NFL-Franchises im Portrait, #31: Green Bay Packers

Das einzige NFL-Team im öffentlichen Besitz ist je nach Betrachtungsweise das zweit- oder drittälteste der NFL – und das erfolgreichste. Zu viele Legenden und Mythen, um sie in wenige Spalten zu pressen – und im Februar 2011 kehrte die größte Trophäe nach Hause zurück.

Die Anfangszeit

Gegründet wurde die Mannschaft 1919 von einem Fabrikarbeiter namens Curly Lambeau als Amateurteam. Namensgeber war die Indian Packing Company, die Lambeau einen Satz Trikots spendierte und nach der Lambeau sein Team benannte. Seit 1921 spielt man in der National Football League mit. Zu jener Zeit, und das ist wichtig in der Einordnung der frühen Tage, galt Profi-Football als überflüssig. College Football dominierte die Lande.

Dass die Packers zwischen 1929 und 1931 drei Titel en suite holten, gehört heute bestenfalls zu Randnotizen, half aber später zur Legendenbildung mit: Die Packers, daheim in der kleinsten Stadt der NFL, haben bis heute 14 NFL-Meisterschaften geholt. Damit ist man Rekordmeister und erklärt den Spitznamen der Stadt Green Bay, Title Town.

Die Ära Don Hutson

Drei weitere Titel holte man in den 30ern und 40er Jahren, in denen die Packers das Spiel revolutionierten. Vor allem der aus Alabama gekommene Don Hutson half massiv mit, das Offensivspiel im American Football voranzubringen. Hutson war als „Split End“ in die Liga gekommen, eine Position, die heute ausgestorben ist. Hutson interpretierte seine Rolle jedoch so, dass man ihm die Erfindung der Position des Wide Receivers zuschreibt.

Hutson beendete seine Laufbahn mit 99 Touchdowns in 11 Spielzeiten zu je 10-12 Spielen. Vergleich das mal mit Jerry Rice, der in 20 Jahren und ca. 16 Spielen/Jahr auf roughly 200 Touchdowns kommt. Zur Diskussion trägt bei, dass Hutson natürlich einen Großteil seiner Karriere gegen zweitklassige Gegnerschaft bestritt, weil die besten alle im Krieg waren, aber rein statistisch gilt Hutson heute als dominantester Offensivspieler aller Zeiten (und er war nebenberuflich Kicker der Packers).

Nach Hutsons Rücktritt 1945 schlitterten die Packers in die Krise, die selbst der großartige Coach Curly Lambeau nicht aufhalten konnte. Green Bay wurde in den nächsten eineinhalb Jahrzehnten zur Randnotiz, während die großen Mannschaften in Cleveland, Detroit und Baltimore die Meisterschaften abstaubten.

Die Ära Lombardi

Erst 1959 wandte sich das Blatt erneut gen Title Town: Vince Lombardi wurde zum Head Coach bestimmt, und er brachte sofortigen Erfolg. Lombardi gilt heute als einer der größten Trainer der NFL. Ihm habe ich vor zwei Jahren ein Porträt zum 100ten spendiert.

Mit Lombardi, dem berühmten QB Bart Starr und RB Paul Hornung hatten die Packers ein markantes Trio am Werkeln und mit dem Lambeau Field ein neues, berühmtes Stadion am Start. In den 60ern war Green Bay die Mannschaft der Stunde, verlor nur ein einziges Playoffspiel und holte fünf Meisterschaften sowie die ersten beiden Super Bowls – weswegen man die erst namenlose Superbowl-Trophäe dann nach Lombardis Ableben auch Vince Lombardi Trophy nannte.

Der Charismatiker Lombardi coachte die Packers auch in ihrem berühmtesten Spiel: Der Ice Bowl im Jänner 1967. Ice Bowl war das NFL-Endspiel (NFL und AFL waren noch getrennt) und somit das „Qualifikationsspiel“ für Super Bowl II. Berühmt ist Ice Bowl aber nicht nur, weil die Packers es dank QB sneak hauchzart gewannen oder weil die Packers damit als bisher einzige Mannschaft zum dritten Mal in Serie NFL-Champion wurden. Sondern weil es mit runden -25°C (ohne Windchill) so kalt war wie in praktisch keinem anderen Footballspiel jemals.

Nach Lombardis Abgang und Tod Ende der 60er wurde es ein paar Jahrzehnte recht ruhig um die Packers, bis 1992 Head Coach Mike Holmgren aus San Francisco eingekauft wurde.

Die Ära Favre

Holmgren holte sich gleich zu Beginn einen Säufer aus Atlanta. Der Säufer nennt sich auch Brett Favre, QB und Heilsbringer. Favre sollte 16 Jahre lang jedes Spiel bestreiten und zum unumstrittenen Hero in Green Bay werden. Die Liebe der Fans zum Charismatiker Favre gründete hauptsächlich auf dessen Spielstil: Immer volle Kanone, wenn nötig auch den Riesenbock riskieren, wenn die Chance auf ein big play auch noch so klein ist. Resultat: Der Spaßfootballer Favre brach beide Rekorde: Den für die meisten Touchdowns ever. Und den für die meisten Interceptions ever.

Mitte der 1990er hatten die Packers ihre Blütezeit, mit Favre als zentralem Punkt in der Offense, DE Reggie White in der Defense und KR Desmond Howard in den Special Teams. Dazu der unglaublich fette DT Gilbert Brown, für den eigens dreistöckige Burger gebaut wurden, der aber meistens nur Luft für drei Viertel hatte, und WR Sterling Sharpe, der nur wenige Jahre spielte, aber wenn, dann gigantisch. 1996/97 holte man sich nach jahrelangem Anlaufen die Super Bowl XXXI, ein Jahr später verlor man die Super Bowl XXXII.

Favre sorgte für viele magische Momente, so zum Beispiel ein Monday Night Game in Oakland, wenige Stunden nach dem Tod seines Vaters, als ihm einfach alles gelang und man tatsächlich hätte an höhere Gewalten glauben können: Pässe in Tripledeckung – Touchdown. Fünf Minuten lang fliegende Bälle – Touchdown. Pässe direkt auf den Verteidiger – Touchdown.

2007/08 war Green Bays junge Mannschaft prädestiniert für die Super Bowl, aber im bitterkalten Heimspiel verlor man zu Hause gegen die Giants, nach einer Interception Favres in der Overtime.

Die Ära Rodgers

Kurz nach diesem Spiel wurde Favre aus Green Bay weggeekelt, zugunsten des jahrelangen QB in spe Aaron Rodgers. Favres Abgang war hässlich und wird noch heute von vielen Fans betrauert, aber Rodgers erwies sich tatsächlich als noch besser. Teams wie Cleveland kriegen auf einen inkompetenten Owner wie Lerner einen noch inkompetenteren wie Haslam. Teams wie Green Bay bekommen nach Favre einen Quarterback wie Rodgers. Life is a bitch.

Rodgers führte die Packers bereits in seinem dritten Jahr als Starter zum Superbowl-Sieg gegen die Pittsburgh Steelers, in einer Partie, die so dermaßen von Rodgers dominiert wurde wie selten zuvor von einem Quarterback. Auch seither spielen die Packers jedes Jahr um die Meisterschaft mit, und es wäre eine Überraschung, wenn man am Ende bei diesem einen Titel bleibt.

Lambeau Field

Lambeau Field von innen, Bild: Wikipedia

Lambeau Field von innen, Bild: Wikipedia

Lambeau ist das berühmteste Stadion der NFL und vermutlich ein Stadion, in dem mit die meiste NFL-Geschichte in den letzten sechs Jahrzehnten geschrieben wurde. Nicht nur einmal gaben sich die Packers hier bei unter -20°C die Kante. Lambeau ist mehrfach renoviert worden – logisch, ein Neubau ist ein Ding der Unmöglichkeit. Man reißt nicht Herz und Seele des Vereins ein, besonders nicht bei dem Tailgating und besonders nicht, wenn die Franchise den Fans gehört!

Eröffnet wurde das Stadion 1957, also in etwa vergleichbar mit dem Alter eines Camp Nou in Europa. Lange Jahre war das Lambeau Field ein eher schnuckeliges, kleines NFL-Stadion, das erst 1990 erstmals über 60.000 Zuschauer Platz hatte. Seither wurde es in kurzen Abständen immer wieder erweitert und erneuert und fasst heute schon 80.500 Zuschauer, womit es eines der drei, vier größten in der NFL ist.

Auch der Rasen gilt mittlerweile als gut bespielbar, nachdem es über die Jahrzehnte immer wieder Probleme vor allem im Winter gab. Während der Ice Bowl 1967 zum Beispiel versagte sogar die frisch installierte Rasenheizung, doch mittlerweile soll sie sogar so tiefe Temperaturen um die -20°C gut aushalten. Mit seiner Atmosphäre in und um die Arena herum gilt das Lambeau Field heute als vermutlich College-ähnlichstes Stadion in der Liga und wird regelmäßig auf Platz 1 gewählt, wenn es um das Ranking des besten Live-Erlebnisses beim Footballschauen geht.

Rivalitäten

Chicago Bears gegen Green Bay Packers ist die älteste Rivalität der NFL-Geschichte, beginnend mit dem ersten Aufeinandertreffen 1921, als die Bears noch „Staleys“ hießen und Papa Bear George Halas die Packers für ein paar Tage aus der NFL ausschließen ließ, um einen Spieler zu verpflichten, an dem auch Green Bay interessiert war. Seitdem sind die beiden Mannschaften sagenhafte 190 Mal aufeinandergetroffen – unglaublicherweise nur zweimal in den Playoffs, zuletzt 2010/11. Das erste werden die Jüngeren unter uns nicht mehr in Erinnerung haben: Es war 1941, ein paar Tage nach Pearl Harbour…

Die 40er haben auch den Grundstein gelegt für die Spannungen zwischen beiden Franchises. Auf der einen Seite der charismatische Bears-Besitzer/Head Coach George Halas, auf der anderen Packers-Legende Curly Lambeau, wie geschrieben Gründer, Spieler und Coach der Packers. Beide Männer haben ihre Teams zu sechs NFL-Titeln geführt.

Zwei der legendärsten Spiele zwischen den beiden gab’s in den 60ern. Spiele, die durch „Free Kicks“ entschieden worden sind. Free Kicks? Nie gehört? Es gibt eine NFL-Regel, die besagt: Nach einem Fair Catch darf ein Team einen Free Kick ausführen (ergo: ein Kickoff ohne Tee), der 3 Punkte bringt, wenn er durch die Stangen geht – letztens in der NFL versucht 2013 von den 49ers. Letztens erfolgreich in der NFL versucht in den 70ern, von einem Österreicher… Ray Wersching.

Wussten Sie nicht? Wussten Anno 64 Bears und Packers auch nicht so wirklich, aber Paul Hornung verwandelte den Versuch und Green Bay gewann. Vier Jahre später hatte Chicago das Spiel nicht vergessen und rächte die Schmach: 13-10, mit der Differenz genau drei Pünktchen von einem Free Kick – der vorletzte gelungene in der NFL-Geschichte.

Die Rivalität blieb nicht stehen: In den 80ern geisterten durch die Umkleidekabinen Spickzettel mit den Namen derjenigen Gegenspieler, die bei Bears-Packers verprügelt werden sollten. Das führte gar dazu, dass Mitte der 80er mal ein Packers-Verteidiger zwei Spiele Sperre aufgebrummt bekam, weil er den Bears-QB für den Rest der Saison ausgeknockt hatte – quasi die Vorgänger der Bounty-Saints.

Weiteres Date mit der Geschichte: Im Jänner 2004 hab ich zum ersten Mal eine NFL-Pressekonferenz gehört. Inthronisierung von Lovie Smith als neuer Bears-Head Coach. Smith wurde nach seinen Zielen als HC gefragt. Und Smith antwortete: The #1 goal, yeah. The #1 one goal ist to beat Green Bay. Nicht Superbowl-Champ zu werden. Green Bay zu putzen. Smith hatte alle seine Träume schon im zweiten Spiel erfüllt.

Die letzten beiden „großen“ Spiele zwischen den beiden Teams gingen beide an die Packers: 2010/11 besiegte Green Bay die Bears in deren Stadion im NFC-Finale um den Superbowl-Einzug in der Partie, in der Jay Cutler quer durch die Lande als Oberpussy beschimpft und die Legende vom „soften“ Cutler an Drive gewann. Letztes Entscheidungsspiel zwischen den beiden: Ende 2013, als ein gerade genesener Aaron Rodgers in der letzten Minute den entscheidenden Touchdown für Randall Cobb zum Einzug in die Playoffs servierte. Chicago wurde mit just jenem Pass eliminiert. Allzeitstand: 93-91-6 pro Chicago. Viel ausgeglichener geht nicht.

Weniger ausgeglichen ist die Serie mit den Detroit Lions, die Green Bay mit rund 30 Siegen Vorsprung noch mindestens 15 Jahre anführt. Packers vs Lions ist die längst ununterbrochen ausgespielte Serie in der NFL. Die wichtigen Spiele hat allesamt Green Bay gewonnen – zuletzt in den 1990ern, als man in den Playoffs Barry Sanders bei -1yds halten konnte, und 2008, als man Detroits 0-16 Saison am letzten Spieltag besiegelte.

Weniger lange, aber auch schon seit 97 Partien, spielt man gegen die Minnesota Vikings in einer der engsten Rivalries in der NFL: In allen wichtigen Statistiken bewegen sich Packers und Vikings in den direkten Duellen innerhalb von 5% voneinander – so knapp ist keine andere der jahrzehntealten Rivalitäten. Extrem hitzig in Erinnerung geblieben sind die Duelle Ende der 2000er, als sich ein verbitterter Brett Favre in Vikings-Trikot seiner alten Mannschaft stellte und jeweils in atemberaubenden Offensivschlachten gewann. Atemberaubend aus einem anderen Grund war 2004 die Arsch-Abputzaktion von Randy Moss („Mooning“) im Lambeau Field.

Die New York Giants haben sich in bislang sieben Playoffspielen zu einer Art Nemesis für Green Bay entwickelt. Zuletzt schoss Big Blue die Käsköpp 2007/08 und 2011/12 jeweils als klarer Außenseiter aus den Playoffs – zuerst in einem eiskalten Conference-Finale, und dann die 15-1 Packers vor drei Jahren erneut im Lambeau Field.

Eckdaten

Gegründet: 1919
Besitzer: Die Fans (über 360.000 Anteilseigner)
Division: NFC North
Erfolge: Superbowl-Champ 1966, 1967, 1996, 2010, Superbowl-Verlierer 1997, dazu zusätzlich NFL-Champ 1929, 1930, 1931, 1936, 1939, 1944, 1961, 1962, 1965, 30x Playoffs (31-20) – Stand: 2015

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7 Kommentare zu “NFL-Franchises im Portrait, #31: Green Bay Packers

  1. Pingback: Die schönsten und interessantesten Artikel über die Green Bay Packers – Packer Fans Germany | Packer Fans in Deutschland

  2. Re: Free Kick
    Am Sonntag gab es bei Dallas – Green Bay wieder eine Chance zum Free-Kick, als Beasley von den Cowboys vor der Pause einen Fair-Catch machte. Dallas hätte aus ca. 72 Yards ein Fieldgoals ohne Defense versuchen können.

    Haben sie nicht. Vielleicht, weil die Coaches nicht wussten, dass sie die Möglichkeit dazu hatten.

  3. Pingback: Es ist Herbst, Baby! | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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