Das Donnerstagsspiel der NFL-Woche 9 lautet diesmal Miami Dolphins (3-4) gegen Cincinnati Bengals (6-2) und wird um 1h30 angepfiffen (SPORT1 US und Gamepass live). Die Partie hätte man vor rund einem Monat auf Augenhöhe empfunden, aber mittlerweile fühlt sie sich wie ein echtes Mismatch an, da hier zwei Teams mit Trendkurven in unterschiedliche Richtungen aufeinander prallen.
Geschmacksrichtung „nach unten“ sind die Dolphins mit zuletzt vier Niederlage en suite, inklusive unnötiger Divisionspleiten gegen Buffalo und New England. Es hakt vor allem in der Offense, wo QB #8 Ryan Tannehill sich nicht entfalten kann, weil die Rahmenbedingungen nicht passen: Das Play-Calling von OffCoord Mike Sherman ist nicht überzeugend, und das Tackle-Problem schlägt mittlerweile ganz heftig zu: RT Clabo hatte einen derart desaströsen Einstand in Miami, dass zuletzt der LT Jonathan Martin, ein Junge im zweiten Jahr, dem man auf links erhebliche Schwierigkeiten nachsagte, auf Clabos Position stellte, und dafür routinierten LT-Ersatz von außen holte: Den zirka 500 Pfund schweren Bomber Bryan McKinnie aus Baltimore, der in den letzten Jahre nur noch selten zeigte, weswegen er einst ein gefeierter Star in Minnesota war. Immerhin: Drei überdurchschnittliche Spiele machte McKinnie in den letzten Jahren: Alle drei kamen ausgerechnet in den letzten Playoffs…
Die Verstärkung wird dringend gebraucht: Tannehill kassierte 32 Sacks in den ersten sieben Spielen (das sind die meisten; auf 100 Pässe kassiert Tannehill 10.9 Sacks, #30 der Liga). Und der heutige Gegner Cincinnati fährt eine gefürchtete Defense Line auf, in der ein Allstar in DT #97 Geno Atkins innen kommen kann, und gefährliche Passrusher wie DE #98 Dunlap oder DE #96 Johnson über außen. Wenn die Dolphins Tannehill nicht wenigstens die Zeit zum Schauen geben können, hagelt es heute erneut Sacks.
Im Corp der Ballfänger muss Miami ab sofort Brandon Gibson vorgeben (out for season) – ein übler Verlust im Slot, wo man sich plötzlich nichts sehnlicher zurückwünschen würde als den in der Offseason nach Cleveland verkauften Davone Bess. In TE #42 Charlie Clay gibt es immerhin einen überraschenden neuen Stern, aber das Top-WR Duo #11 Mike Wallace (Ziel jedes vierten Tannehill-Wurfs) und #82 Brian Hartline sind bislang so banal wie das leblose Dolphins-Laufspiel um RB #26 Lamar Miller. Vor allem Wallace‘ Einfluss ist deutlich geringer als es sein monströser Vertrag erwarten ließ.
Der Langzeitausfall von CB #29 Leon Hall sollte heute für Cincinnati damit auch nicht allzu schwer ins Gewicht fallen; die Secondary ist überhaupt so grundsolide, dass sie schon Green Bay abwürgte. Über die Saison kassiert die kollektive Pass-Defense der Bengals ganze 5.4 NY/A, ein beeindruckendes Zeugnis für den stillen DefCoord Mike Zimmer. Zuletzt wurde sogar der letztjährige 1st-Rounder CB Dre Kirkpatrick verstärkt eingesetzt, nachdem man schon das Bust-Label befürchten musste: Kaum Einsätze 2012 + nur 2 Snaps für Kirkpatrick im Season-Opener 2013, aber zuletzt immerhin 42 Snaps gegen die Jets. „Aus der Not eine Tugend“ oder wird Kirkpatrick tatsächlich besser?
Dass Cincinnati Defense spielen kann, wusste man; umso erstaunter war man in den letzten zwei Wochen dann aber ob der plötzlichen Effizienz der Offense um den bislang als blässlich empfundenen QB #14 Andy Dalton (gegen DET und NYJ 8 TD vs 1 INT), der mittlerweile 7.3 NY/A generiert und damit einen Top-10 Pass-Angriff anführt. Ich bin noch nicht überzeugt; gegen Detroit verfehlte Dalton gleich mehrere tiefe Bälle. Der Mann bleibt limitiert. Was aber definitiv besser wurde zuletzt: Die Bengals-WRs hinter der Megawaffe A.J. Green.
Man sah zu Saisonbeginn spärliche Versuche, das Spiel von Green „unabhängiger“ zu machen, was für Cincinnati in einigen Spielen mit kaum mehr Anspielen für Green resultierte. Zuletzt wurde Green wieder mehr in die Pflicht genommen, bekam die wichtigen Routen, und schaffte somit offensichtlich auch wieder Räume für die Mitspieler – und diese, wie #12 Marv Jones oder die Tight Ends #82 Eifert | #84 Gresham nutzen diese besser. Green bleibt mit 31% Anspielen der zentrale Fokus, aber Dalton verteilte die Bälle zuletzt effizienter an seine Nebenleute.
Das Bengals-Laufspiel bleibt weiterhin extrem ineffizient; der Rookie Gio Bernard hat seinen größten Impact als Empfänger von Screenpässen mit langen Läufen nach dem Catch. Miami hat eine exzellente Lauf-Defense. Trotzdem ist nicht zu erwarten, dass Bengals-OffCoord Gruden von seiner Pass/Lauf-Ratio ablässt.
Gepaart mit der exzellenten Offense Line der Bengals, die die größte Stärke Miamis (Defense Line um DT Odrick und DE Wake) neutralisieren sollte, bleibt den Dolphins eigentlich neben dem Heimvorteil nur noch die Hoffnung der dezenten Unkonstanz der Bengals: Die machten die nominellen Spitzenteams in ihrem Schedule bisher platt, verloren aber andererseits vergleichsweise einfache Partien wie @Cleveland oder @Chicago und hatten Probleme gegen Buffalo. Ein bissl unausgereift wirkt Cincinnati schon noch im Angriff, das gebe ich gern zu, aber die Entwicklung der letzten Wochen stimmt positiv, deswegen würde ich Cincinnati hier recht klar favorisieren.
Jonathan Martin ist heute Abend übrigens fraglich. Grund: Er hat das Trainingscamp der Dolphins verlassen, weil er gerüchteweise von seinen O-Line Kollegen gemobbt wurde.
Ansonsten fand ich die Dolphins – mit Ausnahme der horrenden Sack-Statistik – in dieser Saison garnicht so schlecht. Dass Wallace nicht von Beginn an die Wunderwaffe wird, war abzusehen, trotzdem hat er seine Klasse immer wieder aufblitzen lassen. Dazu kommt, dass viele lange Bomben auf ihn garnicht kommen können, weil Tannehill relativ wenig Zeit zum Werfen hat. Hartline ist eigentlich so solide wie die letzten beiden Jahre, sine Stats leiden nur darunter, nicht mehr Nr.1-Receiver zu sein. Gibson hatte sich ganz gut eingefügt, Clay ist überraschend gut und hat die Verletzung von Keller bisher gut vergessen lassen. Das Laufspiel war zu Beginn ne absolute Katastrophe, hat sich aber seit der Bye-Week verbessert.
Defensiv ist eigentlich alles recht chic. Die Front7 mit Wake, Odrick, Jordan, Starks, Ellerbe und Wheeler ist imho eh stark besetzt. auch die vor der Saison angezweifelte Secondary ist gar nicht so übel wie befürchtet und die Verteidigung gegen den Lauf so stark wie in den Vorjahren.
Die 4 Niederlagen waren – mit Ausnahme von @New Orleans – alle vermeidbar. In allen drei Spielen hat man geführt und die Spiele relativ spät aus der Hand gegeben. In New England hatten die Refs an der Niederlage auch ne ordentliche Aktie. Baltimore und Buffalo darf man eigentlich nie verlieren. Eigentlich hat man auch ne ganz gute Truppe. Was fehlt ist die nötige Reife und ein, zwei Verstärkungen der O-Line.
Heute Nacht erwarte ich allerdings nichts. The Trend ist in diesem Fall nicht „your friend“. Cincinnati ist einfach zu gut drauf.
@Korsa
Nur ein kleiner Hinweis, der Vorname von McKinnie ist Bryant und nicht Bryan.
Das Stadion ist ja richtig leer! Da ist bestimmt Stau in Miami.
Whooooooooooohohohohoh ! Overtime Sieg der Dolphins gegen Cincinnati durch eine Safety! Nachdem man wieder in der zweiten Halbzeit ne 14-Punkte Führung verspielte.
Kann mir jemand erklären, warum Cincinnati jedes mal zuerst einen Laufspielzug versucht, obwohl sie damit quasi null Erfolg hatten? Gefühlt war es so, als hätten sie für die 10 Yards immer nur zwei Versuche…
Nichtsdestotrotz dürfen die Bengals das Spiel nie verlieren.
@FreeTackle
Weil die Coaches das im Laufe der Jahrzehnte so gelernt haben. Dass die Zahlen das elendige, andauernde 1st-Down Rushing schon seit Jahren nicht mehr unterstützen, geht am Großteil der Trainergilde noch immer vorbei. Detroit hat ja ein ähnliches Problem. Bei Cincinnati fiel es heute Nacht vor allem gegen Spielende immer wieder auf; am Ende kostete es höchstwahrscheinlich den ersten Overtime-Drive.
Ich finde auch, dass Cincinnati das vergeigt hat; Daltons erste beide Interceptions waren Würfe, die heute in der NFL standardmäßig versenkt werden, ich würde ihm beide ankreiden. Die dritte war einfach Pech. Miami war den größten Teil der zweiten Halbzeit neutralisiert, aber Cincinnati hat letzten Endes zu wenig Kapital daraus geschlagen.
War ein insgesamt unterhaltsames, spannendes Spiel, das zwei AFC-Divisionen und das komplette AFC-Wildcardrennen offen hält. Am Ende bleibt auch noch der Lauf des Jahres (Gio Bernard) vom Spiel übrig.
Hab leider nicht alles vom Spiel gesehen: Die ersten beiden Picks von Dalton kann ich leider nur per Highlight Video bewerten. Wobei der Pick Six, der voll aufs Konto von Dalton geht, natürlich großen Anteil am Spielverlauf genommen hat.
Für mich war dann ein weiterer Knackpunkt der vorletzte Drive im 4th Quarter der Bengals, der mit dem 54 Yard FG endete. Man steht an der Miami 36 bei 3rd&4, 1:30 noch zu spielen und hat den Dolphins gerade 2 Timeouts gezogen. Sprich mit einem First Down hat man das Spiel so gut wie gewonnen: Man kontrolliert die Uhr und kann mit auslaufen dieser das entscheidende Field Goal kicken.
Aber das Play läuft so, dass der tiefe Pass auf #12 Sanu an die 10 Yard Linie (wenn ich mich recht erinnere) überworfen, ins Seitenaus geht. Für mich eine Mischung aus extrem schlechtem Playcalling und schlechtem Decision Making von Dalton (hab leider kein All 22 Tape, so dass ich bewerten könnte wie die anderen Wideouts gecovert waren, meine aber die Kommentatoren sagten was von Single Coverage für A.J Green). Anstatt einem kurzen Play über die Mitte, irgendwas was dem Kicker eine kürzere Distanz und/oder zumindest eine laufende Uhr verspricht.
So aber bedeutet es: die Uhr steht, Miami darf sich sein letztes Timeout behalten und der eigene Kicker muss aus 54 Yards kicken –> ein nicht geringes Risiko, was bei Versagen eine gute Feldposition für Miami bedeutet. (In der OT scheut man später den 56 Yard Kick, der den Sieg gebracht hätte, sofern erfolgreich).
Nach dem erfolgreichen Fieldgoal nutzt Miami erfolgreich die ihnen verbliebenen 1:24 und das Timeout zum Ausgleich.
Wobei dieser Drive der 6. war der in die Hälfte der Bengals führte. davon kam man 3 mal durch Turnover in gute Position:
– 34 Yard Misskicked Fieldgoal, nach Fumble Recovery
– 22 Yards nach Interception mit Fieldgoal
– Pick 6 für 93 Yards
1 Mal wurde ein Run von Miller bis an die 5 Yard Linie der Bengals durch einen Forced Fumble von Dunlap beendet.
2 Mal kam Miami durch eigene Kraft in Bengals Territorium:
– 93 Yards Drive zum TD.
– 50 Yards Drive mit Field Goal zum Ausgleich.
Ganz allgemein kann man sagen dass die eigenen Offense den Bengals mehr Probleme bereitet hat als die gegnerische 🙂
Tja Halloween ist einfach nichts für die Bengals:
1-5 All-Time mittlerweile…
Geno Atkins out for the season mit Kreuzbandriss.
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