6-10 Saison für die Giants, aber richtig nervös wurde offensichtlich keiner. Zumindest ließ GM Jerry Reese wenig Aktionismus erkennen. Head Coach Tom Coughlin durfte auch im hohen Alter bleiben und auf teure Einkäufe wurde wie immer verzichtet. Der einzige nennenswerte Offseason-Move in New York war der Austausch von DefCoord Perry Fewell durch Steve Spagnuolo.
Die Giants-Saison 2014 ging gründlich in die Hosen, was auch mit extrem vielen Verletzungsproblemen erklärt werden kann. Genau betrachtet war New York keine unterirdische Mannschaft: 7.5 Siege nach Pythagorean, und 0-3 in engen Spielen. Lass die Münzen etwas günstiger fallen und das Team steht im Liga-Mittelfeld, wo man es erwartet hatte.
Einzig die wirkliche Schwäche der letzten Saison wurde kaum angegangen: Pass-Defense, wo man mit 6.8 NY/A doch sehr herbe Werte einfuhr, die nahe dem Bodensatz sich befinden. Ob der Coordinator-Wechsel hier was bringt? Dass Spagnuolo mehr drauf hat als vier überragende Passrusher auf Tom Brady loszulassen, ist noch nicht bewiesen – und New York hat keine vier überragenden Passrusher mehr wie anno Acht.
Offense – Die meisten Anstrengungen wurden in der Offensive Line unternommen, wo man mit dem Draftpick #9 OT Ereck Flowers aus Miami holte. Es war ein Move, der nicht überall goutiert wurde, sieht aber nach der schweren Muskelverletzung vom Stammhalter Will Beatty vor wenigen Tagen plötzlich recht wichtig aus.
Trotzdem: Flowers war geholt worden um langsam in die Line eingeführt zu werden. Mit Beatty im Krankenstand wird er vermutlich schneller als gewünscht in die erste Formation rücken. Justin Pugh, vor wenigen Jahren in der ersten Runde geholt, dürfte in der Tat nur noch eine Guard-Option sein.
Offensive Line wird also eine Baustelle bleiben. Letztes Jahr war man vor allem unzufrieden mit dem Run-Blocking, das den kompletten Rhythmus der Offense in den Boden zog. RT Geoff Schwartz gilt als Ankermann, ist aber ein wandelndes Verletzungsrisiko. Flowers und Pugh müssen sich auf der linken Seite erstmal beweisen. Auf Center ist man mit Weston Richburg nicht wirklich zufrieden, hat aber kaum Alternativen. Wer auf Right Guard auflaufen wird, steht noch in den Sternen.
Das Laufspiel versucht man offensichtlich auch mit neuen Leuten im Backfield in Schwung zu bekommen: RB Shane Vereen wurde nach dem Superbowl-Sieg aus New England geholt. Vereen war in der Patriots-Offense ein wertvoller Baustein, wobei man immer aufpassen muss, wenn solche Rollenspieler Massachusetts verlassen: Zu viele von ihnen sind andernorts in der Anonymität verschwunden – und so überragende Werte hatte Vereen in New England dann auch nicht.
Der fangstarke Vereen soll eine Ergänzung zum eher blassen Ballträger-Duo Williams/Jennings werden, das letztes Jahr zwar über 1300yds und 10 TD zustande brachte, aber pro Carry nur auf 3.6yds kam und im Screenpass-Spiel keine Gefahr ausstrahlte (47 Catches, 332yds, 0 TD).
Die Offense wird ihr Potenzial nur dann ausschöpfen können, wenn auf Wide Receiver alles aufgeht, sprich: Odell Beckham jr. seine Form des Spätherbstes konservieren kann, Rueben Randle sich weiter entwickelt und Victor Cruz topfit aus seiner Verletzungspause zurückkehrt. In optimalem Zustand ist das vielleicht das furchterregendste WR-Trio in der NFL.
Bei Beckham nähren sich allerdings Stimmen, die seine Welttournee in dieser Offseason als verfrüht ansehen und lieber hätten, dass der Mann der einarmigen Catches sich im Training weiterbildet. 6-8 Wochen Spitzenklasse seien noch kein Nachweis für die echte Elite. Randle muss an seiner Catch-Rate arbeiten: Zuletzt mit 127 Anspielen ein massiver Bestandteil der Offense, aber nur 71 Catches in trockene Tücher gebracht.
Cruz ist in fittem Zustand vielleicht der beste Slot-WR der Liga. Es wird Cruz brauchen, denn auf Tight End ist man nicht überzeugend besetzt. Larry Donnell hatte zwar viele Plays, gilt aber als nicht dynamisch genug um auf eigene Faust für Terror zu sorgen.
Den Rest wird die Wundertüte QB Eli Manning richten: 2014 halbierte er seine Interceptions auf 14 über die Saison. 2015 wird es zu einer wichtigen Aufgabe für ihn, wieder mehr als die 19% tiefen Bälle zu werfen, ohne gleich wieder in einer Orgie an Fehlpässen die ganze Mannschaft in die Scheiße zu reiten.
Defense – „in die Scheiße reiten“ ist das Stichwort für die Passverteidigung in New York. Mit S Rolle und CB Thurmond wurden zwei Hauptprotagnisten der schwachen Secondary ziehen gelassen. Sonderlich aktiv wurde man auf dem Transfermarkt nicht, aber in der zweiten Runde des Drafts erinnerte man sich an das Riesenloch auf Safety und holte nach Trade FS Landon Collins aus Alabama.
Auf Cornerback ist man eigentlich ganz adäquat besetzt mit Rodgers-Cromartie, Amukamara und dem Slot-Mann McBride, aber hinter dem Trio ist nicht viel Bekanntes zugegen, und wer neben dem Rookie Collins den zweiten Safety geben soll, steht noch in den Sternen: Weder Berhe noch Rookie Mykhelle Thompson haben irgendwelche Nachweise.
Linebacker und somit auch die Tight-End Routen gilt seit Jahren als Schwachpunkt und wurde diesmal komplett übergangen.
Dafür sicherte man sich per Franchise-Tag die Dienste von DE Jason Pierre-Paul, dem einstigen Hawaiian Freak, der mit chronischen Rückenproblemen zwar 14 Sacks und 21 QB-Hits machte, aber mangels Fitness nie mehr seinen Status als größter Passrusher der Liga erreichen wird. Pierre-Paul dürfte durch die Einberufung von DE Odighizuwa (3te Runde) und den situativen Passrusher Rob Ayers entlastet werden.
Vorne drin hofft man darauf, dass der junge DT Jonathan Hankins seine ansteigende Formkurve halten kann – und natürlich darauf, dass sich bei der geringen Tiefe kein wichtiger Spieler verletzt.
Bei den Giants ist wie immer alles drin. Bleiben die Wide Receiver fit und nimmt Eli Manning sein präzises Abzugshändchen mit in die Saison, klickt der Passrush und kann somit das potenzielle große Loch in der Mitte der Defense klein gehalten werden, sind Divisionssieg und Playoffs durchaus drin. Auf der anderen Seite ist man in New York immer nur 1-2 Verletzungen davon entfernt, dass es schnell bergab geht und der greise Coach Coughlin zum x-ten Mal in Frage gestellt wird.
Gerade deshalb finde ich es immer wieder erstaunlich, wie ruhig das Front-Office gerade im Medien-Moloch New York in den Tag hineinlebt.
Ein paar Anmerkungen meinerseits:
Thurmond war in der letzten Saison bei gerade einmal 6,3% der Snaps auf dem Feld, da er in Woche 2 gegen Arizona mit einem gerissenen Brustmuskel für den Rest der Saison ausschied. Er war also kein Hauptprotagonist.
DRC (71,3%), Amukamara (43,5%) und McBride (20,1%) sahen verletzungsbedingt nicht den Großteil der Snaps. Wenn die drei mal gleichzeitig fit waren, sah es gar nicht allzu schlecht aus. Amukamara nahezu komplett und McBride mit 53% waren Teil einer sehr guten Pass defense in 2013. Wenn die drei fit sind, sollte auch die fehlende Tiefe dahinter nicht so ins Gewicht fallen. Ich sehe definitiv eine Verbesserung in 2015.
Ich denke, dass die einzige Chance auf einen Divisionssieg darin besteht, dass sich Tony Romo in der ersten Saisonhälfte schwer verletzt. Die Cowboys sind nochmal eine deutliche Ecke besser als 2014 und werden einfach marschieren. Giants werden mit ihrer wackeligen offensive line trotz tollem WR Kern in manchen Spielen arge Probleme haben. Der pass rush der Cowboys wird deutlich besser sein, von der Cowboys-offense die man kaum stoppen wird, ganz zu schweigen. Dazu kommen zwei Spiele gegen ein verbessertes Redskins-Team und Spiele gegen die Bills, Fins & Jets, die alle drei top-5 Material in der defensive line haben.
Der Wildcard-spot ist allemal drin.
Gruß, suuma
@suuma: stimme mit dem letzten Abschnitt bezueglich Cowboys etc absolut ueberein.
Das mit der Tiefe in der Secondary sehe ich ein bisschen anders:
Das Ding mit der Tiefe ist ja das: Fehlende Tiefe faellt immer erst dann ins Gewicht, wenn sie benoetigt wird – d.h. wenn sich ein Starter verletzt.
Und zu erwarten, dass sich in einer NFL Saison kein Spieler einer Secondary verletzt oder auch „nur“ mal mit ankle-, knee- oder hamstring-issues angeschlagen ist, halte ich fuer eine ziemlich optimistische Sichtweise.
@korsakoff: Tolle Sezierstunden mal wieder! Schaue taeglich mehrmals auf den Blog um dem Mangel an Football irgendwie gegen zu steuern 😀
Gruss patpicksix
Schließe mich dem Kompliment an, lässt sich sehr gut lesen die Sezierstunden.
New York sehe ich 2015 hinter den Cowboys und auch hinter den Eagles. Natürlich kann ein gut aufgelegter Eli Manning viele der Kader Schwächen relativieren, aber ein Wild Card Platz wäre mMn schon ein Riesenerfolg für das Team.
-Snoopy´s American Football Blog-
„X´s and O´s des American Football“
https://americanfootballsnoopy.wordpress.com/
@patpicksix: wenn deine ersten drei CBs im depth chart nur 71%, 43,5% und 20% der snaps bestreiten können und zwei davon für mehr als die komplette Saisonhälfte ganz ausfallen, hat wohl nahezu jedes Team ein Problem mit der Tiefe. Wenn Revis angeschlagen ist und Cromartie und Skrine ausfallen, haben sogar die Jets ein Problem. Das ist eigentlich das was ich sagen wollte.
Gruß, suuma
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