Football-Terminologie: Was hat es mit Gaps und Techs auf sich?

Die Anspiellinie („Line of Scrimmage“) im American Football ist Motiv zahlloser dramaturgisch aufbereiteter Filmszenen. Was man im Film so schön aufbereiten kann, ist im laufenden Spiel oft von entscheidender Bedeutung über Sieg und Niederlage: Offense Line gegen Defense Line, das Duell in den trenches, wo gewaltigere Kräfte wirken als überall sonst auf dem Spielfeld. Hinter den rohen Menschenmassen versteckt sich aber eine raffinierte Terminologie, die es zumindest in Grundzügen zu verstehen gilt.

Die Offensive Line besteht, wie wir wissen, aus fünf Leuten: Left Tackles (LT), Left Guard (LG), Center (C), Right Guard (RG) und Right Tackles (RT). Manchmal ist an einer oder beiden Seiten der Line noch ein zusätzlicher Spieler aufgestellt: Der Tight End (TE). Diese Jungs müssen für das Laufspiel Wege für den Running Back freiblocken und bei Passspielzügen einen Schutzwall für ihren eigenen Quarterback bilden. Sie stehen jedoch nicht Körper-an-Körper, sondern ein paar Zentimeter voneinander getrennt an der Anspiellinie.

Diese kleinen Löcher werden im Football „Gaps“ (Freiraum) genannt – und diese Gaps sind von essenzieller Bedeutung. Oft hört man Trainer oder Co-Kommentatoren sagen „he’s a one gap player“ oder „he has two-gap responsiblity“. Der Grundgedanke dahinter ist: Die Abwehrspieler (Defensive Line und Linebacker) müssen jeweils eines oder zwei Gaps pro Spielzug kontrollieren, damit entweder kein Ballträger durchflutschen kann oder Druck auf den Quarterback ausgeübt wird oder die dahinter stehenden Linebackers freie Hand zum Tackeln haben.

Die Gaps sind von innen nach außen durchbuchstabiert: Die A-Gaps sind die Löcher zwischen Center und Guard. B-Gaps sind zwischen Guard und Offensive Tackle; C-Gaps zwischen Offensive Tackle und Tight End, D-Gaps alles außerhalb der Tight Ends. Die A- und B-Gaps werden meistens von Defensive Tackles beackert; die C- und D-Gaps von Defensive Ends oder Outside Linebackers (OLB), je nach Formation der Abwehr (4-3 oder 3-4). Die Aufgabe der Spieler in der Defensive Line und OLBs ist es, diese Löcher zu stopfen (im Laufspiel) oder durchzurasseln (im Passspiel).

Spielt eine Defense 4-3, also mit vier down linemen (Defensive Liner mit den Händen im Boden), sind die Spieler meistens für jeweils ein Gap (one-gap responsibility) zuständig; in einer 3-4 Defense (wo entsprechend nur drei down linemen stehen) haben die Spieler oft zwei Gaps pro Kopf zu bearbeiten, damit die Outside Linebackers eine 1-vs-1 Situation kriegen. Dazu aber vielleicht in einem anderen Blogeintrag mehr. Wir wollen uns hier um Basis-Terminologie kümmern.

Offensiv-Positionen in grau, Gaps in orange, Defensiv-Techniques in grün: So geht es an der Line of Scrimmage zu

Offensiv-Positionen in grau, Gaps in orange, Defensiv-Techniques in grün: So geht es an der Line of Scrimmage zu

Wir wissen nun, wer die Spieler sind und welche Gaps sie bearbeiten – aber wir wissen noch nicht, wo sie starten. Dafür ist der etwas irreführende Begriff „[x]-technique“ eingeführt worden. technique (oder kurz: tech) nicht im Sinne einer „Technik“, sondern als der Ort, an dem der Spieler im Moment des Snaps aufgestellt ist.

Die techniques werden nicht mit Buchstaben, sondern mit Zahlen durchnumeriert, in (fast) aufsteigender Reihenfolge von innen nach außen. Gerade Zahlen (0, 2, 4, 6) sind die techniques, wo der Abwehrspieler direkt vor der Fresse des Offensive Liners aufgestellt ist (0-technique zum Beispiel ist der klassische Nose Tackle). Die ungeraden Zahlen kennzeichnen die techniques an den Außenschultern der jeweiligen Offensive Liner, mit Ausnahme der 7-technique, die die Innenschulter des Tight Ends anzeigt. Die anderen Innenseiten werden durch ein nachgeschaltetes „i“ (für innen) gekennzeichnet.

Diese Klassifizierung der techniques ist die landläufigste. Sie ist irgendwann in den 60er oder 70ern vom Coach der College-Mannschaft Alabama Crimson Tide eingeführt worden, Bear Bryant, einem urigen Suffkopp, und wenige seither hatten die Eier, daraus eine kongruente und durchgängig sinnvolle Bezeichnung zu machen – so blieb es in den meisten Trainerstäben bis heute die meistbenutzte Bezeichnung (es gibt auch leicht abgewandelte).

Bleibt noch anzumerken, dass typischerweise die Seite, auf der der Tight End aufgestellt ist, als „Strong-Side“ klassifiziert wird, also in obiger billiger Handzeichnung die linke Seite (aus Defense-Sicht). Stellt die Defense nicht nach örtlichen Gegebenheiten oder dem Wetterbericht auf, wird der Outside Linebacker (OLB), der auf dieser Seite spielt, oft „Strongside-Linebacker“ oder SAM (wie Samuel) genannt. Die andere Seite, also oben im Bild rechts und ohne TE, hört dann zu, wenn „Weak-Side“ gerufen wird, die schwache Seite. Der schwächliche OLB ist in entsprechender Defense der „Weakside-Linebacker“ oder WILL (wie Willi). Der, der sich nicht entscheiden kann, gilt als MIKE (wie Michl), der steht in der Spielfeldmitte und hofft drauf, dass ihm die eigene Defense Line wenigstens einen potenziellen Ballträger zum Tackeln überlässt. Die Linebacker kriegen aber üblicherweise keine techniques zugewiesen, sondern nur Gap-Verantwortung (meistens für eines der A- oder B-Gaps, oder das D-Gap).

Typische Positionen in Kurzfassung

0-technique ist typischerweise der Nose Tackle (NT) in der 3-4 Defense. Er ist ein two-gap player, also verantwortlich für zwei Gaps (die beiden A-Gaps). Er ist im Idealfall ein schwerer Bolzen (150kg aufwärts), da er sich oftmals im direkten Duell mit Center und Guard quälen muss, den gewichtigsten Jungs beim Gegner.

1-technique ist oft der Nose Tackle in der 4-3 Defense oder bei manchen DefCoords auch der Nose Tackle der 3-4 Defense. Er ist typischerweise ein one gap player (A-Gap), der in der Geschmacksrichtung 4-3 Defense idealerweise gleich noch den Guard beeiert, weil er ihm im Weg aufgestellt ist. Der 1-technique ist ein faszinierender Spieler für spezielle Abwehrformationen wie die „4-3 Under Defense“, auf die ich in einem separaten Blogeintrag zu sprechen kommen werde. Er muss nicht zwingend ein Fettsack sein; in manchen der legendärsten Defenses der Footballgeschichte war der 1-technique ein untersetzter, flinker Mann.

3-technique ist oftmals einer der Defensive Tackles in der 4-3 Defense. Er hat Verantwortung für das B-Gap. Er spielt meist gegen den Guard im 1-vs-1; er wiegt zwischen 130 und 140kg und muss antrittsschnell sein. Im richtigen Spielsystem kann er gigantische Tackle- und Sack-Zahlen einfahren und als landläufig bekannter Name in die Hall of Fame wandern (Beispiel: Warren Sapp). Alles weitere in eigenen Blogeinträgen.

4- und 5-technique ist für gewöhnlich die Position, in der die Defensive Tackles und Defensive Ends in der 3-4 Defense spielen. Sie haben Verantwortung für jeweils zwei Gaps (B und C) und ziehen häufig die Arschkarte, weil sie ackern und beißen, aber nach der kompletten Saison nur 7 Tackles auf der Visitenkarte stehen haben. Ihre Hauptaufgabe ist es, einem Guard und Tackle auf die Eier zu steigen, Löcher zu stopfen, das Feld für die OLBs zu bereiten.

5-technique kann aber auch die glamouröseste Position in der Defense sein, dann nämlich, wenn es die 4-3 Defense ist: Dann sprechen wir hier über den Defensive End, der nur ein Gap bearbeiten muss und häufig der beste Passrusher der Mannschaft ist, der die zweistelligen Sack-Zahlen und Werbeverträge einheimst. Der beste von allen im letzten Jahrzehnt war Julius Peppers (Panthers, Bears), der von dieser Position aus vermutlich den Weg in die Hall of Fame gefunden hat. Problem beim 4-3 DE in der 5-technique: Sie müssen häufig gegen den besten Offensive Tackle beim Gegner spielen, und es gibt insgesamt nur 1-2 Spieler pro Jahrgang, die das konstant draufhaben.

9-technique sind in Schemen wie der berühmt-berüchtigten „Wide-9“ Defense die Defensive Ends, die sehr weit außerhalb der Tackles (und an der Außenseite des Tight Ends) stehen und daher im Idealfall kleine, brutal flinke Spieler sind. Die sind dann natürlich anfällig, bei Laufspielzügen durch die Landschaft geschoben zu werden.

5- oder 9-techniques können aber auch Outside Linebackers in der 3-4 Defense sein. Die Variantionsmöglichkeiten sind so unendlich, dass manchmal ein DefCoord vor lauter Wald die Bäume nicht mehr sieht, Gras frisst und in der Folge sich so übel verzettelt, dass es doch gescheiter gewesen wäre, auf all den Schmarrn zu verzichten und seine Bullen einfach machen lassen. Aber nur manchmal. Meistens ist die Defense mit unendlichem Tuning und schlichter Disziplin der Front-7 Spieler am besten dran.

Oftmals sind es absolute Feinheiten, eine Positionierung fuffzehn Zentimeter weiter links oder rechts, die einen mittelmäßigen Spieler zu einem Superstar werden lassen. Die Kunst von DefCoords und Positionscoaches ist es, für das vorhandene Spielermaterial die richtige Feinjustierung zu finden. Es gibt für viele technique-Positionen und Abwehrformationen Prototypen, aber es passiert auch immer wieder, dass ein Trainerstab ein unkonventionelles Detail findet, einen untypischen Spieler in eine gewisse Position steckt und daraus eine neue Innovation im Kleinen stattfindet. Konzeptionell (also im Großen) sind die Spielsysteme in der NFL heute fast alle gleich oder ähnlich, aber im Kleinen gibt es immer wieder Neuerungen, die dann von anderen kopiert und weiterentwickelt werden.

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