Heute Nacht (Kickoff 1h30 MEZ) findet die Pro Bowl statt, das Allstar-Spiel der NFL. Es ist eine Spaßveranstaltung ohne großen Wert, die aber für gewöhnlich trotz allem erstaunliche Ratings erzielt. Heuer gibt es ein neues Format: Nicht mehr AFC gegen NFC, sondern „Team Rice“ (Jerry Rice) gegen „Team Sanders“ (Deion Sanders). Die Kapitänswahl unter der Woche löste von den Reaktionen… naja. Lassen wir das. Man kann es sich anschauen, aber es sieht halt etwas gewöhnungsbedürftig aus.
Anstelle der Pro Bowl hat dieses Blog in den letzten Jahren an diesem Sonntag vor der Super Bowl stets das Sideline Reporter All-Pro Team gekürt. So auch diesmal. Und zur Feier des Tages wird heute im Laufe des Tages auch ein Leser ein All-Star sein – nämlich derjenige, der mit seinem Klick die Schallmauer zu einer Million knacken wird.
Diese Saison traue ich mir erstmals zu, mein eigenes All-Pro Team zusammenzustellen. Ich habe mir über die Jahre eine gewisse Art angewöhnt, dieses Spiel „American Football“ anzuschauen und zu betrachten. Es gibt für mich immer zwei Dimensionen: Den Augentest und die Zahlen. Der Augentest ist wichtig, aber der Augentest ist irreführend. Die Zahlen sind wichtig, aber die Zahlen, die wir zur Verfügung haben, können auch irreführend sein.
Football ist ein so komplizierter Sport, dass ich es für unmöglich halte, individuelle Leistung komplett isoliert zu betrachten – aber der Punkt ist: Das muss auch gar nicht geschehen. Im Job habe ich vor zwei Jahren mit einer Geschäftsleitungs-Mannschaft ein Bewertungs- und Belohnungssystem für unsere Firma ausgearbeitet, und meine persönliche Erkenntnis war: Ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass unser Projektergebnis nahe am Optimum war. Trotzdem bin ich nun überzeugt, dass jede Individualbewertung nie völlig fair sein kann.
Zu oft wirst du von außen beeinflusst. Zu oft kriegst du auf den Deckel für etwas, das der Vorige im Prozess verbockt hat. Zu oft kriegt der nächste auf den Deckel für das, was du selbst verschlafen hast. So ist das in unserer Welt: Das Ergebnis zählt. Wir sind leider ergebnisorientiert, nicht prozessorientiert. Ein guter Mittelweg ist oft der beste Weg zur Bewertung.
Ähnlich ist das im Footballsport. Spieler bringen natürlich ihre Leistung, aber sie sind auch extrem abhängig von ihren Mitspielern. Sie sind auch extrem abhängig von ihren Coaches und den ihnen zugedachten Aufgaben. Dontari Poe in Kansas City ist das offensichtlichste Beispiel. Aber es gibt 32*53 Beispiele dafür. Trotzdem ist ein All-Pro Team irgendwo die Honorierung von 30-50 verdienten Spielern.
Ich habe über die Saison halbherzig ein Award-Rennen mit-getrackert, als Versuch eine Entwicklung mit zu protokollieren. Im Kopf hatte ich dabei vor allem ein eigenes All-Pro Team. Ich habe dieses Team in groben Zügen schon Anfang Dezember auf der Skipiste zusammengestellt. Es ist Ergebnis von dem, was ich gesehen habe, dem, was ich aus dem mir verfügbaren gigantischen Zahlen- und Statistikvolumen schließen kann, und dem, was ich – eben auf der Skipiste – in den einzelnen Folgen des Grantland NFL Podcasts (mit Bill Barnwell und Robert Mays) aufgeschnappt habe. Meine Ansicht vom Football ist von Barnwell und Mays nicht so weit entfernt.
Ich habe dieses Spiel nie selbst gespielt. Ich kenne die Details in einer Position nicht. Ich schaue in der Live-Übertragung und häufig auch in den montäglichen Abendsessionen mit 3-4 Condensed-Tapes vornehmlich immer noch zuerst auf den Ball, und nur vereinzelt auf Coverages. Das gebe ich mir manchmal im All-22 Tape, wenn die Zeit da ist.
Ich habe meine ästhetischen Präferenzen. Ich habe nach (grobe Schätzung) 100-150 kompletten Partien pro Saison in NFL und College mittlerweile ein gewisses Bild von diesem Sport im Kopf. Also: Mein erstes echtes All-Pro Team.
Offense
QUARTERBACK – Peyton Manning/DEN.
Peyton Manning ist vielleicht der Spieler der Saison. Er stellte den TD-Rekord auf, er wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum NFL-MVP gewählt, zum fünften Mal in seiner Mega-Karriere. Ich lernte Peyton Manning über die Jahre immer mehr zu schätzen, wurde sein Fan, fiebere mittlerweile mit ihm mit. Aber ein Punkt ist auch: Manning ist nicht mehr der Werfer von vor 6-7 Jahren. Das sollte man von einem 38jährigen auch nicht erwarten. Quarterbacks leben zum großen Teil auch von ihrem Kopf, ihrer Intuition. Halbwegs gut werfen können sie alle.
Manning etwas besser als die meisten, aber er ist nicht mehr der beste von allen. Jeder Laie kann sehen, dass sein tiefer Ball nicht mehr Standard ist. Manning 2013 funktioniert auch, weil er großartige Skill-Player als Teamkollegen hat. Manning brauchte nie eine große Offense Line; die hat er auch 2013 nicht. Manning ist schlau genug, um aus sehr guten Receivern maximales Kapital zu schlagen. Deswegen knackte er im hohen Alter noch die Rekorde. Manning funktioniert, weil er noch exzellent genug ist und sein Umfeld großartig ist.
Ganz tief drin in meiner Herzkammer halte das, was San Diegos Philip Rivers dieses Jahr gespielt hat, für mindestens ebenso beeindruckend. Rivers ist der Mann, den ich ganz tief drin in meiner Herzkammer nominieren wollte, aber es war letztlich unmöglich, an Mannings Rekorden, seiner Dominanz in seiner eigenen Offense und dem generellen Erfolg, der für die Broncos damit einher ging, vorbeizuschauen. Honorable mentions: Rivers/SD.
RUNNING BACK – Jamaal Charles/KC und LeSean McCoy/PHI.
Jamaal Charles ist seit vielen Jahren mein Lieblings-Runningback. Ich liebe seine Art zu spielen. Sie hat etwas Anziehendes, einen Mix aus Explositität, Grazilität und Wucht. Es ist nicht Petersons Power oder die Beweglichkeit eines Barry Sanders, aber es ist ein Alaba im Vergleich zu einem Maicon oder Dani Alves. Charles war nicht bloß ein Teil der Chiefs-Offense 2013/14. Er war die Chiefs-Offense 2013/14.
Er machte in nur 262 Carries mal wieder erstaunliche 1306yds (5.0yds/Carry) und summierte dazu 70 Catches für 693yds zu insgesamt 19 Offensiv-Touchdowns. Das alles ohne gescheite Offense Line und ohne als alleinige Offense-Waffe. Es gibt nicht viele Runningbacks, denen man eine Offense in die Hand geben kann; Charles ist einer der wenigen.
Fast identische Stats, aber noch mehr Einfluss auf den Erfolg seiner Offense hatte Eagles-RB LeSean McCoy (335 Carries, 1684yds, 5.0yds/Carry, insgesamt 12 TD). McCoy hatte ich vor der Saison als größten boom or bust-Back der Liga bezeichnet und auf seinen Breakout gehofft für den Fall, dass die Eagles-OL funktioniert. Sie funktionierte relativ ordentlich – und die Löcher, die er bekam, nutzte McCoy für eine beeindruckende Saison. McCoy ist im freien Feld fast nicht zu erwischen (lt. PFF mit 57 missed tackles). Er hatte 26 Läufe über 15yds Distanz – das sind fast 8% der Spielzüge, ein wahnsinniger Wert.
Charles und McCoy sind fast nicht voneinander zu trennen. Der eine ist ästhetisch der größere Genuss, leidet aber unter einer limitierten Offense. Der andere ist weniger komplett, aber wenn die Rahmenbedingungen stimmen, kann er dich zerstören wie kaum ein anderer.
Honorables: Adrian Peterson/MIN, DeMarco Murray/DAL.
WIDE RECEIVER – Calvin Johnson/DET und A.J. Green/CIN
Calvin Johnson ist der Spieler, der heuer in nur 14 Einsätzen 1489yds und 12 Touchdowns erfing und in sensationellen 37% der Pässe tief angespielt wurde. Er hatte einige Probleme mit Verletzungen und den einen oder anderen unguten Drop, aber das ändert am Gesamtbild nichts: Johnson ist der beste Wide Receiver, den ich bisher gesehen habe. Er ist auf den kurzen und mittleren Routen eine Wucht und gleichzeitig das vermutlich beste deep threat in der Liga. Nimm Johnson in Hochform und Randy Moss in Hochform, und ich bringe dir das berechtigte Argument, dass Calvin der bessere, komplettere von beiden ist.
Ich habe eine Weile überlegt, was mit Josh Gordon (1646yds in nur 14 Spielen) anzufangen ist. Gordons Yards sind ein massives Argument, und er spielt mit unterdurchschnittlichen Quarterbacks in einer eher eindimensionalen Offense, aber wenn man genau hinschaut, sieht man bald Gordons Limits: Er wird von höherklassigen Cornerbacks schnell kaltgestellt und hat extreme Probleme gegen klassische „press coverage“ an der Anspiellinie. Und in der Folge ist er ein zu laxer „Route-Runner“ um diese besseren CBs doch noch abzuhängen.
Gordon spielt ein fantastisches Jahr, aber im Zweifelsfall gehe ich doch mit Cincinnatis A.J. Green, dem mittlerweile zweitbesten Receiver der Liga, der auch von den besten direkten Gegenspielern nicht aus dem Spiel zu nehmen ist, und die Bengals-Offense phasenweise im Alleingang am Leben hält. Green hatte auf dem Advanced-Stats Sheet nicht die überragendsten Werte, aber Green ist die treibende Kraft dahinter, dass die Bengals-Offense trotz eines limitierten QBs lebt: Irre 187 Anspiele für Green, davon 30% tief. Diese 17 Anspiele sind genau 30% aller Pässe, die die Bengals in diesem Jahr warfen, und sie waren die einzige downfield-Bedrohung der Bengals. Green fing unter diesem Gesichtspunkt atemberaubende 101 Pässe für 1460yds und 11 Touchdowns.
Honorables: Josh Gordon/CLE, Andre Johnson/HOU, Brandon Marshall/CHI, Antonio Brown/PIT.
TIGHT END – Vernon Davis/SF.
Jimmy Graham ist einer der wichtigsten Offensivspieler abseits des Quarterback-Position. Es gibt allerdings ein Problem mit seiner Positionsbezeichnung „Tight End“: Die verschlüsselt, dass Graham eigentlich ein verkappter Wide Receiver ist. Damit wird er in Vertragsverhandlungen billiger, aber das ist nicht der Punkt. Schau dir die Saints-Offense an und du wirst schnell sehen, dass Graham nur pro forma als TE gelistet ist. Die #80 nimmt die meisten Snaps von einer echten WR-Position. Blocken siehst du Graham nur halbherzig.
Das Blocking allein ist aber nicht mein Hauptargument, dass ich im letzten Drücker doch noch Vernon Davis vorgezogen habe. Davis ist der viel komplettere Spieler, und er ist auch die komplettere Waffe. Wo ein Graham zwar 1151yds und 14 TD gemacht hat, aber nur in 19% der Fälle tief angespielt wird, ist Davis auch als Passfänger der variablere Mann: 98 Anspiele diese Saison, 36% davon tief – bei einem Tight End. Davis machte 57 Catches für 904yds und 15 TD.
Vergleicht man die Passlastigkeit der Saints mit jener der 49ers, haben Davis und Graham jeweils 19% der Anspiele ihrer Offenses gesehen, aber Davis hat 24% der Yards seiner Pass-Offense gemacht, während Graham nur auf 20% kommt. Und Davis ist der bessere Blocker. Daher fällt die Wahl auf Davis. Honorables: Jimmy Graham/NO.
OFFENSIVE TACKLE – Joe Thomas/CLE und Tyron Smith/DAL
Offensive Line ist die Position, die ich noch nicht richtig raus habe. Ich habe noch zu wenig Verständnis um die Position en detail zu erfassen. Ich habe viel mit Metriken experimentiert, aber ich glaube, sie alle sind ungeeignet. Es ist a) fast unmöglich, einen einzelnen Offense Liner messbar von seinen Line-Kollegen zu isolieren und b) ebenso kaum möglich, eine gesamte Offense Line isoliert von den Skill-Players zu betrachten. Hier zählt der Augentest, und ich muss mich dabei an die beste verfügbare Quelle PFF.com anlehnen.
Joe Thomas gilt unisono als weiterhin bester Pass-Blocker – eine Eigenschaft, die für mich in der Checkliste für Offense Tackles die #1, #2, #3 und #4 der Prioritätenliste abdecken würde. Tyron Smith von den Cowboys gilt als ähnlich gut, und er beging heuer extrem wenige Strafen.
OFFENSIVE GUARD – Logan Mankins/NE und Larry Warford/DET
PFF-Liebling ist Evan Mathis von den Eagles. Ehrlicherweise kann ich nicht 100%ig nachvollziehen, warum PFF Mathis so hoch und so weit über allen anderen einstuft. Ich würde zwei andere vorziehen: Mankins von den Patriots, weil er erstens vielseitig ist und zweitens einer der Motoren dafür, dass das Patriots-Laufspiel so häufig reibungslos über die Mitte und halblinke Seite funktioniert.
Und den Lions-Rookie Warford. Das mag Homer-Fanboy sein. Auf der anderen Seite ist das Lions-Laufspiel dieses Jahr phasenweise aufgeblüht wie nie, und mehr: Warford gilt als kompletter Spieler. Er hat im Pass-Blocking nicht einen einzigen Sack aufgegeben, und das in der passlastigsten Offense der NFL! Und er hat nur winzige vier Strafen begangen. Vier. Für einen Rookie. In einer monströsen Pass-Offense. Klar, die Shotgun-Formationen helfen, aber Warford muss ein wichtiger Grund gewesen sein, dass die Offense Line der Detroit Lions – jahrelang ein so großes Problem – plötzlich richtig akzeptabel aussieht.
CENTER – Alex Mack/CLE.
Bezeichnend, dass wir hier den zweiten bzw. dritten Browns-Spieler in der Offense andiskutieren. Diese Mannschaft hat so gutes Potenzial, dass es immer noch frappierend ist, wie das Front-Office abgekackt hat. Die Browns sind einzig einen QB von der Relevanz entfernt… Äh, wir waren doch beim Center?
Ich habe etliche Browns-Spiele 2013/14 gesehen, und die Offense Line ist eine Wucht, die allenfalls auf der rechten Seite Verbesserungspotenzial hat. Mack ist der Center, und er ist ein kompletter Spieler. Alle sagen ihm nach, keine großen Schwächen zu haben, und er begeht keine Strafen: Nur deren drei in dieser Saison. Das reicht, um den hoch gelobten Eagles-Center Kelce zu verdrängen. Kelce hatte wie seine ganze Offense Line heuer in einem Heimspiel gegen die Cowboys (oder Giants?) ein Spiel, das beim Zuschauen weh tat, so sehr wurde die Offense Line der Eagles zerbröselt.
Defense
Die Defense ist immer etwas kompliziert zu erfassen, weil es relativ viele verschiedene Positionen und Spielweisen gibt. Weil Coaches oft weniger zwischen Tackle/End/Linebacker unterscheiden, sondern mehr die Denke der Techs und Gaps haben. Oft fallen die Playmaker mehr auf als die grundsoliden Arbeiter. Niemand kann sich davon lösen, weil es relativ wenige Metriken gibt, die Leistungen objektiv zu messen. Ich gehe daher mit einer Einteilung, die sich langsam als eine Art generelle Klassifizierung für die Defensive-Front durchgesetzt hat: DE/Edge rusher (wozu auch OLBs gehören können), Defensive Interior (klassische 4-3 DT, aber auch teilweise 3-4 DE), und Nose Tackle (der klassische Nose Tackle).
DE / EDGE RUSHER – Robert Quinn/STL und Robert Mathis/IND
Die beiden Roberts. Quinn von den Rams war dabei der durchaus auffälligere, und er war der Mann, der die still, heimlich und leise richtig dominante Rams-Defense Line definiert. Quinn ist erst in seinem dritten Jahr, und es war mit 19 Sacks sein Durchbruch, aber er ist nicht allein auf die Sacks beschränkt: 91 QB-Disruptions sind der beste Wert in der NFL. Es ist auch Quinns Ästhetik, die beeindruckt: Der Mann überwältigt seine Gegner nicht mit roher Gewalt, sondern mit atemberaubender Geschwindigkeit. Er ist schlicht zu schnell für gegnerische Offense Tackles.
Er ist zwar größer und schlaksiger, aber es hat was von Dwight Freeney-esk, der pro Spiel fünfmal unter seinem Gegner durchspringt. Das einzige, das man Quinn noch vorwirft: Er soll noch nicht die große Konstanz vor dem Herrn haben und ähnlich wie ein Josh Gordon gegen die absolute Gegenspieler-Elite noch zu oft untertauchen. Bei Quinn gibt es keinen AJ Green, den man zwingenderweise vorwählen muss.
Mathis von den Colts hatte 19.5 Sacks und gewann die NFL Sack-Krone 2013/14, aber nach PFF „nur“ 61 QB-Pressures, aber weil Mathis so viele Snaps spielte, ist die Zahl im Vergleich zu manch anderem Passrusher ganz leicht irreführend. Nach PFF war Mathis nicht konstant genug. Ich hätte einen Hardy (Panthers) oder Hali (Chiefs) fast vorgezogen, aber dann erinnert man sich wieder dran, mit welchen Mitspielern die beiden anderen zusammenspielen und mit welchen Mathis (Mathis hatte fast die Hälfte der Colts-Sacks plus 8 Forced-Fumbles und einen Safety). Insofern: Guter Job von Mathis, Wahl ins All-Pro gerechfertigt.
Honorables: Tamba Hali/KC, Greg Hardy/CAR.
DEFENSIVE INTERIOR – J.J. Watt/HOU und Gerald McCoy/TB
Gerald McCoy war einer der drei Hauptgründe, weswegen ich die Buccs berüchtigterweise vor der Saison als Superbowl-Kaliber eingestuft hatte. Während das Gesamtgerüst – allen voran der Trainerstab – versagte, und auch die Defense Line als Gesamtwerk nicht wirklich überzeugte, war McCoy mal wieder eine Wucht. Schau dir McCoy an: Das ist der legitime Nachfolger eines Warren Sapp, nur kompletter. Lt. PFF hatte er 80 QB-Pressures, ein Wahnsinnswert für einen Defensive Tackle.
Freilich hatte ein Defensive-Interior Mann mehr: Watt. Der versauerte heuer in einer 2-14 Mannschaft, aber er vergammelte nicht. Watt hatte immer noch 11 Sacks und 6 Pass-Deflections und über 80 QB-Pressures. Man muss nur zuschauen, wie Watt spielt: Er ist der Clowney der NFL: Der Gegner konzipiert seinen GamePlan von ihm weg – ein größeres Kompliment kannst du einem Spieler nicht machen. Wir werden morgen sehen, ob man Watt den DPOY-Award 2013/14 geben muss, aber es dürfte außer Frage stehen, dass er der insgesamt beste Abwehrspieler der heutigen NFL ist.
Die Alternativen sind keine schlechten: Suh ist mittlerweile auch einer dieser kompletten Spieler geworden. Campbell aus Arizona sollte uns mittlerweile bekannt sein. Ein Titans-DT Casey ist völlig unbekannt, aber er ist die Einmann-Abrissbirne einer kompletten Defense. Leute wie Fairley oder Dareus sollte man auch niemals vergessen.
Honorables: Calais Campbell/ARI, Ndamukong Suh/DET.
NOSE TACKLE – Dontari Poe/KC.
Poe war ein ernsthafter MVP-Kandidat in der ersten Saisonhälfte, als er wirklich zu den dominantesten Abwehrspielern dieser Saison gehörte. Poe ist eine eindrucksvolle Erscheinung: So fett wie ein Nose Tackle der Güteklasse Ted Washington, aber für einen so massigen Körper erstaunlich beweglich. Er spielte nicht nur auf Nose Tackle, aber dort war er am besten: Das All-22 Tape zeigt, wie Poe dort meistens zwei Mann im Alleingang beschäftigte. In den Playoffs gegen die Colts hatte er eine bombenstarke Performance und zwang Andrew Luck immer und immer wieder zu herausragenden Plays. Poe gilt als einer der besten gegen den Lauf und verzeichnete gleichzeitig 36 QB-Pressures im Passrush – als überwiegender Nose Tackle. Ach, und: Poe beendete eben sein zweites Jahr als Profi.
LINEBACKERS – Lavonte David/TB, Justin Houston/KC und Luke Kuechly/CAR
Ist es Cheating, Justin Houston als Linebacker und nicht als “Edge Rusher” aufzuführen? Ich glaube nein. Ich brauchte einen Platz für einen der überragenden Spieler des Jahres, und Houston hatte in der ersten Saisonhälfte, als er noch fit war, Anflüge vom komplettesten Linebacker der NFL, Von Miller. Houston ist nicht das Passrush-Kaliber seines LB-Kollegen Hali, aber er ist kompletter und ist nach Advanced-Metrics sowohl als Passrusher wie auch als Lauf-Verteidiger in den Top-5 klassiert – obwohl er über fünf Spiele verletzt verpasste!
David ist technisch gesehen auch ein Outside Linebacker wie Houston, allerdings in einer 4-3 Defense – eine Position, die viele Jahre lang als eine Lauf-Position mit gelegentlichen Deckungsaufgaben gegen hüftsteife Tight Ends bedacht war. Mit Leuten wie Miller, Burfict oder eben David scheint sich das zu ändern. Während Miller mehr der Mann mit viel Zug ist, Burfict eine Art Supersprinter für Linebacker-Verhältnisse, hat David etwas Elegantes in seinem Spiel, etwas Fluides, das sich nicht von einem downfield blockenden Offense Guard aus der Bahn bringen lässt.
David wird sein sturzdummes Foul gegen Geno Smith im Season-Opener mit sich rumschleppen bis er den Superbowl gewonnen hat, aber das ändert nix dran, dass am Hype um ihn vieles dran ist: 53 negative Plays gingen auf Davids Kappe, was für einen 4-3 OLB unerhört ist.
Schließlich Kuechly als der neue Schlag Inside-Linebacker, die niemals das Spielfeld verlassen, und seien fünf Wideouts auf dem Feld. Kuechly sieht nicht aus wie ein klassischer NFL-Linebacker, vor allem nicht, wenn er als kleines, weißes Männlein mit Brille auf den Nasenflügeln über die Straßen von Charlotte wandert, aber auf dem NFL-Feld gibt es nur wenige Spieler, die so instinktiv das richtige machen, wenn der Ball gesnappt wird. Schau All-22 und Kuechly ist überall.
Eine Performance mit über 20 Tackles (Solo + Assists) gegen die Saints in Woche 16 hat mittlerweile einen kleinen Legendenstatus, wie auch die Tatsache, dass er der Mann war, dem die Panthers zutrauten, den TE-Überflieger Gronkowski im entscheidenden Play gegen die Patriots abzudecken. Das zeigt schon Kuechlys Vielfalt. Sein Jahresabschluss mit rund 165 Tackles, 2 Sacks und 4 INTs liest sich als wäre da noch nicht alles inkludiert, was ihn so groß macht.
Honorables: Patrick Willis/SF, Navorro Bowman/SF, Vontaze Burfict/CIN
CORNERBACKS – Richard Sherman/SEA und Patrick Peterson/ARI
Ich habe mir in der Offseason im Zuge der GFWTC mal ein bisschen Zeit genommen um Cornerbacks zu studieren und kam damals für mich zum Schluss, dass Darrelle Revis auf seiner Position in einer eigenen Liga spielt. Revis hatte 2013/14 trotz angeblich völlig falscher Einsatzweise (der Manndeckungs-Spezialist soll in Tampa in einer Cover-2 Raumdeckung verbrannt worden sein) ein zumindest auf dem Stat-Sheet sehr gutes Jahr: Nur 34 Catches für 402yds in 63 Anspielen aufgegeben.
Revis dürfte also weiterhin minimum einer der zwei oder drei besten Cornerbacks in der NFL sein – und jetzt kriegt er mit Lovie Smith einen neuen Spezialisten als Head Coach; Lovie wird ihn mit Bestimmtheit trotz seiner Cover-2 Affinität nicht in schlechte Schemen pressen.
Aber rein in der Saison 2013/14 gab es markantere Cornerbacks. Patrick Peterson ist sowas wie der neue Revis: In Arizona wird er in 100/100 Snaps auf den #1-Receiver des Gegners abgestellt, was ansonsten nichtmal mehr bei Revis der Fall ist. Peterson galt in den letzten Jahren oft als leicht überschätzt, weil sein größter Einfluss als Return-Spezialist kam, aber: Nein. Peterson ist schon ein sensationeller Cornerback.
Die Cardinals-Passdefense war nicht umsonst kaum zu bezwingen obwohl sie personell rundum neu besetzt ist und mit neuem DefCoord spielte. Peterson stellte mal im Oktober oder November den Texans-WR Andre Johnson komplett kalt. Er wurde zwar von den Titans in einer leicht freakigen Schlussphase abgeschossen, aber all in all dürfte Peterson mittlerweile den Hype wert sein: Die Cards können ihre Defensivstrategie nur durchziehen, weil Peterson so gut geworden ist.
Bleibt The Thug: Ich weiß nicht, ob Richard Sherman der beste Cornerback der Liga ist, aber er ist auf alle Fälle in der Diskussion. Sherman ist das Gesicht des besten Teams der Liga geworden, und als Spieler hatte er nun zweimal je 8 INTs in den letzten beiden Jahren. Er gilt als kaum bezwingbar an der Anspiellinie, weil er mit einer Härte zu Werk geht, dass es fast jeden gegnerischen Wide Receiver einschüchtert. Und er war im Conference Finale verantwortlich für den Spielzug des Jahres.
Bei den Slot-CBs hätte man im Jahr, in dem der beste von allen, Casey Hayward ausgefallen ist, Chris Harris nominieren können. Oder den Honey Badger. Kannste eh nehmen, wenn du willst.
Honorables: Darrelle Revis/TB, Aqib Talib/NE, Chris Harris/DEN.
SAFETYS – Earl Thomas/SEA und Eric Berry/KC
Thomas dürfte ziemlich unumstritten der beste Safety in der Liga sein. Thomas ist möglicherweise gemeinsam mit Watt, Miller und Revis der beste Abwehrspieler in der NFL. Wenn man sich die Legion of Boom im All-22 Tape ansieht, dann sieht man natürlich den bockstarken Sherman und den Hard-Hitter Chancellor, aber ganz ehrlich: Der Motor hinter dem Funktionieren dieser Seahawks-Secondary ist Thomas. Man kann sich an einigen missed plays bei ihm aufhängen, so wie man sich an einigen „Fehlern“ bei Ed Reed aufhängen konnte. Aber Fakt ist: Allein, weil Thomas wie Reed Play für Play so viel Spielfeld beackern können bzw. konnten, kannst du als Coach so eine Abwehr überhaupt spielen. Dass bei solcher Spielweise ein paar Plays in die Hosen gehen, liegt in der Natur der Sache.
Als Strong-Safety würde ich die Fifth Dimension, Eric Berry von Kansas City, nominieren. Ward von den Browns ist ein famoser Tackler, Chancellor ist vielleicht der härtere Spieler, aber Berry ist von seiner Spielweise her vielleicht ein etwas langsamerer Thomas mit mehr Physis. Die Chiefs stellten ihn häufig als eine Art verkappten Linebacker in die „Box“ an der Anspiellinie und ließen ihn dann entweder blitzen, den Lauf verteidigen oder die Tight Ends abdecken.
Berry hat nach PFF auch bemerkenswerte Statistiken: Kein Safety wurde häufiger angespielt, aber er sah nur die 19t-meisten Yards gegen sich. Berry hatte nach PFF 37 negative (also für die Offense negative) Plays (#2 unter Safetys hinter Ward) und gleichzeitig 17 QB-Pressures als Blitzer. Nuff said.
Honorables: Devin McCourty/NE, T.J. Ward/CLE
Special Teams
KICKER – Justin Tucker/BAL.
Das speichelproduzierende 61yds-Fieldgoal gegen die Lions war das eine. Das andere: Ein Kicker war Baltimores größte Offense-Waffe des Jahres. Damit ist alles gesagt.
PUNTER – Johnny Hecker/STL
Einen Punter allein zu bewerten ist vielleicht etwas unfair, aber Fakt ist: Die Rams haben dieses Jahr bei 78 Hecker-Punts 79 (!) Return-Yards aufgegeben. Heckers durchschnittliche Punts resultierten also in 44.2 Nettoyards pro Punt.
RETURNER – Cordarrelle Patterson/MIN
Patterson hatte heuer 43 Kickreturns für einen Schnitt von 32.4 Yards – fast zwei Yards besser als der nächstbeste Returner. Plus zwei sehr spektakuläre Return-Touchdowns. Ein Returner gewinnt oder versaut dir nicht die Saison, aber Patterson hielt in seiner Rookie-Saison zumindest als Returner das, was man sich von ihm versprochen hatte.