Boise State Broncos | 2016/17 Vorschau

Als Boise State im letzten Oktober gegen Utah State den Selbstzerstörungsbutton drückte und bei der 24-52 Schlappe fassungslose 8 (acht!) Turnovers fabrizierte, fühlte sich das an wie das Ende der großen David-vs-Goliath Geschichte der Broncos, die viele Jahre lang die Arrivierten im College Football geärgert hatten, aber letztlich doch den Zeichen der Zeit nachgeben mussten.

Dass das kleine Boise State den Level der absoluten Hochblüte zwischen 2009 und 2011 nicht ewig würde halten können, musste man angesichts der Kräfteverhältnisse im College Football erwarten. Aber dass Boise sich von einer „gleichgestellten“ Uni wie Utah State so derart abschlachten lassen würde, das hatte man seit vielen, vielen Jahren nicht gesehen.

Und doch sieht der Kollaps in der Retrospektive nicht mehr ganz so schlimm aus, denn Boise zeigte zwischen einigen üblen Vorstellungen (wie eben USU oder auch New Mexico) auch großes Potenzial. Das äußerst wechselhafte 2015 beendete die Mannschaft letztlich titellos mit einer 9-4 Bilanz. Das ist keine schlechte Ausbeute, wenn auch weniger als man erhofft hatte.

Boise auf Speed

Die Ergebnisse, aber auch die Art und Spielweise, waren aber reizend genug, dass sich vor der anstehenden Saison 2016 schon wieder großer Optimismus in den Wäldern von Idaho breit macht – trotz erneut zwei neuen Coordinators in Offense und Defense.

Head Coach Bryan Harsin hat die Ruder nun seit zwei Jahren in der Hand, und sein deutlichstes Markenzeichen ist das ruhelose, sehr druckvolle Spiel in Offense und Defense. Vor allem der Angriff, einst unter Harsins Lehrmeister Chris Petersen Hort von Tarnung und Täuschung, entwickelte sich in den letzten beiden Jahren zu einer Art „mini-Oregon“, einer passgewaltigen Hochgeschwindigkeitsoffense (98tes Perzentil!) mit vielen tiefen Routen.

Zu einem echten Hoffnungsträger entwickelte sich dabei sehr schnell der mit Pauken und Trompeten geholte Freshman QB Brett Rypien. Rypien ist ein Neffe vom ehemaligen Superbowl-QB der Washington Redskins, Mark Rypien, dem bis heute einzigen kanadischen Quarterback in einer Superbowl. Er führte sich in seiner ersten Saison mehr als ordentlich ein: 7.8 NY/A, 20 TD bei 8 INT und einer der besten Sack-Quoten im Lande.

Rypien hatte brillante Ansätze im Kurzpassspiel. Dass blutjunge Quarterbacks im Antreiben von sehr schnellen Offenses auch mal implodieren und das eigene Team wie gegen Utah State oder New Mexico komplett in die Scheiße reiten – passiert. Zumal das Laufspiel um RB McNichols trotz über 2600yds und 35 TD nicht wirklich verlässliche Entlastung brachte und von vielen als Schwachpunkt beschrieben wurde.

Von Rypien erwartet man sich in dieser Saison wahre Wunderdinge, zumal der Personalkern im Angriff mehr oder weniger intakt bleibt. Die O-Line ist ein Jahr eingespielter, die Runningbacks haben nun eine erste Saison in den Knochen und WR Thomas Sperlock (mit 1400yds der Go-To Guy) bleibt für sein Senior-Jahr am College.

Einziger potenzieller Knackpunkt: Harsin muss mal wieder einen OffCoord ersetzen. Wenn es Boise nicht schon gewohnt wäre (sechstes Jahr in Folge mit neuem OffCoord), würde Nervosität aufkommen. Aber a) gibt Harsin weiterhin die „große Richtung“ vor und b) stellte er in Zak Hill einen Mann mit identischer DNA ein. Hill soll gemeinsam mit Line-Coach Huff das Offense-Tagesgeschäft steuern.

Defense

Auch in der Defense musste Harsin seinen Coordinator ersetzen, aber auch hier ist dank der „internen Lösung“ Andy Avalos Kontinuität angesagt. „Kontinuität“ heißt im Boise-Sinn: Volles Risiko. Harsin würde seine Großmutter verkaufen für Blitzes, Sacks und Interceptions – oder zumindest eine Latte an Big Plays kassieren. 2015 hatte beides: Top und Flop, oder 35 Sacks, 22 INT und pro Spiel 3 lange 40yds-Catches. Kein Team in der 128 Mannschaften starken FBS spielte seltener in einer „Quarters Coverage“ (besser: Prevent Defense) als Boise State (obwohl Boise häufig Führungen verteidigen musste).

Dieser Spielstil wird in dieser Saison spannend, denn Boise wird nach mehreren Abgängen in der Front Seven eher „leichtgewichtig“ besetzt sein: Viel Speed, aber wenig Wucht über die Mitte, und dazu potenzielle Sollbruchstellen in der Secondary, wo es kaum Cornerbacks von Format gibt. Gespannt wartet man aber auf die Entwicklung des zweiten großen Recruits neben QB Rypien, FS Dylan Summer-Gardner, dessen erste beiden Jahren in Boise eher verletzungsgeplagt waren.

Schedule

Der Spielplan 2016 sieht im Prinzip nicht viele überragende Hürden: Die drei besten Teams, Washington State (10.09.), Utah State (01.10.) und BYU (20.10.) wird man jeweils zuhause empfangen. Allerdings stellen alle drei passlastige Offenses und können die Broncos mit ihrer Wackel-Secondary auseinandernehmen. Zum Saisonabschluss wartet mit dem Auswärtsspiel bei der lauflastigen Air Force noch ein weiterer schwer ausrechenbarer Gegner, der Boise schon in der letzten Saison komplett überlaufen hat.

Der Gewinn der Mountain West Conference sollte trotzdem drin sein. Viele erwarten Boise damit auch als besten Mid Major in einer der Neujahrs-Bowls. Aber selbst ohne diese Ehren wird Boise State eines der unterhaltsamsten Teams sein.

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4 Kommentare zu “Boise State Broncos | 2016/17 Vorschau

  1. Alleine schon das blaue Spielfeld in Idaho ist etwas Besonderes. Die Broncos haben sich inzwischen etabliert und können auch mal Aufbauphasen überstehen. Sie werden auch in Zukunft die arrivierten Teams ärgern, mal mehr mal weniger.
    Tolle College Vorschauen im Übrigen. Lese ich immer wieder gerne.

  2. Da Boise State auf diesem Blog ja einen besonderen Platz hat und auch das Thema, wie man ein erfolgreiches Program bzw. in der NFL ein erfolgreiches Franchise aufbaut, hier schon eine Rolle spielte, denke ich, dass die folgende Story hier interessant sein könnte:

    https://www.sbnation.com/a/cfb-preview-2017/boise-state

    „THE ORAL HISTORY OF BOISE STATE, COLLEGE FOOTBALL’S MONEYBALL“

    Disclaimer: Mit „Moneyball“, einer Thematik, die hier ja auch prominent vertreten ist, hat es nicht viel zu tun, wie der Autor schon früh im Text selbst zugibt.

  3. Danke für den Link. Schöne Geschichte.

    Ich finde aber, Advanced-Metrics kann man durchaus als Teil von „Moneyball“ betrachten, weil es ein Weg ist, Ineffizienzen für sich zu nutzen. Es gibt auch weitere, wie Salary-Cap Management in der NFL oder diverse Draftstrategien. Für mich war und ist „Moneyball“ der Sammelbegriff.

    Im College-Football fällt auf, dass es eine Spezies Coaches gibt, die überall Erfolge feiern. Die meisten kleinen Colleges verlieren „ihre“ Coach-Hoffnung nach wenigen Jahren ans Establishment. Einige sind imstande, ihre Coach-Diamanten über längere Zeit zu halten (TCU, Boise, Nevada) und damit über längere Zeit mehr Erfolg zu haben als ihre Ressourcen eigentlich hergeben.

    Boise ist sicher noch mal ein Sonderfall innerhalb dieser Gruppe, aus diversen von Bill Connelly genannten Gründen.

    Mit einem Punkt bin ich persönlich nicht einverstanden: Die Spielstrategie von Boise State fand ich immer als prototypisch für die „Underdog-Strategie“:

    Petersen hat den Broncos eine ganz eigenartige und trotzdem wunderschöne Offense verpasst, deren allermarkantestes Wahrzeichen das gesellige Treiben an der Anspiellinie ist: Kein Spielzug ohne fünf bis sechs Motions, dann der Snap und eine change of direction oder ein end around im Laufspiel oder ein schneller Pass zu einem der dutzenden Wide Receivers. Boise States Angriff pflegt, ohne Anzeichen von Nervosität seinen Stiefel runterzuspielen und notfalls immer wieder den einen oder anderen Trickspielzug einzustreuen, um die einschlummernde Defense aufzuwecken. Diese underdogaffine Angriffsstrategie wird gnadenlos durchgezogen, und selbst gegen eklatant unterlegene Gegner wird nie mit Nachdruck der Dolchstoß gesucht.

    Es mag nicht der einzige Grund und vielleicht auch nicht der wichtigste Grund für den Erfolg von Boise State gewesen sein, aber ich fand die Offense bezeichnend für das, wofür Boise State immer stand: Ein Kleiner, der die Großen mehr als ärgern konnte. Um so weit zu kommen, musste Boise immer Potenziale nutzen, die andere nicht nutzten – unter anderem auch seine Herangehensweise Down für Down.

  4. Aber für mich kommt es so rüber, als würde Boise State eben nicht mit Advanced Metrics gezielt nach Ineffizienzen suchen und auf diesem Wege overachieven. Sicher gibt es Punkte, in denen sie das mehr oder weniger gemacht haben (etwa das Recruiting von [spiel]intelligenten Spielern, weil man die athletischsten sowieso nicht bekommt), allerdings habe ich nicht den Eindruck, dass es der essenzielle Ansatz ist, mit dem sie mehr Spiele gewinnen als man es von ihnen erwarten kann.

    Ist dann am Ende aber auch eine Definitionsfrage und eine Frage, inwiefern im College Football das Einsetzen solcher Methoden in einzelnen Bereichen nicht schon ausreicht, um der Konkurrenz einiges voraus zu haben.

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