Ein Jahrzehnt auf dem Buckel: Der NFL Draft 2005 in der Analyse

Die Draftklasse 2005 hat nun ein volles Jahrzehnt auf dem Buckel – das ist noch keine komplette Karriere, aber nachdem bereits die ersten höherklassigen Spieler ihre Rücktritte einreichen, können wir schon ein erstes Fazit unter die Laufbahnen dieses Jahrgangs ziehen.

Top Ten Picks

  1. Alex Smith (QB, 49ers)
  2. Ronnie Brown (RB, Dolphins)
  3. Braylon Edwards (WR, Browns)
  4. Cedric Benson (RB, Bears)
  5. Carnell Williams (RB, Buccaneers)
  6. Adam Jones (CB, Titans)
  7. Troy Williamson (WR, Vikings)
  8. Antrel Rolle (CB, Cardinals)
  9. Carlos Rogers (CB, Redskins)
  10. Mike Williams (WR, Lions)

Es war der Draft, in dem die San Francisco 49ers QB Alex Smith dem QB Aaron Rodgers vorzogen. Smith galt als athletisch besser und Rodgers musste gegen das Stigma seines College-Coaches Jeff Tedford ankämpfen. Tedford, OffCoord in Oregon und später Headcoach von Cal, hatte zu jener Zeit u.a. mit Kyle Boller, Joey Harrington oder Akili Smith bereits einige gefloppte Quarterbacks in die NFL geschickt.

Es war auch der Draft, in dem drei Runningbacks in den ersten fünf Picks vom Tablett gingen – wie die Zeiten sich ändern. Das bemerkenswerte: Mit Brown und Williams kamen sogar zwei aus ein und derselben College-Mannschaft (Auburn, das gerade eine Perfect-Season hinter sich gebracht hatte). Noch bemerkenswerter: Brown war am College nur der Backup gewesen, wurde aber vor dem Cadillac geschickt.

Miami hoffte, in Brown den Nachfolger von Ricky Williams gefunden zu haben. Rastaman Williams galt in den Jahren zuvor als absoluter Ausnahmespieler, hatte aber Probleme mit einer Drogensucht und Schizophrenie und erklärte ein Jahr zuvor völlig überraschend seinen Rücktritt.

Letztlich erfüllte kein Back aus dem Trio die Erwartungen, die normalerweise an solch hohe Picks gehegt werden. Bears und Buccs fanden sich trotzdem schnell in den Playoffs wieder, während bei den Dolphins nur zwei Jahre nach diesem Draft alles komplett implodierte. Immerhin kehrte Miami 2008 zurück in die Playoffs, u.a. dank der von Ronnie Brown mit kultivierten Wildcat-Offense, die für kurze Zeit die NFL in Angst und Schrecken versetzte.

Weiters war es der Draft, in dem GM Matt Millen in Detroit endgültig seine Legende als eine der verhasstesten Gestalten begründete, als er im dritten Jahr en suite einen Top-10 Pick für einen Wide Receiver verpfefferte (Charlie Rogers 2003 als #2, Roy Williams 2004 als #7) – noch dazu in Mike Williams für einen Mann, der über eineinhalb Jahre keinen Football gespielt hatte. Williams hatte sich mit der NCAA wegen Spielerlaubnis gefetzt, verloren und schlussendlich 2004 komplett aussetzen müssen. Völlig unüberraschend floppte er auf seiner ersten Profistation in Detroit grandios.

Detroit konnte sich nach dem Draft aber richtiggehend glücklich schätzen, wenn man den Ausgang mit dem Divisionsrivalen Minnesota vergleicht. Die Vikings hatten im Vorfeld des Drafts WR Randy Moss nach seinem Mooning-Vorfall in den Playoffs in Green Bay an die Oakland Raiders verkauft und dafür Pick #7 erhalten. Den investierte man in Troy Williamson von South Carolina. Williamson blieb nur 5 Jahre in der Liga, und dort überwiegend als Returner.

Auch der zweite 1st-rounder der Vikes war für die Grütze: DE Erasmus James machte nur 12 Spiele mit 5 Sacks.

Offense

Rookie des JahresCadillac Williams. Wirklich berauschende Rookie-Jahre gab es 2005 nicht. Williams verzichtete als einziger der drei Top-RB auf einen Holdout im Trainingslager und brachte mit 1178yds und 6 TD (4.1yds/Carry) letztlich die PS am besten auf den Boden. Am Ende war es Cadillacs mit Abstand beste Profisaison: Ab seinem zweiten Jahr killten schwere Verletzungen und grottenschlechte Offensive Lines seine Karriere. Er schaffte nie mehr auch nur 800yds Rushing pro Jahr.


Die besten OffensivspielerQB Aaron Rodgers ohne auch nur den leisesten Zweifel. Rodgers versauerte drei Jahre lang hinter Brett Favre auf der Bank, ohne auch nur einen einzigen akzeptablen Wortwechsel mit der störrischen Packers-Legende geführt zu haben. Rodgers wird seine Karriere als einer der drei besten QBs ever beenden.

Bei den Runningbacks stehen letztlich zwei weit, weit über allen, und beide gehören nicht zu den zuerst gedrafteten. Frank Gore (#65, 49ers) aus der dritten Runde hat mit bislang 11.073yds und 64 TD die auffälligste Karriere (4.5yds/Carry).

Der beste Wide Receiver war Roddy White (#27, Falcons) aus Atlanta (765 Catches, 10.357yds, 62 TD), der Vincent Jackson (#61, Chargers) relative klar schlägt, wobei Jackson der deutlich explosivere Spieler war. Bei den Tight Ends war Heath Miller (#30, Steelers) der einzige, der zu höheren Ehren in der NFL gekommen ist.

OG Logan Mankins (#32, Patriots) hatte in New England eine exzellente Karriere, aber in Superbowl-Ringen zog er die Arschkarte: Letzter Titel der Pats kam direkt bevor er gedraftet wurde (2004), der nächste direkt nach seinem Abgang (2014). Auf Tackle hatte Michael Roos (#41, Titans) die beste Laufbahn – obwohl nur einmal Pro Bowl und nur einmal All-Pro. Auf Center schaffte es Chris Myers (#200, Broncos) am weitesten, wobei Myers den Großteil seiner Karriere in Houston erlebte und fast durchgehend unter Gary Kubiaks Zone-Block Offense auflief.


NennenswertesAlex Smith ist eine Katze mit sieben Leben. Heute staubt Smith als durchschnittlicher QB 16 Mio/Jahr ab, aber es grenzt angesichts des normalerweise ungeduldigen NFL an ein Wunder, dass sich Smith so lange halten konnte. Als Rookie war er überfordert wie wenige vor und nach ihm (1 TD, 11 INT). Danach plagte er sich mit ständig wechselnden OffCoords und etlichen Verletzungen. Erst 2011 unter Jim Harbaugh spielte er seine erste Saison durch – nur um mitten in 2012, dem Superbowl-Jahr der 49ers, vom jungen Colin Kaepernick verdrängt zu werden. Die Superbowl verfolgte er von der Bank aus.

Alex Smith war in diesem Draft nicht nur ein Quarterback, sondern auch ein Tight End. Der Mann wurde an #81 von Tampa Bay gedraftet und spielt noch heute als Mitglied der Bengals in der NFL.

Quarterback von Format hinter Rodgers und Smith: QB Matt Cassel (#230, Patriots) von USC. Am College spielte er keinen Snap, wurde trotzdem gedraftet. Er nutzte sein Cinderella-Jahr 2008 als Brady-Ersatzmann um in Kansas City und später Minnesota Millionen zu kassieren, und erreichte 2010 sogar in einem weiteren Freak-Jahr (27 TD, 7 INT) die Playoffs mit den Chiefs.

QB Derek Anderson (#213, Ravens) führte 2007 die Browns um ein Haar in die Playoffs. RB Darren Sproles (#130, Chargers) wurde in San Diego und später New Orleans zu einem famosen 3rd-Down Back und hatte u.a. in den Playoffs markante Momente.

OT Jammal Brown (#13, Saints) hatte zwei überragende Jahre mit Pro-Bowls und einem All-Pro. Just zur Superbowl-Saison der Saints 2009 riss er sich jedoch das Kreuzband und wurde von seinem Backup verdrängt. Hernach zerstörten weitere Verletzungen seine Karriere in Washington – ich erinnere mich aber noch dran, wie Brown in den Playoffs 2006 als nächster großer Star-Tackle abgefeiert wurde.

G Evan Mathis (#79, Panthers) tingelte einige Jahre durch die Liga, ehe er in Philadelphia mit über 30 drei Pro-Bowls spielte und einmal All-Pro wurde. G Richie Incognito (#81, Rams) erlangte in Miami in einem Mobbing-Skandal traurige Berühmtheit, war jedoch als Guard auch einmal Pro Bowler.

Ein Bust als Abschluss: In Jacksonville wollte man den hünenhaften Arkansas-QB Matt Jones (#18, Jaguars) auf Wide Receiver umschulen. Die Idee ging komplett daneben. Jones brachte in vier Jahren im Schnitt 40 Catches für 400yds und 4 TD zustande, und musste zurücktreten, nachdem er zum wiederholten Male mit Drogen gefasst wurde.

Defense

Rookie des Jahres OLB Shawne Merriman (#12, Chargers). Merriman wurde Lights Out genannt, nach seinem Sack-Tanz, und er war einer der furiosesten Passrusher, die ich bis heute live gesehen habe. Merriman brachte mit einem Monster-Sack in Woche 15 die nahende Perfect-Season der Colts zum Erliegen. Als Rookie hatte er 10 Sacks.

Merriman war ein relativ kurzes Phänomen in der NFL. 2006 wurde er vier Spiele wegen Doping gesperrt, kehrte dann aber mit sensationellen 17 Sacks und 4 Fumbles in 12 Spielen zurück. 2007 spielte er mit gerissenem Kreuzband die Saison durch. Zwei Jahre später war er erledigt. In insgesamt vier Jahren als Starter war er einmal All-Pro und dreimal Pro-Bowler.


Die besten Defensivspieler – Merriman war ein one trick pony und er hatte eine sehr kurze Karriere, aber die paar Jahre war er seinen #12 Pick durchaus wert. Die beste Karriere hatte letztlich aber mit Abstand DE DeMarcus Ware (#11, Cowboys) von der kleinen Troy University. Ware steht nach zehn Jahren in Dallas und Denver bei 127 Sacks, 4 All-Pros und 8 Pro Bowls und gilt als einer der größten Pass Rusher unserer Zeit.

Die 2005er Defense-Klasse ist auch über Ware und Merriman hinaus eine hervorragende. DE Trent Cole (#146, Eagles) galt um 2009-2011 als einer der komplettesten Verteidiger, fuhr atemberaubende Noten bei PFF.com ein. Ein DL Justin Tuck (#74, Giants) war schon früher bekannt. Tuck machte nur 65 Sacks, galt aber bei beiden Superbowl-Runs der Giants als einer der Schlüsselspieler. DT Jay Ratliff (#224, Cowboys) machte sich einen Namen als relativ schmächtiger 1-technique Nose Tackle in Dallas. Er hat 35 Sacks, 1 All-Pro und 4 Pro Bowls auf dem Konto.

Lange Jahre fixe Größe in Kansas City war LB Derrick Johnson (#15, Chiefs). Für die kurze Zeit, in der er fit war, galt LB Lofa Tatupu (#45, Seahawks) als absoluter Leistungsträger. Johnson wie Tatupu waren beide einmal All-Pros.

Wie Tatupu 2nd-Rounder und wie Tatupu von Verletzungen geplagt war die Karriere von FS Nick Collins (#51, Packers). Collins musste mit einer schweren Nackenverletzung 2011 abtreten. Sein größtes Karriere-Highlight war sein spektakulärer INT-Return zum Touchdown in der siegreichen Superbowl 2011 gegen Pittsburgh.


Nennenswertes – zwei der bekanntesten Rookies von 2005 sind technisch gesehen keine Mitglieder der Draft-Klasse: DE Cameron Wake und CB Brandon Browner. Beide mussten einige Jahre den Umweg über die CFL in Kanada gehen ehe sie den Durchbruch schafften. Wake hieß 2005 noch „Derek Wake“, und seine Geschichte habe ich schon einmal kurz auf diesem Blog angeschnitten. Er ist seit 2009 in der NFL in Miami unter Vertrag. Sechs Jahre, 63 Sacks, 12 Fumbles, 1 All-Pro und 4 Pro Bowls sind seine Bilanz. CB Brandon Browner wurde 2010 zum Gründungsmitglied der Legion of Boom, wurde dann aber des Dopings überführt.

Die drei Cornerbacks aus den Top-Ten hatten höchst unterschiedliche Karrieren. Rogers spielte lange Jahre unauffällig solide in Washington und San Francisco. Rolle galt in Arizona erst als Flop, schaffte dann aber den Durchbruch nach seinem Positionswechsel auf Safety, wo er in zwei Superbowls auftauchte (ein Sieg) und die „Big Nickel“ Defense entscheidend mitprägte (Giants spielten phasenweise 70% Big Nickel Defense). Rolle ist 3-facher Pro Bowler.

Pacman Jones dagegen sorgte in Tennessee von Anfang an für Kopfschmerzen, wobei jeder gewusst hatte, welch unkontrollierbarer Typ Jones schon immer war. Mit Schießereien und Drogenproblemen brachte sich Jones schließlich selbst um zwei volle Spielzeiten (2007 und 2009). In Tennessee war er nach zwei Jahren auf dem Abstellgleis, konsolidierte sich aber in den letzten Jahren in Cincinnati und wurde als Returner zuletzt gar ins All-Pro Team gewählt.

Keine wirklich große Karriere, aber einen großen Moment hatte CB Kelvin Hayden (#60, Colts), der 2006/07 die Superbowl mit seinem INT-Return gegen die Chicago Bears entschied. Bizarr dabei: Hayden war von klein auf glühender Bears-Fan und schlief nachts in Bears-Unterwäsche.

Eine sensationelle Rookiesaison spielte in Cincinnati 2005 LB Odell Thurman (#48, Bengals). Thurman galt lange als Kandidat auf DROY neben Merriman. Thurman tauchte hernach aber nie wieder in der NFL auf. Drogenprobleme, Dopingsperren und Alkoholsucht machten aus Thurman ein Wrack, das nach vielen Sperren kein Team mehr anrühren wollte.

Sonstiges

49ers, Lions oder Vikings waren alle klare, offensichtliche Verlierer des Drafts, aber in den Washington Redskins gibt es noch einen heimlichen Pleitenvogel. Die Redskins, respektive ihr GM/Owner Dan Snyder, verkauften Tage vor dem Draft (!) einen Draftpicks in Runde #1, #3 und #4 um sich auf #25 hochzutraden und in Position zu sein, einen Quarterback zu holen.

Kein Mensch erwartete, dass ein Mann vom Kaliber Smith / Rodgers zu dem Zeitpunkt noch zu haben war, aber am Ende wurde Rodgers erst an #24 geholt, einen Pick vor den Redskins, die sich mit QB Jason Campbell von Auburn zufrieden geben mussten.

All-Draft Team 2005

Wake und Browner scheitern in diesem Team daran, dass es sich um das Draft Team handelt. Ungedraftete Spieler sind nicht qualifiziert. Ein Mann, den ich gerne nominiert hätte, der aber am Cut scheiterte: Thomas Davis, wobei Davis mit 2-3 guten Jahren noch an Tatupu vorbeiziehen kann. Jammal Brown hätte ich gerne als zweiten Offense Tackle nominiert, aber zwei herausragende Saisons und sonst gar nichts sind nach zehn Jahren doch ein etwas dünnes Portfolio.

QB – Aaron Rodgers
RB – Frank Gore
WR – Roddy White
WR – Vincent Jackson
WR – Braylon Edwards
TE – Heath Miller
OT – Michael Roos
OG – Logan Mankins
C – Chris Myers
OG – Evan Mathis
OT – Todd Herremans

DL – Justin Tuck
DL – Jay Ratliff
DL – Trent Cole
OLB – DeMarcus Ware
LB – Derrick Johnson
LB – Lofa Tatupu
OLB – Shawne Merriman
CB
– Carlos Rogers
CB – Pacman Jones
S – Nick Collins
S – Antrel Rolle

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4 Kommentare zu “Ein Jahrzehnt auf dem Buckel: Der NFL Draft 2005 in der Analyse

  1. Ein sehr anschaulicher Beweis wie glücksbasiert der Draft trotz aller wissenschaftlichen Methoden noch immer ist, wenn selbst in der ersten Runde – wenn überhaupt – die Hälfte der Spieler echte „Homeruns“ sind und diese Zahl noch massiv sinkt, wenn man die Betrachtung auf 10 Jahre (durchaus normale Länge für eine Spielerkarriere) ausdehnt.

  2. „Die Hälfte der ersten Runde“ ist kein so schlechter Schnitt. Man bedenke, dass sich nur ca. jeweils 5-6 Jahrgänge zugleich auf dem Zenit des Leistungsvermögens befinden, diese also 80-100 der besten Spieler der Liga ausmachen. Auch die 2ten-3ten Runden haben noch ganz gutes Talent. Und nicht jeder Jahrgang ist gleich besetzt.

  3. Ich sag nicht per se, dass der Schnitt schlecht ist (dafür ist ein Jahr als Sample eh zu wenig). Aber die erste Runde ist halt keineswegs so sicher, wie viele oftmals suggerieren.

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