Die Southeastern Conference (SEC) ist die Königsklasse im College-Football. Sie stellte die meisten Landesmeister in den letzten zehn Jahren (sieben Stück) und ist mit den Alabama Crimson Tide auch Heimat der gegenwärtig größten Dynastie im Universitätssport.
Aber auch diese Dynastie ist nicht unschlagbar. Auch wenn Alabama in der letzten Saison eine der besten Defenses aller Zeiten auf das Spielfeld stellte, verlor die Mannschaft von Nick Saban in einem Herzschlagfinale letztlich knapp mit 31-35 gegen den großartigen Underdog Clemson aus der ACC.
Nun möchte das Imperium zurückschlagen.
SEC East
- Florida Gators (SRS 11.0 | #20)
- Tennessee Volunteers (SRS 10.6 | #21)
- Georgia Bulldogs (SRS 3.6 | #50)
- Vanderbilt Commodores (SRS 3.2 | #53)
- Kentucky Wildcats (SRS 2.3 | #60)
- South Carolina Gamecocks (SRS -0.9 | #74)
- Missouri Tigers (SRS -2.5 | #81)
Doch zuerst zur gemeinhin als schwächer empfundenen Eastern Division, die seit Jahren Stich auslässt. Auch 2017 gibt es mit Florida und Georgia nur zwei echte Anwärter auf den Gewinn, aber die Bodensatztruppen wie Kentucky, South Carolina oder Mizzou sollen aufgeholt haben und gelten als durchaus konkurrenzfähig.
Als leichter Favorit gilt Georgia in Jahr 2 unter Headcoach Kirby Smart. Star der Offense ist RB Nick Chubb, den einige (ich nicht) auf Augenhöhe mit einem Back wie Todd Gurley sehen. Chubb und sein Backup Sony Michel gelten hinter einer schwachen Offense Line als „Perlen vor die Säue“, sollen aber gemeinsam mit QB Eason ausreichend Punkte auf Tablett legen, dass es dank einer sehr starken, erfahrenen Defensive-Front 7 zum Divisionssieg reicht.
Interessant an Georgia ist nicht nur das Sportliche. Georgia galt unter Smarts Vorgänger Mark Richt als sowas wie die letzte Bastion des „sauberen Sports“ – Richt hatte immer wieder Spieler wegen bereits leichter Vergehen sanktioniert und damit das eigene Team des Charakters willen geschwächt. Das kostete ihm letztlich den Job.
Smart als Nachfolger ist da weniger empathisch. Denn Smart ist ein Schüler Nick Sabans. Und jede SEC-Uni lechzt danach, Sabans Erfolg zu replizieren – auch mit grenzwertigen Methoden. Auch beim vermutlich größten SEC-East Rivalen Florida haust ein ehemaliger Saban-Jünger als Cheftrainer: Jim McElwain, der dort im dritten Jahr ist.
McElwain hat zwei respektable Bilanzen eingefahren, aber guckt man etwas hinter die Fassade, so sind die Gators noch immer ein absurdes Offense-Loch mit guter bis sehr guter Defense. Florida, in meiner Anfangszeit im College Football dank Tebow und unzähliger Options die vielleicht spektakulärste Offense, ist heute Marke „unwatchable“. Florida-Spiele sind so langweilig, dass dir die Füße beim Zuschauen einschlafen.
Hauptgrund ist, dass man es seit Jahren trotz exzellenter Recruiting-Voraussetzungen nicht schafft, einen vernünftigen Quarterback einzulernen. Trotzdem gilt die Defense als gut genug, dass sie den meisten Offenses im Schedule den Zahn ziehen kann und mal wieder überraschend die Division gewinnt.
Der Dritte „Große“ im Bunde ist Tennessee, das letztes Jahr schwer enttäuschte und jetzt im Rebuilding-Modus steckt. Und wie schon angedeutet: Die „Kleinen“ hinter Tennessee gelten mittlerweile als soweit gereift, dass es nicht völlig auszuschließen ist, dass wir in der Eastern Division am Ende einen komplett unerwarteten Division Champ sehen.
SEC West
- Alabama Crimson Tide (SRS 25.6 | #1)
- Louisiana State Tigers (SRS 15.9 | #7)
- Auburn Tigers (SRS 12.0 | #16)
- Texas A&M Aggies (SRS 8.8 | #26)
- Ole Miss Rebels (SRS 4.7 | #45)
- Arkansas Razorbacks (SRS 4.4 | #46)
- Mississippi State Bulldogs (SRS 1.7 | #62)
Alabama bleibt der große Favorit auf den Landesmeistertitel. Die Mannschaft zeichnet sich durch eine schier unheimliche Flut an Supertalenten aus, die via Recruiting jedes Jahr nach Tuscaloosa geschwemmt werden – und Saban versteht es blendend, dieses überlegene Spielermaterial exakt so einzusetzen, dass es seinen Nutzen maximiert.
Ich habe schon mehrfach die Adaptivität von Saban gepriesen. So langweilig, weil gesichtslos, Alabama sein mag, so spektakulär ist die Konstanz, mit der diese Mannschaft jahrein, jahraus die Footballwelt dominiert. Mal ein Freakspiel im Halbfinale verloren? Wurscht, spätestens nächstes Jahr steht wieder die Meisterschaft am Ende.
Neu im Vergleich zur letzten Saison ist der Offensive Coordinator, nachdem Saban Ende letzter Saison mit Lane Kiffin und Steve Sarkisian gleich zwei namhafte Play-Caller verschliss. Deren Nachfolger: Brian Daboll, früher Tight-Ends Coach bei Saban-Kumpel Belichick in der NFL.
Quarterback dürfte der mobile Jalen Hurts bleiben, der – obwohl er nicht immer das volle Vertrauen seiner Coaches zu genießen schien – ein gutes Jahr als Debütant spielte. Hurts dürfte sich im Zweikampf mit dem ebenso mobilen Backup Tagovailoa durchsetzen. Er komplimentiert die Riege der Skill Player mit dem wirklich unfassbar monströsen RB Bo Scraborough, dessen flinkem Backup Najee Harris (ein Freshman) und dem sehr guten Wide Receiver Calvin Ridley.
Über die Defense muss man nicht allzu viele Worte verlieren. Auch wenn mal wieder die halbe Stammelf in den ersten Runden des Drafts in die NFL ging, steht noch immer eine Latte an angehenden weiteren NFL-Stars im Aufgebot. DT Payne, DE Hand sowie die LBs Hamilton und Evans sowie Free Safety Mincah Fitzpatrick werden wir in Bälde als 1st Rounder diskutieren. Fitzpatrick ist der meistgehypte Alabama-Verteidiger. Bei ihm kam in diversen Pressekonferenzen in der Vergangenheit sogar der sonst so zugeknöpfte Saban komplett ins Schwärmen.
Die andere große SEC-Westmannschaft sind die LSU Tigers aus Baton Rouge. Dort wurde letztes Jahr in einem umstrittenen Move der langjährige Headcoach Les Miles mitten in der Saison rausgeworfen und durch den impulsiven Ed Orgeron ersetzt. Miles war bei LSU mit dem gescheitert, was Saban in Alabama geglückt ist: Die Offense weiterzuentwickeln.
Orgerons Plan, die Offense zu vitalisieren: OffCoord Matt Canada einstellen und ihn mal machen lassen. Wofür Canada genau stilistisch steht, ist nicht ganz klar. Seine Vergangenheit zeigt jedoch: Er ist gewillt, den Spielstil seinem Spielermaterial anzupassen. Das bedeutet im LSU-Fall stets: Hünenhafte Offense Liner, gute Runningbacks, exzellente Wide Receiver, aber Fragezeichen auf Quarterback.
Weil Vorgänger Miles nie ein wirkliches Interesse an einer sauberen Offense gezeigt hat, war nie ganz klar, wie gut die Offense hätte sein können. Auffällig war bloß: Kaum wurde einer der LSU-Offensivspieler im Draft gezogen, schlug er mir Wucht in der NFL ein. Und du fragtest dich, warum du bei den Bayou Bengals nie was von dem Talent gesehen hast.
Essenz: Wenn Canada einen guten Teacher geben kann, hat die Offense Potenzial. Talente gibt es hinreichend, angefangen beim Superstar RB Derrius Guice. Frage ist halt: Wer gibt den Quarterback bzw. kann Canada seinem QB eine realistische Chance auf Erfolg geben.
Die Defense um den Passrush-Superstar Arden Key wird sowieso passen. DefCoord Dave Aranda gilt als einer der besten im Lande. Unter seiner Führung kassierte LSU letztes Jahr nur ein einziges Mal mehr als 21 Punkte. Das ist gewaltig – und wenn die Offense sich findet, könnte LSU ohne weiteres Alabama in Bedrängnis bringen.
Die Auburn Tigers sind für viele heuer die dritte, für einige sogar die zweite Kraft der SEC. Auburn kratzte letzte Saison gerade noch einmal die Kurve: Nach schwachem Saisonstart war bereits das Gerede um Headcoach Malzahn wieder losgegangen, aber letztlich qualifizierte man sich als insgesamt wohl zweitbeste SEC-Mannschaft für den Sugar Bowl, wo man dann allerdings von Oklahoma abgeschossen wurde.
Auburns Offense gilt als einer der größten Geheimtipps des Jahres. Auf Quarterback hat Malzahn mit Sean White (Starter 2016) und dem Baylor-Transfer Jarret Stidham zwei erstklassige Optionen, und dahinter wartet eine Armada an flotten Runningbacks auf Einsatz. Eine unerfahrene Auburn-Offense war 2016 nicht immer konstant auf der Höhe – aber in lichten Momenten überrollte sie alle Defenses als wären sie Salzstangen.
Die vierte Kraft ist Texas A&M, eine aufregende Mannschaft schon allein wegen der ästhetischen Spread-Offense und wegen des gigantischen Heimstadions. Aber A&M schafft es unter Headcoach Kevin Sumlin seit Jahren nicht, eine vernünftige Defense aufs Feld zu bringen, weswegen immer zwischen 4 und 6 Spiele trotz sehr guter Offense verloren gehen. Folge: Sumlin gilt als angezählt.
Dieses Jahr gilt kurioserweise die Defense als die größere Stärke, weil in der Offense das Passspiel von Grund auf neu gebaut werden muss. Jetzt kommt auf: Wie gut ist Sumlin wirklich als Coach, wenn er keinen QB der Güteklasse Manziel / Hill hat?
Arkansas ist ein Team „Marke Wisconsin“ – was auch wenig verwundert, da man vom ehemaligen Wisconsin-Cheftrainer Brad Bielema gecoacht wird: Elend langsame Offense, ein Run-Play nach dem nächsten, dazwischen sehr lange Pausen. Die Hogs galten nun zwei Jahre lang als Sleeper, haben den Durchbruch aber nicht geschafft. Fraglich, ob es ausgerechnet heuer ist, wenn 3-4 Teams „vorne“ so stark besetzt sind.
Außer Konkurrenz spielt heuer Ole Miss mit, das sich nach diversen Recruiting-Vergehen selbst aus dem Rennen um die Bowl-Season genommen hat. Damit wurden die seit Jahren geäußerten Vermutungen, dass beim Recruiting-Wunder von Ole Miss nicht alles mit rechten Dingen zugehen konnte, Realität.
Es ist nicht ganz klar, ob Head Coach Hugh Freeze, der Architekt des Wunders, hätte bleiben dürfen, wenn es nur um Recruiting gegangen wäre. Aber nachdem sie bei Freeze noch lange Nächte mit Nutten organisiert über Vereinstelefone nachweisen konnten, war Freeze nicht mehr zu halten.
Ole Miss verliert damit den besten Coach, den dieses Team seit langer Zeit hatte. Freeze hinterlässt eine talentierte Mannschaft (eh klar…), aber ob Ole Miss ohne sein Coaching und ohne die Motivation einer Bowl Season wirklich interessiert vorne mitspielt, bleibt offen.
Ist die Formulierung, dass Saban zwei OCs „verschlissen“ hat, nicht etwas negativ?
Es ist ja nicht so, dass beide krampfhaft von Saban weg wollten. Im Gegenteil: Beide haben ihren zuvor bei USC stark angeknockten Ruf bei Bama wieder aufpolieren können und sich somit für Head Coach- bzw. NFL-Jobs empfehlen können. Dass Kiffin dann vor dem NCG gegangen wurde, wurde damals ja auch eher seiner oftmals als „unreif“ beschriebenen Persönlichkeit (und seiner bereits begonnenen Arbeit für FAU) zugeschrieben und nicht Sabans eiserner Faus. Und nur deshalb benötigte man ja erst einen zweiten OC. Andere Coordinators wie Smart oder McElwain haben – trotz feststehenden Abgangs – ja auch die Season mit Alabama regulär beendet.
Auch wenn sich Saban und Kiffin drei Jahre lang an der Sideline gefetzt haben, war die Zusammenarbeit ja sehr fruchtbar. Die Weiterentwicklung der Bama-Offense (die ja wie von dir geschrieben bei LSU komplett verpennt wurde) ist ja Ergebnis dieser Zusammenarbeit. Dass Saban da Kiffin viele Freiheiten gab, zeigt ja schon, dass da grundsätzlich viel Respekt vorhanden war. Auch wenn Saban immer der Boss ist.
@Gamecock: Danke für deine Gedanken.
Gerade weil Saban sich letztlich mit Kiffin verstritt, finde ich die Vokabel „verschlissen“ angebracht. Schließlich verstehe ich persönlich nicht, was Saban an der Kiffin-Offense großartig auszusetzen hatte – denn gerade sie hat Alabama bei aller Mega-Defense am Ende den Wettbewerbsvorteil gesichert.
Ich kann mir die Trennung von Kiffin sportlich nicht so recht erklären. War es ein Zerwürfnis auf zwischenmenschlicher Ebene? Aber gerade das kann ich mir beim Erfolgsmenschen Saban schwer vorstellen.