Das Spitzenspiel in Woche 9 war eindeutig das Divisionsduell der SEC East, #5 Missouri Tigers gegen #23 South Carolina Gamecocks. In der abergläubischen Welt hatte sich niemand getraut, auf „Mizzou“ zu tippen, aus Angst vor dem „Jinx“, dem Fluch, mit dem man den sympathischen kleinen Underdog belegen würde. Die, die es taten, trauern dem Underdog nun nach: Missouri verlor ein hart umkämpftes Spiel zweier Mannschaften, die in einer Stadt namens Columbia zuhause sind und zwei der letzten drei #1 Recruits aus den Highschools geholt haben (South Carolina mit Jadeveon Clowney, Missouri mit Dorial Green-Beckham).
Der sympathische kleine Underdog Missouri ging mit 24:27 nach Overtime baden, trotz einer 17:0 Führung, trotz der realistischen Chance, auch in der Verlängerung das Spiel noch zu gewinnen. Aber dann versemmelte der Kicker, und die Tigers gingen unter in einem Meer der Tränen. Es dauerte aber nicht lange, da kehrte der Stolz zurück zu Mizzou: Immerhin lieferte man ohne den nominellen Quarterback einem der großen Preseason-Favoriten einen harten Kampf. Jeder, wirklich jeder, lobte nachher das Potenzial, das Gary Pinkel und seine Mannschaft mit der Offense zeigten, und die großartige Defensive Line, in der sich nach Expertenmeinungen viele künftige Profis ins Rampenlicht spielen.
Am Ende war der Held des Tages aber ein anderer: Carolinas glatzköpfiger Quarterback Connor Shaw, der in der ersten Halbzeit mit Nachwirkungen einer Verletzung draußen saß, aber dann, mit hohem Rückstand, wechselte sich Shaw quasi selbst nach neun Minuten im dritten Viertel ein und drehte die Partie für seine Mannschaft. Shaw ist ein unwahrscheinlicher Held, und er sorgte dafür, dass die Gamecocks in der Eastern Division der SEC noch eine Chance auf das Finale haben. Das Standing in der Eastern Division sieht momentan so aus:
No. TEAM Conf OVR 1 Missouri 3-1 7-1 2 South Carolina 4-2 6-2 3 Florida 3-2 4-3 4 Georgia 3-2 4-3 5 Tennessee 1-3 4-4 6 Vanderbilt 1-4 4-4 7 Kentucky 0-4 1-6
Missouri bleibt damit trotz der Niederlage noch vorne, aber die Tigers müssen in den letzten beiden Wochen der Regular Season noch nach Ole Miss fahren und schließen mit einem Heimspiel gegen die Texas A&M Aggies ab. Da gibt es einfachere Lose. In der anderen Division der Southeastern Conference läuft alles auf den Iron Bowl zwischen Alabama und Auburn hinaus, der Ende November stattfindet. Das SEC-Endspiel könnte dann mal wieder zu einem „Play-in“ für das BCS Championship Game werden, aber nur, wenn Missouri bis dahin nicht mehr verliert.
Wie haben sich die Titelfavoriten geschlagen?
Antwort: Gar nicht. Bis auf einen, aber zu dem kommen wir noch. Von den echten Titelkandidaten gab sich diesmal diesmal außer Mizzou, die gegen einen sehr guten Gegner verloren, niemand Blöße. Alabama machte mit den Tennessee Volunteers kurzen Prozess (Endstand 45:10), und zeigte die beste Leistung der Saison; in zwei Wochen geht es gegen Louisiana State (diesmal müheloses 48:16 gegen das unterklassige Furham). Bei Alabama glauben mittlerweile alle, dass die Abgesänge auf die Defense nach dem Spiel gegen Johnny Manziel (Alabama kassierte 42 Punkte) zu früh kamen; seit jenem unheilvollen Spiel ließ Crimson Tide nie mehr als 10 Punkte zu.
Die Oregon Ducks erlegten in beeindruckender und trickreicher Manier die UCLA Bruins aus Los Angeles (Endstand 42:14). Der hoch gejubelte UCLA-QB Brett Hundley machte keinen Stich. Stiche setzten nur die Ducks, unter anderem in Form eines einzigartig frechen „Punt Fakes“, den der Head Coach Mark Helfrich wohl als eine Art Hommage an Chip Kelly ansagte, und der hier als GIF bestaunt werden kann. Die No. 48 war noch nie so allein.
Die Florida State Seminoles gewannen am Ende „nur“ 49:17 gegen North Carolina State, aber der Endstand täuscht, denn die Noles hatten das Spiel schon nach wenigen Minuten mehr als entschieden und gingen als Führende mit fünf Touchdowns aus dem ersten Spielviertel. Jeder Drive führte in die Endzone, egal ob als Pass oder Lauf oder das Trick. Es war eine Freude, aber man konnte getrost und ohne Sorge, etwas zu verpassen, nach diesem Viertel wegschalten, da eh klar war: Niemand stoppt die Noles. Die vielen Granden und die Trainerlegende Bobby Bowden fühlten sich auf der Tribüne an die großen Noles-Teams der 1990er Jahre erinnert.
Ohio State hatte beim 63:14 gegen die Penn State Nittany Lions überhaupt keine Schwierigkeiten; wir werden aber weiter unten in den Standings sehen, dass die Buckeyes im Simple Ranking System längst nicht Welten vor dem Rest der Big Ten Conference anzusiedeln sind. Es ist eigentlich unglaublich, wenn man die Medienlandschaft in den Vereinigten Staaten kennt: Die Ohio State University, Ohio State!, gewinnt unter dem Coach Urban Meyer, Urban Meyer!, jedes einzelne der ersten 20 Spiele (12 in 2012, 8 in 2013), und trotzdem sind sich nun alle einig, dass dieses Team maximal an No. 4 der Big Cows zu reihen ist.
Das nächste Team im Schlepptau ist Baylor, das diese Woche „nur“ 59 Punkte gegen Kansas scorte, was bei diesen Bears fast schon als Punkteflaute durchgehen muss. Die Miami Hurricanes hatten Mühe, sich gegen lowly Wake Forest mit 27:24 durchzukämpfen, und erst ein letzter guter Drive rettete die Canes vor einer peinlichen Schlappe eine Woche vor dem großen Showdown gegen Florida State.
Stanford schlug Oregon State, Clemson fand gegen Maryland nach anfänglichen Krämpfen zurück in die Erfolgsspur, Auburn machte kurzen Prozess mit Florida Atlantic. Das einzige Team aus den Top Ten, das neben Missouri verlor, ist Texas Tech, aber die Niederlage der Red Raiders gegen Oklahoma geht bloß technisch als Upset durch: Wer vor dem Spiel 10 Experten gefragt hätte, hätte wenigstens neunmal die Antwort Oklahoma als Siegertipp bekommen.
Der größte Verlierer des Tages kommt am Ende aus Virginia, denn die Virginia Tech Hokies, in der vergangenen Woche noch an No. 14 klassiert, verloren zuhause gegen die Duke Blue Devils mit 10:13. Die Hokies sind bekannt als defensivstarkes Team, und die Defense war auch stark: Nur 7 komplette Pässe beim Gegner für 107 Yards und vier Interceptions, und nur 91 Yards im Laufspiel für Duke. Das reichte nicht zum Sieg, weil es die eigene Offense zustande brachte, daraus Kapital zu schlagen: Vier Interceptions auch für VT-QB Logan Thomas, und ein verkicktes Field Goal. Die Field Goals machte Duke, aus fast unmöglichen Distanzen jeweils jenseits der 50 Yards, und holte sich nicht nur ein riesiges Upset, sondern mit dem sechsten Saisonsieg auch das Ticket für die Bowl Season. Das ist an einer Uni wie Duke, die sich allein dem Basketball verschrieben hat, ein bemerkenswerter Erfolg.
Das BCS-Ranking sieht nach dem neunten Spieltag dann so aus:
No. TEAM W-L SRS #1 Alabama 8-0 26.5 #2 Oregon 8-0 29.8 #3 Florida State 7-0 31.2 #4 Ohio State 8-0 19.1 #5 Stanford 7-1 18.9 #6 Baylor 7-0 29.9 #7 Miami/FL 7-0 12.3 #8 Clemson 7-1 15.9 #9 Missouri 7-1 20.2 #10 Oklahoma 7-1 10.4 #11 Auburn 7-1 14.7 #12 Texas A&M 6-2 17.1 #13 Louisiana State 7-2 16.2 #14 South Carolina 6-2 14.3 #15 Texas Tech 7-1 10.6 #16 Fresno State 7-0 3.2 #17 Northern Illinois 8-0 4.8 #18 Oklahoma State 6-1 14.6 #19 Louisville 7-1 14.5 #20 UCLA 5-2 14.3 #21 Michigan 6-1 9.2 #22 Michigan State 7-1 9.0 #23 Central Florida 6-1 11.0 #24 Wisconsin 5-2 16.4 #25 Notre Dame 6-2 8.8
Am Samstag folgte der große Klassiker Floridas, Florida State Seminoles gegen Miami Hurricanes. Obwohl beide ungeschlagen sind und in den Rankings nicht durch viel getrennt sind, ist Florida State in den Wettbüros mit 21,5 Punkten favorisiert. Das deckt sich eigentlich ganz gut mit der Differenz im SRS, die 18,9 Punkte plus 3 Punkte Heimvorteil beträgt, also 21,9 Punkte. Wer hätte das vor der Saison gedacht?
Auch die „Cocktail-Party“ Georgia gegen Florida gewinnt wieder an Relevanz, aber nicht in der BCS, sondern nur in der SEC East, die ich eingangs beschrieben hatte: Der Sieger kann noch hoffen. Die beiden Teams sind Nachbarn im SRS, No. 23 gegen No. 24, und Georgia ist mit 1 Punkt favorisiert.
Es gibt weitere gute Spiele am Wochenende: Texas Tech gegen Oklahoma State aus der Big 12 Conference zum Beispiel, oder Michigan gegen den kleinen Bruder Michigan State. Viele erwarten in letzterem Spiel eine Überraschung, denn Michigan State ist mit seiner Defense immer in der Lage, die offensivschwachen Wolverines zu stoppen.
Damit zum non-Football-Teil.
Neues gibt es von Penn State: Die Universität gesteht den Familien der 26 Opfer des Sexskandal um dem pädophilen Assistenztrainer Jerry Sandusky insgesamt 59,7 Millionen Dollar Schmerzensgeld zu. Noch größere News schreiben aber vor dem großen sportlichen Klassiker am Samstag die Miami Hurricanes…
Miami Hurricanes: Das Urteil im Fall Shapiro ist gesprochen
Mitte der letzten Woche hat die NCAA (National Collegiate Athletic Association), der Dachverband im College-Sport, die Strafen in ihrer Ermittlung gegen das Sport-Programm der University of Miami Hurricanes bekannt gegeben. Zur Erinnerung: Vor zwei Jahren, im Hochsommer 2011, veröffentlichte Dan Wetzel, Sportjournalist bei Yahoo!, gemeinsam mit einem Kollegen das Ergebnis einer Recherche über die verrohten Zustände bei Miami [Zusammenfassung bei Sideline Reporter]. Es ging um einen im Stolz verletzten Booster (Nevin Shapiro), der frustriert im Knast auspackte, mit welchen Methoden er bei Miami Spieler beglücken durfte. Von Drogen und Sex über Abtreibungen und ausschweifende Partys war alles mit dabei, und betroffen waren viele heute in der NFL bekannte Namen wie Vince Wilfork, Andre Johnson oder Jonathan Vilma.
Nach dieser Veröffentlichung machte sich die NCAA mit ihrem schweren Apparat an die eigene Untersuchungsarbeit, die andauerte: Zwei geschlagene Jahre vergingen bis zur Verkündigung der Strafen. Das Ergebnis: Neun gestrichene Stipendien über drei Jahre. Nicht neun pro Jahr, sondern über alle drei Jahre.
Der Aufschrei anderer in den letzten Jahren geschröpfter Unis wie Southern Cal (gestrichener National-Title, gestrichene Heisman Trophy), Ohio State (Entlassung vom Cheftrainer) oder Georgia Tech (Aberkennung eines Conference-Titles) ließ nicht lange auf sich warten, aber das Ergebnis zeigte einmal mehr: In der NCAA wird nicht immer mit dem selben Maß gemessen. Immerhin soll es besser werden: Seit 1. August hat der Verband einen neuen Strafenkatalog eingeführt, der einheitlicheres Vorgehen in den verschiedenen Ermittlungen sicherstellen soll.
Der gesamte Fall ist komplex genug um ihn nicht in einigen wenigen Absätzen zu summieren, aber nur so viel: Die Univeristy of Miami entging höheren Strafen auch deswegen, weil sie sich von Anfang an kooperativ zeigte, im Gegensatz zum Beispiel zu Southern Cal, wo man sich die Schuld bis zuletzt nicht eingestehen wollte. Und vielleicht, aber nur vielleicht, spielte im Hinterkopf der Ermittelnden auch der Fall „Sandusky“ bei Penn State mit, der der Kategorie „Skandal im College-Sport“ eine ganz neue Dimension verlieh. Da schauen ein paar Nutten auf Speed plötzlich ganz harmlos aus…
Die NCAA ist derweil selbst immer weiter in der Defensive: Bei besagtem Fall Shapiro war der Aufschrei vor zwei Jahren noch groß gewesen. Ganze Medienmeuten hatten sich über die Universität hergemacht. In diesem Sommer, 2013, wurden ähnliche Regel-Verletzungen bei Oklahoma State bekannt, aber der große Aufschrei blieb aus. Der Ärger konzentriert sich mittlerweile vor allem auf die verstaubte NCAA, die krampfhaft am Amateurstatus der College-Athleten festhält und damit Millionen, ja Milliarden, an denen vorbeiwirtschaftet, die sie generieren: Die Atleten.
Fälle wie die Millionenklage von Ed O’Bannon gegen den Verband, oder das ganz gemeinhin nach außen transportierte Bild einer verkrusteten, trägen alten Organisation, die in der Gegenwart nach einer Daseinsberechtigung sucht, trüben das Image der NCAA als Hüterin von Sitte und Moral im College-Sport Amerikas.
Top! Dank dir!
Da musste ich doch tatsächlich nochmals nach oben scrollen.
—> Posted by Seminole
Klasse!