Der November steht an, traditionell der wildeste Monat im College Football und dessen Titelrennen.
Der 9te Spieltag hat einige Vorentscheidungen gebracht:
- Big 12 Conference: Die bislang ungeschlagenen Baylor Bears und West Virginia Mountaineers verloren jeweils ihre Spiele, was mit fast 100%iger Sicherheit ein Playoff-Halbfinale ohne Mitglieder aus dieser Conference bedeutet.
- SEC: In der East Division verlor Tennessee überraschend bei South Carolina und hat nun nur noch geringe Chancen auf eine Finalqualifikation in der SEC.
- Mid Majors: Boise State kassierte eine Auswärtspleite bei Wyoming und läuft nun nicht nur Gefahr, die Vorherrschaft in der Mountain West Conference zu verlieren, sondern auch, seinen Platz in den Neujahrs-Bowls an den einzigen noch ungeschlagenen Mid Major Western Michigan zu abzugeben.
Playoff-Rennen
Das Playoff-Rennen entwickelt sich in diesen Wochen mit einem relativ klaren Bild: Vier Mannschaften aus Power-Conferences sind noch ungeschlagen. Zu ihnen gesellen sich zwei Hochkaräter aus Power-Conferences, die bereits eine Pleite kassiert haben (Ranking aus dem AP Poll):
#1 Alabama (8-0)
#2 Michigan (8-0)
#3 Clemson (8-0)
#4 Washington (8-0)
#5 Louisville (7-1)
#6 Ohio State (7-1)
Lass uns die sechs favorisierten Playoff-Kandidaten mal unter die Lupe nehmen.
Alabama Crimson Tide
#1 AP Poll / #1 Coaches Poll
#1 im SRS mit +31.1
#1 im FPI mit +30.6
#2 im Strength of Record
Alabama ist der Maßstab für alle anderen Mannschaften. Alabama hat in den letzten sieben Jahren vier Meisterschaften gewonnen und ging auch in dieser Saison als Topfavorit an den Start. Alabama hat im bisherigen Schedule nie einen Zweifel aufkommen lassen, wer nun der Herr im Hause ist. Und Alabama hat nicht bloß Gurkentruppen geschlagen:
- 33-14 gegen Texas A&M, #8 nach SRS
- 52-6 gegen USC, #14 nach SRS
- 48-43 gegen Ole Miss, #22 nach SRS
- 49-7 gegen Tennessee, #26 nach SRS
Alabama hält in der SEC den Tie-Breaker gegen Texas A&M, könnte aber noch in Bedrängnis geraten, wenn es gegen Auburn verlieren sollte: Ein eventueller 3-Team Gleichstand zwischen Alabama, Auburn und Texas A&M ist momentan noch nicht abzusehen. Aber: In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Alabama sich in der Regular Season eine Niederlage erlauben kann um sich trotzdem für die Playoffs zu qualifizieren.
Alabamas restlicher Schedule:
- @LSU als Favorit nach SRS mit 13 Punkten
- vs Mississippi State, Favorit mit 33 Punkten
- Chattanooga als Favorit mit über 50 Punkten
- vs Auburn, Favorit mit 13 Punkten
In einem eventuellen SEC-Finale wäre Alabama gegen Florida mit sage und schreibe 19 Punkten Favorit, wenn wir das SRS als Grundlage verwenden. Sprich: Es wäre zum aktuellen Stand eine faustdicke Überraschung, wenn Alabama die Playoffs verpassen würde.
Clemson Tigers
#3 AP Poll / #3 Coaches Poll
#4 im SRS mit +21.8
#4 im FPI mit +24.5
#1 im Strength of Record
Der zweit-sicherste Playoff-Tipp sind die Clemson Tigers, die trotz zweier schwerer Matchups gegen Louisville und Florida State weiterhin ungeschlagen sind. Auch der zu Saisonbeginn noch kritisierte 19-13 Erfolg über Auburn sieht heute hochkarätig aus. Clemson war in dieser Saison nicht immer überzeugend, wirkte manchmal sogar richtiggehend schlampig, aber: Die Tigers sind in allen Advanced-Rankings in den Top-4 und haben den besten Strength-of-Record (SOR) aller Mannschaften.
Strength-of-Record ist eine ESPN-Methode um zu schätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Top-25 Team gegen den bisherigen Clemson-Schedule ungeschlagen geblieben wäre. SOR korreliert exzellent mit den Auswahlkriterien des Playoff-Komitees.
Clemson hat folgende Qualitätssiege:
- 19-13 bei Auburn, #6 nach SRS
- 42-36 über Louisville, #7 nach SRS
- 37-34 bei FSU, #15 nach SRS
Clemson hat seine ACC-Division quasi gewonnen. Man hat ein Spiel plus Tie-Breaker Vorsprung auf Louisville und einen einfachen Rest-Schedule vor der Brust:
- vs Syracuse, Favorit mit 27 Punkten
- vs Pitt, Favorit mit 18
- @Wake Forest, Favorit mit 18
- vs South Carolina, Favorit mit 27
Ein mögliches ACC-Finale gegen Virginia Tech (Clemson favorisiert mit 7) oder North Carolina (Clemson Favorit mit 12) wäre die einzige Partie, die im Vorfeld innerhalb von zwei Touchdowns gewertet würde. Clemson ist nicht das Kaliber wie Alabama und wäre gegen die Crimson Tide auf neutralem Feld recht klarer Außenseiter, aber die Tigers sind Stand heute ein recht sicherer Playoff-Tipp.
Michigan und Ohio State
Michigan:
#2 AP Poll / #2 Coaches Poll
#2 im SRS mit +29.7
#2 im FPI mit +28.7
#4 im Strength of Record
Ohio State
#6 AP Poll / #6 Coaches Poll
#3 im SRS mit +25.1
#5 im FPI mit +24.1
#6 im Strength of Record
Die beiden Erzrivalen aus der Big Ten Conference liefern sich ein Kopf-an-Kopf Rennen um den Conference-Titel und die damit wohl verbundene direkte Qualifikation für die Playoffs. Das hatten wir zuletzt 2006, als sich #1 Michigan und #2 Ohio State im November zu einem hoch gehypten „Spiel des Jahrhunderts“ trafen. Darauf könnte es auch in dieser Saison hinauslaufen.
Michigan hat folgende Qualitätssiege vorzuweisen:
- 14-7 gegen Wisconsin, #9 nach SRS
- 45-28 gegen Colorado, #10 nach SRS
- 49-10 über Penn State, #17 nach SRS
Ohio State ist nicht mehr ungeschlagen (Niederlage gegen Penn State), hat dafür aber zwei Qualitätssiege eingefahren:
- 30-23 (OT) bei Wisconsin, #9 im SRS
- 45-24 bei Oklahoma, #20 im SRS
Die Geschichte zwischen Michigan und Ohio State ist einfach: Der Sieger des direkten Duells wird in die Playoffs eingeladen, sofern:
- a) hinterher das Big Ten Finale gegen Wisconsin oder Nebraska gewinnt, und
b) Ohio State kein weiteres Spiel verliert
Gefühlt befinden sich beide Mannschaften also momentan in derselben Ausgangslage. Bis zum direkten Duell am Thanksgiving-Wochenende sind beide in jedem ihrer Spiele klar favorisiert:
Michigan: mit 32 gegen Maryland, mit 21 @Iowa, mit 31 gegen Indiana
Ohio State: mit 17 gegen Nebraska, mit 23 @Maryland, mit 24 @Michigan State
Im direkten Duell, dem „Big Game“, hat Ohio State Heimvorteil. Aktuell sieht das SRS trotzdem Michigan mit 2.5 Punkten vorn.
Die Frage ist: Was passiert mit dem Verlierer des Big Game?
Washington Huskies
#4 AP Poll / #4 Coaches Poll
#5 im SRS mit +21.6
#7 im FPI mit +22.8
#5 im Strength of Record
Für die Washington Huskies ist der Weg in die Playoffs klar: Win and you are in. Den Spruch kennen wir. Washington hat den Vorteil, noch ungeschlagen zu sein, aber Washington muss Ende November noch auswärts zum „Apple Cup“ antreten: @Washington State.
Washingtons Playoff-Voraussetzung leben von einer Perfect Season sowie den deutlichen Siegen gegen Oregon (mit 49 Punkten, aber Oregon ist nach SRS nur #45) und Stanford (mit 38 Punkten, Stanford ist #24) sowie dem 7-Punkte Sieg gegen Utah (#31 nach SRS) am vergangenen Wochenende. Damit kann man in Sachen Qualitätssiegen der Playoff-Konkurrenz nicht das Wasser reichen.
Washington braucht den Conference-Gewinn in der Pac-12 sowie null Niederlagen.
Der Rest-Schedule ist noch etwas tricky:
- @Cal, Favorit mit 15
- vs USC, Favorit mit 10
- vs Arizona State, Favorit mit 21
- @Washington State, Favorit mit 4
Vor allem dieser Apple Cup hat gewaltige Implikationen für die Washington Huskies. Eine Niederlage gegen den Erzrivalen, und die Huskies sind raus. Ein Sieg, und es wartet noch ein schwieriges Pac-12 Finale gegen wahrscheinlich eines dieser drei Teams:
- Colorado, Favorit mit 4.5
- Utah, Favorit mit 13
- USC, Favorit auf neutralem Boden mit 7.5
Louisville Cardinals
#5 AP Poll / #5 Coaches Poll
#7 im SRS mit +20.4
#3 im FPI mit +25.2
#8 im Strength of Record
Die Louisville Cardinals sind ein „dark horse“ im Playoffrennen. Sie sind nicht mehr ungeschlagen und sie haben nach Clemsons Auswärtssieg bei FSU quasi keine Chance mehr, sich für das ACC-Finale zu qualifizieren, aber Louisville hat zwei andere Trümpfe: Kantersiege und den Favoriten auf den Gewinn der Heisman-Trophy, QB Lamar Jackson.
Louisvilles bester Sieg der Saison ist ein 63-20 gegen Florida State, die #15 im SRS. Gegen die #4 im SRS, Clemson, hat man auswärts äußerst knapp mit 36-42 verloren. Ansonsten stehen astronomische Siege gegen mittelmäßige und inferiore Konkurrenz an.
Louisville hat noch eine Chance, sich zu beweisen: Mitte November auswärts gegen Houston, in einer Partie, in der man mit 9 Punkten favorisiert ist. Houston ist allerdings nach zwei bitterbösen Schlappen im Oktober nicht mehr der Juggernaut, als der er vor einem Monat noch wirkte.
In den anderen drei Partien ist Louisville haushoch favorisiert: Mit je 22 gegen Boston College und Wake Forest sowie mit 24 gegen Kentucky.
Im Verbund hat Louisville von allen sechs Top-Kandidaten das schwächste Argument: Die wenigsten Qualitätssiege und keine Chance mehr auf den Gewinn seiner Conference. Trotzdem: Lass Washington straucheln und Ohio State das „Big Game“ verlieren und wir haben eine Chance auf Lamar Jackson in den Playoffs gegen Alabama…
Was passiert, wenn mehr als drei aus diesem Sextett straucheln?
Wisconsin hätte eine Außenseiterchance: Gewinne deine restlichen Spiele, gewinne überzeugend das Big Ten Finale gegen Michigan oder Ohio State, und du bist ein 11-2 Champion einer starken Big Ten Conference, mit zwei 1-score Niederlagen in der Regular Season gegen Michigan und Ohio State.
Nebraska hat noch eine Chance, mit 12-1 Siegen die Big Ten Conference zu gewinnen, wobei es sich angesichts der doch eher durchschnittlichen Qualität der Cornhuskers nur um eine theoretische Chance handelt.
Texas A&M hat fast keine Chance mehr auf eine SEC-Finalqualifikation, aber mit 11-1 Siegen in der Regular Season und nur einer Niederlage gegen Alabama könntest du mit etwas gutem Willen für die Aggies argumentieren.
Auburn? Nicht völlig ausgeschlossen. Nimm an, Auburn räumt Alabama überzeugend aus dem Weg und kommt durch die Hintertür ins SEC-Finale. Dort wird Florida geschlagen. Ein 11-2 SEC-Champion Auburn wäre eine zu gute Geschichte um ihn draußen zu lassen.
Florida? Ein 12-1 Champion Florida würde den Charme von feuchtem Toastbrot versprühen, aber der Record spräche für sich. Florida hätte in dem Fall Siege gegen LSU, FSU und den Gewinner der SEC-West vorzuweisen. Aber auch hier: Erstmal graue Theorie, die Gators haben noch niemanden von Belang gesehen (bzw. gegen den einzigen von Belang, Tennessee, verloren).
Die Wetten
Müsste ich heute wetten, würde ich sagen: Alabama und Clemson sind Fixstarter. Dazu der Gewinner des Big Game, also Ohio State. Beim vierten Team bin ich unentschlossen: Ich traue Washington nicht völlig über den Weg und ich glaube, dass ein 11-1 Michigan Team gegen ein 12-1 Washington Team selbst ohne Conference-Gewinn einige Argumente für sich sprechen hätte.
Ich würde es Chris Petersen aber wirklich wünschen, nach all den Jahren knappen Scheiterns mit Boise State jetzt mit Washington eine Chance auf die Playoffs zu bekommen.
Tolle Vorschau auf die ersten Playoff-Rankings. Danke dafür.
Texas A&M sehe ich durchaus noch im Rennen. Sollte Alabama gegen LSU und Auburn straucheln (was ich persönlich nicht hoffe), sind die mit nur 1 Niederlage wieder voll im Rennen.
@Michael: Ich sehe in diesem Fall noch immer das Problem des klar verlorenen direkten Duells von A&M gegen Alabama. Texas A&M braucht zwei Niederlagen von Alabama oder einen kruden 3-Way Tie mit Alabama und Auburn um ins SEC Finale zu kommen.
Ohne SEC Finale = null Chance für A&M.
Hier die ersten Playoff-Rankings
1. Alabama
2. Clemson
3. Michigan
4. Texas A&M
—
5. Washington
6. Ohio State
7. Louisville
Texas A&M vorerst vor Washington aufgrund Strength of Schedule. Da wird aber noch viel passieren. Von den 8 Teams, die in den letzten beiden Jahren zu Beginn in den Top 4 standen, haben es letztendlich nur 3 in die Playoffs geschafft.
Wie kommt es eigentlich, dass du das Aufeinandertreffen von Michigan und Ohio State immer wieder als „Big Game“ bezeichnest? Meines Wissens ist das „Big Game“ jenes zwischen Stanford und Cal (https://en.wikipedia.org/wiki/Big_Game_(American_football)).
Das Spiel zwischen UM und tOSU bezeichnet man soweit ich weiß als „The Game“ (https://en.wikipedia.org/wiki/Michigan%E2%80%93Ohio_State_football_rivalry), was wahrscheinlich ironischerweise ein noch größerer Spitzname als „Big Game“ ist.
Guter Einwand, sehr aufmerksam!
Ist mir leider im Eifer des Gefechts durchgeschlüpft (Stichwort „gegenlesen“).
@RamsFan
Top 4 des Komitees sind auch die Top 4 nach Strength of Record: Clemson (#1), Alabama (#2), Texas A&M (#3), Michigan (#4) – wenn auch leicht andere Reihenfolge.
Strength of Record ist im Prinzip die Metrik, die am besten „korreliert“ mit dem, was das Komitee entscheiden wird.
Ich erwarte aber, dass A&M runterfallen wird.
Hat nur einmal bei bislang 8 Teams nicht gestimmt: 2014 Ohio State, und wir wissen, welche Gründe damals für Ohio State und gegen TCU und Baylor gesprochen haben.
Es ist eigentlich sehr gut möglich, dass Wisconsin noch rein rutscht. Die zwei Niederlagen gegen Michigan und Ohio State hätten genauso gut in die andere Richtung gehen können, weshalb das voraussichtliche Big Ten Finale mit Wisconsin Beteiligung im Ausgang völlig offen ist. Möglicherweise müsste Washington nochmal stolpern aber ansonsten sage ich #gowisconsin #gobadgers