NFL-Franchises im Kurzportait, #32: Detroit Lions

Letzter Teil der sich über Jahre ziehenden Serie über die NFL-Franchises mit den Detroit Lions, der Franchise der Ford-Familie, die nun schon über ein halbes Jahrhundert auf die Rückkehr glorreicher alter Zeiten warten muss – fast so, als würde man bewusst das Schicksal mit der Heimatstadt teilen und auf sie warten.

Anfänge und Meisterschaften

Die Anfänge der Detroit Lions liegen ein paar hundert Kilometer südlich von Detroit, in Ohio. Gegründet wurde die Mannschaft als Portsmouth Spartans, überlebte als solche aber nicht lange – seit 1934 ist man als Detroit Lions unterwegs. Lions nannte man sich als Tribut an das bereits existierende Baseball-Team Detroit Tigers.

In der Zeit als Spartans spielte die Mannschaft im allerersten Playoff-Spiel der NFL-Geschichte mit: 1932 war das, als es nach Ende der Regular Season einen Gleichstand mit den Bears gab und zum ersten Mal ein Entscheidungsspiel herhalten musste (bis dahin hatte man Bundesliga-mäßig dem Gewinner der Punkterunde den Titel zuerkannt). Das Wetter in Chicago war furchtbar, und man verlegte die Partie kurzerhand in eine Sporthalle in Chicago, wo aufgrund des engen Platzes keine Offense in Schwung kam. Chicago gewann 9-0, aber viel wichtiger: Die Öffentlichkeit hatte Gefallen gefunden an dem „Meisterschafts-Endspiel“ – fortan wurden die Playoffs als fester Bestandteil der National Football League eingeführt.

Die Lions mussten dem verpassten Titel nicht lange nachtrauern: Schon 1935 holte man zum ersten Mal die Meisterschaft in die Motorstadt Detroit, und dank guter Connections zu den Oberen konnten die Lions schnell das Thanksgiving-Spiel als „ihre“ Tradition etablieren. Bis heute hat die Tradition Bestand, trotz aller Pleiten, Pech und Pannen über die Jahrzehnte.

Die erfolgreichste Ära gab es in den 1950ern mit QB Bobby Layne und drei Titelgewinnen, jeweils in Finalsiegen über die Cleveland Browns. Layne galt als charismatischster Quarterback seiner Zeit und wurde unisono in der NFL wegen seiner aufregenden Spielstils akzeptiert. Layne war ein Säufer, der keine Sperrstunde kannte, sobald das Training zu Ende war, aber die harten Partys trugen letztlich bei ihm nur zur Legendenbildung bei. Dreimal gewann Detroit mit Layne die NFL-Meisterschaft: 1952, 1953 un 1957.

The Curse of Bobby Layne

Den letzten ihrer drei Titel in den 50er Jahren holten die Lions 1957 in einer Partie, in der Layne verletzt draußen saß. Man glaubte im Management in Detroit, es ginge nun auch ohne seinen Star, vertickerte Layne nach Pittsburgh, worauf dieser frustriert verkündete: Detroit wird in den nächsten 50 Jahren keinen Titel mehr holen. Er hatte Recht. Wir stehen mittlerweile bei 58 Jahren.

Die nächsten drei Jahrzehnte gab es nichts als Mittelmäßigkeit in Detroit zu „bestaunen“ – trotz toller Infrastrukturen wie dem Pontiac Silverdome eine Autostunde von Downtown Detroit entfernt, und trotz des Investments der Ford-Familie, die 1963 die Besitzerschaft in der Franchise übernahm. Die Fans begannen, sich immer mehr an Laynes Worte zu erinnern – der „Fluch des Bobby Layne“.

Die Ära Barry Sanders

Ab 1989 wurde es zwar sportlich nicht bedeutend besser, aber Detroit hatte fortan genau zehn Jahre allen Grund, stolz zu sein: Sie hatten Running Back Barry Sanders. Ich habe Barry Sanders nie live spielen sehen, aber nach allem, was ich über ihn gelesen und von ihm gesehen habe, ist der Mann der Sportler, der vielleicht meinem Ideal von einem Sportler am nächsten kommt.

Sanders war ein atemberaubend spektakulärer Running Back, ein Alleinunterhalter in einer desaströsen Offense, einer, der aus sich keinen Zirkus machte und unter anderem dafür berühmt wurde, nicht einen einzigen seiner 110 Touchdowns besonders zu feiern. Ein Spieler, der ein Jahrzehnt trotz mittelmäßiger sportlicher Perspektive volle Kanone Leistung brachte, ehe er genau aus diesem Grund mitten in seiner Blütezeit ein Jahr vom ewigen Rekord an Rushing Yards entfernt seine Karriere beendete.

Wenn du das Feuer in dir nicht mehr spürst, lass es sein. Denn dann kannst du nicht mehr so gut sein, wie du es sein könntest. Ein paar Impressionen von Barry Sanders:

Detroit erreichte in den 1990ern sechsmal die Playoffs, gewann in der Post Season aber nur ein einziges Spiel. Es war trotzdem die zweitbeste Epoche in der Franchise-Geschichte nach der Zeit von Bobby Layne. Es sollte eine dunklere Zeit folgen.

Die Ära Matt Millen

Waren die Lions mit Sanders sogar einmal im NFC-Finale, so wären sie in den 2000ern froh gewesen, überhaupt mal eine ausgeglichene Saisonbilanz zu erreichen. Als Hauptschuldiger hierfür wurde GM Matt Millen auserkoren. Millen ist heute in Detroit aufgrund seines Wide Receiver-Fetisch und seiner vielen versemmelten Draftpicks verhasst wie kein anderer General Manager.

Die Sprechchöre von wegen Fire Millen! gehörten in Detroit ab zirka 2005 zu allen wichtigen Sportereignissen aller Mannschaften und Veranstalter zum guten Ton, und sorgten in gegnerischen Stadion für Parodien á la Keep Millen!

Die Lions waren in den 2000ern die Mannschaft mit der schlechtesten Bilanz, und schafften 2008 den ultimativen Tiefpunkt: Alle Saisonspiele zu verlieren. Millen erlebte das nicht mehr – er wurde auf halbem Weg dorthin gefeuert. Seither schaffte die Mannschaft unter neuer Führung wenigstens den Sprung ins obere NFL-Mittelfeld, inklusive zweier Playoff-Qualifikationen (ohne Sieg).

Ford Field

Ford Field

Ford Field

Mit 65.000 Plätzen ist Ford Field für NFL-Verhältnisse ein eher kleines Stadion. Die Arena ist als Halle konzipiert und wurde 2002 eröffnet. Sie war Teil eines Projekts der Stadt Detroit um die verwaiste Innenstadt wiederzubeleben. Um das Stadtbild nicht zu stark zu beeinflussen, wurde einfach das Spielfeld eine Etage tiefer gesetzt, sodass man ebenerdig schon im zweiten Rang landet. Integriert wurde auch ein großes Einkaufszentrum, von dem aus man die VIP-Loungen des Stadions entlang der südlichen Haupttribüne erreicht.

Ford Field wirkt nie wie eine der typischen finsteren Hallen, weil sie durch die großen Fenster viel Tageslicht aufnimmt. An guten Tagen gilt das Stadion als eines der lautesten in der NFL und soll eine erstklassige Spieltagsatmosphäre bieten.

Ford Field löste eine andere Halle als Heimatspielstätte der Lions ab: Den Pontiac Silverdome rund eine Stunde vor den Toren der Stadt. Der Silverdome galt als eines der schönsten Stadien in den Vereinigten Staaten und diente auch als Spielort der Fußball-WM 1994. Heute gibt seine Erscheinung ein jämmerliches Bild ab. Manchmal ist ein Gnadenschuss besser als ein langsamer Tod.

Rivalitäten

Die Lions spielen seit Jahrzehnten in einer Division mit den Green Bay Packers, Chicago Bears und Minnesota Vikings, ergo sind die natürlichen Rivalen leicht ausfindig zu machen. Allerdings sind es jeweils relativ einseitige Rivalitäten, nachdem die drei Gegner im Schnitt in direkten Duellen 25 Spiele mehr gewonnen haben als die Lions.

Green Bay ist dabei der intensivste der Rivalen, gegen den man bis in die 1960er hinein jeweils an Thanksgiving angetreten ist. Es ist auch das längste ununterbrochen ausgespielte direkte Duell der NFL. Kuriosität: Einmal in der 60ern zerstörten die Lions den Packers die Perfect Season. 2008 die Revanche auf Art der Packers: Sie schossen in der letzten Woche die Lions ab zur einzigen Imperfect Season (0-16 Siege) der NFL-Geschichte.

Ein ganz alter Rivale sind auch die Cleveland Browns, gegen die man in den 1950er Jahren viermal das NFL-Finale bestritt, davon dreimal en suite. Insgesamt gewann Detroit dabei dreimal den Titel. 2009 gab es Browns gegen Lions erneut, wenn auch nicht als Championship-Kaliber, sondern zwischen den beiden schwächsten Teams des Landes. Es war die Partie, in die QBs Stafford und Brady Quinn insgesamt neun Touchdowns warfen, und Matthew Stafford in der letzten Sekunde die Geister der sieglosen Vorsaison vertrieb.

Ein Symbol für Detroit

In gewissem Sinne ist die Franchise der Lions auch ein Symbol für die Stadt Detroit, die seit Jahrzehnten im Niedergang begriffen ist. Wo vor Jahren Ex-Bürgermeister Kwame Kilpatrick Orgien mit Stripperinnen feierte und der bankrotten Stadt dafür die Kosten berechnete, nur zwei Ecken entfernt vom Ford Field, dem Stadion der Detroit Lions in der Innenstadt, wo selbst 2008, in der schwärzesten Stunde der Automobilindustrie und der Lions, über 50.000 im Schnitt zu den Heimspielen kamen.

Detroit ist kein glamouröser Ort, die Stadt gilt vielmehr als eine der gefährlicheren in den Vereinigten Staaten. Sport und Musik sind hier oft die einzige Ablenkung vom tristen Alltag. Unter anderem aus diesem Grund verlegte man vor zehn Jahren die Heimspielstätte von Lions und Tigers zurück in nach Downtown, um wieder Leben in eine verwaiste Stadt zu bringen.

Detroits größte Sportler gelten als bescheiden gebliebene Männer. Joe Dumars (Pistons, NBA), Steve Yzerman (Red Wings, NHL) oder Barry Sanders (Lions, NFL) sind in den USA absolute Sportlerlegenden, aber keiner von ihnen würde jemals mit einem Broadway Joe verwechselt werden, weil du sie schlicht für das eine kennst: Ihre Erinnerungen auf dem Spielfeld. In Ermangelung eines Superbowl-Rings ziehen sich Detroits Sportfans also vor allem am Image ihrer größten Sporthelden hoch.

Eckdaten

Gegründet: 1929 als Portsmouth Spartans
Besitzer: Ford-Familie
Division: NFC North
Erfolge: NFL-Champ 1935, 1952, 1953, 1957, 17x Playoffs (7-13)


Damit ist die Serie über die NFL-Franchises nach fast fünf Jahren abgeschlossen. Nachlesen kann man die einzelnen Artikel auf der Seite der NFL oder unter dem Link zu den NFL-Franchises.

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3 Kommentare zu “NFL-Franchises im Kurzportait, #32: Detroit Lions

  1. Finde und Fand diese Serie auch sehr schön und wollte fragen ob da irgendwann (nächste/übernächste Offseason, wie es der private Zeitplan halt zulässt) noch Fortsetzungen geplant sind? Mit „Fortsetzungen“ meine ich beispielsweise Updates dort, wo die Erstellung der Historie von 2011 oder so ist, oder Vertiefungen. Oder halt IMO noch interessanter: Die Geschichte wichtiger/interessanter College Football-Programme.

  2. Geplant ist vieles, was die Zeit hergibt, was anderes. „Vertiefungen“ wird es eher nur noch bei Gelegenheiten geben, z.B. Super Bowl wie in den letzten Jahren oder spezielle andere Ansetzungen.

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