Trainerkarussell – College Football 2017/18

Das Trainerkarussell im College Football dreht sich dieser Tage massiv. Hier die Liste der Trainersessel, die dieser Tage neu besetzt werden – und dabei schauen wir nur auf die großen Conferences:

  • Florida Gators
  • Tennessee Volunteers
  • Ole Miss Rebels
  • Texas A&M Aggies
  • Mississippi State Bulldogs
  • Arkansas Razorbacks
  • UCLA Bruins
  • Arizona State Sun Devils
  • Oregon State Beavers
  • Nebraska Cornhuskers

Der größte Name ist bereits vom Tablett: Chip Kelly hat bei den UCLA Bruins unterschrieben. Kelly hatte auch als Favorit bei Florida gegolten, hat sich dann aber aus freien Stücken für den etwas entspannteren Job bei UCLA entschieden.

Für die Neulinge beim Football: Kelly war von 2009 bis 2012 vier Jahre lang Head Coach der Oregon Ducks, die er zu ungekannten Höhen und bis ins BCS-Finale führte, das knapp verloren ging. Kelly machte aus dem Oregon-Team nicht bloß ein erfolgreiches (46 Siege in 53 Spielen), sondern auch und vor allem eine stilistische Revolution. Oregons Offense ist bis heute die ästhetisch schönste, die ich gesehen habe, vielleicht nur noch annähernd von Boise State und Baylor annähernd erreicht.

Kelly ging anschließend in die NFL, wo er bei Philadelphia und San Francisco als Cheftrainer scheiterte. Jetzt also die Rückkehr in den College Football. Kelly gilt als Mann, der sich nicht wirklich gerne mit Recruiting und der intriganten Politik in den Athletic Departments auseinandersetzt, weswegen er wohl bei den Gators abgesagt hat. Dafür gilt er als detailversessener Film-Guru, dessen intensive Trainingseinheiten das Maximum aus seinen Spieler herausholen. Detaillierter über Kelly habe ich vor Jahren geschrieben.

Kelly und UCLA gehen eine interessante Symbiose ein. UCLA ist eine der größten und reichsten Universitäten in den USA, und die Bruins haben auch eine lange Geschichte im College-Sport, wenn auch eher im Basketball denn im Football. UCLA hat kein eigenes Stadion am Campus, sondern spielt in der etwas überdimensionierten Rose Bowl, wo die 67.000 Zuschauer, die man im Schnitt anzieht, immer noch rund ein Drittel des weiten Runds leer lassen.

Aber: Es sind noch immer 67.000 Zuschauer. Es ist noch immer eine Uni, die in den 1950ernmal einen National Title gewann und alle 5-10 Jahre die Pac-12 Conference gewinnt (zuletzt allerdings die längste Durststrecke seit Äonen: Letzter Titel 1998). Und es ist eine Uni, die gerade einen millionenschweren Marketingvertrag mit Under-Armour abgeschlossen hat und alle Facilities am Campus massiv aufgebolstert hat.

Nun bekommt man in Kelly einen entsprechenden Namen als Head Coach. Kelly ist ein Typ, der sich nicht von draußen dreinreden lässt. Er wird volle Kontrolle im Footballprogramm übernehmen. Die Wetten stehen gut, dass er mit den Bruins in den nächsten Jahren einen Contender in der Pac-12 aufbauen wird.

Florida hat in Ermangelung einer Unterschrift von Kelly zur Option 1-B gegriffen: Der Neue ist Dan Mullen, bislang Headcoach bei Mississippi State und ehemals OffCoord in der Tebow-Zeit bei Florida. Mullen hat sich in den letzten Jahren einen sehr guten Namen gemacht, weil er trotz der eklatanten Recruiting-Nachteile bei Mississippi State einen Contender über Jahre aufgebaut hat, der zwischenzeitlich vor einigen Jahren sogar an #1 gerankt war.

Mullen brillierte in der Entwicklung von Quarterbacks wie Prescott oder Fitzgerald – etwas, das man bei Florida vermisst, seit Mullen (und Tebow) die Uni verlassen haben. Und gerade deswegen, wegen der schlechten Offenses ohne brauchbare Quarterbacks, wurden Mullens Vorgänger bei Florida – Will Muschamp und Jim McElwain – gefeuert.

Florida gilt als Uni mit gigantischen Ressourcen. Das Stadion in Gainesville ist mit 88.000 Zuschauern immer ausverkauft, man liegt im Herzen jenes Staates, der die meisten talentierten Highschool-Footballer in den USA fabriziert, und man hat dank SEC-Verträgen Geld ohne Ende. Man hat seit Jahren eine gute Defense beisammen, spielte aber unansehnliche Offense.

Der zweite große SEC-Universität auf Trainersuche, die University of Tennessee, sorgte dagegen am Sonntag für landesweites Entsetzen, als man sich mit Greg Schiano einig wurde – und mit der Zusage Schianos einen Sturm der Entrüstung loslöste, der letztlich dazu führte, dass man die Zusammenarbeit mit Schiano noch in der Nacht der Unterschrift wieder aufkündigen musste.

Hintergrund: Schiano, ein Kumpel von Urban Meyer und Bill Belichick, hat nicht unbedingt den besten Ruf in den USA. Seine Zeit in der NFL bei den Buccs gilt als verrucht, weil Schiano seine eigenen Spieler wie QB Freeman torpedierte und gegnerische Kneel-Downs attackieren ließ. Das allein reicht jedoch nicht für einen Aufschrei. Der kam vor allem deswegen, weil Schiano als Assistenzcoach in der Zeit der Kinderschänderei bei Penn State mithalf, den grausigen Jerry Sandusky zu schützen.

Nie habe ich einen solch geballten Zusammenhalt von Fans, Boostern und Politik gegen eine Einstellung eines Coaches gesehen. Spätestens als auf dem Campus in Knoxville jene Aufschrift auf einen bekannten Treffpunkt aufgesprüht wurde, war Schiano als Vols-Coach nicht mehr zu halten.

Was das für Tennessee nun bedeutet, ist unklar. Athletic-Director John Currie wurde erst im Februar 2017 eingestellt. Für ihn war die Trainersuche die Chance, sich in den Reihen der großen SEC-Programme zu etablieren. Nun wirkt Tennessee plötzlich toxischer denn je: Große Namen wie Gruden waren längst abgesprungen, der Schiano-Flop wird nicht viel dazu beitragen, dass Tennessse als besseres Pflaster angesehen wird.

Was mich wundert. Tennessee liegt zwar nicht unbedingt inmitten des besten Recruiting-Gebiets in den USA, aber man hat ein furioses 102.000 Zuschauer Stadion, das immer voll ist, man hat Geld ohne Ende, und zuletzt wirkte die Fanbase trotz Trainerflops wie Lane Kiffin, Derek Dooley oder Butch Jones geduldiger als an manch anderer SEC-Uni…

…wie zum Beispiel Texas A&M, das erst 2012 in die SEC gekommen ist. Damals stellte man taufrisch Head Coach Kevin Sumlin, einen Offense-Mastermind, an. Sumlins A&M Aggies waren schnell der heißeste Scheiß in der SEC, als sie angeführt von QB Johnny Manziel Alabama schlugen und damit die Blaupause lieferten, wie man die Dynastie Alabama am besten attackiert (Teams wie Auburn oder Clemson waren in der Lage, den Coup zu duplizieren).

Aber nachdem Manziel 2014 verschwunden war, ging es mit A&M abwärts. Sumlins Teams legten zwar Jahr für Jahr einen Saisonstart wie die Feuerwehr hin und waren immer hoch gerankt, aber dann brach man in schöner Regelmäßigkeit ein. Mal war die Defense inexistent, mal die Offense ein Torso.

Nun feuert man Sumlin nach einer 7-5 Saison. Die Aggies nehmen dafür 11 Mio. Buyout in Kauf. Wer der Nachfolger werden wird, ist nicht ganz klar. Am Sonntag kamen Gerüchte auf, wonach man FSU-Coach Jimbo Fisher mit einem 7.5Mio/Jahr Angebot ködern will – ein Wechsel Fishers nach College Station wäre eine Sensation, aber wo so viel Geld in Umlauf ist wie bei den großen SEC-Unis, ist nichts ausgeschlossen.

An dem potenziellen Wechsel finde ich auch die Fisher-Sicht spannend: Texas A&M bietet im Prinzip dieselben Vorteile wie FSU. Man hat ein wunderbares Stadion, man hat Top-Zugang zu Recruits (halt Texas anstelle von Florida), man hat genug Ressourcen um in den Top-10 mitzuspielen. Also warum wechseln? Ist es nur das Geld? Ist es einfach mal an der Zeit, nach acht Jahren FSU einen Szenewechsel hinzulegen? Oder ist es Fisher leid, von FSU-Fans dumm angemacht zu werden? Auf der anderen Seite: Leg bei A&M eine ähnliche Saison hin wie heuer FSU, bist du auch dort sofort im Kreuzfeuer.

Mit dem Wechsel von Mullen nach Florida ist auch der Posten der Mississippi State Bulldogs vakant. Hingegen in-State Rivale Ole Miss hat seinen Cheftrainersessel bereits nachbesetzt: Luke Falk Matt Luke, heuer Interimscoach, wurde überraschend mit Langzeitvertrag ausgestattet. Das, obwohl Ole Miss, heuer bestenfalls eine lauwarme Saison gespielt hat. Aber mit den NCAA-Sanktionen im Hintergrund kann das relativ kleine Ole Miss wohl keine großen Trainernamen anlocken.

Der letzte offene Posten in der SEC ist Arkansas, wo der unbeliebte Bret Bielema gefeuert wurde. Völlig offen, in welche Richtung die Trainersuche dort gehen wird. Die letzten Coaches waren Passfeuerwerk Bobby Petrino, dann Laufmonster Bielema, der den Pass scheut wie der Teufel das Weihwasser.

Weitere offene Posten: Oregon State Beavers, die kleinste Uni der Pac-12. Dort wurde Headcoach Andersen schon vor Wochen gefeuert. Oregon State hat nur alle paar Jahre das Glück, einen passenden Coach zu finden, mit dem es aus den Niederungen hochkommt. Der letzte solche Coach war Mike Riley

…der am Sonntag von den Nebraska Cornhuskers gefeuert wurde. Nebraska ist wie Tennessee oder UCLA eines dieser blue bloods, eine Uni mit viel Tradition. Die allerdings seit rund 10-15 Jahren nicht mehr an die große Vergangenheit anzuknüpfen vermag. Mitschuldig daran ist die Entwicklung im College-Football, der den klassischen Option-Football, mit dem Nebraska groß wurde, mittlerweile ausgeguckt bzw. weiterentwickelt hat.

Nebraska versuchte sich in den letzten Jahren mehrfach an einem Kulturwandel (z.B. Pass-Freak Bill Callahan), aber es klappte nicht. Mehr als 9-4 schaffte man nicht. Ein Mike Riley z.B. hat zwar teilweise gute Offense spielen lassen, war aber gleichzeitig verantwortlich für die Implosion der Defense.

Jetzt gilt Scott Frost als einer der Favoriten auf den Posten. Frost ist momentan Headcoach der ungeschlagenen UCF Knights. Vorher war Frost OffCoord der oben beschriebenen Oregon Ducks, u.a. zur Mariota-Zeit. Noch mal vorher war Frost mal Student… an der University of Nebraska.

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8 Kommentare zu “Trainerkarussell – College Football 2017/18

  1. Danke für die Zusammenfassung! Es könnte va. auch der Anfang eines noch viel größeren Karusells sein, das gerade erst angestoßen wurde. MAl sehen was da passiert. Malzahn zu Arkansas wird auch kolportiert

    Verknüpft wird diese Entlassungswelle auch mit einer in diesem Jahr neu in Kraft tretenden Regulierung der NCAA: die neue „early signing period“ von 20.-22. Dezember. Jetzt können nämlich Highschool prospects bereits in diesen Tagen ihren „National Letter of Intent“ unterzeichnen, viel früher als bisher, wo das zum National Signing Day, dem 1. Mittwoch im Februar passierte. Niemand muss so früh unterschreiben, kann aber… wie das alles ablaufen wird wird man dieses Jahr zum ersten mal sehen, einen guten Einblick im Sinne von Coaches-Meinungen im Bezug auf das Unterschreiben der Prospects in dieser frühen Zeit ansich, gibt dieser Artikel von USAToday mMn. -> https://www.usatoday.com/story/sports/ncaaf/2017/11/19/early-signing-period-creating-plenty-of-uncertainty/107850200/

    …und natürlich wollen die Colleges und Universities bereits vor dem 20. Dezember Klarheit über ihre Trainer-Situation haben, damit sie möglichst attraktiv für die besten Prospects am Markt sind, was ganz offensichtlich dazu führt, dass eben viele ihre Coaches die sie los werden wollen, bereits vor den letzten Spielen der aktuellen Saison entlassen. In gewisserweise ein Desaster und Nick Saban dazu: „Everybody thinks making a change is the best thing, and now with this early signing period, everybody wants to get rid of their guy early. They feel like it won’t affect them in recruiting as much. The players should be able to finish the year with the coaches they have and not go through all these changes during the season. I think that’s hard on the players, but I think it’s going to stay that way.“

  2. Bestätigt: Jimbo Fisher verlässt FSU und unterschreibt bei Texas A&M:

    Auch Mark Schlereth bestätigt die News. Fisher wird morgen gar nicht mehr das letzte Saisonspiel gegen ULM coachen.

  3. Was ist denn gerade in Tennessee nach dem Schiano-Debakel passiert, bin nicht mehr auf dem Laufenden geblieben, aber Twitter zu urteilen haben sich noch einige mehr vogelwilde Sachen ereignet?

  4. ja, totales Chaos in Knoxville, ich blicke da auch nicht ganz durch, aber scheinbar hat sich nun athletic director John Currie komplett verpokert mit seiner Entlassung von Butch Jones vor ein paar Wochen… Vols-Legende Phillip Fulmer sollte nach einer Gruppe von Top-Boostern schon im diesen Winter AD werden, Currie wurde es aber schlussendlich und jetzt hat Fulmer das Chaos genutzt und Curries Anstellung von Mike Leach (nach der dem Schiano-Desaster) als headcoach sabotiert. Lange Rede kurzer Sinn: Fulmer ist neuer AD und die Vols haben noch immer keinen headcoach ;)!

    Die beiden verbindet schon eine längere „Beziehung“, Currie soll mitverantwortlich dafür gewesen sein, dass Fulmer 2008 nach 16 Saisonen bei den Vols gekündigt wurde…

    The Ringer hat es ganz gut zusammengefasst und Fulmer gleich zum „Machiavelli of Knoxville“ geschrieben 😀 → https://www.theringer.com/2017/12/1/16725204/tennessee-volunteers-football-john-currie-fired

  5. FSU besetzt seinen vakanten Cheftrainersessel wie erwartet mit Oregon-Coach Willie Taggert:

    Taggert damit nach einem Jahr schon wieder weg und Oregon mit dem dritten Headcoach im dritten Jahr. Ich bin gespannt, wie attraktiv der Posten jetzt noch ist – es wird wohl eine 1-B Lösung.

  6. Jeremy Pruitt wird neuer Tennessee-Volunteers Headcoach:

    Pruitt gilt darüber hinaus als exzellenter Recruiter, hat tief verwurzelte Verbindungen in Alabama, Georgia und Florida. Wird dort der SEC-Konkurrenz und FSU Talente abgraben. Hat aber keine Headcoach-Erfahrung.

    Als OffCoord ist Tyson Helton im Gespräch, Bruder von USC-Headcoach Clay Helton – und ein Mann, der u.a. bei Purdues Jeff Brohm und der Tennessee-Legende Tee Martin (Vols-QB beim National Title 1998 ein Jahr nach Peyton Mannings Abgang) gelernt hat.

  7. Arizona State verliert OffCoord Napier, der neuer Headcoach von ULL wird:

    Eine ganz sonderbare Situation bei Arizona State, die Herm Edwards als neuen Head Coach geholt haben – mit der Idee, den restlichen Trainerstab zusammenzuhalten, und Edwards nur als vorgeschobenen Verkaufsstrategen im Recruiting.

    Nun haben OffCoord und DefCoord die Mannschaft seit Edwards‘ Anstellung verlassen…

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