Eine kleine Geschichte der Salary-Cap

Die Gehaltsobergrenze für Spielergehälter („Salary Cap“) gehört zu den wesentlichsten Eckpfeilern der NFL-Erfolgsgeschichte der letzten 30 Jahre. Sie garantiert relative Chancengleichheit und hält somit auch das Interesse an erfolglosen Mannschaften hoch. Doch nicht nur, weil sie theoretisch für gleiche Ressourcen-Verteilung sorgt, ist die Salary-Cap ein wichtiger Faktor: Das Management der Salary-Cap hat sich über die Zeit zu einem wesentlichen Wettbewerbsfaktor in der NFL entwickelt. Schlaue Teams können sich auf Jahre einen Vorteil verschaffen.

Die Anfänge der Salary-Cap

Wie Jason Fitzgerald/Over The Cap und Vijay Natarajan in ihrem Buch „Crunching Numbers“ erklären, muss man, um die Grundsteine der Salary-Cap zu finden, irgendwann im Jahr 1989 graben, als sich unter den NFL-Spielern (NFLPA = NFL Player Association) Widerstand gegen die damals aktive „Plan B Free Agency“ regte.

Die NFLPA entschloss sich kurz darauf, eine Sammelklage gegen das ihrer Meinung nach unfaire und ungesetzliche Blockade-System der damaligen NFL zu formulieren: Die Teams durften unter „Plan B“ damals 37 Spielern im Kader eine Transfersperre auferlegen, die es erlaubte, jedes Konkurrenzangebot auf dem Transfermarkt mit einem eigenen Angebot zu matchen und den Spieler gegen dessen Willen zu behalten.

Die NFLPA reichte die Kartellklage schließlich 1992 ein – und gewann! Das war die Wegbereitung für das neue CBA („Collective Bargaining Agreement“) von 1993. In diesem Kollektivvertrag wurde schließlich die Schaffung der Free-Agency unter Einhaltung einer neu eingeführten, harten Salary-Cap beschlossen.

„Hart“ bedeutet dabei: Kein Team kann die fixierte Gehaltsobergrenze überschreiten. Damit unterscheidet sich die NFL von anderen US-Profiligen wie z.B. der MLB, in denen die Salary-Cap durchaus gegen Bezahlung einer „Luxury-Tag“ geknackt werden darf. Die NFL bestand auf eine harte Salary-Cap um den angestrebten ausgeglichenen Wettbewerb in der Liga zu wahren.

Die Salary-Cap konnte man fortan als das Finanz-Budget jeder Franchise für den Spielerpool bestehen. Jeder Spieler mutierte von einem reinen Athleten zu einer Ressource, die gegen dieses Budget anschrieb. Die erste Version der Salary Cap inkludierte auch bereits den famosen Signing Bonus, das Handgeld, das ein Spieler per Sofort-Zahlung einstrich, das die Mannschaften aber über die Vertragslaufzeit wie eine Anlage abschreiben konnten.

Lernen, mit der Salary-Cap umzugehen

Der Modus der Salary-Cap wurde zu Beginn in zweijährigem Rhythmus angepasst und verfeinert (1996, 1998, 2000), ab dem Jahr 2002 zum ersten Mal als vierjährige Berechnungsgrundlage. Immer wieder legten findige Teams und Spieleragenten Schlupflöcher offen, im Zuge dessen über die Jahre verschiedene Anpassungen an der Salary-Cap Struktur vorgenommen wurden. Die wesentlichsten Anpassungen dabei waren Begrenzungen an Abschreibungen (maximal auf fünf Jahre) und permanentes Doktern an den stets aus dem Ruder zu laufen drohenden Rookie-Gehältern.

Die Gehaltsobergrenze wuchs über die Jahre beständig – man kann die Explosion der Popularität der NFL in den letzten 20 Jahren in etwa an der Entwicklung der Salary-Cap ablesen:

Jahr   Salary Cap   Zuwachs
1994    34.6 Mio   
1995    37.1 Mio    +2.5 Mio
1996    40.7 Mio    +3.6 Mio
1997    41.4 Mio    +0.7 Mio
1998    52.4 Mio   +11.0 Mio
1999    57.3 Mio    +4.9 Mio
2000    62.1 Mio    +4.8 Mio
2001    67.5 Mio    +5.2 Mio
2002    71.1 Mio    +3.6 Mio
2003    75.0 Mio    +3.9 Mio
2004    80.6 Mio    +5.6 Mio
2005    85.5 Mio    +4.9 Mio
2006   102.0 Mio   +16.5 Mio
2007   109.0 Mio    +7.0 Mio
2008   116.0 Mio    +7.0 Mio
2009   123.0 Mio    +7.0 Mio
2010   uncapped
2011   120.0 Mio    -3.0 Mio
2012   120.6 Mio    +0.6 Mio
2013   123.0 Mio    +2.4 Mio
2014   133.0 Mio   +10.0 Mio
2015   143.3 Mio   +10.3 Mio
2016   155.3 Mio   +12.0 Mio
2017   167.0 Mio   +11.7 Mio
2018   177.2 Mio   +10.2 Mio
2019 ca. 189 Mio   +ca. 12 Mio

Der Bruch in der Struktur kam mit dem CBA von 2006, dem ersten Sechsjahresdeal im CBA, in dem sich der damalige NFL-Commissioner Paul Tagliabue dazu hinreißen ließ, der NFLPA diverse Zugeständnisse zu machen, im Zuge dessen die Salary-Cap zu explodieren drohte. Im Jahr 2009 hatte die NFL eine Salary-Cap von 123 Mio. Dollar erreicht, mit der Aussicht auf weiteren Steigerungen im Bereich von ca. 7 Mio/Jahr.

Der Lockout 2011

Die NFL-Owner erkannten das Problem am CBA 2006 schon nach zwei Jahren und zogen zum ersten möglichen Zeitpunkt im Jahr 2008 die Ausstiegsklausel. Das führte zum Cap-befreiten Jahr 2010 und zum anschließend folgenden „Lockout“ der NFL-Spieler im Jahr 2011 – jenen Lockout, bereits geführt von Tagliabues Nachfolger Roger Goodell, hatte ich auf diesem Blog in mehreren Einträgen en detail nachgezeichnet:

Tagliabue hatte über viele Jahre als hervorragender Jurist und Commissioner gegolten, doch seine Verhandlungsstrategie beim CBA 2006 kostete ihn sowohl seinen Job als auch die Chance, in die Pro Football Hall of Fame gewählt zu werden – Vorwurf: Zu einseitig sei sein CBA-Entwurf in Richtung der Spieler ausgefallen.

Das CBA 2011

Die CBA-Verhandlungen 2011 gestalteten sich am Ende sehr „Owner-freundlich“. Nicht bloß erreichten die Owner eine Deckelung der Salary-Cap (auf zunächst 120 Mio/Jahr auf mehrere Jahre). Sie führten auch eine Rookie-Cap für Rookie-Verträge und die Verpflichtung, nur 89% des Cap-Mittelwerts als Cash auszubezahlen (über zwei Vierjahres-Perioden 2013-2016, 2017-2020).

Doch immerhin: Seit 2011 wird der Cap-Floor (also das Minimum, das Teams auszahlen müssen) nicht mehr an der Cap-Zahl, sondern am effektiv ausgezahlten Cash, berechnet. Und der Cash fließt natürlich stets früher als die Abschreibungen, die auf Jahre aufgeteilt werden. Ebenso besonders am CBA von 2011 war auch seine lange Gültigkeit: 10 Jahre!

Als Folge blieb die Entwicklung der Salary-Cap erstmal hinter der aus dem CBA 2006 hervorgehenden Entwicklung zurück: Wäre es mit der Steigerung von ca. 7 Mio/Jahr auch nach 2009 weitergegangen, hätte die NFL ca. folgende Salary-Cap durchschleifen müssen:

2010 – ca. 127 Mio.
2011 – ca. 134 Mio.
2012 – ca. 142 Mio.

Doch dank der neuen Formel aus dem CBA 2011 blieb die Salary-Cap bis 2013 recht konstant bei „nur“ 120-123 Mio/Jahr. Doch da sich die NFLPA 2011 auch in das CBA schreiben ließ, dass die Salary-Cap proportional zur Entwicklung der TV-Umsätze der NFL verlaufen musste und dass der Minimum-Spending Floor am Cash-Flow, nicht an den effektiven Cap-Zahlen gebunden war, mussten Teams zumindest die Cap relativ gut ausnutzen – und seit 2014 steigt die Cap Jahr für Jahr um 10-12 Mio/Jahr.

Trotzdem: Die nicht adjustierte, NFL-weit gültige Salary-Cap wird 2019 bei geschätzten 189 Mio Dollar liegen. Selbst wenn wir annehmen, dass die Salary-Cap trotz explodierender Umsatzzahlen der NFL auch nach 2009 weiter mit „nur“ 7 Mio/Jahr gestiegen wäre, so wären wir bei linearer Fortschreibung der alten Cap-Entwicklung (blaue Linie, ab 2010 gestrichelt) bis heute noch immer über der effektiven Cap-Entwicklung (orange):

NFL Salary Cap Entwicklung 1994-2019

Die Grafik verdeutlicht, wie brutal sich die NFLPA 2011 übers Kreuz legen ließ! Warum sie das zuließ? Nun, ein Großteil der Gehaltseinbußen ging auf Kosten der Rookies, die freilich kein Mitspracherecht hatten oder haben… Immerhin verläuft die orange Kurve seit 2014 steil.

Doch auch mit 10-12 Mio. Steigerung pro Jahr bleibt die gegenwärtige Salary-Cap ein Gewinn für die Owner: Sie sparten allein seit Einführung des CBA 2011 geschätzt mindestens 150, vielleicht über 200 Mio Salary-Cap pro Team (mal 32 sind wir schnell bei fünf oder sechs Milliarden Dollar!).

Die momentan rasant ansteigende Cap-Zahl ist auf der anderen Seite aber auch ein Segen für Teams, die sich vor 6-7 Jahren in der „Cap-Hölle“ befanden – Teams wie die Saints, Raiders oder etwas abgeschwächt auch Lions (die z.B. 2015 DT Ndamukong Suh ziehen lassen mussten, weil sie ihn nicht mehr verantwortungsbewusst unter die Salary-Cap pressen konnten).

Wohin wird die Reise gehen?

Bis zum Ende der aktuellen CBA-Periode nach der Saison 2020 ist nicht mehr weit – es werden bereits auf Spieler- wie Owner-Seite die Messer gewetzt für den nächsten Tarif-Kampf. Dass es erneut größere Änderungen an der Cap-Struktur geben könnte, ist nicht auszuschließen – schließlich haben NFL wie NFLPA mit jedem Jahr neue Erkenntnisse zum Thema gewonnen.

Die exakte Formel zur Berechnung der Salary Cap liegt weiterhin nicht offen, doch es gibt ganz gute Schätzwerte, sodass Teams bis zur Bekanntgabe der effektiven Cap-Zahl kurz vor Start des neuen Liga-Jahres (NFL-Neujahr ist um den 10ten März herum) bereits Monate im Voraus auf 2-3 Mio. hin präzise planen können.


Cap-Management war auf diesem Blog bislang nur beiläufig ein Thema (man kann die meisten Einträge zum Vertragsmanagement unter dem Tag „NFL Salary Cap Management“ nachlesen), doch das wollen wir in den nächsten Tagen und Wochen ändern. Wir haben nun ein bissl was über die Geschichte der Salary-Cap gelernt. In Kürze hoffen wir, uns schlau über weitere Details machen zu können.

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13 Kommentare zu “Eine kleine Geschichte der Salary-Cap

  1. Guter Eintrag und dass ihr euch weiter der Thematik widmen wollt, kann ich persönlich nur begrüßen. Ich bin gespannt

  2. Lockouts sind immer möglich wenn CBA-Verhandlungen anstehen. Und gerade bei den nächsten geht es um noch mehr als sonst, weil – wie im Artikel oben bestens skizziert ist – die Spieler das letzte Mal ziemlich über den Tisch gezogen wurden. Das haben die NFLPA-Reps nicht vergessen – und es gibt ja einige weitere gewichtige Streitpunkte mit den Ownern (Stichwort Kaepernick & Co). Und angesichts dessen, dass Goodell jetzt auch keine Beliebtheitswettbewerbe gewinnt könnte ich mir auch gut vorstellen, dass sich an seiner Person einiges aufreiben wird. Spannend wird es auf jeden Fall.

  3. anderseits gibt es ja momentan eher zu viel Geld als zu wenig. also könnte es durchaus sein, dass die Owner ein bisschen der eingesparten Milliarden an die Spieler geben und alle glücklich sind?!

  4. Super, dass du/ihr das Thema in den nächsten Wochen der langweiligen Offseason näher beleuchten wollt. Finde ich hochspannend!

  5. @Philipp S.: Goodell wäre sicher beliebter, wenn er als konservativer Sesselpuper (der die Liga kommerzialisiert) kein Vielfaches seiner Untertanen verdienen würde. Wobei die Untertanen ihre Gesundheit ruinieren. Ich würde Goodell gönnen, dass sie es ihm richtig schwer machen beim nächsten CBA. Oder ihn abservieren.
    @Nesro: Ich bin mir nicht sicher, ob die Owner-Milliardäre auch nur auf einen Cent verzichten würden. Sie sind nicht zufällig Milliardäre. 😉

  6. PS: Nesro, man könnte Deine ehrenwerte Idee auch auf Textilfirmen und Billiglohnländer beziehen. Oder auf UNS und die ärmere Hälfte der Menschheit. Es wäre wünschenswert, läuft aber aktuell umgekehrt. Ausbeuten, Mauer bauen. (sorry, offtopic, aber es passte so gut 😀 )

  7. Sind nicht die NFL-Owner sowieso am längeren Hebel, weil die TV-Verträge auch bei Saisonausfall volle Zahlungen garantieren? Im Notfall könnten sie langfristig den Ausfall einer Saison riskieren. Das wissen die Spieler und werden wieder einknicken.

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