WM-Caipirinha 2014: Deutschland – Frankreich | Viertelfinale

Aus gegebenem Anlass – stundenlange Verzögerung am Flughafen – gebe ich in diesen nicht beschäftigungsarmen Tagen mal wieder eine Caipirinha aus: Deutschland vs Frankreich 1:0, Qualifikation für das Halbfinale eingetütet, und damit sportlich wohl das Soll erfüllt. Enttäuscht kann man allerdings noch immer von der mangelnden spielerischen Qualität sein, wobei ich das Gefühl habe, dass es Löw und sein Trainerteam mittlerweile gar nicht mehr darauf anlegen, in Brasilien noch so etwas wie schönes Spiel zelebrieren zu wollen, trotz der Tatsache, dass man die mit Abstand passlastigste Mannschaft im Turnier stellt.

Es ist die Weltmeisterschaft, bei der die physische Wucht dominiert. Die athletischsten Bolzen kommen am weitesten, wohingegen die eher feinfühlig Kombinierenden Probleme haben, und das gute, alte direkte 1-vs-1 Duell fast aussichtslos geworden ist – es gibt vielleicht eine Handvoll Akteure in diesem Turnier, die sich ernsthaft durchfummeln konnten.

Deutschland stellte – von vielen gelobt – vor dem Frankreich-Spiel auf 4-2-3-1 um, mit einem Lahm (endlich) wieder als Außenverteidiger, mit einem Sechser/Achterpärchen Schweinsteiger/Khedira, und einem Klose in der Sturmspitze. Richtig gefruchtet hat es nicht. Die Zentrale wirkte zwar stabilisiert, Klose unterband zumindest die einleitenden Pässe der französischen Innenverteidigung von ganz hinten heraus, aber im deutschen Offensivspiel ist das in der deutschen Elf noch immer Stückwerk, und Lahm war durchaus auch nicht immer stabil in seinem Defensivspiel. Insgesamt aber: Leichte Verbesserung des Status Quo im Vergleich zu Vorrunde / 1. Halbzeit Algerien.

Die linke Flanke ist weiterhin mit dem verkappten Innenverteidiger Höwedes und dem schlicht verschenkten Özil nicht gut besetzt: Höwedes traut sich nur selten nach vorn, und wenn, wird er wie gestern zu selten angespielt. Özil ist von der Anlage her eher ein Freigeist, der sich als Ballbouncer für Doppelpässe eignen würde, aber kein richtiger Flügelspieler.

Erstaunlich fand ich aber auch, wie unsynchronisiert die rechte Seite auftrat: Wenn Lahm nach vorne preschte, verzog sich Müller ins Sturmzentrum, wo schon der komplett abgemeldete Klose nicht viel zustande brachte. So war es am Ende bezeichnend, dass das einzige Tor aus einer so lange so verschmähten Standardsituation resultierte. Schütze war mit Hummels der, der sich den Matchpreis verdiente, auch wegen der bedingungslosen Opferung des eigenen Körpers in Benzemas Schüsse.

Es war also rumpelig, es war holprig. Es war auch kein schnelles Spiel, trotz „nur“ 26 Grad in der Sonne von Rio. Da aber beide Teams eher langsam spielten, da beide relativ schnell sehr platt wirkten, dürfte das fehlende Tempo im Spiel schon auf die klimatischen Gegebenheiten zurückzuführen gewesen sein.

Bei den Franzosen fällt mir einleitend nur ein banales Vorurteil ein, das ich gegen den französischen Fußball durchschleppe: Wenn es heiß wird, ziehen sie den Schwanz ein. Dann werden sie lethargisch, nicht in der Lage, sich gedanklich von selbst hochzuziehen. Das 2014er-Team der Franzosen hat fassungsloses Potenzial, aber es war wie so viele seiner Vorgänger letztlich zu vorsichtig, zu verschreckt gegen einen Gegner, der zu knacken gewesen wäre – und Deschamps gab das hinterher sogar indirekt zu.

Schon gegen Nigeria wären die Franzosen fast fällig gewesen, weil sie offensiv so viele Gänge zurückschalteten und so wenig Risiko gingen, dass man damit dem Gegner genug Schalthebel überließ um sein eigenes Spiel aufzuziehen.

Das Aufbäumen der Franzosen blieb im Prinzip bis auf ein paar bissige Minuten nach der Pause fast gänzlich aus. Richtig weit reinrücken konnten sie die deutsche Mannschaft eher selten, und praktisch nie für mehr als 2-3 Minuten, trotz schlampiger Befreiungsschläge von deutscher Seite. Pogba, Matuidi, Cabaye – sie alle spielten zu selten downfield, sie versuchten zu lange, quer zu gehen. Am ehesten wurselte man sich auf der offensiven linken Seite durch, wenn Benzema mal mit Energieanfällen was auf eigene Faust versuchte.

Frankreichs WM-Fazit muss IMHO sein: Grandioses Potenzial, das in dieser Mannschaft schlummert, schon jetzt quasi-Favorit für die EM in zwei Jahren im eigenen Land, wenn sie erstmal für sich begriffen hat, wie mächtig sie sein kann. Das hat man diesmal offensichtlich zu spät kapiert.

Deutschland trifft nun auf ein neymarloses Brasilien, und sollte dort leicht zu favorisieren sein. Ich habe gedanklich mit dem Wunschtraum abgeschlossen, dass die deutsche Mannschaft in Punkto Zusammenspiel, Antizipation und Wucht noch „zu sich“ finden wird. Das scheint einfach angesichts der Umstände (siehe Verletzungen, siehe genereller WM-Trend) unmöglich. Es bleibt aber festzuhalten, dass diese Mannschaft sehr, sehr viel in die Waagschale wirft, dass sie zumindest punktuelle gescheite Kombinationen auszuspielen imstande ist, und dass sie kein unverdienter WM-Finalist wäre.

6 Kommentare zu “WM-Caipirinha 2014: Deutschland – Frankreich | Viertelfinale

  1. Ich bin schwer enttäuscht von den letzten 3 Spielen der deutschen Mannschaft, dabei war ich als Österreicher sogar erstmals für sie, kamen gleich an zweiter Stelle nach Gastgeber Brasilien in meiner Gunst. Nüchtern betrachtet haben sie sich jetzt typisch deutsch bis ins Semifinale durchgewurschtelt und treffen auf „mein“ Brasilien ohne Neymar und Silva. Schade, dass das kein Treffen in stärkster Aufstellung wird. Andererseits war Neymar gestern recht unauffällig und ich habe doch noch Hoffnung, auch wenn ich die Befürchtung habe, dass ausgerechnet in diesem Spiel dann der Knoten bei den deutschen Nachbarn platzt. Turniermannschaft und so…

  2. ich weis nicht was man von dieser deutschen Mannschaft halten soll,war wieder nicht überzeugend obwohl der Gegner gut war und jetzt das Halbfinale wird wohl ein lockerer Sieg geben ohne neymar ist Brasilien ineffektiv.Die einzigen die das DFB Team stoppen können sind Argentinien auf die ich vor der WM 200€ gesetzt habe oder die Holländer die einen robben in Bestform haben.

  3. Man hört und liest überall, dass die deutsche Mannschaft nicht überzeugend sei. Stimmt ja auch. Die Gründe sind wohldokumentiert. Wenn ich mir aber die Frage stelle, welche andere Mannschaft mich bisher in dieser WM überzeugt hat, dann lautet die Antwort ganz klar: keine.

  4. Holland war doch überzeugend bis jetzt alle spiele gewonnen waren nicht in der Verlängerung,aber van gall wird es schon mit seiner Arroganz das Ding vermasseln

  5. holland hat vielleicht alle spiele gewonnen, überzeugt haben sie keineswegs. allerdings muss ich zugeben, dass man so oftmals weit kommt in turnieren. die schwächen der gegner gnadenlos ausnutzen und effektiv seine sich ergende chancen verwerten. und genau das machen die holländer bislang. die einzigeste mannschaft, die (aus meiner sicht) bis gestern souverän jedes spiel dominiert hat war Kolumbien. aber die sind ja bekanntlich seit gestern abend geschichte bei dieser WM

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