Trainerkarussell 2019: Cincinnati und Miami machen es offiziell

Letzte zwei offene Cheftrainer-Posten in der NFL sind besetzt. Die Spatzen pfiffen die Besetzungen seit Wochen von den Dächern.

Die NFL geht damit mit stark verändertem Trainerbild in die nächste NFL-Saison (über die anderen Moves habe ich vor Wochen geschrieben). Mike Clay hat die Aufstellung bei Twitter gepostet.

Lass uns mal auf die beiden letzten offiziell bekannt gegebenen Headcoach-Anstellungen blicken.

Cincinnati Bengals 

Cincinnati Bengals – Zac Taylor, bislang QB-Coach der Rams. Seit Wochen wird gewitzelt, dass die NFL im Jahr 2019 jeden Bekannten von Sean McVay, der bei drei nicht auf dem Baum ist, zum Head Coach bestellt. Taylor ist nur die krasseste Ausprägung dieser Entwicklung, die zuletzt schon Matt LaFleur einen Cheftrainerposten (in Green Bay) brachte und McVays Brother-in-Mind Kingsbury nach Arizona verschlug.

Jeder will seinen McVay. Das erinnert an Zeiten, in denen jeder seinen Belichick wollte, oder jeder seinen Andy Reid. Jetzt will jeder seinen Kuchen am Offense-Scheme von Sean McVay, während der fast identisch gepolte Gary Kubiak in Denver nach wenigen Tagen wieder zum Teufel gejagt wurde, nachdem klar wurde, dass Kubiak keinen direkten Kontakt mit McVay hatte.

Was Taylor als Coach ausmacht, ist völlig unklar. Er war QB-Coach unter McVay, der in Los Angeles als Alleinunterhalter der Offense galt, vom Spielsystem („Basis allen Handelns ist der Play-Action Pass“) bis zum Biegen des Franchise-QB Goff alles miterlebt hat. Das Schlüsselwort hierbei könnte sein: „Miterlebt“. Zugeschaut. Doch was hat Taylor aktiv beigetragen? Wie weit war Taylor mit eingebunden in das Big-Picture? Ist er selbst mit auf die Fresse geflogen, oder kam immer, wenn es anflugweise kritisch wurde, schon Kumpel McVay des Weges um den Schaden zu minimieren?

Was an der Taylor-Anstellung auch gehobene Augenbrauen hervorruft: Der Def-Coord Posten in Cincinnati ist der einzige HC/Coordinator-Posten in der NFL, der noch nicht besetzt wurde. Was haben die Bengals, die seit Wochen wussten, dass Taylor ihr „Neuer“ wird, in der Zwischenzeit getrieben? Ein Fiasko wie Colts 2018 vermeiden wollen, wo der DefCoord bleiben musste, obwohl McDaniels die mündliche Zusage brach?

Die Taylor-Anstellung hat eigentlich viele Ingredienzien, schief zu gehen. Was ist also greifbar an der Vorstellung, dass es mit Taylor trotzdem gut gehen kann?

  • Wir haben oft gesehen: Bei Traineranstellungen weiß man nie…
  • Cincinnatis Owner Mike Brown hat viel Geduld und sportlich nicht die höchsten Ambitionen. Ein einziger Playoffsieg wäre schon als Erfolg zu werten – und Brown würde das auch als Lifetime-Achievement werten.

Wer mehr als zwei Pfifferlinge darauf wettet, dass Taylor die Bengals zum Erfolg führen kann, der hebe die Hand.

Miami Dolphins

Miami Dolphins – Brian Flores, im letzten Jahr Defensive Coordinator in New England. Flores ist eine relative Unbekannte, was zu einem bestimmten Grad für jeden langjährigen Belichick-Assistenten gilt: Es ist nicht ganz klar, welchen Anteil zum Erfolg sie leisten, wenn der brillante Belichick sowohl die große Richtung vorgibt als auch sich ins Tagesgeschäft einmischt.

Flores ist damit ein ähnliches Thema wie letztes Jahr Matt Patricia, der von den Lions angestellt wurde, oder wie ein Jim Schwartz, oder wie früher Charlie Weis oder Romeo Crennell oder Eric Mangini. Niemand zweifelt daran, dass sie alle hervorragende Coaches sind, denn Belichick duldet kein Mittelmaß in seiner Mannschaft.

Doch das Problem am Replizieren von Belichicks Erfolg ist nicht das Coachen für sich. Es ist das Kreieren der Kultur, die Belichick in Foxboro geschaffen hat. Belichick gibt alle Leitlinien vor, die Mannschaft und Trainerteam auf Kurs trimmt, er beherrscht das Front-Office ebenso wie das tägliche Trainingsbrot. Er lässt seinen Assistenten Autonomie, doch nur in einem Rahmen, der keine Leitlinien verletzt, sondern auf Detailebene den Erfolg maximiert.

Du kannst als jahrelang aufmerksam beobachtender Co-Trainer versuchen, woanders die gleichen Prinzipien zu implementieren. Doch a) kannst du dieses Gespür aufbringen um die Feinheiten zwischen Disziplin-Nazi und Freiheiten lassen zu schusseln, b) kannst du den Überblick behalten und c) hast du das Glück, dass dich dein Owner machen lässt, auch wenn sich nicht sofortiger Erfolg einstellt, weil du gerade keinen Franchise-QB im Team hast?

Crennell oder Weis sind an derartigen Problemen gescheitert. Schwartz war in Detroit überfordert, weil er nicht den Überblick behalten konnte. Mangini oder McDaniels flogen auf die Fresse, weil sie sich wie die Allwissenden benahmen, die sie nicht waren (vulgo: wie Arschlöcher). Ein Bill O’Brien rettet sich in Houston, weil er so viele Superstars im Kader hat wie keine anderes Team.

Patricias erstes Jahr bei den Lions verlief annähernd den Erwartungen: Teilweise brillante Coaching-Leistungen wie beim Auseinandernehmen der Patriots oder beim Liefern der Blaupause für den Superbowl-Gameplan gegen die Rams, die das Maximum aus dem limitierten Kader herausholten, aber auf der anderen Seite eine maue 6-10 Bilanz nebst (erwartbaren) Schwierigkeiten in der Außendarstellung in Richtung Fans und Medien, die schlechtere Stimmung als nötig brachten und schnell dazu führten, dass Patricia nach den ersten Problemen schon schwer angeschossen ist und sich keine weitere Losing-Season zum Überleben leisten kann.

Wo ist Brian Flores einzuordnen? Ich gebe zu, ich habe keine Ahnung. Ich kann nichts an Flores greifen, außer dass die Defense-Gameplans der Patriots dieses Jahr (Jahr 1 nach Patricia, übrigens…) hervorragend waren und einen wesentlichen Beitrag zum sechsten Ring beisteuerten. Doch was trug er dazu bei, welche Schwierigkeiten musste er dabei meistern, die nicht von Belichick bereits im Vorfeld unterdrückt worden waren?

Immerhin: Das Profil von Pete Thamel auf Yahoo-Sports beschreibt einen bescheidenen Mann, der sich aus ärmlichen Verhältnissen dank der 20/20/20 Regel (20 Jahre alter Junge arbeitet für 20k Jahresgehalt 20 Stunden am Tag in New England) nach oben arbeitete. Kein arroganter Schnösel wie Mangini oder McDaniels, sondern ein solider Knabe as der zweiten Reihe.

Flores ist Schwarzer. Schon allein deshalb wünsche ich mir einen erfolgreichen Flores. Mit etwas Glück überlebt Flores die ersten zwei oder drei Jahre bis zum Abgesang in New England, bekommt seinen Franchise-QB und hat hernach freie Bahn in der AFC East um Erfolge zu finden.

Aber Flores ist eben auch Belichick-Assistent, und die Historie ist nicht überwältigend. Noch viel schlimmer: Er ist nach Miami gegangen, ein Grab selbst für ambitionierte Trainer. Ein Ort, an dem nicht einmal Nick Saban aufräumen konnte.

Miami ist neben dem Al-Davis Oakland und dem Cleveland der letzten Jahre vielleicht der ungünstigte Ort um als Headcoach zu arbeiten (wir könnten noch Washington in die Trommel werfen, wo trotz Trainerstab mit beiden Shanahans, McVay und LaFleur kein nachhaltiger Erfolg eingefahren wurde). Zu sehr lechzt der Owner in Miami danach, sich mit überteuerten Stars im Rampenlicht zu sonnen, zu hoch schätzt der Owner woanders gescheiterte Ja-Sager im Front-Office, die ihm jeden Wunsch von den Lippen ablesen, zu stark hängt den Dolphins das Image nach, Pensionistenstätte für abgehalfterte Altstars zu sein, die einen letzten fetten Scheck und viel Sonnenschein auf den Stränden von Miami Beach genießen wollen.

Die Liste der in Miami Gescheiterten ist lang. Die Liste der enttäuschenden Belichick-Jünger ist lang. Ich kann aber zwei Gründe anbieten, trotz allem an Flores zu glauben: Die GM-Versager Tannenbaum/Ireland wurden zum Teufel gejagt, der Neue ist Chris Grier, ein starker Scout. Und Miami steht kurz davor, den ewig auf de Durchbruch wartenden QB-Problemfall Ryan Tannehill zu entlassen. Die Debütsaison für Flores wird sicher kein Knaller – aber es besteht zumindest personell die Chance, dem Teufelskreis des Mittelmaßes zu entkommen.

Theoretisch ist Miami kein guter Ort für einen Coach. Die Wetten stehen nur mäßig gut für Flores. Aber wenn man in Miami in den letzten 20 Jahren jemals eine Chance hatte, dann jetzt.

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Ein Kommentar zu “Trainerkarussell 2019: Cincinnati und Miami machen es offiziell

  1. Flores hat wohl als einziger HC einen Vertrag bekommen der über 5 Jahre läuft und nicht wie die anderen 4+1. Dazu kommen die Gerüchten das Miami diese Saison wohl tanken will, vermutlich um sich einen neuen QB im Draft nächstes Jahr zu hohlen.
    Warum überzahlt der Owner eigentlich Stars? Florida hat doch keine Einkommenssteuer, also würden diese selbst mit weniger Geld als bei anderen Teams mehr in der Tasche haben. Sofern sie nicht darauf bestehen auf dem Papier der höchstbezahlte Spieler zu sein.
    Wenigsten die Chancen für einen Sieg gegen die Patriots stehen gut, Ex-Coach von BB und die Dolphins sind keine gute Kombi.
    Mal schauen was er aus dem Team mittelfristig macht, ich halte ihn für die interessantere Einstellung als Zac Taylor.
    Der war aber schon mal OC (2015 in Miami und 2016 bei den Cincinnati Bearcats (College)), damit bleibt Andy Reid der letzte Coach der ohne jemals OC gewesen ist zum HC wurde.

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