In der Nacht von morgen auf Sonntag, 1h MEZ, findet das alljährliche größte College-Footballspiel der Gegenwart statt: #13 Louisiana State Tigers vs #1 Alabama Crimson Tide. Es gibt historisch größere Rivalitäten, es gibt gegenwärtig sportlich wichtigere Duelle, aber in Sachen Intensität, Physis und Stimmung auf den Rängen ist LSU gegen Alabama das Spiel unserer Zeit.Dafür spricht auch, dass es das einzige SEC-Spiel des Jahres ist, das der SEC-Hauptbroadcaster CBS nicht um 21h30, sondern in der US-Primetime aussendet. Bei uns ist das Spiel wohl wieder im nicht geogeblockten CBS-Stream zu sehen.
Beide Footballprogramme eint ein und dieselbe Grundphilosophie: Recruiting gewinnt Meisterschaften. Entsprechend sehen beide Mannschaften im Vergleich zum durchschnittlichen College-Team aus wie gebaut von einem anderen Stern. Körperlich sind sie so dominant, dass man die Jahre, an denen keiner von ihnen einen 1st Rounder in die NFL geschickt hat, an einer Hand abzählen kann.
LSU und Alabama werden für mich immer mit dem einen Spiel in Verbindung stehen: Dem „Spiel des Jahrhunderts“ im November 2011. LSU und Alabama an #1 und #2 gerankt. Eine vierstündige Schlacht ohne Touchdowns, dafür eine Tracht Prügel sondergleichen für das, was sich an dem Tag Offensivspieler schimpft – der faszinierendste Zermürbungskampf ever. LSU gewinnt 9-6 nach Overtime, weil Alabama eine Latte an Fieldgoals verschießt. Armageddon in Tuscaloosa. Der Höhepunkt der SEC-Dominanz.
Das Wiedersehen gab es einige Wochen später im BCS-Finale, ein standesgemäßer Shutout der Alabama-Defense. Das verhassteste Footballspiel in den USA. Das Spiel des Jahrhunderts als Totengräber für die BCS, die Vorläuferin des College-Football Playoffs.
Seit 2011 haben sich die LSU und Alabama aber auch unterschiedlich entwickelt. Während Alabama weiterhin fröhlich Meisterschaften gewinnt, weil Headcoach Nick Saban seine Offense weiterentwickelt hat, ist LSU in der Vergangenheit stecken geblieben.
Das bedeutet: Eigenen Quarterback weitestgehend neutralisieren, Spiel mit harter Defense und viel Laufspiel gewinnen. Das kostete den langjährigen Headcoach Les Miles schließlich im September 2016 seinen Job.
Der Miles-Nachfolger ist Ed Orgeron. Orgeron hat das Arsenal in den letzten Wochen etwas gelockert, den neuen QB Danny Etling ins Spiel geworfen und ihn an eine längere Leine gelegt. Das hat LSU offensichtlich gut getan, die Tigers erzielten zuletzt 42, 45 und 38 Punkte gegen Mizzou, Southern Miss und Ole Miss.
Basis beider Offenses bleibt aber weiterhin ein hartes Laufspiel hinter extrem wuchtigen Offensive Lines. Beide Mannschaften haben famose Runningbacks. Alabama bietet mit RB Damion Harris und Bo Scarborough ein sehr effizientes RB-Duo, plus in Jalen Hurts einen laufstarken Quarterback. Hurts ist Freshman und spielt eine extrem gute Saison, die ihn in manchen Kreisen schon zu einem Heisman-Dark Horse macht.
Der große Superstar der Partie spielt aber in gelb und blau: LSU-RB #7 Leonard Fournette, von vielen Scouts als bestes Runningback-Prospect seit Jahren gehypt. Fournette ist in der Tat eine brillante Kombination aus Antritt und Power.
Fournette galt 2014 frisch aus der Highschool als das Prestigeobjekt schlechthin im Recruiting. Alabama und LSU wollten ihn auf Teufel komm raus. Der aus New Orleans stammende Fournette entschied sich damals für seine „Heimat-Uni“ LSU und gegen Alabama. Sein Recruiting wurde in Louisiana gefeiert als letzter Stein zur Rückeroberung des SEC-Throns. Aber obwohl Fournette, wenn fit, wirklich großartig war, scheiterte LSU auch weiterhin an Alabama – zu eindimensional war die Offense.
Fournette war in den letzten Monaten oft verletzt. Seit zwei Wochen ist er wieder fit, und in Kombination mit den dank QB Etlings Passspiel gewonnenen Räumen sah das so aus: Gegen Ole Miss 16 Carries für 284 (!) Yards, 17.8 YPC!! Fournette geht 2017 mit Sicherheit in den NFL Draft. LSU kann fast sicher keinen Titel mehr gewinnen. Für ihn geht es noch um das Eine: Alabama zu schlagen. Letztes Jahr wurde er komplett abgewürgt, rannte 19 Mal in eine Mauer für insgesamt erbärmliche 31 Yards. Diese Scharte gilt es morgen auszumerzen.
Die Wetten dafür stehen mittelmäßig, denn Alabamas Run-Defense ist nicht irgendeine, sondern konstant die beste im Lande. Sie ist so dominant, dass manche Gegner schlicht nur noch versuchen, gegen Alabama zu werfen. Manchmal springen dabei auch 400 Pass-Yards heraus, aber dafür braucht der Gegner so viele Versuche, dass es für Alabama zu folgender fabulösen Statistik reicht: #1 gegen den Lauf. #2 gegen den Pass. Viel besser geht nicht, auch wenn man mit FS Eddie Jackson den besten Defensive Back vorgeben muss.
Alabama gilt als Favorit mit 7.5 Punkten – selbst auswärts. LSU hat in der Partie nur dann eine Chance, wenn es früh im Spiel die Offense in Gang bekommt. Dafür braucht es ausreichend Balance zwischen Lauf und Pass. Wird man schnell eindimensional, rennt Fournette in eine Wand – und so grenzgenial der Ballträger Fournette ist, gegen eine Wand rennst du nun eben vergeblich.
So oder so wird LSU mit viel Klein-Klein nicht weit kommen. Es braucht den einen oder anderen tiefen Passversuch um die Defense auseinanderzuziehen. Es braucht den einen oder anderen langen Raumgewinn, denn gegen Alabama wirst du unvermeidlich Turnovers begehen – und Turnovers kannst du nur mit Big Plays kaschieren.
Ich erwarte nicht, dass LSU abgeschlachtet wird, dafür ist diese Mannschaft noch immer zu gut besetzt. Dafür kennt sich auch LSU-DefCoord Dave Aranda zu gut mit gegnerischen Spread-Offenses aus (Aranda hat in der Big Ten u.a. gegen Urban Meyer gecoacht). Aber ich habe ernsthafte Zweifel, ob LSU seine Offense in Gang kriegen wird.
Es braucht ein kleines Wunder um Alabama zu schlagen. Wenn alle Würfel richtig fallen, ist ein Upset drin. Aber wie oft fallen alle Würfel richtig?
Mal theoretisch gesprochen, hätte LSU noch eine Chance auf die Playoffs, wenn man Alabama schlägt und dann die restlichen Spiele auch alle souverän gewinnt?
@JoffreayC
eher nicht… wenn du mal guckst wer noch vor ihnen steht, Clemson, Michigan,TA&M, Baylor Auburn, Louisville,usw
Ähnlicher Fall wie Wisconsin: Theoretisch möglich ja, aber es müssen einige Würfel richtig fallen.
Und natürlich: Es muss Alabama geschlagen werden (respektive Michigan / Ohio State)…
Dafür müsste Alabama gegen LSU und dann noch einmal verlieren.
Dafür müsste LSU Texas A&M schlagen.
Dafür müsste LSU Florida schlagen.
Dafür müsste Louisville noch einmal verlieren.
Dafür müsste Ohio State noch einmal verlieren.
Dafür müsste Nebraska noch einmal verlieren.
Dann müsste noch LSU gegenüber Bama, A&M, eventuell Auburn, Louisville, Ohio State, Wisconsin, Nebraska und eventuellen B12-Teams mit nur einer Niederlage oder einen eventuellen B12-Champ Oklahoma mit zwei Niederlagen gegen Houston und Ohio State den Vorzug bekommen. Was nicht unmöglich wäre (Siege gegen Alabama und Texas A&M, „Early Losses“ gegen Auburn und Wisconsin), aber schon unwahrscheinlich. Alternativ könnte auch von Clemson, Michigan oder Washington noch wer zwei Niederlagen einfahren, dann wird das wahrscheinlicher, aber auch nicht sicher. Es gäbe halt extrem viele Kandidaten mit zwei Niederlagen. Die beste Chance hätte LSU, wenn Auburn vor dem Iron Bowl nochmal stolpert, weil man dann mit Siegen über Alabama und Texas A&M (bei einer Bama-Niederlage im Iron Bowl) den Tie Breaker hielte und ins SEC-Championship Game einzöge.
Kurz gesagt: Team Chaos müsste übernehmen und die Tigers müssten wie 2007 ( https://en.wikipedia.org/wiki/2007_NCAA_Division_I_FBS_football_season#Key_matchups.2C_upsets.2C_and_.22The_Curse_of_.232.22) davon profitieren.
es sind weniger „müssen“
einzig Auburn muss ein spiel verlieren
wenn LSU alle restlichen spiele gewinnt sprechen wir vom SEC Champion.
Aber mit zwei Niederlagen. Wenn Clemson und Washington ungeschlagen sind, Louisville nur eine Niederlage wegen 1 Yards gegen Clemson hat, Alabama nur die Niederlage gegen LSU hat und es noch ein ungeschlagenes Michigan/1-loss Ohio State als B1G-Champ gibt, gäbe es vier bis sechs Teams mit besseren Bewerbungen. Darunter wohl ein Team mit größerem Namen aus der eigenen Conference.
Dass die SEC ganz aus den POs gelassen wird, scheint alleine schon unwahrscheinlich, weil ESPN ja im SEC Network mit drinsteckt und deshalb ein finanzielles Interesse am Erfolg der SEC als Konferenz hat. Die Frage wäre halt, ob ein 2-loss SEC Champion LSU mit Sieg über Alabama oder ein 1-loss Titelverteidiger Alabama den Vorzug erhielte. Ich würde mein Geld auf Bama setzen.
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Danke für eure Ausführungen! Also zusammengefasst: es ist möglich, aber es müssten schon sehr viele Würfel richtig fallen