Wide Receiver ist in der modernen NFL eine der wichtigsten Positionen geworden – und eine mit vielen offenen Stellen: Wo jede Mannschaft nur einen Quarterback und zwei Offense Tackles braucht, stellen zahlreiche Mannschaften heute standardmäßig drei Wide Receiver auf und halten sich im Hintergrund noch zwei weitere Ballfänger mit komplementären Skills auf.
Sprich: Es braucht sowohl viele Wide Receiver als auch vielseitige als auch viele verschiedene Individualtalente. Der 1,95m-Hüne ist der eine, aber Teams schauen auch nach pfeilschnellen tiefen Sprintern, Slot-Irrlichtern oder einfach sicher anspielbaren Optionen für die kurzen und Mitteldistanzen.
Heuer haben wir zwar keinen unzweifelhaften WR-Superstar wie Calvin Johnson, A.J. Green oder Sammy Watkins, aber dafür ein breit gefächertes Spektrum an Talenten, die alle für sich keinen Top-5 Pick rechtfertigen, die aber den einen oder anderen 1st Rounder kosten werden.
Drei Prospects werden über allen anderen gesehen.
Das Spitzentrio
Der bekannteste Wide Receiver im NFL Draft 2017 ist Mike Williams von Clemson, der nicht zuletzt im National Championship Game gegen Alabama mit seinen Monster-Catches für landesweite Schlagzeilen sorgte.
Williams ist mit 1,91m und 93kg Körpergewicht ein prototypisch gebauter #1-WR. Auch wenn er nicht immer explosiv von der Anspiellinie wegkommt und seinem Bewacher sofort auf- und davonrennt ist Williams trotzdem häufig ein frei anspielbarer Mann. Das liegt an seiner Physis und seinen kräftigen Händen, mit denen Williams sowohl an der Anspiellinie als auch downfield im Zweikampf mit dem Cornerback die Zweikämpfe bestreitet.
Williams hat extrem gute Hände. Bei 104 fangbaren Bällen in der Saison 2016 hatte er nur sechs Drops. Er ist nur von den besten Cornerbacks in Einzeldeckung zu kontrollieren und konnte sich am College oft genug gegen Double-Teams wehren.
Williams ist ein WR-Typ, der etliche 50/50 Bälle holt. Sein Parade-Catch ist der Back-Shoulder Wurf, mit dem er nicht zuletzt Alabama den Nerv zog. Williams ist kein großartiger Läufer mit dem Ball in seinen Händen, aber der Knackpunkt an ihm ist: Er setzt sich oft genug durch um den Ball überhaupt zu bekommen, auch weiter das Spielfeld runter, dass sein YAC-Schnitt nicht mehr so wirklich negativ auffällt.
Die beiden Knackpunkte an Williams sind seine schwere Nackenverletzung, mit der er die komplette Saison 2015 verpasste, sowie sein mit 4.49 Sekunden nicht völlig optimaler Speed für einen Top-WR. Dieser mangelnde Highend-Speed ist es auch, der Scouts davon abhält, ihn in einer Reihe mit Prospects wie in Vergangenheit Sammy Watkins oder Julio Jones zu sehen.
Für einige Beobachter ist Williams noch nicht einmal der beste Receiver im Draft 2017. Diese Ehre gebührt auf ausreichend Board Corey Davis von der kleinen Western Michigan University. Davis gilt als extrem reifer Spieler. Er ist der beste Routenrenner im Draft und läuft sich schon allein aufgrund seiner Präzision und Trick-Moves häufig frei. Er spielte am College zuletzt drei Jahre durch und machte jeweils an die 1500 Yards und über 10 Touchdowns pro Saison. Viel Produktion – aber in einer kleinen Liga.
Davis gilt als exzellenter Athlet mit großartiger Beschleunigung. Er hat Probleme beim Ballfangen (11 Drops allein 2016), aber wenn er den Ball fängt, gilt er als schwer zu schlagen. Davis im offenen Spielfeld soll einer der beste Wide Receiver der letzten Jahre sein. Sein Blocking wird von allen als eines der besten gelobt. Generell gilt er als vielleicht komplettester Receiver im Draft.
Eher der Typ „one trick pony“ ist da im Vergleich John Ross von der University of Washington. Aber was für ein Pony: Ross ist der Sprintstar unter den angehenden NFL-Profis. Das ist keine Übertreibung: Ross stellte in der Combine mit 4.22 Sekunden über 40-Yards einen neuen Rekord auf.
Ross ist körperlich mit 1,80m und nur 86 kg eher ein Winzling unter den NFL-Bolzen, aber mit seinen läuferischen Qualitäten, mit seinen hasenartigen Cuts und seinem beachtlichen Repertoire als Routenläufer hat er trotzdem das Potenzial, sich zu einer echten Waffe im Stile eines Desean Jackson zu entwickeln. Und: Ross ist ein sicherer Ballfänger als der gegen Drops anfällige Jackson.
Ein Knackpunkt an Ross ist seine Anfälligkeit gegen Verletzungen. Er hatte bereits einen Kreuzband- und einen Außenbandriss. Bislang haben die Verletzungen seinen Speed nicht beeinträchtigt, aber auf der anderen Seite ist eben genau der Speed das schlagendste Verkaufsargument des John Ross – und wenn es auch nur ein Jota nachlässt, ist dieser Spieler gleich nur noch halb so attraktiv.
Die Kollegen von den großen Unis
Es herrscht allgemein wenig Konsens, wie die Receiver nach den großen Drei zu reihen sind. Das liegt auch daran, dass es sich um teilweise völlig unterschiedliche Spielertypen handelt, von denen einige nur in bestimmten Spielsystemen funktionieren werden.
Da wären zunächst die Prospects von den großen Universitäten:
Dede Westbrook von Oklahoma war 2016 einer der produktivsten Wide Receiver im College Football, was ihm sogar eine Nominierung für die Heisman-Trophy einbrachte. Allerdings muss man solche Ehren immer in Relation zur extrem passlastig eingestellten Big 12 Conference stellen, in der Westbrook aktiv war.
Westbrook ist ein sehr guter Routenläufer, hat wenige Drops und gilt als tolle Waffe mit dem Ball in den Händen. Auf der Gegenseite ist er mit 1,83m recht klein, hat eine schier unendliche Verletzungshistorie und gilt charakterlich als tickende Zeitbombe.
Oder ein Juju Smith-Schuster von USC: Schuster ist nicht der explosivste downfield-Läufer, aber er ist mit 1,86m und exakt 100kg Kampfgewicht durchaus eine physische Präsenz. Er gilt als Sicherheitsoption für jeden Quarterback: Kurze und mittellange Pässe auch in gute Deckung sind seine Spezialität. Er gilt als meisterhaft im Abfangen von verhungernden langen Pässen. Schuster ist kein WR1-Typ, soll aber ausreichend Potenzial haben um sich als sehr guter „zweiter“ Receiver in jeder NFL-Offense zu profilieren.
Ardarius Stewart von Alabama ist einer der Prospects, die am College trotz viel Hype nur relativ wenige Plays machten. Das mag an der lauflastigen Alabama-Offense liegen, aber auf der anderen Seite war gerade OffCoord Lane Kiffin bekannt dafür, rücksichtslos so lange den Ball seinen besten Waffen zu geben bis es die Defense endlich wahrhaben wollte.
Dass Stewart nicht so oft den Ball bekam, spricht in dem Kontext für sich. Stewart ist nur 1,80 groß und hat mit 4.49 Sekunden keine überragende 40-Time. Seine besten Plays sind Screenpässe und Jet Sweeps, was ihn in der NFL zu einem „Gimmick“-Spieler macht. Mit 23 Lenzen ist er auch nicht mehr der jüngste, und er hatte disziplinarische Probleme am College. Passen seine Talente einer Mannschaft ins Konzept, könnte er in Runde 2 gehen. Wenn nicht, kann er auch schnell in die 4te Runde oder weiter fallen.
Der vierte „Power School“ Prospect aus der zweiten Reihe ist Chris Godwin von Penn State, der sich einen Namen als „big play“-WR machte. Es existieren Dutzende Clips, in denen Godwin spektakulär tiefe Bomben in Doppeldeckung aus der Luft klaubt. Er gilt als extrem physische Präsenz, der sich nicht vor dem Big Bang mit Linebacker oder Safety scheut. Mit einer großartigen Combine (u.a. 4.42 sekunden über 40 Yards) konnte er seine Aktien noch weiter verbessern.
Auf der anderen Seite ist Godwin kein fertiger oder kompletter Receiver. Er tut sich schwer gegen Press Coverage, hat nur einen begrenzten Route-Tree drauf und galt im Tape als längst nicht so pfeilschneller Spieler, was seine Combine-Zeit antrainiert wirken lässt.
Small School Prospects
Nicht nur die großen Schulen schicken interessante Leute. Auch die kleinen:
Zum Beispiel East Carolina mit Zay Jones: Bei einigen ist Jones ein Top-5 Prospect. Andere ranken ihn außerhalb der Top-20. Jones war am College extremst produktiv: Er hatte 399 (!!) Catches in den letzten drei Jahren, die meisten ever, 158 allein im letzten Jahr. Jones hat gute Hände: Bei so vielen Anspielen hatte er nur 6 Drops. Er gilt nicht als überragender Athlet und dürfte auch erstmal nur als WR2 gedacht sein, aber Jones könnte ein interessanter Mann sein.
Von einer ähnlich kleinen Uni: Cooper Kupp von Eastern Washington. Gegen FCS-Gegnerschaft ist immer schwierig zu bewerten. Kupp gilt als technisch feiner Ballfänger und war am College ein superber Routenrenner. Aber: Nur 4.62 Sekunden über die 40 Yards.
Carlos Henderson von Louisiana Tech kann seine Stärken vor allem nach dem Catch ausspielen: Ich habe was von an die 50 Missed-Tackles allein 2016 gelesen. Henderson ist sehr klein und soll am Feld nicht so schnell seine wie seine 4.46 sek über 40 Yards. Aber „Elusiveness“ ist vielen Scouts wichtig. Spiel Henderson kurz an, lass das Spielfeld auf ihn wirken und er kann mit seiner Spielübersicht und seinen Moves Verteidiger aussteigen lassen und ein 3rd/7 trotz Screenpass doch noch zum 1st Down umwandeln.
Wir könnten die Liste beliebig erweitern um Namen wie Ryan Switzer (UNC), Taywan Taylor (Western Kentucky), Mack Hollins (UNC), Isaiah Ford (Virginia Tech) oder [bitte füll einen Namen aus dieser Liste ein] – sie alle werden am Wochenende gedraftet und haben ihre Stärken und Schwächen. Lass uns für heute aber noch auf einen etwas unkonventionelleren Receiving-Prospect schauen…
Der Vielseitige
Ich schrieb schon letzte Woche davon, dass 2017 auch der Draft der Vielseitigkeitsreiter ist. Gestern hatten wir diesbezüglich die Defensive Backs unter der Lupe. Heute das Pendant in der Offense: Curtis Samuel von Ohio State. Samuel ist nicht wirklich in eine der Kategorien „Runningback“ oder „Wide Receiver“ zu stecken, sondern vielmehr eine Allzweckwaffe im Sinne eines Percy Harvin.
Er wurde in der Ohio-State Offense auf viele unterschiedliche Wege eingesetzt, und dank seiner superben Beweglichkeit und überlegenen Geschwindigkeit (u.a. eine 4.31 40-Time!) war er eine grandiose Waffe für Urban Meyer. Samuel war es auch, der mit einem der Plays des Jahres das epische „Game“ zwischen Michigan und Ohio State entschied.
Samuel ist nicht bloß ein Leichtathlet, sondern auch ein pfeilschneller Footballer. Man erwartet, dass er, richtig eingesetzt, durchaus „nächtliche-Kopfweh-Status“ für Defensive Coordinators erreichen kann. Andererseits musst du dir auch bewusst sein, dass du mit Samuel keinen Spieler für jedes Down einkaufst, sondern im schlimmsten Fall ein „Gimmick-Spieler“ für vereinzelte Trick-Plays.
So führen einige Boards Samuel noch nichtmal als Top-20 Receiver, weil er einfach zu wenig spezialisiert ist (oder als Runningback gelistet wird). Ich finde das überraschend. Samuel war phasenweise ein derart großartiger College-Spieler, dass es mich überraschen würde, wenn er in der NFL so überhaupt nicht Fuß fassen kann.
Also Juju Smith-Schuster und oder Zay Jones am Besten zu den Ravens. Sichere Receiver die du immer beschmeißen kannst und das Ding auch festhalten.
Smith-Schuster am besten in die NFC North. Ich kann es kaum erwarten, dass Juju Smith-Schuster auf Ha Ha Clinton-Dix trifft 😀
Mal ehrlich, wer denkt sich solche Namen aus?
By the way: Super Blog! Hier lernt und erfährt man echt ne Menge über diesen unfassbar großartigen Sport! Ich freue mich über jeden neuen Artikel.
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