Gedankenwolke zur Super Bowl 2018

Unglaubliche Superbowl 2018. Es bleibt dabei: Die Patriots sind zu knacken. Aber Im Guten wie im Schlechten sind Superbowls mit Patriots-Beteiligung unschlagbar.

Wirbelwind an Offense

Nur einige Zahlen: 1151 Yards Offense sind nicht nur Superbowl-Rekord, sondern NFL-Rekord. Ever. So viele Yards gab es noch nie in einem NFL-Spiel. New England verlor die Partie, obwohl es für 613 der 1151 Yards verantwortlich war, 8.5 Yards/Play machte und nicht ein einziges Mal (!) punten musste.

QB Tom Brady mit 505 Pass-Yards und 3 TD. Er ist der erste QB ever mit solchen Zahlen, der das Spiel verliert. Man kann es auch so einordnen: Brady war der beste Spieler auf dem Platz und lieferte seine mutmaßlich beste Playoff-Vorstellung überhaupt ab. Er hatte nach den Metriken von Chase Stuart die beste Superbowl-Performance aller Zeiten. Und verlor trotzdem.

Damit halten „Madden-Fluch“ und „NFL MVP Fluch“ weiterhin an. Der Warner Kurtl war 1999 der letzte MVP mit Superbowl-Ring.

QB Nick Foles wurde zum Superbowl-MVP. Er brillierte vor in 3rd Downs: 11 von 14 Complete, 12.y NY/A, 156.5 QB-Rating und 64% Success-Rate. Besser geht nicht. Foles ist die Geschichte nach jener des Headcoaches Pederson.

15 Drives über 40 Yards Raumgewinn. Oder anders: Nur fünf Drives unter 40 Yards.

10/16 und 2/2 in 3rd Downs bei den Eagels. 5/10 bei den Patriots in 3rd Downs. Nur ein Punt. Nur 7 Strafen.

Laufspiel fegte über beide Defenses drüber, aber dennoch waren beide extrem passlastig, weil es einfach noch effizienter war: 69% Pass-Ratio bei den Patriots, 62% für Philly.

1st-Down Wahnsinn:

  • New England mit 8.8yds/Play und 60% Success-Rate
  • Philadelphia mit 6.4yds/Play und 57% Success-Rate

Zum Vergleich: Der NFL-Schnitt ist 5.8yds/Play und 49%Success-Rate.

Razzle-Dazzle auf beiden Seiten. Zwei verschossene Extrapunkte. Ein Fieldgoal-Kick an die Stange. Am Ende entschieden die Kleinigkeiten: Der Holder. Foles-Catch, Brady-Drop. Cooks-Hürdensprung statt Double-Move. Cooks-Verletzung. Referee-Auslegung beim TD-Coach von Foles. Der Brady-Fumble beim einzigen Durchbruch der Eagles-DL. Knappe Hail Mary. Und weitere. Die Liste der Plays in diesem Spiel ist überwältigend und unüberblickbar.

Eagles-Offense in der Analyse

Im Vorfeld der Partie analysierte ich mit Hilfe des wirklich exzellenten Materials von Warren Sharp, der mir dankenswerterweise auch Einblick in seine tiefe Welt der Zahlen gab, das Matchup. Die Erkenntnisse:

Laufspiel der Eagles? Kam zu 70% aus 11-Personnel, deutlich mehr als im bisherigen Saisonverlauf (59% der Runs aus 3-WR Sets). Und es war erfolgreich: 60% Success-Rate, 6yds/Carry. Die Eagles liefen das ganze Spiel über entweder aus 11-Personnel oder aus Formationen mit mehr als 5 Offense Linern. Nur ein einziger Lauf kam aus klassischer Formation.

Wie machten sich die Eagles in Passspiel in den kurzen Zonen über die Mitte? Fantastisch: Foles 6 von 6 für 83 Yards, 100% Erfolgsquote. Und vor allem: Sie haben die Zone weit öfters attackiert als im ganzen Rest der Saison, weil sie die Schwäche der Patriots gefunden haben. Analytics matter.

Doch nicht immer war Doug Pederson vorhersehbar – es gab auch klare „Verstöße“ gegen die bisherige Tendenz.

Dazu blieb Pederson aggressiv bis tief ins Schlussviertel hinein. Pederson spielte schon früh eine 2pts-Conversion aus, die nicht unbedingt hätte sein müssen. Aber viel wichtiger – und aufgrund der großen Bühne vielleicht ein neuer Hoffnungsschimmer auf breitere Akzeptanz der Advanced-Analytics Denke: Pederson spielte zwei kritische 4th Downs aus, die nur wenige Coaches so gewagt hätten: Einer führte zum TD in Halbzeit 1. Einer zu einem neuen 1st Down in der zweiten Hälfte – in der eigenen Spielhälfte, bei knappem Spielstand.

Patriots-Defense: Butler abserviert

New Englands DefCoord Matt Patricia bekommt heute viel auf die Fresse, weil die Defense streckenweise komplett unvorbereitet aussah. Eine zahnlose Defense, die erst mit einigen gut getimten Blitzes in der zweiten Halbzeit Zugriff auf Foles und seine Pocket bekam. Aber wenige Spieler erreichten Normalform.

Eingeprügelt wird auch auf Headcoach Belichick, der CB #21 Malcolm Butler, mit 98% der Snaps das Arbeitstier unter der Saison, nicht einsetzte, obwohl fit. Für Butler musste Rowe auflaufen, der früh im Spiel etliche Male verbrannt wurde. Rowe war anfangs gegen den WR-Hünen Jeffery gematcht – was nicht gut gehen konnte. Erst ab Mitte zweitem Viertel wurde umgestellt, kam der starke CB #24 Gilmore auf Jeffery.

Schwer, dem größten Coach unserer Zeit einen Strick zu drehen, aber es wäre wirklich interessant, was unter der Woche vorgefallen ist, dass Belichick Butler das ganze Spiel über auf der Bank versauern ließ, während Kollegen wie Rowe oder #37 Richards auf dem Feld verbrannt wurden.

Sportlich war der Move nicht nachvollziehbar. Es wäre nicht so, dass die Spieler Belichicks Plan gekannt hätten: Rowe und Butler erklärten hinterher, von Belichicks Entscheidung erst in der Umkleidekabine erfahren zu haben und völlig überrascht gewesen zu sein. Kein Coach geht pragmatischer an eine Sache heran wie Belichick, der notfalls einen ganzen Gameplan in Sekundenschnelle über den Haufen schmeißt, wenn er nicht funktioniert. Umso erstaunlicher, dass Belichick in diesem Fall hart blieb.

Wo rankt Superbowl 52?

Die NFL geizte ja in den letzten Jahren nicht mit Superbowls der Extraklasse. Allein mit den Superbowls in „meiner“ Zeit als Fan könnte man ein Top-10 Ranking der geilsten Sportmomente sprengen. Ich tue mir mit einem Ranking der Superbowls immer schwerer – was man daran sieht, dass die chronologische Reihenfolge noch die einfachste ist:

  • Super Bowl 36: Patriots 20, Rams 17. Mein erstes Mal – ich verstand noch nicht wirklich, worum es ging. Aber ich verstand, dass Historisches passierte, wenn wenige Monate nach 9/11 das Team in den Landesfarben als krasser Außenseiter die Super Bowl gewinnt.
  • Super Bowl 38: Patriots 32, Panthers 29. Mein erstes Mal mit wissendem Auge. Die vielleicht außergewöhnlichste Superbowl, weil es drei Viertel lang eine Grabenschlacht war, ehe gegen Ende von Halbzeit 1 und im Schlussviertel alle Dämme brachen und beide Offenses aufspielten als ginge es um Leben und Tod. So muss der Sport sein. Lebenswichtig.
  • Super Bowl 42: Giants 17, Patriots 14. Der sensationellste Upset: Die mittelmäßigen Giants fällen mit einer grenzgenialen Defensive Line die ungeschlagenen Patriots. Das Patriots-Comeback. Der Helm-Catch. Bradys grandioser Downfield-Pass flutscht durch Moss‘ Finger. Am Ende blieb stehen: Es gibt keine Perfektion.
  • Super Bowl 43: Steelers 27, Cardinals 23. Für viele der Top-Superbowl. Es passte alles. Großartige Spieler, großartige Plays, ein gewaltige Comeback und Gegenschlag mit Sieg-TD aus physikalisch fast unmöglichem Winkel.
  • Super Bowl 44: Saints 31, Colts 17. Die unterschätzteste Superbowl. Die geschwollenen Eier von Sean Payton und der epische Touchdown-Return des Tracy Porter. Saints gewinnen vier Jahre nach Hurrikan Katrina ein markantes Endspiel.
  • Super Bowl 45: Packers 31, Steelers 25. Weniger die Dramatik bleibt von dieser Partie hängen. Vielmehr ist es die nahezu perfekte Vorstellung von QB Aaron Rodgers. Ohne die eklatanten Drops von Jordy Nelson wäre die mächtige Steelers-Offense auf unvergessliche Weise abgeschossen worden.
  • Super Bowl 46: Giants 21, Patriots 17. Der Zufallssieger: Welker-Drop. Dann gibt Belichick in der letzten Minute eine Führung in der Superbowl auf um noch einmal zurückschlagen zu können. Doch die letzte Hail Mary fällt durch die Hände zweier Patriots in der Endzone zu Boden.
  • Super Bowl 47: Ravens 34, 49ers 31. Furioses 49ers-Comeback nach dem Stromausfall im Superdome bleibt um Haaresbreite unbelohnt.
  • Super Bowl 49: Patriots 28, Seahawks 24. Die am perfektesten gespielte Superbowl von allen: Die beiden stilprägenden Mannschaften unserer Zeit, ein dramatisches Comeback, zirkusreife Catches und das filmreifste Ende ever: Die Butler-Interception kann ich bis heute nicht fassen.
  • Super Bowl 51: Patriots 34, Falcons 28/OT. Das größte Comeback aller Zeiten (zumindest wenn wir das, was auf dem Spiel stand, berücksichtigen) – aber ein Problem mit solchen Comebacks: Das Spiel ist über weite Strecken öde, weil es so entschieden ausschaut. Trotz allem waren die Phasen des Spiels markant. Dazu einige unglaubliche Plays wie die Catches von Jones und Edelman.
  • Super Bowl 52: Eagles 41, Patriots 33. Eine Eruption an Offense, so viele Big-Plays, dass man mit den Highlight-Reels gar nicht mehr nachkommt. Defense mag kritisierenswert sein, aber es war auch perfekt gespielte Offense und grandioses Play-Calling auf beiden Seiten. Mit Sicherheit die wildeste Superbowl.

Das, was Super Bowl 52 von anderen Superbowls abhebt, war neben der Orgie an Big-Plays und der Spannung das Game-Planning und Play-Calling in beiden Offenses. Es war schlicht grandios. Philadelphia machte die paar Plays mehr als New England, aber es war ein Spiel auf Augenhöhe. Ich würde diese Superbowl auf Augenhöhe mit den Ausgaben 38, 42, 43 und 49 sehen. Mindestens.


Für Philadelphia geht damit ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung. Es war die Erfüllung einer Sehnsucht – und man konnte es bis ins Wohnzimmer spüren. Selbst als ein ausgesprochener Bewunderer der Patriots-Dynastie, der jahrelang am Peyton-Manning Comeback von 2006/07 und am Tyree-Helmcatch zu knabbern hatte und erst die Butler-Interception gegen Russell Wilson als ausgleichende Gerechtigkeit für erlittenes gefühltes „Unrecht“ empfand, kann ich konstatieren, dass ich mich am Ende herzlich für die Eagles gefreut habe. Jeder andere Ausgang wäre – wie schon letztes Jahr den Falcons passiert – irgendwie falsch gewesen.

Der Titel war überfällig. Und er war verdienter Lohn für eine wirklich begeisternd gute Coaching-Arbeit über die ganze Saison – mit Höhepunkt Playoffs. Chapeau.

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8 Kommentare zu “Gedankenwolke zur Super Bowl 2018

  1. Die TV Quoten kamen raus und die sind nicht so berauschend bei NBC. Mags am trump oder an den knie Protesten liegen, des Amerikaners Lieblings Sportart scheint zu bröckeln obwohl die Qualität des Spiels stets weiter steigt.

  2. Ich bin der Meinung das BB einen Fehler gemacht, die Entscheidung bei 4&1 nur auf ein 26yds FG zu gehen. Gostkowski hat dazu noch nur die Stange getroffen, wurde also doppelt bestraft.
    Sah für mich nach einer brutal konservativen Entscheidung aus, die nicht nach unbedingten Siegeswillen aussieht und untypisch für BB ist.
    Gleiches konnte man bei Jacksonville beobachten, als sie vor der Pause einfach abknien.

    Wobei auch Pederson ein paar seltsame Plays gecallt hat, die dann auch mit negativen Yards bestraft wurden. Darüber redet nur kaum einer, weil er gewonnen hat.
    Bei den Strafen war nur die erste gegen Ertz bei bei 2nd&Goal von der 2ydr Line sehr dämlich.
    Sonst hat die Eagles Offense ordentlich abgeliefert und die Defense war da als man sie brauchte und hat das entscheide Play gemacht.
    Dieser Turnover war auch teuerer als der von den Eagles, da die Feldposition besser war.

    Ich vermisse nur Chip Kelly in deinem Artikel, da die Offense schon einiges aus dieser Zeit übernommen hat. Frank Reich, Foles und wohl auch Pederson haben sich Tape angeschaut und dann die Offense so gebaut, dass Foles sich dort wohl fühlt.
    Auch interessant was drei Backup-QBs zustande gebracht haben.

    Deinem Gesamtfazit muss ich mich anschließen, auch weil ich bis zur letzten Sekunde dachte die Patriots schaffen noch den TD.

  3. Das Belichik Butler bencht, hat wohl niemand verstanden, aber ich muss mich anschließen:
    Das BB bei 4&1 an der 15 kicken lässt, kam überraschend und noch viel überraschender, dass er dann 4&5 an der 35 ausspielt. In der ersten Halbzeit haben die Pats einfach zu viel liegen lassen.

  4. #Butlergate: Die Details sickern langsam durch:

    Butler war krank und kam deshalb zu spät in Minnesota an, als der Gameplan schon Formen angenommen hatte. Im Training soll er dann richtig gewesen sein, ob aus Grippe oder sonstigen Gründen will niemand sagen. Er soll danach Teamregeln gebrochen haben und als Folge davon ausfällig geworden sein.

    McCourty bestätigte, dass er von Butlers Ausfall wusste. Butler wurde nur im letzten Moment für den Super Bowl aktiviert weil Belichik ihn im Falle einer Verletzung eines DB eventuell doch noch gebraucht hätte.

    Also Fazit, keine Chance dass Butler in der FA in New England bleibt. Bin gespannt wie dick sein FA Vertrag sein wird, seine Saison war nicht gut und er ist nur gegen spezielle Typen von WR ein Matchup.

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