Die mäßige Qualität der NFL-Partien an den ersten Spieltagen der aktuellen Saison bleibt in den USA ein großes Thema. Persönlich überrascht mich der Aufschrei – ich hatte mich schon vor zwei Jahren mit der damals wirklich bodenlosen Qualität auseinandergesetzt und finde nicht, dass es seither nennenswert schlimmer geworden wäre.
Robert Klemko von Sports Illustrated hat für das Phänomen in einem interessanten Artikel die Schuldigen ausfindig gemacht: Die Spielergewerkschaft NFLPA und deren jüngst als Vorsitzendem bestätigten DeMarcus Smith, Verhandlungsführer im verhängnisvollen CBA (Collective Bargaining Agreement) von 2011.
Klemkos Hauptargumentationspunkt: Die Deckelung der Rookiegehälter ist für die Teams ein zu starker Anreiz, anstelle von halbwegs entwickelten 27-jährigen die noch billigeren, potenziell entwicklungsfähigeren 22-jährigen ins Roster aufzunehmen. Der Punkt ist ein ähnlicher wie ihn letztes Jahr The Ringer im Artikel „Die NFL und ihr Altersproblem“ gebracht hat: Die Jungen sind zwar billiger, aber eben auch unerfahrener und somit schlechter.
Klemko argumentiert, dass es von der NFLPA zu kurzsichtig war, die Rookiegehälter so stark zu deckeln.
Worauf Klemko erstaunlicherweise nicht eingeht: NFLPA und NFL haben über einen möglicherweise noch dramatischeren Punkt entschieden – die Reglementierung der Trainingszeiten. Profifootball hat nur noch wenige Offseason-Camps und die Zahl der Trainingseinheiten stark eingedämmt. Wir erleben somit nicht nur jüngere Spieler. Diese jungen Spieler bekommen nun auch noch weniger Zeit, sich zu entwickeln.
Was Klemko ebenso völlig außen vor lässt: Die NFL hat dem CBA-Deal zugestimmt. Die Owner sahen keinen unmittelbaren Nachteil in der Reglementierung der Rookiegehälter, und auch die Trainingseinheiten zu reduzieren war gratis. Dafür bekommen die Owner heute die Rechnung präsentiert: Teilweise unansehnliche Spiele, leere Stadien, sinkende TV-Ratings.
Das durch die künstlichen Gehaltsstrukturen entstandene Altersproblem in der NFL ist ein valider Punkt. Aber darüber hinaus halte ich Klemkos Meinung für etwas verkürzt und zu einseitig negativ gegenüber der Spielergewerkschaft.
Hopfen und Malz ist aber nicht verloren: Dass die NFLPA von sich aus in kommenden Verhandlungen nach mehr Training schreit, ist unwahrscheinlich. Aber im gemeinsamen Interesse sollte von Seiten der NFL der Vorschlag kommen, für etwaige Gegenleistungen die restriktiven Regelungen zu lockern – im Sinne eines Sports, dem aktuell die Mittelklasse verloren geht.
Detail am Rande: Es gibt eine Mannschaft in der NFL, die sich dem Trend der auseinanderklaffenden Schere zwischen Arm und Reich entzieht. Es sind wenig überraschend die New England Patriots.
ich halte die Argumentation mit den rookiegehältern für nicht überzeugend.
letztlich habe ich doch den spieler, mit dem ich sportlich erfolg habe oder der in mein Schema passt. ist er ein rookie (nehm ich wegen des Geldes ihn) oder ist er 30, dann nehm ich eben den, wenn ich der Meinung bin, dass sein gehalt es rechtfertigt.
der gehaltsaspekt mag doch vielleicht im depthchart zum auffüllen ne rolle spielen.
aber habe ich die Wahl zwischen einem spieler, nehme ich doch den, den ich auch aufstellen kann. ich nehm ihn doch nicht primär, weil er billiger ist aber ein Schwachpunkt sein könnte…
Ich denke nicht, dass es darum geht, dass man gerne schlechte oder unerfahrene Spieler nimmt. Es sind die Auswirkungen auf das gesamte System, die viele Teams letztlich dazu treiben. Durch die geringeren Rookie-Gehälter ist mehr Geld für Veteranen da. Was in den letzten Jahren aber ganz massiv passiert ist, dass dieses Geld für immer neue Rekordverträge für QBs oder Pass Rusher ausgegeben wird. Und dem kann man sich kaum entziehen, wenn es genug andere Teams gibt, die den eigenen Spielern eben diese Monsterverträge geben würden, sobald man sie FAs werden lässt. Ergo: satte Paydays für die Stars. Diese Spirale dreht sich seit Jahren und ist relativ deutlich zum CBA von 2011 zurückzuverfolgen. Und die Stars bzw. deren Agenten pushen natürlich auch auf diese Verträge. Ist jetzt auch nicht per se verwerflich, viele kriegen halt nur einen großen Vertrag in ihrer Karriere, Verletzungen können immer passieren, etc. – die Argumente kennen wir eh alle.
Nun folgt aber das Problem, dass du 53 Spieler brauchst für ein NFL-Team. Und das ist schon niedrig angesetzt. Du brauchst auf Grund der ganzen Verletzungen über das Jahr gesehen eher 60 oder 70. Jedes NFL-Team ist alleine schon deshalb massiv top-heavy und von billigen Rookies und Veteranen abhängig. Aber inzwischen ist das schon so ausgeprägt, dass einzelne Spieler dir 15-20 % vom Cap wegnehmen. Dann hast du noch ein, zwei weitere Stars und flugs ist die Hälfte vom Cap dahin.
Billige Rookies sind nach Ansicht von vielen dann halt besser als billige Veteranen (von denen gibt es ja auch genug, die zum Minimum spielen). Bei Rookies kannst du immer noch ein Potential herbeireden, sie sind noch formbar, mucken normalerweise nicht so auf, haben keine NFL-Vorgeschichte. Da hast du einige Vorteile als Trainerteam. Außerdem hast du den Rookie auf 4 Jahre gebunden, sprich wenn er wirklich ein Breakout-year hat, dann kannst du da nachher davon eventuell noch ein oder zwei Jahre billig profitieren. Ein Veteran am Minimum ist nach dem Jahr wieder FA.
Sprich: die Motivation ist schon sehr groß, mit billigen Draft Picks den Roster aufzufüllen. Wenn du allerdings im gleichen Zuge wenig trainierst (wegen der Einschränkungen) und die Rookies immer unfertiger aus dem College kommen, dann ist das eine Mischung die kurzfristig für schlechtere Qualität am Platz sorgt – grade zu Saisonbeginn, eh logisch; die Rookies lernen jetzt gerade richtig viel – und mittelfristig aber auch dazu, dass du schwächere Veteranen im Mittel- und Unterbau des Spielerpersonals hast; trotzdem machen die den Großteil jedes NFL-Teams aus und bekommen immer auch früher oder später viele Snaps.
Warum schwächere Veteranen? Viele Teams legen es nicht mehr unbedingt darauf an, ihre – gerade späteren – Draft Picks langfristig aufzubauen, sondern darauf, sie in den billigen Jahren möglichst zu melken. Nun brauchen Draft Picks die relativ „raw“ sind (aber oft viel Potential haben) aber schon mal ein, eher zwei, vielleicht sogar drei Jahre, bis sie überhaupt NFL-ready sind. Diese Zeit kannst du dir als Team bei der Gehaltsstruktur kaum mehr nehmen. Im Gegenteil bist du eher der Verarschte, wenn der Spieler vielleicht in seinem 4. Jahr ne super Saison hinlegt und dann bei einem anderen Team einen fetten Vertrag abstaubt (siehe z.B. A. J. Bouye diese Off-Season). Das einzige was dir übrig bleibt als Team ist möglicherweise ein Compensatory Pick – mit dem du dann wieder von vorne anfangen kannst. Da musst du dann schon sehr viel Glück haben, dass genau diese Saison ein Jahr für dich als Team ist, in dem du um die SB mitspielen kannst – oder halt einen super GM/HC haben, der sowas vielleicht wirklich einigermaßen einschätzen kann.
Es gibt aber sicher auch einige Spieler, die durchaus solide NFL-Starter sein könnten – wir reden hier nicht von Topstars, aber eben von der Masse der „Durchschnittlichen“ – aber von den Teams inzwischen viel zu früh verheizt werden; dadurch sinkt eben mittelfristig auch die Qualität bei den Veterans. Was passiert wenn du 27-jährigen versuchst die NFL zu erklären, kann bei den immer für Experimente der übersinnhaftigen Natur offenen Cleveland Browns unter dem Codewort „Weeden“ erfragt werden.
Ich denke an dem Punkt mit den Rookiegehältern ist schon etwas dran, es ist aber insgesamt nur Teil des Problems. Bezüglich der Gehälter liegt es mMn halt auch daran, dass die Skill-Player in den Teams aktuell immer noch größere Gehälter bekommen. Kurz gesagt, um den 25 Mio QB zu finanzieren, muss ich am anderen Ende des Rosters sparen und mich mit dem Rookie zufrieden geben, der ja auch noch deutliches Steigerungspotential besitzt.
Aber der immer größer werdende Unterschied zwischen College Football und NFL spielt insgesamt ebenso eine Rolle wie die Medien.
Zum dem Problem mit dem College Football gibt es ja aktuell eine Artikel, vor allem auf theringer, die sich vor allem auf die O-Line fokussieren:
https://www.theringer.com/nfl/2017/9/13/16299646/bad-offenses-trend
https://www.theringer.com/nfl/2017/9/19/16332762/watchability-fun-football-boring-quality-of-play
https://www.sbnation.com/2017/4/25/15358566/nfl-draft-offensive-line-prospects-evaluation-geoff-schwartz
Das Ganze beeinflusst natürlich das QB-Play. Und mMn liegt da das andere Problem. Wie korsakoff in seinem Artikel über Blake Bortles geschrieben hat, läuft irgendetwas bei der Evaluierung von QBs schief, bzw. einige werden einfach viel zu früh gedraftet. Und dabei sehe ich einfach das Problem der Medien: Der diesjährige Draft ist dafür ein gutes Beispiel. Direkt nach Ende der Saison hieß es noch auf einigen Websites, dass kein QB einen 1st-Round Pick Wert wäre, am Ende gab es Spekulationen ob Trubisky an #1 im Draft weg geht. Dabei brauchen die QBs anscheinend immer mehr Zeit um sich an die NFL zu gewöhnen. Läuft die Saison von einem Team aber schief, wird sofort der Rookie QB gefordert, der dann bei weitem noch nicht bereit ist, schlecht spielt und öffentlich herunter gemacht wird. Heftigstes Beispiel dafür vermutlich Manziel am Ende der 2014er Season. Und zu diesen Problemen sind die Trainingseinheiten halt auch noch arg begrenzt …
Trotz dem langen Post (sorry) macht es immer noch mega Spaß zu schauen 😉
Dem kann ich nur zustimmen.
Die explodierenden Gehälter an der Spitze stören das ganze System. Gerade bei den qbs gallopier ja die Gehälter davon und der top Vertrag von vor zwei Jahren wird mittlerweile von miielguten spielern getoppt…
Rookie oder veteran ist sicherlich eine recht klare Sache- da sind ganz viele Teams dabei, die sagen, dass der Veteran ja ganz ordentlich gespielt hat aber keine upside mehr hat und Zack ist er vom rookie ersetzt. Und problematisch ist, dass meistens irgendeine franchises bereit ist dem Veteran mehr zu zahlen- allermeisten dass aber weniger gut funktioniert…
Am Ende sehe ich das Hauptproblem aber in der trainingslimitierung. Es ist sicherlich richtig, dass die Spieler auch ihre Pausen haben sollen- aber derzeit kann ich mir kaum vorstellen dass Teams es wirklich schaffen Ihre Spieler für die Saison vorzubereiten…
Die NFLPA hat ja die Trainingszeiten nicht aus misantropie limitiert, sondern weil die NFL einen Jahrzent langen track record hat sich nen scheiß für die Gesundheit der Spieler zu interessieren.
Vielleicht brauchen Rookies tatsächlich in den ersten zwei off-seasons mehr Trainingszeit aber das hat ein Geschmäckle denn da verhandeln dann Leute die hinterher davon nicht mehr betroffen sind.
Einen Teil schuld würde ich auch definitiv den zu konsevativen coaches gebe. wenn deine Spieler nur Spread gewohnt sind, spiel halt 20 snaps pro spiel spread spielzüge. Andy Reid machts vor.
Aus gesundheitlichen Erwägungen die Trainingszeiten zu reduzieren, ist aber auf manchen Ebenen schon eher schwachsinnig. Da steigt doch umgekehrt nur das Verletzungsrisiko im Spiel, weil die Körper der Spieler dann das Tempo und die Intensität des „echten“ Spiels weniger gewohnt sind.
Anders formuliert: wenn ich mir schon meinen Körper mit einer Leistungssportart ruiniere, dann sollte ich die Ausführung von dem was ich da mache wenigstens perfekt beherrschen, ansonsten mach ich mir potentiell nur noch viel mehr kaputt.
Genau das meine ich – irgendwo hatte auch j Land eine These zum Zusammenhang weniger Training um d mehr Verletzungen in der nfl postuliert…
Ist sicher eine heikle Geschichte, die mit viel Sachverstand angegangen werden sollte…
Technik- und Fitnesstraining dürfen die ja individuell so viel machen wie sie wollen, die Teams dürfen es nur nicht vorschreiben. Wer dann schlecht vorbereitet in die Saison geht ist selbst Schuld, macht aber glaube ich auch kaum jemand.
Natürlich machen sie (also die Spieler) das. Brauchst dir nur anschauen, wie viele Spieler mit Konditionsproblemen zum Camp erscheinen, nachdem sie einige Monate quasi frei hatten. Die haben teilweise im zweistelligen Kilobereich zu viel auf den Rippen. Aktuell bestes Beispiel wäre Eddy Lacy. Der schafft es nach Jahren in der NFL immer noch nicht und ist bei weitem nicht der einzige.
Soweit ich mich erinnern kann war ja ein Hintergrund der Trainingseinschränkungen die immer häufiger auftretenden Gehirnerschütterungen und als Folge CTE… wenn man aktuell liest, dass Aaron Hernandez das Gehirn eines 70 Jährigen Demenzkranken hatte, ist das ein besonders großes Problem und macht auch die Trainingseinschränkungsentscheidungsforderung der NFLPA mehr als nachvollziehbar. Die Qualität der Spiele ist aus Spielersicht verständlicherweise da dann eher sekundär.
Bezüglich des Übergewichts regeln die Teams es ja mit den weigh-ins, die im Vertrag festgelegt und mit Bonuszahlungen bei Einhaltung versehen sind, mehr oder weniger erfolgreich. Eddie Lacy z.B. dürfte das nicht ganz geschafft haben, die Seahawks wollten ihn nach der Offseason bei 245lbs… Gelistet ist er jetzt bei 250…
@David: Kommentar jetzt freigeschaltet – Sorry, war im Spam-Filter hängen geblieben und erst jetzt gesehen!