Die Clemson Tigers, über viele Jahrzehnte als Vizekusen des College Football verspottet, sind nach drei Playoffteilnahmen in Folge, zwei Endspielen und einem gewonnenen Landesmeistertitel in den letzten drei Jahren im Konzert der Großen angekommen. 2018 gehen sie als der Topfavorit neben Alabama ins Rennen.
Dieser Status stützt sich auf mehreren Faktoren.
#1 – Clemson hat unter Head Coach Brent Venables Dabo Swinney einen Status wie vielleicht nur noch Alabama erreicht. Die Tigers schafften 2017 in einem Jahr des Umbruchs die dritte Playoff-Qualifikation en suite, nachdem sich der beste QB ihrer Geschichte, Deshaun Watson, und mehrere Schlüsselspieler wie CB Tankersley, WR Mike Williams, RB Wayne Gallman oder DT Carlos Watkins in Richtung NFL verabschiedet hatten.
Es gibt im College Football nur ganz wenige Programme, die keinen „Re-Build“ (Umbruch) durchziehen müssen, sondern einen „Re-Load“ (Umbau) und somit auch in vermeintlichen Übergangsjahren zu den Contendern zählen. Das gegenwärtige Clemson gehört dazu.
2017 Stats
Siege 12-2 AP final #4 Pass-Off 6.2 NY/A #73 Run-Off 5.3 YPA #43 Pass-Def 4.6 NY/A #4 Run-Def 4.0 YPA #8
2018 Outlook
Preseason FPI #1 Schedule FPI #15 Conference Odds 7:3 National Title Odds 7:2
#2 – Clemson hat eine Defensive Line, die sich der College Football bislang nur ausmalen konnte. Gleich drei potenzielle 1st-Rounder verzichteten im Winter auf den möglichen Gang in die NFL: DT Christian Wilkins, DE Clelin Ferrell und DE Austin Bryant blieben alle ein letztes Jahr am College. Dieses Trio bildet gemeinsam mit dem sensationellen DT Dexter Lawrence die gefürchtetste Defensive Line im College Football.
Sie sind jedoch bloß die Headliner: Wilkins als der unnachgiebige Motor, Lawrence als nicht von der Seite zu bewegender Brecher, der ranke Ferrell mit seinen langen Armen und der ultraexplosive Bryant. Die Tiefe hinter diesem Quartett gilt als so brillant, dass Experten selbst den zweiten Anzug der Clemson-DL als eine Top-10 Unit im College Football betiteln: Leute wie DT Albert Huggins, DT Nyles Pinckney, DE Xavier Kelly oder DE Justin Foster gelten alle als künftige NFL-Picks, müssen sich in Clemsons 2018er Ausgabe aber noch hinten anstellen.
#3 – Clemson kam 2017 mit durchschnittlichem Quarterbacking in die Playoffs. Jetzt kommt der QB-Battle. QB Kelly Bryant hatte 2017 die fast unlösbare Aufgabe, den atemberaubenden Deshaun Watson zu beerben – und er löste sie zur allgemeinen Zufriedenheit ganz solide. Ohne zu glänzen – aber auch ohne grobe Bolzen. Die von Bryant angeführte Pass-Offense war mit 6.2 NY/A zwar nur die #73 im Lande, aber das gegen einen richtig schweren Schedule mit u.a. Auburn, Alabama, Boston College, FSU und Miami/FL im Schedule.
Bryant war nicht nur ein okayer Werfer, er brillierte vor allem als Leading-Rusher der Tigers. Das einzige Problem: Clemson hatte kaum tiefes Passspiel – man war nur die #119 im Lande nach explosiven Plays. Das rächte sich spät – aber es rächte sich: Gegen Alabama, im Semifinale, als die Offense keinen Stich machte.
Dass Bryant 2018 trotz einstweiliger verbaler Zusage als Starting-QB durchziehen kann, steht nun keineswegs auf einem Blatt Papier geschrieben. Denn Clemson zieht im Hintergrund schon Bryants Nachfolger heran: Den Freshman-QB Trevor Lawrence, der einen Hype abkriegt wie zuletzt vor zehn Jahren Tim Tebow. Lawrence sieht mit seiner blonden Mähne und seinen müden Augen aus wie ein bekiffter Hippie, ist aber gesegnet mit einem Wurfarm vor dem Herrn und gilt als bestes QB-Prospect am Markt seit zehn Jahren.
Also – zusammengefasst: Die Clemson-Defense, 2018 nach Anpassung an den Schedule die #2 im Lande, bringt praktisch alle Leistungsträger zurück, verstärkt durch Top-Recruits aus der Hinterhand. Und in der Offense drängt das größte QB-Talent seit Jahren auf den Stammplatz des nicht schwachen Vorjahres-QBs.
Doch vor allem im letzten Punkt liegt auch das Risiko: Ein Freshman-QB ist immer eine Unbekannte, und ein Kelly Bryant wird immer für Deckelung des „Ceilings“ sorgen. Eine schwelende QB-Kontroverse über die komplette Saison wäre just das, was Clemson 2018 nicht gebrauchen kann.
Da hilft dem Coaching-Stab vermutlich nur eines: Verstärkt Laufspiel über die Jungspunde RB Tavien Feaster, den explosiven RB Travis Etienne und Freshman-Back Lyn-J Dixon zu schicken. Laufspiel war die letzten Jahre in Clemson meist nur komplementäre Strategie zum erfolgreichen Passspiel, doch es könnte bis zu den Playoffs die bessere Strategie sein.
Schedule
- Woche 2 @Texas A&M (FPI #19)
- Woche 6 @Wake Forest (#45)
- Woche 8 vs NC State (#42)
- Woche 9 @Florida State (FPI #18)
- Woche 10 vs Louisville (FPI #35)
- Woche 11 @Boston College (#34)
- Woche 12 vs Duke (#30)
- Woche 13 vs South Carolina (#28)
Der Blick auf den Spielplan verrät: Clemson hat keinen Top-15 Gegner in seinem Schedule, aber acht Mannschaften zwischen 15 und 45. Das summiert sich zu einem Herbst, in dem Clemson in jedem einzelnen Spiel favorisiert ist, aber es gibt ausreichend Stolpersteine, als dass man eine Perfect-Season erwarten sollte. So strauchelten die Tigers in den letzten Jahren zum Beispiel gegen vermeintliche Durchschnittstrupps wie Pitt oder Syracuse.
Kein Ansturm auf die Playoffs wird ein Spaziergang. Clemson ist allerdings neben Alabama die sicherste Playoff-Wette, die man im heurigen Sommer abschließen kann: Selbst wenn es offensiv nur durchschnittlich wird, so muss erst einmal eine Offense gefunden werden, die Clemsons Abwehrbollwerk zu knacken imstande ist.
Der ACC-Titel führt über Clemson. Und diesmal ist man theoretisch besser aufgestellt um in den Playoffs dem großen Rivalen Alabama Paroli bieten zu können.
Wie immer ein guter Überblick. Einzig eine Sache möchte ich korrigieren:
„#1 – Clemson hat unter Head Coach Brent Venables einen Status wie vielleicht nur noch Alabama erreicht.“
Brent Venables ist der DC, HC ist Dabo Swinney.
Natürlich richtig, ist ausgebessert.
Ich freu mich als Tigers Fan wahnsinnig auf die Saison. Wenn Trevor Lawrence einschlägt – und das Spring Game und die Berichte vom Training lassen das vermuten – und die überragenden WR richtig gefüttert werden, dann geht der Titel nur über Clemson.
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