Offensive Liner – Die Stärke liegt im Kopf, nicht in den Muskeln

Am Freitag beginnen die Combine-Workouts, und die erste Positionsgruppe betrifft die Offensive Liner (un Runningbacks, die ich morgen anschaue). Premium-Position auf Offensive Line ist der Offensive Tackle – es gibt kaum ein Jahr, in dem kein Offensive Tackle in den Top-10 vom Board geht, und auch 2019 soll ein starkes Jahr für diese Beschützer der Franchise-QBs sein.


Offensive Tackle ist eine faszinierende Position. Es gibt kaum Messwerte, anhand denen man die Leistung eines Tackles bewerten kann. Lies einen Scouting-Report eines höher gerankten Prospects und du kennst den Inhalt jedes Prospects. Was ich besonders erstaunlich finde: Offensive Tackles hoch zu draften, wird gerne als „safe pick“ bezeichnet. Das ignoriert die fatale Quote von Offense Tackles, die hoch in der 1ten Runde gezogen werden!

2018 war Mike McGlinchey, der als #25 Tackle von PFF einen akzeptablen, wenn auch keinen richtig dominanten, Einstieg in die NFL hatte.

Der erste Offense Liner vom Board 2017 war Garrett Bolles an #20, letzte Saison der #35 Tackle nach PFF.

2016 waren die hohen Tackle-Picks Ronnie Stanley auf #6, Jack Conklin auf #8 und Laremy Tunsil auf #13. Nur Stanley ist nach drei Jahren ein Top-20 Offense Tackle nach OFF.

2015 sah in Brandon Scherff an #5 den höchstgedrafteten Tackle auf Guard umschulen, in Ereck Flowers an #9 einen der schlechtesten Starting-Tackles der NFL, der für einen niedrigen Draftpick nach Jacksonville verkauft wurde, und in Andrus Peat an #13 einen Tackle, der zuletzt als #77 Offensive Guard von PFF gelistet wurde.

2014 war Greg Robinson auf #2 der erste Tackle. Robinson war ein Bust in St Louis und später Detroit. Der #6 Pick jenes Jahres war Jake Matthews, der sich nach desaströser Rookiesaison zu einem brauchbaren Starting-Tackle entwickelte.

2013 gingen drei Offense Tackles in den ersten vier Picks: Eric Fisher auf #1 brauchte viele Jahre um ein halbwegs vernünftiger Tackle zu werden, Luke Joeckel als #2 war ein kompletter Bust, nur Lane Johnson auf #4 entwickelte sich zu einem soliden Starter. (Die Top-10 Guards in jenem komischen Draft waren übrigens Jon Cooper auf #7 und Chance Warmack auf #10, beides Draft-Busts.)

2012 war Matt Kalil die #4 im Draft – in Minnesota jagte man ihn letztes Jahr zum Teufel, in Carolina würde man ihn am liebsten ersetzen.

2011 war die Ausnahme mit Tyron Smith als #9. Er wurde ein All-Pro.

2010 gingen mit Trent Williams auf #4, Russell Okung auf #6 und Anthony Davis auf #11 drei Tackles hoch. Williams wurde ein Star, die anderen beiden hatten Achterbahn-Karrieren.

2009? Jason Smith als #2 gilt als All-Time Bust, Andre Smith auf #6 brauchte einige Jahre um sich auf solidem Niveau einzupendeln, Eugene Monroe, der Tackle an #8, wurde nach einigen Jahren für 4th und 5th Rounder nach Baltimore verkauft.

Die Erfolgsquote für hohe Picks ist also bestenfalls mau – und wer „desaströs“ sagt, übertreibt nur wenig – und wirft kein gutes Bild auf das Scouting von Offensive-Tackle Prospects.

Zeus spricht

Einen interessanten Einblick in das Seelenleben und die Qualitäten in einem Offensive Tackle gab vor einigen Tagen der Offensive Tackle der Baltimore Ravens, Orlando Brown jr. – genannt „Zeus“ – der letztes Jahr als physischer Freak nach einer allerdings desolaCombine in der 3ten Runde gedraftet wurde und einen passablen Einstand in der NFL hatte (#47 Offensive Tackle nach PFF in limitierter Einsatzzeit).

Brown argumentiert in einem ausführlichen Twitter-Thread, den ich zum Nachlesen hier verlinke und ausdrücklich empfehle, wie folgt:

Offensive Line ist nicht einfach zum Bewerten. Jeder glaubt, die besten Blocker sind die besten Athleten. Aber Offensive Line ist mindestens gleich viel Kunstform wie Sport: Du kannst mit völlig verschiedenen Tools und Fähigkeiten zum Erfolg kommen.

Aber du musst dafür deinen Körper verstehen und deine Fähigkeiten optimal einsetzen. Offensive Line kann man spielen, indem man sich in eine bestimmte Position begibt und darauf reagiert, was die Defense macht. Man kann aber auch von Anfang an die Winkel, in denen man blockt, vortäuschen und mit subtilen kleinen Tricks Verteidiger aushebeln, weil man versteht, ja „fühlt“, wo sich der eigene Quarterback befindet. Für beides gibt es keine Zahlen zum Quantifizieren. Man hat keine vernünftigen Metriken um zu messen, wie der Blocker auf Moves reagiert und wie er Linebacker im 2nd Level angreift.

Diese deine Fähigkeiten zu verstehen, ist wichtiger als quicke Füße zu haben und sich am elegantesten zu bewegen. Du musst deine Waffen kennen. Ich (Zeus) zum Beispiel habe lange Arme. Ihre Hebelwirkung hilft mir, wenn ich ins Hintertreffen gerate – weil ich das weiß, kann ich Blocks von Anfang an anders angehen.

Viele Offense Liner vertrauen allein auf ihre super Athletik anstatt sich eine Basis-Technik zu erarbeiten, ein Repertoire, aus dem man in allen erdenklichen Situationen schöpfen kann. Defense Liner von heute sind zu smart um sich von reiner Athletik aushebeln zu lassen. Sie verstehen, wenn sich ein Offense Liner nur auf Athletik verlässt – und kontern ihn aus, lassen ihn ins Leere laufen.

Viele Offense-Line Prospects werden nach der Combine abgeschrieben sein, weil sie keine sensationellen athletischen Werte auffahren, weil sie nicht die besten Messwerte haben und nicht die meisten Bench-Press Reps haben.

Aber das ist zu kurz gegriffen. Schau auf ihr Tape, schau darauf, wie sie ihre Blocks setzen, welche Fähigkeiten aus ihrem Repertoire sie in verschiedenen Situationen einsetzen um der Defense einen Schritt voraus zu sein. Kein Offense-Line Prospect ist automatisch abzuschreiben, nur weil er nicht der Superstar-Athlet ist.

Und dabei hat Zeus noch überhaupt nicht über einen weiteren wesentlichen Punkt der Offense Line gesprochen: Die vielen verschiedenen Scheme-Kniffe, die die Position bietet. Je nachdem ob du Power-Blocking oder Zone-Blocking spielst, sind völlig unterschiedliche Mind-Sets und Skills notwendig.

Fun Fact: Offensive Liner erzielen seit vielen Jahren im Intelligenz-Test der NFL, dem Wonderlic-Test, mit den höchsten Durchschnittswert. Als so unbrauchbar der Test in vielen Kreisen gilt: Das zeigt, dass an dieser auf den ersten Blick so physisch dominierten Position eine hohe mentale Komponente dabei ist. Liner müssen in Sekundenbruchteilen Defense-Moves erkennen und darauf reagieren. Sie müssen vor uns nach dem Snap stets im Bilde sein, ansonsten werden sie zum Pfannkuchen geplättet.

Siehe beim Thema Offensive Line auch meinen Eintrag zu Dante Scarnecchia nach der Superbowl: Dem Geheimnis der Patriots-Offensive Line auf der Spur.

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Ein Kommentar zu “Offensive Liner – Die Stärke liegt im Kopf, nicht in den Muskeln

  1. Pingback: Offensive Line im NFL-Draft 2019 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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