Play-Calling und die NFL: 3rd Down – Das Money-Down

Nach den Studien von 1st Down und 2nd Down folgt heute die Analyse des 3rd-Down Play-Callings in der NFL. Wie es mit der Qualität des Play-Callings im „Money-Down“ wohl aussieht?

Wieder schauen wir nur die 1te Halbzeit an um vom Score getriebenes Play-Calling so gut es geht auszublenden. Die NFL hatte in 2016 und 2017 insgesamt 7.012 3rd Downs. Die Pass-Quote dabei beträgt fassungslose 81.6%. Success-Raten dabei für das Passspiel 36.2% und für das Laufspiel 56.4%.

Pass/Lauf Verhältnis von mehr als 4:1 trotz 20% geringerer Success-Rate? Schreit nach einem genaueren Blick auf das Zahlenmaterial!

Wieder splitten wir die einzelnen Distanzen („distance to go“) auf um besseren analysieren zu können, wo die NFL derart abweicht von dem, was man ein ausgewogenes Play-Calling nennen könnte. Zuerst runtergebrochen auf die Distanzen Yard-für-Yard:

3rd Down - Yard für Yard

(Man achte auf die Erfolgsquoten des Laufspiels bei 6 und 7 Yards Distanz. Hier haben wir den „small numbers effect“: Nur sehr wenige Plays, also sind völlige Ausreißer wie 3rd & 6 möglich – hier sollte man nicht zu viel reinlesen).

Hier die Analyse gebündelt in jeweils 2-Yards Distanzen:

3rd Down - Yard Bündel

Detailanalyse

3rd & short

3rd & 1-2 Yards (3rd and short): Ähnlich wie im 2nd Down bringt das Laufspiel in Situationen mit 1-2 Yards to go um die 70% Erfolgsquote – im 3rd Down Fall sind es 69%. Aber: Coaches callen in dieser Situation nur in 54% der Fälle Laufspiel (Vergleich 2nd & short: 67% der Fälle) – eine viel zu geringe Ratio!

Noch eklatanter erscheint die Verfehlung der NFL, wenn wir das 3rd & short aufsplitten:

  • 3rd & 1: -18% SR für das Passspiel, 29% Pass-Quote
  • 3rd & 2: -7% SR für das Passspiel, 69% Pass-Quote

Solange wir uns innerhalb 1 Yard bewegen, machen NFL-Coaches überwiegend das richtige, nehmen die 70% Verwertungs-Quote und gehen über zur nächsten Angriffsserie. Aber schon bei 3rd & 2 ist die NFL krass passlastig: Fast sieben von zehn 3rd-&-2 sind Passversuche, obwohl der Lauf eine um 7.4% höhere Verwertungs-Rate hat!

3rd & middle

3rd & 3-4 Yards: Das Play-Calling wird nur noch krasser: Schon bei 3rd & 3 wird in über 80% der Fälle geworfen. Obwohl das Laufspiel in Situationen mit 3-4 Yards Distanz noch immer in 65% der Fälle ein neues 1st Down bringt, der Pass hingegen eine 50/50 Situation ist, callen Coaches in fassungslosen 87% der Situationen Passspiel!

Anders ausgedrückt: Coachen wählen die 2:1 Chance (zwei Drittel) in nur 1 von 8 Fällen und bevorzugen den Münzwurf (1:2 1:1 Chance) in 7 von 8 Fällen. Remember: Es handelt sich hier um erste Halbzeit, Spielstand noch relativ folgenlos auf das Play-Calling, Game-Clock total wurscht – und Coaches versuchen hier, eine Ratio einzuhalten, die sie sich unter der Woche im stillen Kämmerlein ausgedacht haben.

(Ich habe an dieser Stelle dreimal nachgeprüft, ob ich richtig abgefragt habe – die Zahlen sind richtig so. Es sind 87% Pass-Quote)

3rd & 5-6 Yards: Wir sind bereits im Territorium, in dem Coaches in mindestens 9 von 10 Fällen Passspiel ansagen. Bei 3rd & 5-6 Yards sind es 92% Pass-Rate für eine Erfolgsquote von 42%. Die 8% der Fälle, in denen gelaufen wird, bringen zu 56% eine neues 1st Down: +14% für das Laufspiel.

3rd & 7-8 Yards: 93% Pass-Quote bei einer Erfolgsquote von 35% für ein neues 1st Down. Laufspiel wird nur in 7% der Fälle gecallt, also können wir wie schon vorhin bei 5-6 Yards Distanz von „Überraschungseffekt“ sprechen. Dieser Überraschungseffekt reicht aus um zu 57% ein neues 1st Down zu machen. Laufspiel hat eine um 22% höhere Erfolgsquote als Passspiel – natürlich in kleiner Sample-Size, aber das ist ein starkes Argument dafür, diesen Überraschungseffekt häufiger zu nutzen!

Defenses respektieren in Situationen zwischen 3 und 8 Yards kein Laufspiel mehr – zu Recht, wie anhand der aktuellen Play-Calling Rate abzulesen ist. Einzige logische Schlussfolgerung für die Offense: Überlaufe diese Nickel- und Dime-Defenses! Was aktuell nicht geschieht, wie nur 8% Run-Quote beweist. Die NFL weigert sich, diese krasse Ineffizienz zu nutzen.

3rd & middle in 11-Personnel

NFL-Offenses stellen sich in 3rd & und zwischen 3 und 8 Yards in 81% der Fälle in 11-Personnel Formation auf (Vergleich: in 1st & 10 nur in 50%) – eine Formation, die noch immer zu wenig als geeignete Formation für Laufspiel gesehen wird. Gegen diese 3-WR Aufstellung stellt sich jede Defense eher „light“ auf – und die NFL wirft in 90% dieser Fälle. Dabei erzielt das Laufspiel in den verbleibenden 10% der Situationen aus 11-Personnel – immerhin in totale 260 Snaps in 2016 und 2017 – in 59% der Fälle einen Erfolg (Vergleich: Passspiel in 42%, mit 2.5% INT-Quote).

3rd & long

3rd & 9-10 (3rd and long): 92% Pass-Quote für 29% Erfolgsquote. Also nur noch in 3 von 10 Fällen eine Conversion. Laufspiel ist mit 34% Success-Rate minimal erfolgreicher, aber aufgrund der längeren Distanz längst nicht mehr in dem Ausmaß wie in den 3rd & middle-Distanzen.

(Ehrlich gesagt: 34% Erfolgs-Rate für den Lauf bei 9 oder 10 Yards to go… hätte ich gefühlt weit niedriger geschätzt, aber dafür sind die Hard-Facts ja da – um uns zu helfen.)

Schauen wir uns die Summe von 3rd & 5-10 Yards an: Über 92.5% Pass-Quote. Laufspiel ist im Schnitt 14% erfolgreicher als Passspiel: 50% zu 36% über diese Distanzen. An dieser Stelle greift der Faktor „Überraschungseffekt“, der von einigen Kommentatoren in vorherigen Einträgen erwähnt wurde: Defenses rechnen in dieser Situation richtigerweise mit Passspiel (das in 92 von 100 Fällen auch kommt!) und stellen sich entsprechend auf. Das nutzen Offenses um aus einer scheinbar aussichtslosen Situation noch eine 50/50 Situation mit einem Run-Call zu machen. Coaches sollten in dieser Situation häufiger laufen um die Pass-Erfolgsquote zu erhöhen!

3rd & 11+ Yards: Wir sind in Territorium, in dem nur noch in Ausnahmefällen (ca. 1 von 6) ein neuer 1st Down erzielt wird. Coaches callen zu 86% Passspiel – zurecht! Auch wenn nur 17% der Pässe in einem neuen 1st Down von 11 oder mehr Yards Distanz enden, so sind das noch immer fast doppelt so viele Erfolgsfälle wie in den wenigen Läufen (9% Erfolgsrate).

Go Deep!

Wer übrigens glaubt, dass Coaches in 3rd & lang häufig nur noch versuchen, den Turnover zu vermeiden und nur noch Dump-Offs und Runs callen, dem sei hier der Vergleich der 11+ Situationen pro Down aufgezeigt:

  • Alle Downs bei 11+ Yds to go: 19% deep Ball Quote
  • 1st & 11+: 16% deep ball Quote
  • 2nd & 11+: 17% deep ball Quote
  • 3rd & 11+: 25% deep Ball Quote

Auch innerhalb der gegnerischen 40yds-Line, wo man meinen würde, dass nur noch „getting into fieldgoal range“ zählt, und wo das Spielfeld langsam zu eng wird um überhaupt noch weiter als 15yds downfield werfen zu können, sind es noch 19% deep ball Quote. „Aufgeben“ zählt für die Coaches also nicht wirklich. Das legt einen weiteren Schluss nahe: Coaches versuchen in 3rd-und-lang Situationen durchaus, die Situation noch zu retten. Sie spielen hier allerdings Feuerwehrmann in einer Situation, in der sie zuvor selbst gezündelt haben durch zu ineffizientes Play-Calling.

Play-Calling pro Spielfeldzone

Einen interessanten Trend im 3rd & long Playcalling sehen wir auch, wenn wir das Feld in mehrere Zonen einteilen: Nahe der eigenen Endzone, Mittelfeld, nahe der gegnerischen Red Zone. Im 3rd & lang hätte ich vermutet, dass Coaches, je näher sie der gegnerischen Endzone kommen, verstärkt im 3rd & lang laufen würden – Stichwort „Field Goal Range“ („nimm die sicheren Punkte“).

Doch der entgegengesetzte Trend scheint wahr: Coaches laufen in langen 3rd-Down Situationen am ehesten, wenn sie nahe der eigenen Endzone operieren – hier tritt der „Angst vor Turnover“-Effekt ein: Lieber den sicheren Lauf nehmen und dann den Ball per Punt wegtreten als einen Ballverlust nahe der eigenen Endzone zu riskieren.

3rd Down und 11 - by Zone

Den entgegengesetzten Effekt erleben wir im 3rd & short: Dort werden Coaches immer lauflastiger, je näher sie der gegnerischen Endzone kommen – mit positivem Effekt: Sie verlängern mit hohen Success-Rates (immer über 60%, teilweise über 70%) ihre Drives. Doch Coaches sind in diesen kurzen 3rd-Down Situationen noch immer bei weitem nicht lauflastig genug.

3rd Down und short - by Zone

Zusammenfassung

Das Play-Calling im 3rd Down ist auf vielen Ebenen ein Desaster. Grundsätzlich kann man argumentieren, dass es im 3rd Down nicht allein darum geht, ein neues 1st Down zu erzielen und dass ein großer Raumgewinn (den der Pass viel eher einbringt) durchaus wertvoll sein kann – aber Hauptziel sollte im 3rd Down dennoch immer sein, die Angriffsserie mit einem neuen 1st Down zu verlängern. Insofern…

  • 3rd & short: Laufspiel hat bis 2 Yards Entfernung fast 70% Erfolgsquote, 16% mehr als Passspiel. Trotzdem ist die Run-Quote nur 54%. Warum callen Coaches mit einem derart krassen Vorteil für das Laufspiel so häufig Passspiel? Diese Ratio ist nur mit Scheuklappendenken zu erklären („Schon mein Opa hat 1923 im 3rd Down immer Pass geworfen, also muss es richtig sein…“)
  • 3rd & 3-4 Yards Entfernung: Coaches callen in dieser Situation in 86% der Situationen Passspiel, obwohl der Lauf noch immer 65% Erfolgsquote einbringt, gegenüber einer 50/50 Situation im Passspiel. Bis 4 Yards sollte die Lauf-Quote deutlich gesteigert werden!
  • Auch in 2nd Downs zwischen 5 und 10 Yards sind Coaches extrem passlastig unterwegs: 92% Pass, während das Laufspiel um 16% höhere Erfolgschance bringt. Coaches sollten hier häufiger laufen um den Überraschungseffekt zu nutzen!
  • Bei 3rd & 11 und länger liegen Coaches richtig. Sie setzen fast immer auf den Pass, der auch fast doppelt so erfolgreich ist.

Die NFL behandelt das 3rd-Down als „Pass-Down“ – und mit einem 4:1 Verhältnis Pass/Lauf ist die Dominanz des Passes erdrückend – während Analytics bis auf 3rd & long eher ein „Run-Down“ aufzeigt. Coaches sollten wesentlich häufiger laufen – auf kurzen und auf mittleren Distanzen. Mehr Laufspiel zwingt die Defense, Running Game im 3rd Down zu respektieren – was wiederum der Effizienz des Passspiels zuträglich ist.

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9 Kommentare zu “Play-Calling und die NFL: 3rd Down – Das Money-Down

  1. „Wieder schauen wir nur die 1te Halbzeit an um vom Score getriebenes Play-Calling so gut es geht auszublenden.“ …ich habe mich gefragt ob es in der 2. Halbzeit wirklich zu stark abweichenden Playcallingmustern kommt, hast du diese mal Hypothese mal überprüft und beispielsweise das Playcalling eines Downs der beiden Halbzeiten gegenübergestellt? Soll kein mehraufwand sein, hat mich nur mal so interessiert! Danke jedenfalls für die spannenden Zahlen!

  2. @David Neuber: Gute Frage, die ich hätte im Voraus diskutieren sollen.

    Lass uns auf die Unterschiede in der Passing-Rate in folgenden Situationen schauen, wenn Mannschaften in Vorsprung oder Rückstand agieren und eruieren, ob Unterschiede bei den Coaches bestehen.

    Folgende Spalten: Situation – Normal – in Rückstand – in Vorsprung

    Dazu das Delta zwischen Pass-Ratio in Rückstand und Vorsprung.

    Play-Calling in der 1ten Halbzeit

    1st&10: 49% / 49% / 49% / Delta = 0%
    2nd&short: 33% / 33% / 33% / Delta = 0%
    2nd&middle: 56% / 56% / 56% / Delta = 0%
    2nd&long: 61% / 62% / 61% / Delta = 1%
    3rd&short: 46% / 45% / 46% / Delta = -2%
    3rd&middle: 92% / 91% / 92% / Delta = -1%
    3rd&long: 92% / 94% / 92% / Delta = 2%

    Play-Calling in der 2ten Halbzeit
    1st&10: 49% / 62% / 32% / Delta = 30%
    2nd&short: 38% / 50% / 18% / Delta = 32%
    2nd&middle: 52% / 64% / 40% / Delta = 24%
    2nd&long: 64% / 73% / 51% / Delta = 22%
    3rd&short: 58% / 62% / 53% / Delta = 9%
    3rd&middle: 87% / 92% / 83% / Delta = 9%
    3rd&long: 89% / 93% / 83% / Delta = 10%

    Noch Fragen?

  3. Nah an der eigenen Endzone gibt noch nen Grund bei 3rd&long zu laufen als turnoveraversion, ein Punter mit zu wenig Platz ist echt keine gute Idee. und bei 3rd&9 kriegt man risikolos noch 5-6 yards via lauf heraus.

    Außerdem: Ein Münzwurf ist eine 1:1 Chance.

  4. @blub: Ja, natürlich 1:1. Mehr Flüchtigkeitsfehler als Brainfart.

    Platz für den Punter macht natürlich Sinn, aber es gibt kaum Snaps innerhalb der eigenen 5 Yards Line: Nur 54 Snaps fallen unter die Kategorie (immer nur 1te Halbzeit) und paradoxerweise waren mit 39 davon die Mehrzahl Passversuche.

    bei 3rd&9+ innerhalb der eigenen 15 haben wir 102 Versuche. 83 davon waren Pässe.

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