St Louis Rams in der Sezierstunde

Die St Louis Rams bleiben eine Franchise, die in einem merkwürdigen Zwischenzustand verharrt: Sportlich wartet man seit Jahren auf den bislang ausbleibenden Durchbruch, und abseits des Spielfeldes versucht man zu ergründen, ob es Owner Stan Kroenke denn nun mit seinem angestrebten Move nach Los Angeles ernst meint.

Kroenke verhandelt seit Jahren um einen Stadionneubau in St Louis, was für uns Europäer eigenartig klingen mag, wenn man bedenkt, dass der Edward Jones Dome erst im Jahr 1995 eröffnet wurde um damals die Rams aus Los Angeles zu holen. Die Halle in St Louis erlebte zwar große Tage als Kurt Warner und seine Greatest Show on Turf über die Liga walzten, aber nichtsdestoweniger wird sie quasi seit ich Football schaue als veraltetes Wrack abgekanzelt.

Der Grund für den Hass auf das Stadion dürfte ein anderer sein: Der Dome war einer der letzten der NFL, bevor der Trend wenige Jahre später zu den Stadien mit verschließbaren Dächern wechselte, siehe Houston oder Indianapolis. St Louis oder Atlanta hatten quasi mit Eröffnung ihrer Hallen in den 90ern veraltete Bauten – kein Zufall, dass beide aktuell nach Neubauten krähen bzw. diese auch bekommen.

Sportlich krebsen die Rams mit erstaunlicher Konstanz seit Jahren zwischen Bodensatz und Mittelmaß, ohne jemals auch nur einen Ausbruch nach oben zu schaffen. Als Gesicht dafür haben manche den Head Coach Jeff Fisher ausgemacht, der in der NFL seit zwei Jahrzehnten als Cheftrainer arbeitet, ohne die ganz großen Ausreißer nach unten, aber auch nur mit einer einzigen Superbowl-Qualifikation.

Offense

Überzeugenderer Grund dürfte da die verfehlte Suche nach einem Franchise-QB sein. Just in dieser Offseason entledigte man sich des 2010 als #1 gedrafteten QB Sam Bradford, einem Superstar am College, der in der NFL aus verschiedenen Gründen den Durchbruch nie schaffte: Verletzungen, ständig wechselnde Coordinators, schlechte Offensive Line. Bradford galt seit Jahren als Kandidat für eine Entlassung, aber sein Monster-Vertrag (er war der letzte Top-Pick mit den 50-Mio Handgeldern) erlaubte einen Rauswurf nie.

Bradford wurde vor wenigen Wochen nach Philadelphia getradet. Für ihn kam QB Nick Foles, den viele auch nicht als wesentlich effizienter ansehen. Foles kam in drei Jahren auf 6.7 NY/A Passspiel – in einer allerdings etwas einfacher handelbaren Offense. Bradford steht über seine Karriere bei 5.4 NY/A – ein Wert nahe Tebow-Zone. Was Foles wirklich draufhat, weiß trotz 28 Einsätzen keiner so recht, aber es sprechen eigentlich alle von einem Upgrade gegenüber Bradford.

Foles – oder wahlweise auch ein neu gedrafteter Rookie-QB – wird auf alle Fälle hinter einer mal wieder rundum erneuerten Offensive Line antreten müssen. LT Jake Long, seit Jahren ein Verletzungsfragezeichen, wurde entlassen, wie auch C Scott Wells, OT Barksdale oder G Joseph. Mindestens drei der fünf Spots in der Offensive Line werden also neu besetzt sein.

Als Left Tackle soll der letztes Jahr mit viel Tamtam gedraftete Gerg Robinson auflaufen. Robinson, schon damals als „Project“ gehandelt, konnte in seinen Auftritten als Guard überzeugen, soll in der Tackle-Position jedoch bislang überfordert gewirkt haben. Der einzige andere erprobte Starter in der Line ist Rodger Saffold, einst ein Not-LT, später als rechter Guard eingesetzt. Fast alle gehen davon aus, dass die Rams in der Offense Line im Draft nachbessern werden bzw. eventuell Barksdale zurückholen.

Zu schauen wird auch sein, ob im Receiving-Corp noch etwas passiert: St Louis draftet zwar seit Jahren in den mittleren Runden alle Wide Receiver, die bei drei nicht auf dem Baum sind, aber so richtig eingeschlagen hat nie einer. Bestwerte 2014 hatte in Catches TE Cook (52 Stück), in Yards Kenny Britt (748yds) – beide kamen als gescheiterte Free Agents einst aus Tennessee.

Ob man auf „deep threat“ Chris Givens (2014: 10 Einsätze, 11 Catches), slash Tavon Austin (2014: 32 Catches, 239yds, null TD) oder Stedman Bailey (2014: 30 Catches, 435yds, 1 TD) noch länger bauen möchte, bleibt abzuwarten.

Defense

Die Rams-Defense dagegen sieht immer besser aus. In der Front-Seven wurde zu einer monströsen Ansammlung an ehemaligen 1st-Roundern in dieser Offseason DT Nick Fairley aus Detroit dazugenommen, womit die Top-Five nun wirklich furchterregend aussehen:

DE Chris Long (#2 Pick overall 2008)
DT Michael Brockers (#14 Pick overall 2012)
DT Nick Fairley (#13 Pick overall 2011)
DT Aaron Donald (#14 Pick overall 2014)
DE Robert Quinn (#14 Pick 2011)

Donald war Defensiv-Rookie des Jahres, Quinn kam nach seiner Monstersaison 2013 in 2014 immer noch auf insgesamt 11 Sacks. Brockers soll den Durchbruch noch nicht so recht geschafft haben, gilt aber als großes Talent, und Long entwickelte sich den Auguren nach über die Jahre zu einem kompletten Footballspieler. Rams-DL = Kandidat für den Pott der tiefstbesetzten Position in der NFL. Bleibt nur abzuwarten, ob sich der via Free Agency geholte DE Akeem Ayers auch in St Louis ähnlich gut machen kann wie zuletzt in New England.

Linebackers um Laurinaitis und Ogletree sowie Defensive Backfield um CBs Gaines / Jenkins / Joyner / Johnson sowie die Safetys McDonald / Barron sind Positionen, die allesamt mit bekannten Namen aus dem College Football besetzt sind, die jedoch in den letzten Jahren nie wirklich „Klick“ gemacht haben. Potenziell ist das auf jeden Fall eine hervorragende Komplementierung zur Defensive Line – nie auszuschließen, dass den Rams hier von heute auf morgen der Knopf aufgeht.


Letztlich steht und fällt aber alles mit der Offense – hier wurde OffCoord Schottenheimer durch Frank Gignetti ersetzt, aber Headcoach Fisher („Wir brauchen keinen Franchise-QB um Erfolg zu haben“) macht mit seiner Grundeinstellung etwas bange. Die Rams werden an #10 draften – wohl zu spät um sich ohne masssive Shopping-Tour einen der beiden Top-QBs Mariota/Winston zu greifen.

Abseits von QBs ist es nie eine schlechte Idee, Offensive Line zu draften. Auf allen anderen Positionen kann St Louis – so es will – in eine Richtung best player available gehen. Es ist ein überwiegend passabel klingender Kader, der aber leider an den beiden entscheidenden Positionen Kopfzerbrechen macht – QB und OL – und deswegen seit Jahren unter seinen Möglichkeiten bleibt.

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3 Kommentare zu “St Louis Rams in der Sezierstunde

  1. Laut Fisher soll noch ein QB kommen. Ich hoffe da mal auf Hundley, weil die beiden als Top-Picks gehandelten nicht erreichbar sind bzw. Hochtraden aus meiner Sicht nicht sinnvoll ist. Ansonsten setze ich meine Hoffnungen natürlich auch in Foles.
    Ansonsten wird sicher für die OL gedraftet und hoffentlich auch ein WR in Runde 1 (White/Cooper).

  2. Wenn sie heuer nicht wirklich mal nach oben ausreißen und sich in Folge dort auch etablieren sind die Rams für mich mit die größten Versager – betreffend Franchise als Gesamtes – der letzten Jahre. Denn dann haben sie es tatsächlich geschafft aus dem unfassbaren Ertrag vom RGIII-Trade genau nichts herauszuholen. Wer auch immer für Scouting und die Zusammenstellung des Teams in St. Louis verantwortlich ist würde da massive Schuld dran haben.

  3. Pingback: Die furchtlose NFL-Vorschau 2015/16 | Das Niemandsland | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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