Die Königsklasse: SEC West | 2015/16 Preview

Die Western Division der Southeastern Conference (SEC) gilt als absolute Parade-Division im College Football. Der hier gespielte Football ist der schnellste und härteste landesweit und hat die meisten Ähnlichkeiten mit dem Profifootball, auch wenn es die Provinzler im US-Süden niemals zugeben würden. Wie deutlich die SEC West alle anderen Divisionen im College Football überragt, zeigt die folgende Grafik:

Die Divisionen im College Football im Vergleich (2014)

Die Divisionen im College Football im Vergleich (2014)

Schauen wir uns die sieben Divisionsmitglieder mal an – nicht eine einzige Uni ist im SRS außerhalb der Top-30 klassiert. Selbst das „schwächste“ Team von 2014 wäre gegen ein durchschnittliches Team der FBS auf neutralem Feld mit 10 (!) Punkten favorisiert.

SEC West - Endstand 2014

SEC West – Endstand 2014

Gehen wir sie mal von unten nach oben durch.

Texas A&M Aggies

Die Texas A&M Aggies gehören zu den hellsten Kometen im College Football der letzten Jahre. Als sie vor drei Jahren den Wechsel in die SEC wagten, fluchten viele im Süden, was wollen wir denn mit den arroganten Texanern? Doch dann waren die vermeintlich bloß durchschnittlichen Aggies eine sensationelle Bereicherung für die SEC mit ihrem atemberaubenden Heimstadion Kyle Field und dem größten College-Star seit Tebow: Johnny Manziel. So sehr man sich über Manziels Flauseln aufregen mag, es gibt kein Vorbeidiskutieren, dass Manziel, der Spieler, der Mann schlechthin war.

2014 gab es ohne Manziel eine monatelange QB-Controversy zwischen Kenny Hill und Kyle Allen. Hill begann furios, wurde dann aber trotzdem gebencht, wird heuer aussetzen und nächstes Jahr für TCU spielen. Allen übernahm und war etwas ineffizienter und fehleranfälliger – trotzdem: In einer Offense von Headcoach Kevin Sumlin reicht das immer noch zu 6.1 NY/A, 60% Completion-Rate und 16/7 TD/INT Ratio in einer bockstarken SEC. Die Problemzone in der Offense war am Ende sowieso weniger der Quarterback, sondern vielmehr die vielen Drops der Wide Receiver sowie ein unbeständiges Laufspiel (trotz Offense Line, die jedes Jahr 1st-Rounder in die NFL schickt).

Größte Schwäche der Aggies ist die Run-Defense, wo DefCoord John Chavis noch einige schlaflose Nächte haben wird. Texas A&M wurde 2014 ü-b-e-r-r-a-n-n-t: 45% der Carries gingen über 5yds weit – ein bodenloser Wert (#123 in der FBS). Und das trotz eines guten Trainerstabs und vieler Top-Recruits. Chavies ist nun neu, er kommt von LSU, wo er als Coordinator verantwortlich war für einige der besten Defenses im Lande.

Bloß: Du kannst in der SEC West einen gewaltigen Leistungssprung machen und bist dann möglicherweise immer noch nur die Nummer 5 oder Nummer 6. Bei Texas A&M verschärft sich das Problem in der Sieg-Bilanz möglicherweise noch weiter, da man out of conference die Arizona State Sun Devils zum Season-Opener bespielt.

Louisiana State Tigers

2014 war gemessen am Standard der LSU Tigers ein etwas ernüchterndes Jahr mit einer 8-5 Bilanz. Nervös wird trotzdem keiner, schon gar nicht der clownige Chefcoach Les Miles. Miles muss diese Saison mit neuem DefCoord antreten, weil – wie eben geschrieben – John Chavis dem Lockruf des Geldes zu A&M wechselte.

Sorgen um die Defense macht sich trotzdem keiner: LSU ist eine Maschine. Gegen den Lauf ist man immer Top-15 und gegen den Pass war man trotz inexistentem Pass Rush eine Top-5 Unit! Man muss sich das vorstellen: LSU hatte nur 19 Sacks, und war dennoch die #5 nach Gegner-Adjustment. Der neue DefCoord ist Kevin Steele, für viele eine überraschende Wahl, aber Steele steht immerhin für viel Blitzing und Druck aus der zweiten Reihe – Druck, den LSU brauchen wird, denn das einzige, was dem Kader abgeht, ist ein erstklassiger Individualist für den Pass Rush.

In der Offense wird OffCoord Cam Cameron nicht lange fackeln müssen. Die Line gilt als bockstark obwohl sie beide Guards ersetzen muss. Dahinter soll RB Leonard Fournette heuer seinen endgültigen Durchbruch haben. Fournette wurde letztes Jahr als Freshman so gehypt, dass sich seine 187 Carries für 1034yds und 10 TD fast wie eine Enttäuschung anhörten. Auch hinter Fournette ist die Tiefe bei den Backs exzellent.

Fragezeichen gibt es auf der QB-Position. Letztes Jahr war Anthony Jennings der Starter mit dem Gedanken, den Boden für das Supertalent Brandon Harris zu bereiten. Jennings spielte dann aber solide genug, dass Harris nur Kurzeinsätze bekam und dabei schlechter als Jennings aussah. Nun bestritt Jennings die Offseason aber hauptsächlich mit Gelagen und zünftigen Kneipenschlägereien, weswegen die Trainingslager von Harris allein bestritten wurden – Ausgang hinsichtlich Stammrolle unklar; Miles machte auf jeden Fall schonmal das, was er immer im Sommer macht: Begnadigte seine Problemspieler. Jennings trainiert wieder mit.

Arkansas Razorbacks

Die Arkansas Razorbacks scheinen ihren Wandel von der passgewaltigen Zeit unter Bobby Petrino auf die extrem lauflastige Spielweise unter Bret Bielema schneller als gedacht geschafft zu haben, und sie gelten vor Start dieser Saison als echter Geheimtipp. 2014 beendete man die Saison mit 7-6 Siegen, aber sowohl das SRS als auch die Close-Game Bilanz verraten, dass viel mehr drin gewesen wäre: Die Hogs waren 0-4 in engen Spielen. Trotzdem verbuchte man die Saison als großen Erfolg in Fayettville, nach dem Fiasko 2012 und dem harzigen Einstandsjahr von Bielema 2013.

Bielemas Stil trägt also erste Früchte: Bielema gilt als Verachter der hurry up Offense. Seine Offense spielt mit einer Seelenruhe ihren Stiefel runter, dass du als OffCoord der Oregon Ducks schon nach einem Viertel verrückt werden würdest, warum es denn hier so gar nicht weitergeht. Das Spielermaterial ist wuchtig: Kein Back unter 100kg, alle Offense Liner an die 150kg. Zwei Backs machten zuletzt über 1000yds, und auch das Passspiel galt als sehr effizient, wenn gebraucht. Verbesserungspotenzial sieht man vor allem in der Implementierung eines etwas vertikaleren Passspiels um die oft überfüllte „Box“ etwas zu entzerren.

Den größten Sprung machte zuletzt die Defense unter dem neuen Coordinator Robb Smith – vor allem der Lauf wurde hervorragend abgewürgt. Nun ist man nach etlichen Abgängen in der Front Seven aber etwas dünn besetzt und wird Schwierigkeiten haben den Level des Vorjahres zu halten. Dennoch: Gesamtrichtung stimmt.

Auburn Tigers

Bei vielen Pundits gelten die Auburn Tigers trotz einer, naja, bloß guten, letzten Saison als dark horse auf den SEC-Gewinn. Als Hauptgründe werden die schwer zu verteidigende Offense von Head Coach Gus Malzahn sowie die Einstellung von Will Muschamp als neuen Defensive Coordinator angeführt – wie natürlich auch die vielen aufregenden Auftritte von Auburn in den letzten beiden Jahren mit reinspielen.

Auburn spielt eine spektakuläre spread run Offense, die häufig aus der Shotgun-Formation operiert und im Kern auf dem Element aufbaut, der vor drei Jahren auch die NFL aufwühlte: zone read. Etwas ausführlicher beschrieben hat die Philosophie Chris B. Brown bei Grantland. Malzahn ist der Kopf dahinter, doch Malzahn muss zur anstehenden Saison sein Personal massiv umbauen: Neuer Quarterback, neuer Runningback, beste zwei WR plus TE weg, drittbester WR aktuell suspendiert, drei Offensive Liner neu.

Bei QB Jeremy Johnson sind sich alle sicher, dass er in die Fußstapfen des genialen Nick Marshall treten kann; bei den Runningbacks gibt es in Roc Thomas und Jovon Robinson zwei 5-Star Recruits, die aber noch nicht viel gezeigt haben. Auf Wide Receiver hofft in der Fanbase alles, dass der famose D’haquille Williams noch begnadigt wird – denn was er verbrochen hat, ist nicht bekannt. In der Offensive Line sind die Zweifel wieder geringer: Malzahn hat immer gute Lines auf das Feld geschickt.

Auburns Offense ist allerdings eine sehr schnelle. Wie sich das mit der Defense-Philosophie vereinen lässt, ist noch nicht ganz klar, denn Muschamp ließ bei Florida eine der langsamsten Offenses spielen um seine Defense lange rasten zu lassen. Für Muschamp wird es zumindest eine Umstellung, im schlimmsten Fall ein Kulturschock. Seine Defense ist im ersten Anzug ordentlich besetzt, im zweiten Anzug allerdings etwas jung und dünn. Alle gehen davon aus, dass er die Unit, die letztes Jahr vor allem im Pass Rush und in der Deckung wackelte, voranbringen wird – und schon ein „normaler“ Fortschritt wird Auburn weit vorne unter den Contendern platzieren.

Mississippi State Bulldogs

Wandern wir in die Sümpfe von Mississippi, dort wo es letztes Jahr zwei Teams gab, die die Footballwelt bis zirka Saisonmitte entzückten und die auf dem Weg zur Ungeschlagenheit waren. Am Ende reichte es für beide nicht. Zuerst die Mississippi State Bulldogs, die 9-0 begannen und mit 10-3 abschlossen – der „Einbruch“ kam nicht überraschend, denn die Mannschaft spielte lange Zeit etwas über ihren Verhältnissen. Trotzdem: Für diese kleine Uni war die Saison am Ende ein großer Erfolg.

Head Coach Dan Mullen installierte eine neue Offense, etwas passlastiger, und das kam vor allem dem QB Dak Prescott sehr entgegen. Prescott scrambelte nicht bloß für über 1000yds, sondern brachte auch Pässe für 3449yds, 27 TD und 11 INT an (8.0 NY/A) – großartige Werte für die einst so eindimensionale Offense. Nun muss Mullen 3/5 seiner Offense Line ersetzen plus RB Josh Robinson, aber es bleibt ein recht aufregender junger Kern an Receivern. Allzu stark wird MSU nicht einbrechen.

In der Defense hatte man ärgere Probleme gegen das Laufspiel, was sich nicht erst in der Bowl Season gegen Georgia Tech (452 Rush-yds) negativ auswirkte. Mullen verpflichtete zur anstehenden Saison DefCoord Manny Diaz, ein Mann mit einem gespaltenen Ruf. Diaz floppte bei Texas, brachte zuletzt aber die kleinen Louisiana Tech Bulldogs gewaltig voran.

Ole Miss Rebels

Die noch größere Geschichte – trotz des mit 9-4 schwächeren Records – waren die Ole Miss Rebels, die auf noch höherem Level spielten und bis zu ihrem Kollaps im November (der auch verletzungsbedingt war) wohl das beste Team im Lande waren. Jeder wusste spätestens seit der sensationellen Recruiting-Klasse von 2013, dass Head Coach Hugh Freeze in Oxford Potenzial für Großes geschaffen hat, aber das Ole Miss so schnell im Konzert der Meister mitspielen würde, war neu.

Die Rebels stehen nun vor dem Scheideweg: Ihre größten Stars werden höchstwahrscheinlich nach diesem Jahr in die NFL gehen, und so wird 2015 ein entscheidendes Jahr. In der Offense muss QB Bo Wallace ersetzt werden. Wallace galt bestenfalls als Durchschnitt, aber er musste auch quasi ohne Laufspiel operieren. Der neue QB steht noch nicht fest, wird aber einer ohne viel Erfahrung sein. Immerhin kann er zu einigen der besten Receiver im Lande werfen. Der beste von ihnen: Laquon Treadwell, der sich letztes Jahr in einem landesweit übertragenen Spiel grausam das Bein brach.

Die Offense Line gilt als Schwachpunkt, trotz LT Laremy Tunsil, der für viele ein Top-Draftpick ist. Tunsil schlägt sich allerdings aktuell noch mit möglichen NCAA-Sanktionen herum.

Große Stärke der Rebels ist die gigantische Defense um die vermutlich beste Defensive Line im College Football. Superstar ist DT Robert Nkemdiche, dessen Stats banal aussehen (nur 2 Sacks), aber dem du nur einmal zuschauen musst um seinen Wert zu erkennen. In der Secondary muss allerdings der beste Cornerback Senquez Golson und seine 10 INT ersetzt werden – kein einfacher Task.

Alabama Crimson Tide

Bryant-Denny Stadium von Tuscaloosa - ©Latics/Wikipedia

Das Bryant-Denny Stadium von Tuscaloosa als Heimat der aktuell dominierenden Dynastie im College-Football: Alabama

Die Alabama Crimson Tide von Head Coach Nick Saban sind momentan der Referenzpunkt für das Eliteprogramm im College Football. Daran ändert auch die etwas überraschende Semifinalpleite letzte Saison gegen Ohio State nichts – eine Partie, in der man minimum ebenbürtig war.

Alabama – das ist eine relativ kalt spielende, fehlerarme Maschine, die nicht allzu viel Rabatz veranstaltet, dafür aber mit der hochwertigsten Ansammlung an Athleten über den Gegner drüberwalzt. Jahrelang sagte man Saban nach, resistent gegen sämtliche neumodischen Entwicklungen im Football zu sein, ehe ausgerechnet Saban, der Mann mit dem Dauersodbrennen, letztes Jahr mit einer hurry up Offense experimentierte – der Move kam völlig überraschend, nachdem sich Saban jahrelang öffentlich über die Hochgeschwindigkeitsoffenses lustig gemacht hatte.

Saban installierte mit der vergangenen Saison Lane Kiffin als OffCoord. Wer es nicht weiß: Kiffin ist eine der umstrittensten Gestalten in der Trainergilde. Kiffin bekam als kompletter Jungspund Headcoach-Posten bei den Oakland Raiders, Tennessee Volunteers und USC Trojans, und er machte überall recht wenig draus, zügelte dafür sein Mundwerk umso weniger. Saban gab Kiffin nun eine weitere Chance, mit letztes Jahr hervorragenden Resultaten.

Kiffin ließ nicht nur eine in Anflügen schnelle Offense spielen, sondern auch eine sehr kopflastige, in der die Superstars Yeldon und Cooper die meisten Plays machten. Beide sind nun NFL-Profis, das heißt, Alabama muss seine Offense recht stark umbauen. So schlecht ist das vermutlich gar nicht: Die Offensive Line gehört jahrein, jahraus zu den fünf besten im Lande, und auf RB wird Derrick Henry die Lead-Rolle übernehmen; Henry war schon 2014 mit 5.8yds/Carry effizienter unterwegs als Yeldon.

Auf Wide Receiver warten alle auf den Durchbruch des TE-Hünen O.J. Howard, während Quarterback im Saban’schen Universum nie eine übergeordnete Rolle spielten. QB Blake Sims dürfte nicht überaus schwer zu ersetzen sein. Als potenzielle Nachfolger gelten Jacob Coker oder der Freshman David Cornwell – wobei ersterer der erfahrenere, aber blassere Spieler ist.

Die Defense ist ein Faszinosum: Mit Laufspiel geht gegen Alabama nix, wofür schon allein die unglaublichen Bolzen in der Front Seven sorgen: NG Jarran Reed, DE A’Shawn Robinson, DE Jonathan Allen, WLB Reggie Ragland, LB Ryan Anderson und wie sie alle heißen. Alabama stellt fast jedes Jahr die #1-Laufverteidigung in der NFL.

Gegen den Pass ist man weniger dominant, aber selbst hier stellt man stets eine Top-20 Unit obwohl man keinen Passrush entfacht und eine bloß durchschnittlich besetzte Secondary auffährt. DefCoord Kirby Smart und der DB-Fetischist Saban arbeiten auch ohne die ganz großen schematischen Kniffe – man vertraut darauf, dass der Gegner nach zwei abgewürgten kurzen Runs in den langen dritten Downs eher früher als später zum Punt antreten muss.

Ausblick

Qualitativ ist Alabama in dieser Staffel einmal mehr zu favorisieren, aber eine Perfect-Season dürfte schwierig werden: Alabama muss fünfmal fern von Tuscaloosa gegen echte Kaliber antreten: Wisconsin, Georgia, Texas A&M, Mississippi State und Auburn (plus Ole Miss, LSU und Tennessee zuhause).

Auburn, Ole Miss und LSU dürften am ehesten die Chance haben, Alabama zu entthronen, wobei Texas A&M und Arkansas zumindest als gefährliche Spoiler zu handeln sind. Am ehesten etwas abfallen sehe ich Mississippi State.

Müsste ich heute tippen, würde ich auf ein SEC-Finale Alabama – Georgia tippen. Das wäre eine würdige Ansetzung, wenn man an das atemberaubende Endspiel von 2012 zurückdenkt.

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9 Kommentare zu “Die Königsklasse: SEC West | 2015/16 Preview

  1. Pingback: College Football 2015/16 – Die Eier fliegen | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  2. @JoffreyG:
    Kommende Nacht: 3 Uhr Minnesota-TCU
    Samstag: 18 Uhr Northwestern-Stanford, 21.30 Uhr Nebraska-BYU
    Sonntag: 1 Uhr Texas A&M-Arizona State, 8.35 Uhr Alabama-Wisconsin (Tape)
    Dienstag: 2 Uhr Virginia State- Ohio State

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