Die Kansas City Chiefs haben eine merkwürdige Saison hinter sich gebracht: Mit 9-7 Bilanz wurden die Playoffs verpasst, aber der Verlauf der Spielzeit war nicht etwa wie erwartet. Man putzte beide Superbowl-Teilnehmer (New England wurde sogar pulverisiert), man schoss sämtliche Wildcard-Konkurrenzen aus dem Stadion, verballerte es dann aber gegen Tennesse, Oakland oder Arizona, was letztlich ausschlaggebend für den Misserfolg war.
Rein von den Effizienz-Stats war man mit anderen Playoffmannschaften auf Augenhöhe: Pythagoreische Erwartung von 10.1 Siegen, die optimistisch stimmt, und ein in vielen Teilen gut austarierter Kader. Trotzdem bleiben Fragezeichen und Schwachpunkte.
Offense
Die Chiefs spielen eine sehr „eigene“ Offense in der NFL 2015: Sie vertrauen auf einen „Caretaker“ auf Quarterback in QB Alex Smith und hoffen, mit wenigen Fehlern und effizientem Laufspiel über die Runden zu kommen. Die Versessenheit von Head Coach Andy Reid in Smith und sein risikoloses Spiel ist gut dokumentiert, aber ich frage mich nach wie vor, ob Smith nicht der Mann ist, der die Offense am Ende des Tages zurückhält.
Smith hat nicht viel zum Arbeiten in dieser Offense: Die Line ist größtenteils eine Katastrophe, Receiver waren nie viele vorhanden, und mit Dutzenden Screenpässen auf den Runningback kommst du halt auch nur so weit wie es der Gegner zulässt.
Trotzdem ist Smith ein QB, der 2014 noch ängstlicher spielte als schon vorher in seiner Karriere gewohnt: Nur noch 13% seiner Pässe gingen tief (seine Karriereschnitt ist 16.6%), was zu banalen 5.9 NY/A führte (#23 der Liga). Smith kaschierte das in Teilen mit der besten INT-Quote der Liga: Nur 1.2% seiner Pässe wurden abgefangen – aber wir wissen, dass Interceptions zu einem gewissen Grad auch ein Trade-Off sind: Spielst du risikoreicher, wirst du mehr Erfolg haben, aber auch mehr Fehler machen. Die Fehler nimmst du aber irgendwo in Kauf um dein Potenzial auszuschöpfen.
Smith ist überdies bekannt dafür, lieber einen Sack zu kassieren als einen überflüssigen Ball zu werfen. Da sind 45 Sacks auch irgendwo erklärbar. Diese Taktik ist in vielen Fällen auch nicht die schlechteste, aber nochmal: Wer nichts wagt, wird wenig gewinnen. Kansas City bremst sich für meinen Geschmack mit seiner zu konservativen Strategie in der Offense selbst zu gerne aus. Und es wäre nicht so, dass Smith mit 15.6 Mio. Cap-Zahl ein überaus billiger Quarterback ist.
Viel zum Arbeiten haben die permanent am Cap-Limit operierenden Chiefs auch finanziell nicht. Immerhin ging man heuer die WR-Position in der Offseason an. Der überteuerte WR Dwayne Bowe wurde geschasst. Er hinterlässt für diese Saison eine Dead-Money Zahl von fast 9 Mio., aber für die Entwicklung der Mannschaft über 2015 hinaus ist es der Move wert.
Als Bowe-Ersatz wurde WR Maclin aus Philadelphia geholt, ein alter Andy-Reid Schützling. Maclin gehört zur 2ten Kategorie im Pantheon der NFL-Receiver – er ist kein Calvin Johnson, er ist vielleicht auch kein A.J. Green, aber er ist maximal eine Stufe darunter anzusiedeln. Er kann mehr als nur geradeaus laufen und Bälle fangen. Um die 14yds/Catch wird er dir machen, und zwischen 70 und 90 Catches hat er noch jedes Jahr gebracht. Bei den Chiefs wird er die neue #1 werden.
Hinter Maclin wurden in WR Conley und WR Brown zwei Rookies gedraftet, beide groß gewachsen, beide gelten als intensive Kämpfer. In den Tiefen des WR-Corp schlummert in Da’rick Rogers ein großes Talent, das sich bisher zu häufig mit Drogenproblemen im Weg stand.
Auf Tight End kannst du immer Travis Kelce anspielen, den Leading-Receiver des letzten Jahres mit 64 Catches für 862yds – an diesen Zahlen sieht man schon, wie händeringend Maclin gebraucht wird. Hinter Kelce wird es bei den Tight Ends aber schnell leise.
Problematisch ist seit Jahren die Offensive Line. Hier wurde in LG Ben Grubbs ein solider Free Agent eingekauft, aber solange der LT Eric Fisher (#1 Draftpick 2013) nicht die Leistung bringt, die man sich von ihm seit zwei Jahren verspricht, wird es immer große Probleme geben, da man beide Flanken quasi mit einem zusätzlichen Tight End doppelt besetzen müsste. Für Center/Guard wurde in der 2ten Runde Mitch Morse geholt – immer wenn Andy Reid scheinbar Leute „over-draftet“, hat sich Andy Reid dabei etwas gedacht. Auf RT wird Donald Stephenson auflaufen, auch ein Mann, den man lieber ersetzen würde als ihn weiter spielen zu sehen.
Runningback ist das Reich von Jamaal Charles, der nicht mehr so explosiv ist wie noch vor seinem Kreuzbandriss, aber doch weiterhin konstant mehr als 5yds/Carry zustande bringt und ein solider Ballfänger ist. Hinter Charles ist die Frage, ob man den berüchtigen Fumbler Knile Davis im Kader behält oder ihn durch einen Rookie wie Kenny Hill ersetzen wird.
Defense
Trotz einiger passgewaltiger Offenses im Schedule hatten die Chiefs mit 5.5 NY/A auch letztes Jahr eine der drei besten Pass-Verteidigungen. Das liegt zum einen an einem famosen Pass Rush, zum anderen an guter Deckung. Problematisch war die mit 1.1% schlechteste INT-Quote der Liga – aber Interceptions sind eine eher volatile Statistik, wie wir wissen. Im Gegenzug dazu hatte man aber mit nur 51% Erfolgsquote die zweitschwächste Run-Defense.
Für 2015 gibt es aber Fragezeichen. Größte Sorge ist nach wie vor die Vertragssituation von Edge-Rusher Justin Houston, der 2015 mit 22 Sacks fast einen neuen NFL-Rekord aufgestellt hätte. Houston hat keinen Bock, unter der Franchise-Tag zu spielen, die Chiefs haben wegen Salary-Cap Problemen Schwierigkeiten, einen marktgerechten Langzeitvertrag mit Houston auszuhandeln.
Man geht zwar davon aus, dass Houston 2015 spielen wird. Trotzdem war es wichtig, OLB Tamba Hali im Kader zu halten – Hali ist nicht mehr der Gigant früherer Tage, gilt aber als weiterhin brauchbarer Spieler. Der Rookie von 2014, Dee Ford, soll dagegen einen schwachen Einstand gehabt haben und soll weiterhin behutsam eingelernt werden.
In der Defensive Line hofft man, dass der „1-technique“ NT Dontari Poe seine Formkrise von Ende 2014 überwinden kann und an die Dominanz alter Tage anknüpft. Poe gilt in Bestform als Monster erster Güte. Sein schwacher Saisonabschluss gilt als mitverantwortlich für ein Einbruch der Run-Defense und ergo die letztlich verpassten Playoffs.
In der Secondary richten sich die bangen Blicke auf den Gesundheitszustand von FS Eric Berry, genannt The Fifth Dimension. Berry ist seit Dezember in Krebsbehandlung. Noch weiß kein Mensch, ob er diese Saison spielen kann.
Berry wird als Waffe dringend gebraucht. Die Secondary ist zwar auch ohne ihn nicht unterirdisch besetzt, aber natürlich ist sie ohne ihn anfälliger. In CB Marcus Peters wurde in der 1ten Runde ein Manndecker geholt, der hinter dem Stamm-Trio CB Fleming/Gaines/Smith eingeschult werden kann und somit erstmal für wertvolle Tiefe sorgt, aber einen All-Pro Safety wie Berry kannst du niemals ohne weiteres ersetzen.
Ausblick
Die Chiefs haben wegen der banalen Offense nur wenig Raum für Fehler in anderen Bereichen der Mannschaft. Offensive Line und möglicherweise Wide Receiver bleiben kritische Fragezeichen, nachdem es keine Anzeichen dafür gibt, dass man nicht an Alex Smith festhalten wird. In der Defense wie geschrieben hängt einiges an der Gesundheit von FS Berry und dem Vertrag von ER Houston.
Wenn alles klickt wie gewünscht, sind die Chiefs eine echte Gefahr, die AFC West zu gewinnen. Ihre Effizienz-Zahlen von 2014 deuten eher auf Verbesserung denn Verschlechterung hin – man denke auch an Dinge wie die INT-Quote, die kaum noch einmal so niedrig sein wird.
Aber Kansas City ist per Definition so zusammengestellt, dass man sich nicht viele Böcke erlauben darf, andernfalls verliert man unter Umständen zu viele der vielen knappen Spiele, in die man bei dieser punktearmen Spielweise gerät (2014 z.b. 7 Spiele, 3-4 Bilanz). So ist auch 2015 die wahrscheinlichste Variante, dass die Bilanz in engen Spielen über Erfolg und Misserfolg bei den Chiefs entscheidet.
Das wichtigste zuerst, Eric Berry’s Kampf gegen den Krebs verläuft angeblich sehr gut, es gab sogar schon Meldungen er hätte ihn besiegt. Diese sind aber nicht bestätigt.
WR Rogers wurde schon wieder entlassen.
De’Anthony „Black Mamba“ Thomas wird sich aber heuer dafür als Slot-WR versuchen, könnte eine interessante Waffe werden.
Was auch für die schwächer werdende Run-D verantwortlich war, waren die beiden schweren Verletzungen von DeVito und Johnson, die beide exzellente Run-Defender sind.
Morse und Grubbs müssen sich wirklich beide schnell zurechtfinden und gut spielen, denn durch den Abgang von Hudson verlor man den einzigen überdurchschnittlichen O-Liner und die Line könnte zur Katastrophe werden.
Wenn die O-Line solide spielt und Key Player wie Jamaal, Kelce, Johnson, Smith und Houston fit bleiben, kann das (wieder) eine sehr gute Saison für die Chiefs werden, mMn.
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