Was von Olympia 2014 an Eindrücken übrig bleibt

Das Eishockeyfinale der Herren (heute 13h MESZ) zwischen Kanada und Schweden steht noch als letzter Höhepunkt der Olympischen Winterspiele 2014 aus – eine Ansetzung, mit der man durchaus rechnen konnte. Beide schlichen sich recht unauffällig durch das Turnier. Kanada würgte Finnland mit einer starken Abwehrleistung nieder und schlug die USA in einem sehr temporeichen, intensiven Spiel. Die Schweden sind extrem spielstark, hatten aber gegen die Finnen mit zunehmender Spieldauer einige Probleme. Am Ende erwies sich der schwedische Abwehrblock aber als extrem souverän und ließ trotz etlicher Strafminuten die finnische Offensive überhaupt nie mehr sowas wie aufkommen. Beide Teams kommen trotz famoser Einzelspieler vor allem über Kollektiv. Ingrendienzien für ein Super-Finale sind gegeben.

Wenn das Herren-Endspiel annähernd das bringt, was das Frauen-Finale USA vs Kanada geliefert hat, wird es automatisch ein instant classic. Was die Frauen lieferten, war ganz beeindruckender Sport. Dieses Tempo und diese Intensität haben mich überrascht. Das war schon extrem ansprechend, ohne all die Spannungsbögen zu berücksichtigen.

Ich wusste natürlich, dass der Zwischenstand +2 pro US-Girls über den wahren Spielverlauf hinweg täuschte und dass er auch die Kommentatoren im TV blendete. Ich weiß um die Zufälligkeit des Spieles „Eishockey“. Das Schussverhältnis zwischen beiden Teams war ausgeglichen. Trotzdem hatte es irgendwo nicht mehr den Anschein, dass den kanadischen Mädels noch eine solche Schlussphase glücken würde… unterstützt natürlich von einem US-Pfostenschuss auf ein leeres kanadisches Tor… zustande gekommen durch eine Schiedsrichterbehinderung einer Kanadierin… du brauchst nicht weiter zu schreiben. Wir haben die Message verstanden.

Von denen, die zusammen gewinnen und verlieren zu denen, die so allein sind wie niemand anderes: Die Eiskunstläufer.

Eiskunstlaufen… ich habe durchaus ein Herz für die Ästhetik dieser Sportart. Dieses sanfte Gleiten zu dramatischer, ruhiger oder flotter Musik hat etwas Erwärmendes. Keine Sportart ist extremer, was diese Kombination aus „allein auf glattem Untergrund vor einer Menschenmasse“ angeht. Bei den Frauen noch krasser als bei den Männern. Es kommt nicht von irgendwo her, dass sie alle nach Ende der Show weinend zusammenbrechen.

Auf der anderen Seite habe ich tief in mir drin innigste Abneigung gegen alle Sportarten, die auf Bewertungsschemata fußen.

Ich habe trotzdem während des Hockeyfinals der Frauen immer wieder rübergeschaltet zur Kür der Damen – Carolina Kostner und dem Betteln meiner Liebsten zuhause sei Dank. Ich gestehe, die letzten Kürläufe waren fantastisch. Sie haben meine Aufmerksamkeit von einem Mannschaftssport (von Hockey!) weg geleitet. Der Daumen zum Wegschalten am Knopf, aber ich konnte nicht.

Und dann sah ich die Entscheidung, und ich wusste wieder, warum ich mir die Eis-Show ganz gerne Freitagnacht gebe, aber bei Olympia sonst nie hinein schalte. Was für eine Verarsche. Ich wusste es. Ich wusste es.

Trotzdem: Kudos für die Koreanerin Kim. Ihre Kür war einer der faszinierendsten Momente dieser Spiele. Ich liebe diesen Sport so sehr wie ich ihn verabscheue. Und ich befürchte, dass ich beim nächsten Mal wieder zuschauen werde.


Bobfahren ist für mich auch immer eines der Highlights bei Olympischen Winterspielen. Nicht, weil ich Cool Runnings gesehen habe, aber Bobfahren ist mit seinen urigen Typen noch ein richtig bodenständiger Sport. Und sie scheinen sich den Erfolg gegenseitig zu gönnen. Ich hab schon wieder den Namen des Siegers vergessen und könnte nur noch sagen, dass der Schweizer Medaillengewinner den Vornamen „Beat“ trug, aber beim Männerbob bereue ich hinterher niemals auch nur eine Sekunde, die ich zugeschaut habe.

Dass auch das Steuern durch den Eiskanal durchaus schwierig ist, siehst du bei den Frauen, die doch deutlich öfter gegen die Banden knallen und im 45°-Winkel dahersegeln. Das Frauenrennen bot die interessante Facette, dass Athletinnen wie die Hürdensprinterin Lolo Jones oder die ehemalige 100m-Weltmeisterin Williams als Anschieberinnen fungierten – eine recht originelle Idee, wie ich fand, auch wenn vor allem der Einsatz der Lolo – durch ihr Bekenntnis zur Jungfräulichkeit zu einem Sexsymbol geworden – in den Staaten durchaus auch kritische Stimmen hervorrief.

Die Heldinnen für mich waren aber die holländischen Bobpilotinnen: Vor dem letzten Lauf Fünfte, holten sie noch einen Platz auf und wurden am Ende Vierte. Die Steuerfrau, eine Ärztin, freute sich wie Bolle drüber. Ihre schwarze Anschieberin lag ihr heulend und schluchzend vor Freude im Arm. Wer sich so freut über einen vierten Platz bei Olympia, ist mit sich selbst bestimmt im Reinen, dass es ein Traum ist.

„Olympischer Moment“ ist auch Freude, und die Kombination aus der spannenden Entscheidung und dem Jubelknäuel der deutschen Mannschafts-Skispringer war diesbezüglich durchaus einer der besten Momente. Skispringen ist durch seine Unübersichtlichkeit und sein undurchsichtiges Bewertungssystem immer mehr unwatchable geworden, aber die Mannschaftsentscheidung fesselte mich an den Schirm bis zum Ende.

Dass Mario Matt den Slalom gewinnen konnte, freut mich ungemein. Ich habe Matt stets als echten Sportmann wahrgenommen, der irgendwie nicht in diese ORF-Hypemaschine passte. Dass Matt mit Hirscher einen meiner anderen Favoriten (Stichwort Preisgeld-Spende für Erdrutschopfer in Südtirol 2012) schlug – geschenkt. Hirscher wird noch Chancen bekommen. Matt ist mit 35 Lenze am Ende der Fahnenstange angekommen.

Ach ja, Tina Maze. Jahrelang das Symbol der unglücklichen Verliererin, die nahezu jede Weltmeisterschaft mit vier Hundertstelsekunden Rückstand auf dem Silberplatz beendet, waren diesmal die Hundertstel auf ihrer Seite: Ex-aequo Sieger in der Abfahrt, sieben Hundertstel im Riesenslalom ins Ziel gerettet. Glück und Pech gleichen sich im Leben aus, wenn man es nur lange genug versucht – zumindest meistens.


Was bleibt sonst?

Neue Sportarten, die ich gut finde. Skicross ist etwas, das ich mich aus blanker Angst nicht mehr aktiv auszuüben traue, aber die Crosser in Sochi hatten was. Da ist viel mehr Action drin als im x-ten Kombinationswettbewerb bei den Alpinen. Wo kann man die 17384m-Distanz im Eisschnelllauf rauswählen für mehr Skicross-Bewerbe?

Skicross > Slopestyle. Slopestyle lebt ähnlich wie der Eiskunstlauf von einer willkürlichen Siegerentscheidung, aber man hatte bei den Beteiligten wenigstens nicht das Gefühl, dass es ihnen mit Nachdruck um eine Medaille ging. Ich hab den 720 backflip Grabb gemacht, was kümmert mich die Silbrige? Vor allem bei den Herren war das atemberaubend und X-Games würdig.

Mein letzter Star ist das russische Publikum, vor allem in der Eishockey-Arena. Das Turnier endete für die Russen in einer kolossalen, aber nicht komplett unvorbereiteten, Enttäuschung, aber diese Stimmung in den ersten Tagen im Hockey-Stadion werde ich nicht vergessen. Es lief nicht alles rund für die Sbornaja, aber ein Publikum, das so bedingungslos hinter seiner Mannschaft steht ohne auch nur den leisesten Mucks obwohl es sportlich haperte, ist man als Hardcore-Konsument der amerikanischen Profiligen (booooooooooooooooooooo) oder der immer weicher gekochten Fußball-Atmosphäre im Spitzensport fast nicht mehr gewohnt. Der amerikanische College-Sport kommt noch nahe hin, aber danke, liebe Russen.

Das finale Ranking vor dem Finale

  1. Holländischer Damen-Bob.
  2. Kim Yu-na.
  3. T.J. Oshie und Russland vs USA
  4. Short-Track 500m Herren (Victor An)
  5. Damenfinale Hockey.
  6. Ski-Cross across the board.
  7. Snowboard-Slopestyle Herren
  8. Mannschafts-Skispringen Herren
  9. Michaela Shiffrin (Slalom Damen)
  10. Mario Matt (Slalom Herren)

Rein von der Unterhaltung waren es durchaus unterhaltsame Spiele… oder so.

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