. Das sind dann die Zonen vor den Linebackers. Genannt werden diese die underneath zones („untere Zonen“). Das sind meist die, in denen Tight Ends oder Slot-Receiver operieren. Yards underneath tun einer Defense weh, aber nicht annähernd so sehr wie ein erfolgreicher tiefer Pass in die Secondary rein. Eine Offense braucht viel Geduld, um ausschließlich über underneath zones zu operieren; deshalb kann man alles ab Cover-2 auch in Spurenelementen als sowas wie eine bend but don’t break-Defense bezeichnen: Wichtig ist, dass ich mal hinten absichere. Wenn ich in den vorderen Zonen nur drei Yards kassiere, ist das erstmal ein kleiner Erfolg für mich.

Wie decke ich die gegnerische Offense?

Die Manndeckung ist keine große Philosophie, sondern verlässt sich auf die individuelle Klasse der Cornerbacks und Safetys. Wie schon der Name es sagt, ist der Deckungsspieler allein oder größtenteils allein verantwortlich für seinen Gegenspieler in der Offense. Man sagt immer, er muss „in-phase“ sein, d.h. idealerweise ist er einen Schritt vor dem Gegenspieler und einen Schritt nach innen versetzt – somit wird das Vorbeirauschen verhindert und es kann jede Route des Receivers antizipiert werden.

Es gibt zwei Arten von Manndeckung: press coverage (oder tight/on coverage), wo der Defensive Back an der Anspiellinie direkt gegenüber dem Receiver steht und versucht, mit Körperkontakt und schlechtem Mundgeruch das Timing zu stören; Körperkontakt ist dabei nicht das einzig Erstebenswerte – viel wichtiger ist das Halten der Balance, damit der Receiver nicht locker vorbeimarschiert. Die zweite Manndeckung ist die off coverage (oder auch: catch), wo sich der DB zirka 8-10yds hinter die Line of Scrimmage stellt und erstmal abwartet, was der Receiver macht; fliegt der Ball, wird – vereinfacht gesagt – die Interception oder pass deflection versucht. Letztere Manndeckungs-Art ist eher eine reaktive, während erstere versucht, aktiv früh im Spielzug zu stören.

Die Zonenverteidigung ist in Sachen Denksport schon ein dickeres Brett: Verteidiger müssen, wenn wir es mal simpel ausdrücken, jeweils einen Raum am Spielfeld verteidigen (z.B. den Luftraum von sieben Yards links der Anspiellinie bis vierzehn Yards links davon bis sieben Yards hinter die Anspiellinie, also eine Zone mit Grundfläche von 49m²) – und nur diesen Raum. Verlässt der Receiver diesen Raum, gibt es keine Notwendigkeit ihm zu folgen, da die nächste Zone von einem anderen Verteidiger gedeckt wird. Zonenverteidigung ist nicht einfach zu implementieren und setzt gute Harmonie in der Defense voraus.

Bei dem Cover-Dings geht es aber in erster Linie – ich betone es nochmal, um völlige Verwirrung zu vermeiden – um die tiefen Zonen, die deep zones.

Cover-0

Cover-0: Ein jeder deckt nur seinen Mann.

Cover-0: Ein jeder deckt nur seinen Mann.

Die reinste Form der Manndeckung: Es gibt keine Safetys, die „hinten“ aufpassen, dafür wird vorne Druck mit minimum fünf, sechs Leuten gen Quarterback (also Blitzes) veranstaltet. Die Cornerbacks und Safetys spielen alle 1-vs-1 gegen die Receiver. Cover-0 ist mittlerweile fast ausgestorben, weil sie eine riskante Verteidigung ist: Du brauchst im Extremfall 4-5 starke Cornerbacks, denn wenn auch nur einer sich übertölpeln lässt und der Receiver durchkommt, ist es aufgrund der fehlenden Absicherung durch einen Safety ein fast sicherer Touchdown. Es gibt aber manchmal eine Cover-0 Defense, wenn ein DefCoord das weiße Fähchen hisst und in einer Art Verzweiflungsmove darin die einzige und letzte Chance sieht, die Offense irgendwie einzubremsen (alles-oder-nichts).

Cover-1

Cover-1 Defense: Ein Free Safety sichert hinten ab.

Cover-1 Defense: Ein Free Safety sichert hinten ab.

Das ist Manndeckung gepaart mit einem Free Safety, der hinten in der Spielfeldmitte steht und diese tiefe Zone („deep center of the field“) abdeckt. Der Strong Safety steht in der Box als Support für entweder einen Blitz oder die Verteidigung einer Zone oder eines direkten Gegenspielers nahe der Anspiellinie. Cover-1 wird gerne auch mit einem four men rush gespielt, also bloß vier Passrushern, kann aber auch kombiniert werden mit zone blitzes. Der große Vorteil liegt bei den Cornerbacks und Linebackers in der Spielfeldmitte (auch genannt Slot): Sie wissen, dass hinten noch der Free Safety steht, und können sich darauf konzentrieren, die Slot-WRs und Tight Ends auf den kurzen Distanzen und Out-Routen zu decken.

Cover-1 braucht mindestens einen exzellenten manndeckenden Cornerback und/oder einen Safety mit viiiiiiel „range“. Oder anders: Habe ich einen Revis, spiele ich Cover-1, da ich meinem zweiten Outside-CB den Free Safety als Unterstützung geben kann. Schau dir alte Jets-Tapes an und du wirst sehen: Der Free Safety steht nicht „in der Mitte“, sondern 10m versetzt Richtung zweitem CB, weil Revis sein Ding allein durchziehen kann. Leider gibt es nur einen einzigen Revis.

Cover-2

Die berühmteste Deckung im Football, und die erste echte Zonendeckung. Dabei stehen hinten zwei Safetys, die jeweils eine Hälfte der tiefen Zone abdecken. Fünf Linebackers/Cornerbacks decken die vorderen Gebiete ab, und Druck kommt meist nur mit der Defensive Line. Es gibt unendlich viele Variantionen, was man mit einer klassischen Cover-2 Defense in diesen underneath-Zonen anstellen kann: In den Version Cover-2 Zone (s. Bild) decken die LBs/CBs Zonen ab. Es gibt aber auch Cover-2 Man, wo im Gebiet zwischen DL und Defensive Backfield via Manndeckung operiert wird. Es gibt auch Zwitter-Systeme dazwischen. Gemein ist allen, dass sie mit diversen Personal-Paketen funktionieren können, und – anders als viele glauben – auch aus der 3-4 Defense heraus machbar ist. Cover-2 Prinzipien können auch gegen spezielle Offense-Pakete mit der Basis-Defense umgesetzt werden.

Die Idee der Cover-2 Defense ist in erster Linie danach ausgerichtet, die ganz großen Raumgewinne zu verhindern: Cornerbacks können sich auf die Hilfe der hinten stehenden Safetys verlassen, und können damit recht aggressiv die kurzen Routen attackieren.

Die Cover-2 Defense verlässt sich darauf, dass die D-Line konstant mit vier Leuten genügend Druck zustande bringt und es nur selten zusätzliche Unterstützung durch Blitzes braucht (zusätzliche Blitzes kann es auch kaum geben, weil alle sieben restlichen Verteidiger wichtige anderweitige Aufgaben erfüllen müssen). Aus diesem Grund ist für die Defense Line dringend der Fokus auf den Passrush zu legen.

Die Tampa-2 Defense ist auch eine Art "Cover-2"

Die Tampa-2 Defense ist auch eine Art „Cover-2“

Ein großer Nachteil ist, dass die Spielfeldmitte gerne blank steht, weil sich die Safetys auseinanderbewegen. Als leichte Abwandlung wurde daher in den 90ern von Tony Dungy die Tampa-2 Defense kreiert, wo der Middle Linebacker sich in der Spielfeldmitte zurückfallen lässt um das Loch zu decken, als quasi „halber Safety“ (Tampa 2 ist fast eine Cover-3). Diese Defense braucht brutal schnelle Leute. Der etwas untersetzte, aber geschwindige LB Derrick Brooks war dafür genau der richtige Spielertyp; er wurde in Dungys System in Tampa Bay zum sicheren Hall of Famer.

Ein zweiter Nachteil betrifft zwar nicht die Passverteidigung, aber sie sei kurz angesprochen: Lauf-Defense. Da beide Safetys hinten drin stehen, ist die „Box“ um die Anspiellinie herum im Regelfall mit maximal sieben Leuten besetzt, was u.U. zu wenig ist. Die Outside-CBs sind also auch gefragt, zumindest gegen das Laufspiel mitzuhelfen. Schwächlinge auf CBs sind in der Cover-2 tödlich.

Cover-3

Die Cover-3 Defense mit drei tiefen Zonen.

Die Cover-3 Defense mit drei tiefen Zonen.

Wie bei der Cover-1 Defense bewegt sich hier der Strong-Safety mit dem Snap in Richtung Anspiellinie (meistens auf der Strong-Side beim Tight End), während der Free-Safety hinten die Zone in der Spielfeldmitte abdeckt. Die beiden tiefen Zonen nahe den Seitenlinien werden von den Cornerbacks an den Außenrändern abgedeckt, womit wir bei der Deckung von mittlerweile drei tiefen Zonen („Cover-3“) angelangt wären.

Vorteil ist eine gut gefüllt „Box“ in den Schützengräben (11 minus 3 = 8 Leute), eine gute Absicherung über die Spielfeldmitte durch den Free Safety und viele Möglichkeiten zum Blitzen. Anfällig ist die Cover-3 vor allem in der Mitteldistanz-Zone zwischen OLBs und Free Safety („seams“) und auf ganz flachen Routen von Slot-WRs und Tight Ends nach außen (die sog. „flat zone“) – die Anfälligkeit in den underneath zones, wie ich schon oben schrieb.

Außerdem verlässt sich dieses Schema stark darauf, dass die Outside-Cornerbacks ihre Zonen exzellent im Griff haben. Die Cover-3 unterscheidet sich hier von der Cover-1, dass diese Outside-CBs nicht direkt Mann-gegen-Mann spielen, sondern aufgrund ihrer Verantwortung für ihre tiefe Zone schauen müssen, dass der Receiver nur ja nicht außen an ihnen vorbei kommt. Innen geht grad noch, weil ja der Free Safety noch helfen kann, das Allerschlimmste zu verhindern.

Cover-3 funktioniert meistens sehr gut gegen den Lauf und geht in der Pass-Defense schon in Richtung „Prevent-Defense“, weil man tief gut absichern kann. Das geht allerdings auf Kosten der relativ ungesicherten kürzeren Passrouten. Gegen Brady willste also nicht so spielen.

Cover-4

Die Quarters-Defense mit vier tiefen Zonen.

Die Quarters-Defense mit vier tiefen Zonen.

Wir sind in der „Prevent-Defense“ angelangt: Cover-4, oder, um mir die Nackenhaare aufzustellen: „Quarters“-Defense. Bei der Cover-4 Defense besagt die Theorie, dass jeweils die beiden Safetys und die beiden Outside-CBs für die tiefen Zonen zuständig sind, d.h. jeder verteidigt 1/4 des Spielfelds downfield. Dabei helfen sich Safety und Cornerback jeweils gegenseitig, sobald ein Wideout oder Slot-WR tief gehen.

Die Cover-4 ist anfällig gegen kurze Routen und Checkdowns. Es gibt nur wenige Teams, bei denen die DefCoords die Safetys in der Cover-4 aggressiver und weiter vorne spielen lassen, um auch noch diese schnellen Pässe zu unterbinden, weil die dafür extrem dynamischen Safetys mit so „range“ ganz einfach nur alle paar Jahre zu kriegen sind (Reed und Polamalu gibt es nur zweimal pro Jahrzehnt). Aber meistens wird die Hardcoreversion der Quarters-Defense eh erst ab 60sek vor Halbzeit oder Spielende gespielt, wenn man sich nur ja keine Hail Mary mehr einfangen will, weil man grad 7 Punkte vorn liegt.

Cover-6 und Cover-7

Es gibt noch weitere Versionen wie Cover-6 oder Cover-7 (letzteres als Spezialvariante von Cover-1). Cover-6 ist ein System, das Dick LeBeau ganz gerne spielen lässt, aber es braucht spezielle Spieler. Es ist ein Thema für einen anderen Tag, daher nur ganz kurz: Cover-6 richtet sich weniger am Gegner aus, sondern mehr danach, wo der Ball beim Snap liegt (linke oder rechte Hash Mark). Die breite Seite der Defense spielt Cover-4, die schmale Spielfeldseite spielt Cover-2. Das maximiert auf jeder Spielfeldseite die Stärken der jeweiligen Coverage, aber entblößt auch umso stärker die Schwachpunkte. Ohne einen sensationellen Safety biste damit verloren.

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Die 4-3 Defense in gebotener Kürze

Wir kennen nun die Basis-Terminologie und die 3-4 Defense und wissen, was Gaps und Techniques sind. Heute dran: Die Defense, die die 2000er dominierte, die 4-3 Defense, erfunden in den 50er und 60er Jahren. Sie hat, völlig überraschend, vier Linemänner an der Anspiellinie mit Händen im Dreck: Zwei Defensive Tackles und zwei Defensive Ends. Dahinter drei Linebackers, zwei Outside Linebackers (OLB) und einen Middle Linebacker (MLB, „Mike“).

Grafik aus der Wikipedia

Grafik aus der Wikipedia

Das ist die rudimentärste Form der 4-3 Defense, in US-Fachkreisen „4-3 Stack“ geschimpft. Sie ist meist so aufgestellt:

  • Ein DT spielt als 3-technique zwischen Guard und Tackle und ist für das B-Gap verantwortlich.
  • Der andere DT spielt als 2-technique gegenüber dem anderen Guard und ist für A- und B-Gap verantwortlich.
  • Der DE auf der Weakside (also auf der Gegenseite vom Tight End) beginnt den Spielzug an den Außenschulter des Offense Tackles (5-technique).
  • Der DE auf der Strongside (also dort, wo der Tight End steht) spielt als 5-technique auf der Außenschulter des Offense Tackles oder als 9-technique auf der Außenschulter des Tight Ends – je nach Situation verschieden.

Die drei Linebackers dahinter stellen sich in die Zwischenräume zwischen den eigenen DTs und DEs. Der MLB wird häufig „MIKE“ genannt. Der OLB, der auf der Strongside spielt, wird oft SAM genannt, der auf der Weakside WILL. Oft kratzen sich DefCoords auch einen Feuchten um solchen Schmarren wie Tight Ends, und stellen ihre OLBs einfach nach geographischen Gegenbenheiten auf; dann heißt das einfach ROLB („right OLB“) und LOLB (erraten, „left OLB“). Also nicht durcheinanderbringen lassen durch den ganzen Abkürzungssalat mit OLB, ROLB, ILB, LB, MLB, MIKE, SAM, LOLB, WILL usw.

Ein Problem der 4-3 Defense: Sie ist steifer als die 3-4 Defense, weniger flexibel. Zum Funktionieren brauchst du mindestens einen überragenden Passrusher auf DT oder DE. Ohne bist du größtenteils verloren, selbst mit schematischen Kniffen. Und weil s’Leben ein Arschloch ist, gibt es nicht genügend herausragende Defensive Ends (5-technique) für die NFL. Julius Peppers war einer, Jason Pierre-Paul ist einer. Ein Dwight Freeney in Indianapolis war z.B. eindimensionaler als ein Kochdeckel, aber er konnte einen Passrush-Move, und er konnte ihn herausragend. Grottenschlechter Lauf-Verteidiger, aber überragender Passrusher: Das reichte. Es gibt aber leider kaum Peppers, JPPs oder Freeneys. Deswegen scheitern so viele 4-3 Defenses.

Komplett steif ist die 4-3 aber zwar auch nicht: Es gibt schon viele Abwandlungen, und die tragen dann solche komischen Namen wie „4-3 Under“ oder „4-3 Over“ oder „Wide 9“, und sind in sich in all ihren kleinen Details wieder irre pingelig, aber es gibt immer ein, zwei Kernideen, um die herum DefCoords solche Schemen kreieren:

  1. Alle Gaps müssen dicht sein.
  2. Deine besten Passrusher sollen sich nicht in sinnlosen 1-vs-2 Matchups aufreiben, sondern idealerweise möglichst einfache 1-vs-1 Duelle gegen den als gegnerischen Schwachpunkt ausgemachten Spieler bekommen (häufig ein TE oder RT für DEs oder OLBs, oder ein Guard für DTs).

Du bist aber abhängiger vom Spielermaterial als in der 3-4. Ich werde fortfahren mit der 4-3 Under Defense als ein erstes Beispiel, wie DefCoords versuchten, schematisch an der 4-3 Defense zu werkeln, um Schwächen zu kaschieren bzw. Stärken zu optimieren. Zuerst aber folgt noch ein Eintrag über Passdeckungs-Systeme, um zu verstehen, weswegen es manchmal lebenswichtig ist, dass deine Defensive Line ohne Unterstützung Druck gen Quarterback hinkriegt – sei es mit drei oder vier Leuten.

GFWTC, late Rounds: Füllmaterialien

Die GFWTC biegt in die Zielgerade ein, und die letzten Runden sind dazu da, die Mannschaften zu komplettieren, geeignete Spieler für diue Vervollständigung der Ideen zu finden. Die allergrößten Superstars im besten Alter sind vom Board, es bleiben noch drei Kategorien von Spielern übrig: die zweite Garnitur der Topspieler, große Namen, die den Zenit überschritten haben, aber noch 1-2 Jahre guten Value bringen, und blutjunge Prospects, denen man eine gute Zukunft prognostiziert, die aber noch nicht allzu viel bewiesen haben.

LB Dont’a Hightower (17. Runde) ist einer dieser Spieler. Am College in Alabama war Hightower für mich der dominierende Abwehrspieler mit seinem Speed und seiner Spielintelligenz. Im NFL-Draft 2012 ging Hightower erst gegen Ende der ersten Runde vom Tablett, was mich angesichts seiner Leistungen in Alabama überraschte, und sein Rookiejahr war dann auch etwas durchwachsen, mit Eingewöhnungsproblemen. An Hightower mag ich seine Dynamik, seine Instinkte. Er macht relativ wenige Fehler und ist ein grundsolider Tackler, der aber leichte Schwächen in der Deckung besitzt. Er besitzt zwar noch recht wenig Profierfahrung, aber bei Alabama spielte er drei Jahre als Starter durch, müsste also einen gewissen Level an Spielintelligenz besitzen. Hightower ist in der 17ten Runde vielleicht ein leichter „Reach“, aber was bleibt mir angesichts des sich ausdünnenden Feldes an Outside Linebackers noch anderes übrig als ihn zu holen, will ich zumindest in Ansätzen eine 4-3 Defense spielen?

Value-Spielchen

In der 18. und 19. Runde hatte ich einfaches Spiel, was die Positionen anging: Ich wusste, dass Tight End und Defensive Tackle meine Prioritäten waren. Bei den Offensive Tackles waren nur mehr drei Plätze zu vergeben, und zwischen den drei verbliebenen OTs Jake Long, D’Brickshaw Ferguson und Eugene Monroe gibt es so wenig Qualitätsdifferenz und das Alter ist auch kaum ein Faktor, dass ich beruhigt warten konnte. Bei den Centern war der Qualitätsunterschied zu klein. Bei den Receivers waren sieben Plätze, und ich hatte noch genau sieben Jungs auf meinem Board. Auf DE/OLB konnte ich ebenso abwarten. Und weil Andy Goldschmidt, der die beiden Picks zwischen meinen beiden hat, beide Positionen bereits vergeben hatte, konnte ich machen, was ich wollte.

Ein Jahr Tony Gonzalez…

… ist mir mehr wert als mehrere Jahre von anderen Tight Ends? TE Tony Gonzalez von den Atlanta Falcons kündigte diesen Sommer nach etlichen Jahren des Zweifels an, nach dieser Saison endgültig Schluss machen zu wollen. Gonzalez ist im Winter 38 und versucht sich diesen Herbst zum letzten Mal auf seinem Halali. Normalerweise würde ich von so einem Spieler in der GFWTC zurückschrecken, aber dann sah ich mir die verbliebenen Optionen auf Tight End an:

  • Tony Moeaki von den Chiefs ist einer der Männer, die es mir angetan haben seit seinem exzellenten Rookiejahr 2010. Leider ist Moeaki seither ein wandelndes Verletzungsproblem und als Receiver ist er nicht gut genug, um die vorhandenen Schwächen zu kaschieren.
  • Jermaine Gresham und Brandon Pettigrew sind beides Jungs, die mir zu unkonstant sind.
  • Aaron Hernandez sitzt zu 99,9% im Knast.
  • Antonio Gates war mal der beste Tight End von allen, aber mittlerweile mit 30+ ein Bröckerl und obwohl noch immer „gut“, nur mehr ein Schatten seiner selbst. Gates hatte zudem zu viele Verletzungsprobleme. Ich würde ihn normalerweise trotzdem bedenkenlos nehmen, aber es sind reizvollere Spieler auf dem Tablett.
  • Heath Miller ist einer der Jungs, die gern unterschätzt werden: Grundsolider Fänger, grundsolider Blocker, mit 30 Lenze noch nicht weit übern Zenit hinaus, aber die Leistungskurve wird demnächst beginnen abzufallen.
  • Jermichael Finley gehört zu meinen Lieblingsspielern und er wäre mein favorisierter Pick gewesen. Finley ist leider auch einigermaßen frustrierend, weil er häufig zu unkonzetriert spielt und gerne mal einen unnötigen Ball fallen lässt. Finley ist ein Freak von Athlet und mit fünf Jahren Profierfahrung noch kein altes Eisen, aber er ist auch brutal eindimensional.

„Eindimensional“ ist auch Tony Gonzalez, und zwar so eindimensional wie eine Scheibe Toastbrot. Wenn ich aber in meiner Offense, die meinem QB Aaron Rodgers relativ wenig Schutz gibt, schon einen Tight End mit Fokus „Receiving“ gebe, dann muss diese Fänger-Qualität so ausgeprägt sein, dass ich die Defense wirklich abschrecke.

Tony Gonzalez ist ein Altmeister, aber die letzte Saison deutete in keinster Weise darauf hin, dass er diesen Herbst plötzlich mit voller Wucht den Mann mit dem Hammer sieht und komplett eingeht. Gonzalez hätte es nicht mehr unbedingt notwendig, noch ein letztes Jahr dranzuhängen. Dass er es macht, gibt mir das Gefühl, dass er sich noch das allerletzte Halali zutraut. Ich glaube nicht, dass Gonzalez nur für das Ziel Superbowl-Ring seine Großmutti oder seinen Ruf opfern würde. Wenn Gonzalez noch ein Jahr spielt, dann in erster Linie weil er glaubt, noch volle Leistung bringen zu können und weil er noch eine letzte Chance auf den Ring bekommt.

Ein Jahr Tony Gonzalez ist es mir wert, in der 18. Runde andere Optionen wie Miller, Finley oder Gates zu übergehen. Tight End ist keine Position, um die man eine NFL-Mannschaft baut. Wenn ich in einem Jahr ohne Tight End da stehe, muss ich nicht mein komplettes Mannschaftsgebilde umbauen wie das z.B. mit einem 39jährigen Quarterback wäre. Ich glaube, die 18. Runde ist Value-mäßig auch ein angemessener Ort für einen 38jährigen Tight End, der als bester aller Zeiten gilt, der in sechs Jahren in der Hall of Fame stehen wird, und der allen Eindrücken aus dem letzten Jahr noch den größten Teil seiner Leistung abrufen kann – und sei es nur durch seine fassungslose Spielintelligenz.

Nose Tackle

Zu Beginn der 19ten Runde fiel meine Wahl auf DT Fletcher Cox von den Philadelphia Eagles. Ich hatte in den mittleren Runden gehofft, Fairley oder Michael Brockers zu bekommen, aber datt war dann nix. Was brauche ich für meine 4-3 Under Defense? Keinen sensationellen „Flashy“-Spieler, sondern einen Mann, der imstande ist, „two-gap“ zu spielen um für meinen Nebenmann, DT McCoy ein 1-vs-1 zu ermöglichen. Das ist die Aufgaben meines Nose Tackles in der 4-3 Under Defense. Cox ist in erster Linie ein guter Passrusher, aber Cox wird auch als komplett genug angesehen, um in Philadelphias neuem Spielsystem als Defensive End eingesetzt zu werden, mit der Absicht, viele double-teams zu sehen. Das ist in meiner Basis-Defense auch Cox‘ Aufgabe: double-teams zu fordern. Ich habe drei überragende Passrusher als Nebenleute: Pierre-Paul, McCoy und Orakpo. Da muss der Tackle in der Mitte die Drecksarbeit übernehmen.

Ich hatte ein Weilchen überlegt, ob ich nicht Seymour nehmen sollte. Der war mir letztlich zu alt und passt athletisch auch nicht wirklich 100%ig auf diese Rolle. Die andere Option, die ich fast gezogen hätte: Dontari Poe von den Chiefs. Really. Poe mag ein Prospect sein, bei dem kein Mensch weiß, was am Ende rauskommt, aber ich finde die Abgesänge auf diesen Draftpick #11 von 2012 (Poe ging einen Pick vor Cox im NFL-Draft) zu früh. Wer sich ein wenig die Tapes von Kansas Citys Abwehr anschaut, der wird merken, dass Poe teilweise double-teams anzog, und das nicht immer nur qua Design. Poe ist jung, unerfahren, ungeschliffen und ungehobelt, aber er hat massives Potenzial – Potenzial, das er am College in Memphis nicht nutzen konnte, schlicht weil es dort keine Coaches von Format gab.

Ich entschied mich am Ende mit Cox aber doch für die „sicherere“ Option und bin mit der angedachten Defensive Line DE Orakpo (strong-side, 5-tech oder 7-tech), NT Cox (strong-side, 1-tech), DT McCoy (weak-side, 3-tech) und DE Pierre-Paul (weak-side, 5-tech) mehr als zufrieden. Diese Line dürfte solide genug den Lauf einbremsen, dass mich niemand ohne Variation überläuft, und sie macht als Quartett so viel Terz im Passrush, dass ich dahinter nur vereinzelte wohl getimte Blitzes schicken brauche, und im schlimmsten Fall auch eine Halbzeit mit Cover-2 und bend-but-don’t-break Defense durchkomme. Und ich gehe jede Wette ein, dass ein halbwegs kreativer Defensive Coordinator mit einem Pierre-Paul durchaus auch den einen oder anderen Zone-Blitz einbauen kann. Ach ja: Cox ist auch ein ziemlich guter Passrusher. Ich kann ergo im Fall der Fälle auch flott auf die 4-3 Over Defense switchen.

Fünf Spieler kriege ich noch. Vor den letzten fünf sehen die Empty Bottles so aus:

OFFENSE                      DEFENSE
---------------------------------------------------
QB   Aaron Rodgers           DE   Jason Pierre-Paul
RB   Jamaal Charles          DT   Gerald McCoy
WR   Julio Jones             NT   Fletcher Cox
WR                           DE   Brian Orakpo
WR   Victor Cruz             ILB  Brian Cushing
TE   Tony Gonzalez           OLB  Donta Hightower
OT   Nate Solder             CB   Patrick Peterson
OG   Carl Nicks              CB   Devin McCourty
C                            CB   Stephon Gilmore
OG   Kevin Zeitler           S    Earl Thomas
OT                           S    Kam Chancellor
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Die akademische Viertelstunde: American Athletic Conference (ex-Big East) im Sommer 2013

Man könnte ein ganzes Buch über die Entwicklung und Degradierung dieser Conference schreiben. Ich versuche es mal möglichst simpel nachzumalen. Also: Die Big East Conference wurde Ende der 70er Jahre als Basketball-Conference gegründet, und wurde im Football erst in den 90ern relevant. Schon damals häuften sich die Mahner, dass man damit nicht nur die Seele der Liga verkaufen, sondern langfristig die Existenz riskieren würde. Aber weil Mitglieder wie Miami (Florida) oder Virginia Tech super erfolgreich waren (BCS Titel und BCS Finals), blieben die Kritiker lange einsame Rufer im Walde.

Erst mit dem logischen Abgang von Miami und Virginia Tech 2004 setzte der rasante Niedergang ein. Die Big East konnte sportlich nicht mehr auf höchstem Niveau mithalten und wurde auch für die BCS immer mehr ein Dorn im Auge. Die wenigen Top-Unis liebäugelten mit einem Wechsel in die richtigen Power-Conferences.

Mit dem Re-Alignment Wahnsinn ab 2010 wurden aus den Rissen richtige Waale: Im Football gingen die letzten verbliebenen Zugpferde West Virginia, Pitt oder Syracuse, und weil man lange nicht wusste, ob die als Ersatz aus den kleineren Conferences verpflichteten Teams (zum Beispiel T.C.U., Boise oder Houston) auch wirklich in die Big East wechseln würden, wurden die TV-Verhandlungen mit ESPN zum Alptraum. Hätte man vor drei Jahren noch zumindest 150 Millionen pro Jahr abkassieren können (die Mitglieder lehnten das Angebot ab), so waren die letzten Angebote vor wenigen Monaten nur noch bei mickrigen 60 Millionen.

Das hatte zur Folge, dass die reinen Basketball-Unis (Slang: „Catholic-7“) eine eigene Liga gründeten und aus der Conference austraten. Die Liga war tot. Die Catholic-7 kauften den Namen „Big East Conference“, und die Nachfolge-Footballliga wurde in den wahnsinnig spannenden Codename „American Athletic Conference“ umbenannt. Die A.A.C. ist die offizielle Nachfolgerin der Big East, während die jetztige Big East eine neu geborene Conference ist, die nur noch im Basketball existiert – wie einst die originale Big East, deren Niedergang genau dann einsetzte, als sie über den Basketball hinaus expandierte.

Diese Liga – nennen wir sie Big East oder A.A.C. – ist die größte Verliererin im College-Football in den letzten Jahren. Und wenn ab 2014 das größte verbliebene Zugpferd Louisville (stark im Football und sehr stark im Basketball) in die Atlantic Coast Conference geht, droht erneut die Implosion.

Sehen wir’s sportlich: Der korsakoff-Take

Dachterrasse: Louisville
Zweiter Stock: Cincinnati, Rutgers
Erdgeschoss: Houston, Central Florida, South Florida
Kellerkinder: UConn, Temple, SMU, Memphis

BCS-Titelkandidaten: keine.

Weil viel Fluktuation drin ist, muss man erst schauen, wie sich die Liga dieses Jahr entwickelt (Fluktuation 2014: more to come…). Louisville hat sicher das kompletteste Paket und auch genügend Hype, dass eine perfect season ins BCS-Finale führen könnte. Ein sehr konjunktiviger Konjunktiv, denn es ist nicht schwer, beim Thema Louisville zu argumentieren „mehr Buzz als Substanz“: Gute Mannschaft, fraglos, aber Elite? No way.

Cincinnati und Rutgers würde ich nicht unterschätzen. USF ist seit Jahren ein underachiever, der mehr aus seinen Möglichkeiten machen könnte. Houston ist zwei Jahre nach dem Fast-Durchmarsch in die BCS eine komplette Unbekannte. UCF hätte alle Voraussetzungen, zumindest ein gutklassiges AAC-Team zu werden, aber es gibt immer wieder interne Querelen im Athletic-Department, die die Knights zurückhalten.

Im Keller ist es dunkel und ich traue mir keine richtige Prognose zu, was UConn, Temple und SMU angeht. Memphis wird, wenn alles seine Wege geht, Letzter, aber die Tigers haben einen exzellenten Head Coach, der gerade im zweiten Jahr ist und schon einiges bewegt hat.

Wort zum Sonntag: Karam hat gewonnen

Nachdem ich mich häufig genug über das Footballteam der Memphis Tigers (AAC) lustig gemacht habe, heute mal eine Geschichte der anderen Sorte. Freilich geht es weniger um Football selbst, sondern um die Freizeitaktivitäten von QB Jacob Karam. Diese Woche kam raus, dass Karam, ein Halb-Libanese, gerne mal eine lokale von einem Libanesen gegründete Kinderklinik besucht. Nicht als übliche offizielle „Team-Activity“, sondern ganz leise ohne Tamtam seit Jahren in der Freizeit. Das nachfolgende Video zeigt Karam als Klavierspieler mit einem 11jährigen krebskranken Mädchen:

Die Tigers selbst spielen dieses Jahr ihre erste Saison in der neuen American Athletic Conference, der Nachfolgerin der Big East Conference. Es gibt Gründe zur Hoffnung: Der Head Coach der Tigers ist Justin Fuente, der ehemalige OffCoord der TCU Horned Frogs. Ich halte Fuente seit einigen Jahren für einen der absolut besten Footballköpfe, weil er stets eine Sahne-Offense spielen ließ, die alle vorhandenen Talente maximierte und er einen meisterhaften Job macht, die bekannten Probleme zu kaschieren. Das ist für mich „Coaching“ im Reinsten.

Jacob Karam war bisher der Starting-QB, aber er riskiert übrigens diesen Sommer, von Fuente auf die Bank gesetzt zu werden. Fuente will gewinnen. Karam hat schon gewonnen.

Die Akademische Viertelstunde: Mountain West Conference im Sommer 2013

Die Mountain West Conference ist eine der Ligen, die in der Nahrungskette schön mittendrin liegen: Zu klein, um zu verhindern, dass die größten Tiere nicht von oben weggefressen werden. Aber groß genug, um sich die größten Mid-Major Fische aus dem regionalen Umfeld „von unten“ einzuverleiben. So verlor die Uni im großen Re-Alignment Chaos seit 2010 mit T.C.U. und B.Y.U. ihre größten Zugpferde an B.C.S.-Conferences (Big 12) bzw. an die Unabhängigkeit, aber dafür konnten mit Nevada, Hawaii, Fresno State, San Diego State und insbesondere Boise State ziemlich spannende Universitäten aus der mittlerweile im Football aufgelösten W.A.C. geholt werden. Während Boise State sportlich und für die TV-Aufmerksamkeit ein echter Gewinn ist, ist zum Beispiel Hawaii reinstes Gold fürs Recruiting.

Ein Problem der M.W.C. ist ihre Unsichtbarkeit: Alle Unis sind in sehr kleinen Märkten zuhause, seit T.C.U. (Dallas-Fort Worth) die Liga verlassen hat, und kleine Märkte sind immer schlecht für Zuschauer und Fernsehverträge – vor allem in den westlichen Zeitzonen der Staaten: Denn wenn zum Beispiel Hawaii ein Nachmittagsspiel austrägt, schlummert die Ostküste schon den Morgenstunden entgegen. Nur unwesentlich besser ist es bei Abendspielen in San Diego, Fresno oder San Jose.

Immerhin: Weil die großen Zugpferde Boise und San Diego ihren angekündigten Abgang in die Big East Conference rückgängig machten, bleibt die Conference intakt und relevant. Den ganz großen Star-Appeal verstrahlt sie nicht, aber für Liebhaber des mittelständischen Footballs sind schöne Mannschaften dabei. Man kann spätestens ab 2014 argumentieren, dass die M.W.C. die Nummer 6 unter den Conferences ist, also die beste Conference außerhalb von S.E.C., Pac-12, Big 12, Big Ten und A.C.C. – die beste Mid Major Conference; die zweite Klasse der Football Bowl Subdivision mit einigen Mannschaften, die der Elite gehörig auf die Pelle rücken können.

Sehen wir’s sportlich: Der korsakoff-Take

Dachterrasse: Boise State, Fresno State
Zweiter Stock: San Diego State, Nevada, Utah State, San Jose State
Erdgeschoss: Colorado State, Wyoming, New Mexico, Air Force
Kellerkinder: UNLV, Hawaii

BCS-Titelkandidaten: keine.
BCS-Busterkandidaten: Boise State.

Würden nur die Mannschaften aus „Dachterrasse“ und „Zweitem Stock“ die MWC bilden, dürften wir darüber streiten, ob so eine Division qualitativ mit einer Atlantic Coast Conference (ACC) mithalten kann. Boise, Fresno, San Diego State, Nevada, Utah State und San Jose State haben allesamt legitime Mannschaften, die jederzeit die AP Top-25 knacken können.

Die Sache ist bloß: Sie können es erstmal nur in diesen gegenwärtigen Jahren, da sie nicht über die Ressourcen verfügen, dauerhaft eine starke Mannschaft zu unterhalten. Für fast alle dieser Unis (außer vielleicht Boise State) muss man fast von einer Goldenen Generation sprechen. Boise dürfte dieses Jahr auch der einzige mögliche Spoiler für eine BCS-Bowlqualifikation sein – passend wäre es auf alle Fälle, im letzten Jahr der Existenz der BCS.

Aber Boise State hat bei aller Liebe noch nicht die Qualität der großartigen Generation 2009-2011. Fresno bringt ein relativ rundes Gesamtpaket und interne Konkurrenz für Boise. Nevada ist auch grundsolide, muss aber seine Trainerlegende Chris Ault (Erfinder der Pistol-Offense) ersetzen. Utah State hatte letztes Jahr eine Supermannschaft, aber mit Gary Andersen ist der Coach leider gegangen. San Jose State hat auch einen neuen Coach, aber wenigstens bleibt der Quarterback, David Fales, der als hoher Draftpick 2014 gehandelt wird.

Das Problem sind die beiden unteren Levels: Ab Erdgeschoss und tiefer lässt die Qualität rapide nach; die Hälfte der MWC ist also mehr als unteres Mittelmaß bis Gurkentruppen, und sie sorgt dafür, dass die MWC immer noch nur als zweitklassige Conference wahrgenommen wird. Die Air Force und Hawaii müssten die Mittel haben, sich dauerhaft aus diesen tiefen Regionen hochzuarbeiten, aber Unis wie UNLV, Wyoming oder Colorado State werden maximal temporär mal in die Höhe schnellen. Hawaii ist dieses Jahr vermutlich auch eine der schlechtesten Mannschaften in der gesamten FBS.

Zur Nachfolge von ESPN America

Update, Di 7h: Es ist offiziell („College Football“ […] „bis zu sieben Live-Spiele der NFL hat SPORT1 US wöchentlich im Programm“, Baby)


Kai Pahl schreibt im Blogeintrag von heute Mittag über die neuesten Gerüchte in Sachen ESPN America-Nachfolge. ESPN America wird bekanntlich am 1. August geschlossen. Im deutschen Sprachraum wird es aber höchstwahrscheinlich sofort einen Nachfolger (mutmaßlich mit College-Sport im Programm) geben: Ein Sender „SPORT1 US“ (oder ähnlich), der im SKY-Paket integriert sein wird (ab 1.8.2013). Die notwendigen Hintergrundinformationen und noch einmal den Weg der strategischen Fehlentscheidungen von ESPN auf dem europäischen Markt nachgezeichnet – hier entlang: Das Leben nach ESPN America: SPORT1 US?

Die 3-4 Defense in gebotener Kürze

Gestern habe ich versucht, in einem 20-Minuten-Beitrag die grundlegendsten Bezeichnungen an der Line of Scrimmage für Gaps und technique-Positionierungen zu geben. Heute setzen wir das theoretisch Erlernte mal auf dem Spielfeld um. Nochmal zu Beginn das uns schon bekannte Schmierbild:

Offensiv-Positionen in blau, Gaps in rot, Defensiv-Techniques in grün: So geht es an der Line of Scrimmage zu

Offensiv-Positionen in blau, Gaps in rot, Defensiv-Techniques in grün: So geht es an der Line of Scrimmage zu

Die 3-4 Defense bietet, haben wir ja gestern schon gelesen, drei Line-Männer an der Anspiellinie auf; im Regelfall haben diese Jungs ihre Hände am Boden bzw. im Dreck (down linemen). Die absolut rudimentärste Version der 3-4 Defense hat einen Nose Tackle (0-technique) und zwei Defensive Ends (5-technique). Die drei Männer haben häufig Verantwortung für jeweils zwei Gaps (two gap responsibility):

  • Der NT darf sich als 0-technique direkt am Mundgeruch des Centers des Centers erfreuen und muss die beiden A-Gaps zwischen dem Center und den beiden Guards kontrollieren, d.h. für den gegnerischen Running Back darf sich dort keine Lücke auftun. Weil der NT somit gegen extrem kräftige Bolzen gematcht wird, sollte er in dieser Formation selbst an die 320 Pfund auf die Waage bringen, um nicht wie ein Fähnchen durch die Luft geschoben zu werden.
  • Die DEs stellen sich für gewöhnlich an der Außenschulter der Offensive Tackles auf (5-technique) und sie müssen die B- und C-Gaps kontrollieren (also die Löcher zwischen Guard und Tackle sowie zwischen Tackle und evtl. aufgestelltem Tight End).

Hauptaufgabe der Line-Männer ist es, den Linebackers den Rücken freizuhalten. Sie sind nicht dafür gedacht, auf dem Stat-Sheet mit 80 Tackles und 12 Sacks in die Sommerpause zu gehen. Dafür sind die Linebacker zuständig. Die Outside Linebackers kriegen durch diese Aufstellung häufig 1-vs-1 Matchups gegen Tight Ends oder Running Backs, Duelle, die sie als starke Passrusher gewinnen sollten, um dauerhaft Druck auf den gegnerischen Quarterback ausüben zu können. Die Inside Linebackers sollten freie Hand haben und in ihrer Hauptarbeit (dem Tackling gegen Ballträger oder dem Decken von Tight Ends) nicht durch einen lästigen Offensive Guard gestört werden (denn der Guard wird ja vom NT oder einem DE beeiert).

Das sind die Grundideen der 3-4 Defense.

Es gibt aber Abwandlungen. Zum Beispiel fällt auf, dass der jetztige DefCoord der Eagles, Billy Davis, auf seinen bisherigen Stationen seinen Nose Tackle nur selten als 0-technique aufstellt, sondern als 1-technique etwas versetzt zum Center. Der ganze Zauber wird zum Beispiel veranstaltet, um auf einer Seite der Line ein Übergewicht zu bekommen und dem OLB, der ein extrem guter Passrusher sein sollte, zu einem besonders einfachen 1-vs-1 Duell zu verhelfen, und einem der Linebackers (oft der Weakside Linebacker, also der, der auf der Gegenseite vom Tight End steht) einen komplett ungestörten Aktionsradius zu verschaffen.

Eine sehr spezielle 3-4 Defense spielen in der NFL auch die Houston Texans unter DefCoord Wade Phillips, deren 3-4 total auf one-gap-Prinzipien ausgerichtet ist: Kein Defense Liner ist für zwei Gaps verantwortlich wie in obig beschriebener ursprünglicher 3-4 Philosophie. Manchmal muss einer der OLBs ein two-gap-System spielen. Das Schema sieht dann in etwa so aus:

Vereinfachtes Schema in der Defense von Wade Phillips

Vereinfachtes Schema in der Defense von Wade Phillips

Der NT ist ein 1-technique, ein DE ein 3-technique und einer ein 5-technique, die OLBs sind entweder 5-, 7- oder 9-techniques (der OLB auf der Gegenseite vom Tight End, also der Weakside Linebacker, ist in dem Schema oft ein reinrassiger Passrusher, der nur Dampf gen QB machen soll). Man könnte das Schema auch als 5-2 statt als 3-4 bezeichnen. Auf alle Fälle ist es optisch attraktiv anzuschauen: Houstons Defense fackelt nicht lange. Sie ist zügig, straight und kompromisslos.

So, und wer jetzt nix verstanden hat: Aufmerksamkeitsdefizit. Hinsetzen. Sechs.

Football-Terminologie: Was hat es mit Gaps und Techs auf sich?

Die Anspiellinie („Line of Scrimmage“) im American Football ist Motiv zahlloser dramaturgisch aufbereiteter Filmszenen. Was man im Film so schön aufbereiten kann, ist im laufenden Spiel oft von entscheidender Bedeutung über Sieg und Niederlage: Offense Line gegen Defense Line, das Duell in den trenches, wo gewaltigere Kräfte wirken als überall sonst auf dem Spielfeld. Hinter den rohen Menschenmassen versteckt sich aber eine raffinierte Terminologie, die es zumindest in Grundzügen zu verstehen gilt.

Die Offensive Line besteht, wie wir wissen, aus fünf Leuten: Left Tackles (LT), Left Guard (LG), Center (C), Right Guard (RG) und Right Tackles (RT). Manchmal ist an einer oder beiden Seiten der Line noch ein zusätzlicher Spieler aufgestellt: Der Tight End (TE). Diese Jungs müssen für das Laufspiel Wege für den Running Back freiblocken und bei Passspielzügen einen Schutzwall für ihren eigenen Quarterback bilden. Sie stehen jedoch nicht Körper-an-Körper, sondern ein paar Zentimeter voneinander getrennt an der Anspiellinie.

Diese kleinen Löcher werden im Football „Gaps“ (Freiraum) genannt – und diese Gaps sind von essenzieller Bedeutung. Oft hört man Trainer oder Co-Kommentatoren sagen „he’s a one gap player“ oder „he has two-gap responsiblity“. Der Grundgedanke dahinter ist: Die Abwehrspieler (Defensive Line und Linebacker) müssen jeweils eines oder zwei Gaps pro Spielzug kontrollieren, damit entweder kein Ballträger durchflutschen kann oder Druck auf den Quarterback ausgeübt wird oder die dahinter stehenden Linebackers freie Hand zum Tackeln haben.

Die Gaps sind von innen nach außen durchbuchstabiert: Die A-Gaps sind die Löcher zwischen Center und Guard. B-Gaps sind zwischen Guard und Offensive Tackle; C-Gaps zwischen Offensive Tackle und Tight End, D-Gaps alles außerhalb der Tight Ends. Die A- und B-Gaps werden meistens von Defensive Tackles beackert; die C- und D-Gaps von Defensive Ends oder Outside Linebackers (OLB), je nach Formation der Abwehr (4-3 oder 3-4). Die Aufgabe der Spieler in der Defensive Line und OLBs ist es, diese Löcher zu stopfen (im Laufspiel) oder durchzurasseln (im Passspiel).

Spielt eine Defense 4-3, also mit vier down linemen (Defensive Liner mit den Händen im Boden), sind die Spieler meistens für jeweils ein Gap (one-gap responsibility) zuständig; in einer 3-4 Defense (wo entsprechend nur drei down linemen stehen) haben die Spieler oft zwei Gaps pro Kopf zu bearbeiten, damit die Outside Linebackers eine 1-vs-1 Situation kriegen. Dazu aber vielleicht in einem anderen Blogeintrag mehr. Wir wollen uns hier um Basis-Terminologie kümmern.

Offensiv-Positionen in grau, Gaps in orange, Defensiv-Techniques in grün: So geht es an der Line of Scrimmage zu

Offensiv-Positionen in grau, Gaps in orange, Defensiv-Techniques in grün: So geht es an der Line of Scrimmage zu

Wir wissen nun, wer die Spieler sind und welche Gaps sie bearbeiten – aber wir wissen noch nicht, wo sie starten. Dafür ist der etwas irreführende Begriff „[x]-technique“ eingeführt worden. technique (oder kurz: tech) nicht im Sinne einer „Technik“, sondern als der Ort, an dem der Spieler im Moment des Snaps aufgestellt ist.

Die techniques werden nicht mit Buchstaben, sondern mit Zahlen durchnumeriert, in (fast) aufsteigender Reihenfolge von innen nach außen. Gerade Zahlen (0, 2, 4, 6) sind die techniques, wo der Abwehrspieler direkt vor der Fresse des Offensive Liners aufgestellt ist (0-technique zum Beispiel ist der klassische Nose Tackle). Die ungeraden Zahlen kennzeichnen die techniques an den Außenschultern der jeweiligen Offensive Liner, mit Ausnahme der 7-technique, die die Innenschulter des Tight Ends anzeigt. Die anderen Innenseiten werden durch ein nachgeschaltetes „i“ (für innen) gekennzeichnet.

Diese Klassifizierung der techniques ist die landläufigste. Sie ist irgendwann in den 60er oder 70ern vom Coach der College-Mannschaft Alabama Crimson Tide eingeführt worden, Bear Bryant, einem urigen Suffkopp, und wenige seither hatten die Eier, daraus eine kongruente und durchgängig sinnvolle Bezeichnung zu machen – so blieb es in den meisten Trainerstäben bis heute die meistbenutzte Bezeichnung (es gibt auch leicht abgewandelte).

Bleibt noch anzumerken, dass typischerweise die Seite, auf der der Tight End aufgestellt ist, als „Strong-Side“ klassifiziert wird, also in obiger billiger Handzeichnung die linke Seite (aus Defense-Sicht). Stellt die Defense nicht nach örtlichen Gegebenheiten oder dem Wetterbericht auf, wird der Outside Linebacker (OLB), der auf dieser Seite spielt, oft „Strongside-Linebacker“ oder SAM (wie Samuel) genannt. Die andere Seite, also oben im Bild rechts und ohne TE, hört dann zu, wenn „Weak-Side“ gerufen wird, die schwache Seite. Der schwächliche OLB ist in entsprechender Defense der „Weakside-Linebacker“ oder WILL (wie Willi). Der, der sich nicht entscheiden kann, gilt als MIKE (wie Michl), der steht in der Spielfeldmitte und hofft drauf, dass ihm die eigene Defense Line wenigstens einen potenziellen Ballträger zum Tackeln überlässt. Die Linebacker kriegen aber üblicherweise keine techniques zugewiesen, sondern nur Gap-Verantwortung (meistens für eines der A- oder B-Gaps, oder das D-Gap).

Typische Positionen in Kurzfassung

0-technique ist typischerweise der Nose Tackle (NT) in der 3-4 Defense. Er ist ein two-gap player, also verantwortlich für zwei Gaps (die beiden A-Gaps). Er ist im Idealfall ein schwerer Bolzen (150kg aufwärts), da er sich oftmals im direkten Duell mit Center und Guard quälen muss, den gewichtigsten Jungs beim Gegner.

1-technique ist oft der Nose Tackle in der 4-3 Defense oder bei manchen DefCoords auch der Nose Tackle der 3-4 Defense. Er ist typischerweise ein one gap player (A-Gap), der in der Geschmacksrichtung 4-3 Defense idealerweise gleich noch den Guard beeiert, weil er ihm im Weg aufgestellt ist. Der 1-technique ist ein faszinierender Spieler für spezielle Abwehrformationen wie die „4-3 Under Defense“, auf die ich in einem separaten Blogeintrag zu sprechen kommen werde. Er muss nicht zwingend ein Fettsack sein; in manchen der legendärsten Defenses der Footballgeschichte war der 1-technique ein untersetzter, flinker Mann.

3-technique ist oftmals einer der Defensive Tackles in der 4-3 Defense. Er hat Verantwortung für das B-Gap. Er spielt meist gegen den Guard im 1-vs-1; er wiegt zwischen 130 und 140kg und muss antrittsschnell sein. Im richtigen Spielsystem kann er gigantische Tackle- und Sack-Zahlen einfahren und als landläufig bekannter Name in die Hall of Fame wandern (Beispiel: Warren Sapp). Alles weitere in eigenen Blogeinträgen.

4- und 5-technique ist für gewöhnlich die Position, in der die Defensive Tackles und Defensive Ends in der 3-4 Defense spielen. Sie haben Verantwortung für jeweils zwei Gaps (B und C) und ziehen häufig die Arschkarte, weil sie ackern und beißen, aber nach der kompletten Saison nur 7 Tackles auf der Visitenkarte stehen haben. Ihre Hauptaufgabe ist es, einem Guard und Tackle auf die Eier zu steigen, Löcher zu stopfen, das Feld für die OLBs zu bereiten.

5-technique kann aber auch die glamouröseste Position in der Defense sein, dann nämlich, wenn es die 4-3 Defense ist: Dann sprechen wir hier über den Defensive End, der nur ein Gap bearbeiten muss und häufig der beste Passrusher der Mannschaft ist, der die zweistelligen Sack-Zahlen und Werbeverträge einheimst. Der beste von allen im letzten Jahrzehnt war Julius Peppers (Panthers, Bears), der von dieser Position aus vermutlich den Weg in die Hall of Fame gefunden hat. Problem beim 4-3 DE in der 5-technique: Sie müssen häufig gegen den besten Offensive Tackle beim Gegner spielen, und es gibt insgesamt nur 1-2 Spieler pro Jahrgang, die das konstant draufhaben.

9-technique sind in Schemen wie der berühmt-berüchtigten „Wide-9“ Defense die Defensive Ends, die sehr weit außerhalb der Tackles (und an der Außenseite des Tight Ends) stehen und daher im Idealfall kleine, brutal flinke Spieler sind. Die sind dann natürlich anfällig, bei Laufspielzügen durch die Landschaft geschoben zu werden.

5- oder 9-techniques können aber auch Outside Linebackers in der 3-4 Defense sein. Die Variantionsmöglichkeiten sind so unendlich, dass manchmal ein DefCoord vor lauter Wald die Bäume nicht mehr sieht, Gras frisst und in der Folge sich so übel verzettelt, dass es doch gescheiter gewesen wäre, auf all den Schmarrn zu verzichten und seine Bullen einfach machen lassen. Aber nur manchmal. Meistens ist die Defense mit unendlichem Tuning und schlichter Disziplin der Front-7 Spieler am besten dran.

Oftmals sind es absolute Feinheiten, eine Positionierung fuffzehn Zentimeter weiter links oder rechts, die einen mittelmäßigen Spieler zu einem Superstar werden lassen. Die Kunst von DefCoords und Positionscoaches ist es, für das vorhandene Spielermaterial die richtige Feinjustierung zu finden. Es gibt für viele technique-Positionen und Abwehrformationen Prototypen, aber es passiert auch immer wieder, dass ein Trainerstab ein unkonventionelles Detail findet, einen untypischen Spieler in eine gewisse Position steckt und daraus eine neue Innovation im Kleinen stattfindet. Konzeptionell (also im Großen) sind die Spielsysteme in der NFL heute fast alle gleich oder ähnlich, aber im Kleinen gibt es immer wieder Neuerungen, die dann von anderen kopiert und weiterentwickelt werden.

GFWTC Team Herrmann – Die Linebackers

Mit den Picks in den Runden 14 und 18 ist nun auch mein linebacking corps komplett. Pittsburghs OLB LaMarr Woodley (gedraftet an 137. Position) ist ein perfect fit für meine 3-4-D und Jacksonvilles Paul Posluszny (177.) hat zwar kaum Erfahrung als 34-ILB, aber mit seinem skill set sollte er sich sehr gut mit meinem anderen ILB Daryl Washington ergänzen.

Meine LBs (Runde [pick])

3 (24) OLB DeMarcus Ware
9 (84) ILB Daryl Washington
14 (137) OLB LaMarr Woodley
18 (177) ILB Paul Posluszny

LaMarr Woodley paßt dermaßen perfekt in Dick LeBeaus Steelers-Defense, daß er gar nicht weiter auffällt. Er ist einer dieser typischen Spieler in Pittsburghs Verteidigung: gedraftet zwischen der zweiten und fünften Runde (2nd rd-pick 2007), nur Ersatzspieler in seiner ersten Saison, stark und diszipliniert gegen den Lauf, zuverlässig in coverage, stark im pass rush (52 sacks in sechs Jahren) und auch wenn er nicht immer die spektakulären highlight plays macht, so muß doch kein Steelers-Fan Angst haben, daß er auch nur ein big play zuläßt (hier ist der Patriots-Fan in mir besonders neidisch, wo doch jeder Patriots Verteidiger immer mal wieder gut ist für ein „Oh-mein-Gott-wie-konnte-ihm-denn-DAS-passieren-Moment?!?“).

Nachdem er lange Jahr selbst „der Junge“ war, der von der Präsenz der alten Hasen (James Harrison, Larry Foote, James Farrior) profitierte, muß er in der kommenden Saison Vorbild und Anker für Jason Worilds sein, der den ROLB spot von Harrison übernimmt.

Die letzten Runden

13 (124) S Tyvon Branch
14 (137) OLB LaMarr Woodley
14 (144) S Antoine Bethea
16 (157) RB Marshawn Lynch
17 (164) WR Antonio Brown
18 (177) LB Paul Posluszny

Auch Paul Posluszny wurde 2007 in der zweiten Runde gedraftet. Da er bis 2010 bei den Buffalo Bills gespielt hat, konnte ich als Pats-Fan ihn auch regelmäßig spielen sehen, obwohl er bei einem „kleinen“ Team angestellt war. Posluszny ist mir dabei nicht nur aufgrund seiner wilden Mähne aufgefallen, sondern weil auch er ein Mister Zuverlässig ist.

Nach einer durch Verletzung auf drei Spiele reduzierten Rookie-Saison war er der Mike Backer in Buffalos 43-D, bevor die Bills 2010 die 34-D einführten und Posluszny in ebendieser ILB wurde. Er ist nicht der beste blitzer, aber Publikumsliebling wurde er im hohen Norde durch seine harten tackles, die immer saßen. Eher ging der Mann mit schöneren Haaren als Clay Matthews zum Friseur, als daß er einen tackle verpaßte. Laut PFF war er über mehrere Spielzeiten der dritt-sicherste Tackler unter den Linebackern, nur geschlagen von Patrick Willis und Takeo Spikes. Gute Gesellschaft.

Wichtig für meine Defense ist darüber hinaus, daß er auch in coverage sehr brauchbar ist. Er ist kein Willis oder NaVorro Bowman, aber mit sechs Interceptions in den letzten vier Jahren hat er soviele Bälle abgefangen wie die beiden zusammen.

Für das große Geld (mehr als $40 Millionen) wechselte er zur Spielzeit 2011 aus dem kalten NFL-Niemandsland Buffalo ins warme Niemandsland Jacksonville.

Mein Linebacking Corps besteht nun aus zwei wilden playmakers, die für die sacks und die Highlights zuständig sind (Ware und Washington) und zwei überaus zuverlässigen allrounders (Woodley und Posluszny), die den anderen beiden den Rücken freihalten. Zumal alle noch relativ jung sind (26, 28, 28 und 30 Jahre alt), sieht diese Viererbande auf dem Papier ganz hervorragend aus.

Team Herrmann nach 18 Runden

Position Name, Team (Runde) Position Name, Team (Runde)
LT Andrew Whitworth, CIN (12) DE J.J. Watt, HOU (1)
LG Mike Iupati, SF (8) NT
C DE Calais Campbell,ARI (4)
RG OLB DeMarcus Ware, DAL (3)
RT Sebastian Vollmer, NE (7) ILB Daryl Washington, ARI (9)
TE Vernon Davis, SF (6) ILB Paul Posluszny, JAX (18)
QB OLB LaMarr Woodley, PIT (14)
RB Marshawn Lynch, SEA (16) CB Darrelle Revis, TB (2)
WR Vincent Jackson, TB (5) CB Leon Hall, CIN (10)
WR Dwayne Bowe, KC (11) S Tyvon Branch, OAK (13)
WR Antonio Brown PIT (17) S Antoine Bethea, IND (15)
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Ein paar Zentimeter sind die Welt

Bei Grantland schreibt Robert Mays derzeit über einige versteckte Superstars in der NFL. Letzte Woche war DE Cameron Wake von den Miami Dolphins dran. Der Artikel schildert ausführlich Wakes unkonventionellen Weg in die National Football League. Ich hatte zum Beispiel nicht gewusst, dass Cam Wake eigentlich „Derek“ heißt und von allen Jugendfreunden noch immer so genannt wird; „Cameron“ ist nur der zweite Vorname, der nur durch Zufall „offiziell“ wurde. Wake war ein ungedrafteter Rookie aus dem College von Penn State, der über verschiedene Tryouts in die CFL zu den B.C. Lions aus Vancouver kam, und seit 2009 in Miami die NFL aufmischt.

Die beste, interessanteste Botschaft des Artikels  ist die Schilderung, wie der Coach der Lions, Wally Buono, aus dem bereits abgeschriebenen 4-3 OLB Wake, der sich fast schon damit abgefunden hatte, sein Leben als Kleinunternehmer zu verbringen, einen Defensive End machte, der heute zu den besten in der NFL gehört und von PFF.com zum achtbesten Spieler der Saison 2012/13 gewählt wurde:

In talking about his choice to move Wake to defensive end, Buono uses some variation of „explosion“ four times. „He just explodes out of his stance,“ Buono says. „It was just so evident. I think his vertical [was measured at] like 46 inches.“ That’s not an exaggeration. At the NFL combine, Wake’s standing vertical was 45.5 inches. As an outside linebacker in a 4-3, a player forced to move both backward and laterally, the advantages of that explosion are lost. „The instincts of a linebacker and the instincts of a defensive end are completely different,“ Buono says. „If you take a fish out of water, he can’t swim.“ The analogy is a cliché, but it’s apt. As a rusher, Wake resembles a shark gliding through the shallows. It looks like what he was born to do.

Wake war zum Passrushen geboren. Deckung gehörte nie zu seinen Stärken, weshalb er in der Von-Miller-Rolle als 4-3 OLB nicht funktionierte. Es brauchte den CFL-Coach Buono, der Wakes optimale Position fand, ein paar Zentimeter weiter „vorne“ in der Defensiv-Front, teilweise mit einer Hand im Schlamm. Defensive End mit Fokus Passrush. Ein paar Zentimeter, die die Welt ausmachen, aus einem unterdurchschnittlichen Gescheiterten einen der besten Spieler der NFL.

Die Wake-Geschichte ist auch eine Geschichte des Zufalls. Wake hatte Riesenglück. Auch Buono hatte Glück. Aber es ist auch eine Geschichte, die zeigt, wie häufig absolute Kleinigkeiten den großen Unterschied ausmachen können. Jede Wette, dass da draußen viele potenzielle Pro Bowler verbrannt werden oder im dritten Platz im Depth-Chart gefangen sind, weil die kleine Nuancierung, das kleine Adjustment für sie noch nicht gefunden wurde. Bei den meisten wird es nie gefunden. Einige, wie Wake, haben Glück.

Von Laie zu Laie: Wie funktioniert American Football?

In Sachen American Football würde ich mich als Autodidakten bezeichnen. Im Gegensatz zu Fußball, Rodeln, Skifahren, Radfahren, Laufen, Schwimmen, Klettern und weiß der Teufel was habe ich nie den Sport ausgeübt, hab noch nichtmal eine Uniform angelegt bekommen. Faszinierend am Football waren für mich ursprünglich drei Dinge: Tabellen und Zahlen, der Thrill der Nacht und Christopher D. Ryan. Das und die vielen sensationell spannenden Playoffspiele der 2000er hielten mich immer wieder in Atem und sorgten dafür, dass ich mir American Football immer wieder ansah.

Das Spiel selbst schaute ich mir lange Zeit nur durch die Makro-Perspektive an: Wie grimmig sieht der Head Coach drein, wie reagiert das Publikum auf eine Interception, ist Pass oder Lauf angesagt, wohin laufen die Linebacker usw. Es ist nicht einfach, als Neuling seine Augen vom Ball wegzubewegen. Was ich über Spielsysteme wusste, hatte ich im Konsolenspiel Madden Football gelernt. Erst mit der Zeit, und mit verstärktem Konsum von College-Football lernte ich die Vorzüge von diversen Spielsystemen kennen und begann, mich für Feinheiten zu begeistern, die im Einheitsbrei der NFL nicht so offensichtlich erkennbar waren.

Alles, was ich über Kleinigkeiten wie Zuständigkeiten von Einzelspielern in gewissen Situationen und Schemen weiß, erlernte ich über ein Computerspiel (Madden eben) und das TV. Keine Bücher, keine Lehrgänge. Immer und immer wieder wurde ich mit meinem Halbwissen eines Besseren belehrt, begriff ich in der Wiederholung, was für einen Schmarren ich im Live-Spielzug angenommen hatte. Ich begann, mir Notizen zu machen über Spielsysteme, Philosophien, Spielzugdesign. Ich begann, Spielertypen und Spielsysteme gedanklich zu verheiraten und zu begreifen, weshalb eine Bohnenstange mit 1,57m und 65kg als Right Guard ebenso wenig funktionieren konnte wie ein 150kg-Bomber im Defensive Backfield.

Ich bin überzeugt, nur einen Bruchteil von den Details des Footballsports zu kennen und habe wohl noch immer nicht mehr als den Blick auf das große Ganze. Aber das reicht uns ja erstmal. Daher ist für die nächste Zeit, die GFWTC gibt uns ja quasi die Steilvorlage, der eine oder andere Blogeintrag zum Thema „was geht da unten auffm Spielfeld eigentlich vor sich?“ geplant – sozusagen von einem Laien für Laien.

Die entsprechenden Einträge werden dann nach und nach hier unten ergänzt. Coming Up:

GFWTC Team Herrmann – Die Safeties

Meinem Cornerback-Duo Darrelle Revis und Leon Hall hab ich jetzt ein absicherndes Safety-Tandem zur Seite gestellt. Tyvon Branch, Oaklands 4th-rd pick 2008, ist lange völlig an mir vorbeigegangen. Das erste Mal aufgefallen ist er mir zu Beginn der Saison 2011, als er es furchtlos im 1-gegen-1 mit Robert Gronkowski aufgenommen hat. Weil er dabei dem Gronk nur einen Catch erlaubt habt, bekam er von PFF auch gleich einen eigenen Artikel.

Branch ist trotz seiner knapp 100kg auf 1,80m ein sehr explosiver Spieler; durch seine Masse natürlich aber mindestens ebenso physisch, damit fügt er sich perfekt in meine aggressive, attackierende Defense ein. Auch wenn er es immer noch gerne direkt mit Tight Ends und Slot Receivern aufnimmt, hat sich seine Rolle nach Oaklands Abkehr von der Al-Davis-Philosophie (“Wir spielen immer aggressive man coverage”) geändert.

Runden 13-18

13 (124) S Tyvon Branch
14 (137) OLB LaMarr Woodley
15 (144) S Antoine Bethea
16 (157) RB Marshawn Lynch
17 (164) WR Antonio Brown
18 (177) LB Paul Posluszny

In den Raiders-Spielen, die ich in der letzten Saison live gesehen habe und dem All-22-Tape des Spiels gegen Baltimore hat Branch eine eher traditionelle Safety-Rolle gespielt: eine tiefe Hälfte in Cover-2 verteidigt, das mittlere Drittel in Cover-3 abgedeckt oder underneath, wenn sein Partner Matt Giordano die Mitte in Cover-3 abgesichert hat. Nur vereinzelt hat er direkt an der line of scrimmage einen der Tight Ends (Ed Dickson und Dennis Pitta) oder einen Slot Receiver aufgenommen. Auch wenn Branch in der Regel als Strong Safety gelistet wird, ist seine tatsächliche Rolle doch erheblich vielseitiger, da er, wie gesagt, auch oft tief spielt und im Gegensatz zu den alten Raiders-Zeiten auch in zone coverages deckt. Sieht er einen Laufspielzug vor sich, reagiert er schnell und tackelt wie ein guter Linebacker: hart und sicher; er fällt kaum durch missed tackles auf. Ein klassischer interchangeable safety, wie Belichick immer gesagt.

Eine ganz ähnliche Rolle wie Branch in Oakland spielt Antoine Bethea bei den Indianapolis Colts.  Seit er 2006 in der sechsten Runde gedraftet wurde, steht er in der Startformation und ist ein Ausbund an Kontinuität. Von 112 möglichen Spielen war er bei 107 dabei – alle als starter; seine Serie steht aktuell bei 80 Spielen in Folge.

Bethea hatte das Glück, von Anfang an von Bob Sanders und dem Tampa-2-Fanatiker Tony Dungy lernen zu können. In diesem System hatte Bethea hauptsächlich eine Aufgabe: tief stehen, nichts an sich vorbeikommen lassen und alles abräumen, was die Vorderleute durchgelassen haben. Das hat er konstant zuverlässig erledigt, solange das alte Dungy-/Jim-Caldwell-Regime das Sagen hatte. Mit der Verpflichtung von Chuck Pagano nach der Spielzeit 2011 hat sich das recht simple System verändert und ist komplexer geworden. Bethea hatte einige Anlaufschwierigkeiten und mußte vielfältigere Aufgaben übernehmen und hat diese auch zumeist zuverlässig erledigt. Trotzdem fühlt er sich nach wie vor am wohlsten, wenn er das gesamte Spiel „vor sich hat“ und in der Tiefe patroullieren kann.

Er ist in Paganos Defense ein interchangebale safety wie auch Branch in Oakland. Ebenso wie Branch war auch Bethea einer der ganz wenigen veterans, die nach den Umbrüchen und dem Großreinemachen von den neuen Verantwortlichen in Oakland beziehungsweise Indianapolis unbedingt gehalten werden sollten.

Den ungeschriebenen Gesetzen der medialen Aufmerksamkeit zufolge könnte Bethea wieder in den Pro Bowl gewählt werden (wie schon 2007 und 2009), sollte sich Indy erneut für die Playoffs qualifizieren und die Defense einen Schritt nach vorne machen. Da Branch in einem wahrhaftigen schwarzen Loch spielt, dürfte ihm diese Ehre, egal wie er spielt, verwehrt bleiben. Ich kann aber nur jedermann empfehlen, sich mal All-22s der Raiders anzuschauen und dabei auf Nummer 33 zu achten.

Team Herrmann nach 18 Runden

Position Name, Team (Runde) Position Name, Team (Runde)
LT Andrew Whitworth, CIN (12) DE J.J. Watt, HOU (1)
LG Mike Iupati, SF (8) NT
C DE Calais Campbell,ARI (4)
RG OLB DeMarcus Ware, DAL (3)
RT Sebastian Vollmer, NE (7) ILB Daryl Washington, ARI (9)
TE Vernon Davis, SF (6) ILB Paul Posluszny, JAX (18)
QB OLB LaMarr Woodley, PIT (14)
RB Marshawn Lynch, SEA (16) CB Darrelle Revis, TB (2)
WR Vincent Jackson, TB (5) CB Leon Hall, CIN (10)
WR Dwayne Bowe, KC (11) S Tyvon Branch, OAK (13)
WR Antonio Brown PIT (17) S Antoine Bethea, IND (15)
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Die Akademische Viertelstunde: Big Ten Conference im Sommer 2013

Die Big Ten Conference ist für viele die älteste noch existierende Liga im College-Football (gegründet 1896 als Western Conference), und sie hat sich als solche auch ein Image angelacht, besonders konservativ zu sein. Sie ist im Norden und Nordosten der Vereinigten Staaten um die Großen Seen herum angesiedelt. Einige der größten Universitäten in den Staaten sind Mitglieder der Big Ten Conference. Die Mischung aus großen Namen, Tradition und Studentenzahlen macht die Big Ten Conference sehr attraktiv für die großen TV-Networks.

Der Commissioner ist Jim Delaney, ein grauhaariger alter Mann, der regelmäßig dadurch auffällt, dass er alles Neumodische an diesem 21.-Jahrhundert-Zeugs verflucht und mit aller Gewalt an Werten aus den 60er Jahren festzuhalten versucht. Offiziell zumindest. Tatsächlich hat Delaney mit vielen guten Ideen die Liga auf einen ziemlich guten Stand gebracht: Sie ist dank milliardenschwerer Deals mit ESPN und der Eröffnung des liga-eigenen TV-Sender „Big Ten Network“ finanziell topp aufgestellt, ist gerade dabei, ihr neues Conference-Endspiel zu einer Marke aufzubauen, und hat einen Weg mit dem Ziel eingeschlagen, eine starke, regional verwurzelte Conference zu bleiben.

Das Selbstverständnis, der Nabel der Welt zu sein, ist freilich übertrieben. Das offensichtlichste Beispiel war im Januar der Wechsel von Bret Bielema in die SEC. Bieleman war Head Coach bei den Wisconsin Badgers, die dreimal in Folge die Rose Bowl erreichten (und dreimal knapp verloren) und damit eines der momentan besten Teams in der B1G stellten. Bielema ging nach Arkansas, einem nur mittelmäßig attraktivem Team in der meilenweit enteilten SEC.

Eigentlich ist die Big Ten eine Liga mit mittlerweile zwölf, nächstes Jahr dann sogar 14 Teams. Delaney musste sich den Vorwurf gefallen lassen, die gute alte Liga zu verwässern nur um den einen oder anderen müden Cent mehr in den Fernsehverhandlungen herauspressen zu können. Und tatsächlich: Die Einladungen von Rutgers und Maryland sind aus sportlicher und ökonomischer Sicht fragwürdig.

Aber es gibt mit den Steckenpferden Michigan und Ohio State, dem erst vor wenigen Jahren angeworbenen Nebraska, den traditionellen Wisconsin und Michigan State sowie dem berühmt-berüchtigten Footballprogramm von der Penn State University immer noch sechs Universitäten, die die Conference zusammenhalten und definieren werden, zweitklassige Produkte wie Rutgers, Purdue oder Minnesota hin oder her.

Sehen wir’s sportlich: Der korsakoff-Take

Dachterrasse: Ohio State
Zweiter Stock: Michigan, Michigan State, Wisconsin, Penn State, Nebraska
Erdgeschoss: Northwestern, Iowa, Purdue, Minnesota
Kellerkinder: Indiana, Illinois

BCS-Titelkandidaten: Ohio State.

Ohio State ist nach zwei Jahren Bowl-Sperre nun wieder ein Titelkandidat, und kriegt extrem viel Presse. Der Head Coach Urban Meyer gilt zwar menschlich als fragwürdig, aber sportlich bestreitet niemand, dass Meyer der beste ist. Der Schedule für die Buckeyes ist wachsweich, die Conference sportlich mäßig genug und im Ruf dennoch stark genug, dass die durchaus mögliche perfect season ins BCS-Endspiel führt.

Der zweite Stock ist voll von recht soliden Teams, von denen keines wirkliche Top-10 Qualität hat. Michigan State war letztes Jahr 7-6 und ein ziemlicher Pechvogel. Michigan war mit 8-5 besser, aber hat noch nicht die Qualität für den Durchbruch. Wisconsin muss den Schlag des überraschenden Abgangs des Head Coaches verkraften, kriegt aber immerhin einen spannenden neuen Coach. Nebraska ist… Nebraska. Gut, aber nicht mehr der juggernaut der 80er und 90er. Penn State war eine der positivsten Erscheinungen 2012 (sportlich zumindest!) und HC Bill O’Brien machte einen bewundernswerten Job und hielt den Laden zusammen, aber die Nittany Lions werden wegen der Scholarship-Beschränkungen vorerst schwer gehandicappt bleiben.

Aus dem Erdgeschoss ist für mich Northwestern der offensichtlichste Kandidat, nach oben zu klettern. Die Wildcats spielen einen attraktiven Ball und haben einen exzellenten Coach und grundsolides Fundament. Bei Minnesota macht die Gesundheit von Coach Jerry Kill Sorgen. Iowa und Illinois waren zuletzt fürchterliche Enttäuschungen. Bei Indiana/Bloomington rührt sich etwas, und Seminole hat versprochen, darüber noch ein Stimmungsbild abzugeben.

GFWTC goes Nickel: Stephon Gilmore, verkanntes Genie?

Talking Points

  • Denkprozess
  • Gilmores Tape
  • Scheming-Möglichkeiten im DB
  • GFWTC und Youngsters

Moderne NFL-Defenses spielen überwiegend nicht mehr reine 4-3 oder 3-4 Defenses, sondern zumindest zu einem Drittel eine Form der „Nickel“-Defense, eine Art 4-2-5 Defense mit auf alle Fälle fünf Defensive Backs im Line-Up. Freilich braucht auch meine Defense, die vermutlich viel Passspiel gegen sich ausgespielt sehen wird, dringend einen fünften Defensive Back nach den CBs Peterson/McCourty sowie dem Safety-Duo Thomas/Chancellor.

Bevor ich meine Wahl erkläre, kurz zu den Spielern, die ich mit meinem 16t-Rundenpick (#159) überging.

  • CB Chris Harris, Denver Broncos. Pro Football Focus sieht im eher unbekannten Nickelback Harris einen “blue-chip”, also einen der zwei, drei ligaweit besten Spieler auf seiner Position. Ein Nickelback muss ja nicht unbedingt das gleiche Kaliber sein wie ein Outside-CB, da er häufig schnelle, wendige Jungs verfolgen muss anstelle der 1,96m-Bolzen auf Wideout. Harris soll dabei ein gigantisches Talent sein und zu den meistunterschätzten Spielern der Liga gehören.
  • CB Cortland Finnegan, St Louis Rams. Einer der fiesesten Spieler, ein dreckiger Bursche, der gerne die versteckten Fouls begeht und seine Gegner 60 Minuten plus Overtime verbal attackiert. Finnegan gilt mit seiner unangenehmen Spielweise als einer der Stars, auch im Slot.
  • CB Jonathan Joseph, Houston Texans. Fraglos einer der allerbesten Outside-CBs im Footballsport.

Übrigens: Wäre mir nicht drei Picks vorher DT Michael Brockers vor der Nase weg geschnappt worden, ich hätte ihn ohne mit der Wimper zu zucken gezogen. Weil Brockers aber weg war, fiel mir die Entscheidung letztlich relativ einfach.

Stephon Gilmore: Das Tape

Stephon Gilmore ist kein klassischer Slot-Cornerback. Mehr oder weniger zufällig schaute ich mir am Montagabend beim Durchspulen des All-22 Tapes der Buffalo Bills auf deren Defense. Normalerweise ist das so eine Beschäftigung kurz vorm Einschlafen, aber richtig gepennt hab ich nicht, denn Gilmore fiel einfach zu sehr auf: Was für ein Kämpfer! Was für eine physische Wucht! Es ist nicht so, dass der Trainerstab der Bills den Rookie Gilmore versteckt hätte, nein, DefCoord Dave Wannstett und seine Kollegen ließen Gilmore überwiegend auf den gegnerischen #1-Wideout los.

Das Tape gegen Arizonas WR Larry Fitzgerald im Bills-Spiel gegen die Cards (Week 13) ist unglaublich: Gilmore dominierte in Fitzgerald einen der absolut besten Receiver überhaupt! Fitzgerald ist kein Spielertyp, dem du häufig im Slot begegnen wirst, weswegen ich mir mittlerweile überlege, meine Defense konzeptionell leicht umzustellen, und eventuell Gilmore/Peterson auf außen zu stellen, und McCourty in den Slot.

Ich konnte nach dem Fitzgerald-Spiel noch nicht ganz glauben, und zog mir am späten Mittwochabend noch das Tape vom Rams-Spiel rein. Nicht das ganze Spiel, aber einen Teil. Gilmore war quasi das komplette Spiel über der direkte Gegenspieler von Rams-WR Chris Givens, ebenso ein Rookie und einer, dem man ein recht gutes Jahr nachsagte. Gegen Gilmore machte er keinen Stich. Givens ist mit seiner Anlage als Sprinter mit schnellem Antritt für das vertikale Spiel ein so dermaßen anderer Spielertyp als Fitzgerald, dass der Schluss nahe liegt: Gilmore könnte vielseitig sein.

Cards wie Rams ist gemeinsam, dass sie jeweils unterdurchschnittliche Quarterbacks besitzen. Ich konzentrierte mich in meinem „Scouting“ aber jeweils in erster Linie isoliert auf das direkte Duell WR-vs-CB, also (hoffentlich) so QB-unabhängig wie möglich. Und da sah Gilmore wie ein verkanntes Genie aus gegen zwei komplett unterschiedliche Spielertypen.

Ich war begeistert, warf meine Pläne, zwei „1er-Cornerbacks“ und einem klassischen Slot-Cornerback zu holen, über Bord, und ging mit Gilmore. In Gilmore und Peterson habe ich zwei sehr junge Defensive Backs, die jeweils bereits lernen mussten, sich auf einer Insel ohne Tagesmutti und Frischmilch vom Ziegenbock zurechtzufinden. Ich kann die beiden gegen die beiden Top-Receiver beim Gegner matchen, und McCourty in den Slot stellen. Ob Gilmore auch auf einen Tight End abstellbar ist, konnte ich nicht überprüfen – aber bei der bulligen Statur halte ich nix für ausgeschlossen.

Ohne die Zone-Coverage genau studiert zu haben, ist festzustellen, dass Gilmore in der Zonendeckung nicht annähernd so brilliert. Gegen die Rams machte er in klarer Zonendeckung zwar eine Interception, aber in beiden angeschauten Spielen, gegen Rams und Cardinals, sieht die Zonendeckung nicht gut aus. Zugegeben, die Bills-Defense spielte auch nicht annähernd aggressiv – da haste ohne echten Passrush schnell mal Probleme in einer Cover-2. Wenn ich dran denke, dass Gilmore nächstes Jahr DefCoord Mike Pettine kriegt… das wird der neue Revis für Mittelständler. Oder, vom Spielstil her noch näher dran, der neue Sherman. Und eines ist eh klar: Meine Defense wird aggressiv spielen. Zu viele Zonen wird es nicht geben.

Möglichkeiten im „Scheming“

Eine Idee, die mir den Gilmore-Pick noch schmackhafter machte: Blitzing. Patrick Peterson dürfte mit seinem sensationellen Antritt und seinem Speed wie gemacht sein für Cornerback-Blitzes aus dem Backfield heraus. Eine Möglichkeit im „Scheming“ ist es, Gilmore auf die Insel zum gegnerischen #1-WR zu stellen, um Peterson als ernst zu nehmende Blitz-Waffe auf den Quarterback loszulassen.

Gilmore gibt mir auch die Möglichkeit, große, physische Receiver wie Calvin Johnson besser zu decken. Ein Peterson ist mir dafür zu wenig aggressiv, zu wenig hauteng am Mann. Ich hätte Bedenken, dass Peterson einen Calvin im Alleingang halbwegs unter Kontrolle bekommt. Hin und wieder ein Big Play, eine INT, okay: Das kriegt ein Peterson immer hin. Aber Gilmore würde ich eher zutrauen – schon jetzt! – ein Monster wie Calvin über weite Strecken der Partie in Schach zu halten.

Und weiter: Peterson ist auch ein relativ okayer Spieler im Slot, und mit einem potenziellen „Shutdown-Cornerback“ wie Gilmore auf außen kann ich Peterson in meiner Defense besser umher schieben. Meine einzige Angst mit einer Einberufung von Gilmore über einen erfahreneren CB im Slot: Peterson hat häufig Probleme mit extrem wendigen, wuseligen kleinen Receivern á la Welker oder Amendola. Recap:

  • Gilmore (Profi seit 2012, Pick #10): Möglicherweise mein neuer #1-Corner, den ich 1-vs-1 gegen physische Freaks wie Calvin Johnson stellen kann, der auch ganz gut gegen Intelligenzbestien wie Reggie Wayne kann und von der Statur her auch einen Gonzalez oder Gronkowski in Schach halten können müsste.
  • Peterson (Profi seit 2011, Pick #5): Mein athletischer Wunderknabe gegen die meisten prototypisch gebauten WRs, ein potenziell großartiger Blitzer, recht okayer Mann für die Zonendeckung, aber bloß nicht zu oft gegen die Harvins dieser Welt!
  • McCourty (Profi seit 2010, Pick #27): Vielseitiger, wendiger Mann, der häufig auf Big Plays geht, und athletisch auch in den Slot passt.

Plus ein Safety-Duo Thomas/Chancellor: In drei Jahren ist dies das beste Defensive Backfield, das es im American Football gibt. Es wäre heute schon eines der besten.

Vom Rohdiamantentum

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, Spieler, nur Spieler mit mindestens zwei Jahren Profi-Erfahrung in mein GFWTC-Team zu draften (einzige Ausnahme wäre QB Andrew Luck gewesen): Zu oft lässt man sich in der NFL von einem sehr guten oder besonders schlechten Rookiejahr verarschen. Das ist ähnlich wie ein Breakout oder eine schwere Enttäuschung eines Draft-Prospects im letzten Jahr am College: Das sind dann häufig Spieler, die in der NFL wegen zu hoher/zu tiefer die Erwartungen nicht erfüllen können bzw. sich die Fans und Trainer wundern, was für einen sensationellen Rohdiamanten sie da plötzlich im Kader haben.

Ich mache für Gilmore eine Ausnahme (eine zweite folgt sogleich mit Dont’a Hightower, aus anderen Gründen). Gilmore hatte bei South Carolina nur drei Jahre Erfahrung im Defensive Backfield sammeln können, und entsprechend ungeschliffen war er letztes Jahr in die NFL gekommen. Aber der Lernprozess muss gewaltig gewesen sein, wenn ein Spieler wie er zu einem so frühen Zeitpunkt in der Karriere einen Mann wie Fitzgerald so dermaßen pulverisieren kann.

Gilmore war vor GFWTC-Start mein an #10 gerankter Cornerback, vornehmlich wegen seines Potenzials und seines jungen Alters. Würde ich mein Board nach dieser unfreiwilligen Scouting-Session umstellen, ich würde ihn an #4 hinter Revis, Sherman und Haden stellen, vor Peterson, den ich vor weit über 100 Picks geholt habe. Just my opinion.