Free Agency 2019 – Tag 3: Earl Thomas unterschreibt in Baltimore

Das neue Liga-Jahr ist seit gestern Abend 22h00 offiziell eröffnet. Die in den letzten Tagen diskutierten und verabschiedeten Deals werden damit auch offiziell durchgewunken. Gestern ist auch der letzte Top-Free Agent über den Tisch gegangen.

Doch auch wenn die Top-Free Agents mit ihren Monsterverträgen für die großen Schlagzeilen sorgen: Allgemeiner Tenor unter den Analytics-Guys ist, dass die schlauen Teams erst ab jetzt in die Free Agency einsteigen. Die besten Prospects sind gleichzeitig auch die begehertesten, teuersten. Sie gehen häufig über Marktpreis über den Tisch.

Die „schlauen“ Teams warten ab, bis sich die erste Shopping-Wut gelegt hat und zahlen dann die marktüblichen, niedrigeren Preise für die 2te Klasse Free Agents, die noch zu haben sind. Diese Free Agents füllen Kaderlücken auf. Blutauffrischung erfährt der Kader von Topteams wie New England dann über Zillionen Draftpicks, wo nicht nach „Need“, sondern nach „Best Player“ gedraftet wird.

Doch schauen wir uns zuerst mal den Wechsel des letzten, bis gestern am Markt verbliebenen Superstars an.

Earl Thomas geht nach Baltimore

Der mutmaßlich beste Safety der letzten 10 Jahre, Earl Thomas, hat bei den Baltimore Ravens unterschrieben und wird damit unweigerlich Vergleiche mit dem epischen Ed Reed heraufbeschwören. Reed und Thomas waren ähnliche Spielertypen, Freelancer im tiefen Feld, die immer wussten, wenn sie ins Geschehen aktiv eingreifen mussten und wenn es besser war, für Absicherung gegen lange Bälle zu sorgen.

Reed wurde vor ein paar Wochen in die Hall-of-Fame der NFL gewählt. Thomas wird es vermutlich auch irgendwann dorthin schaffen. Russell Wilson war der Star-Quarterback beim großen Seahawks-Run mit einem Superbowl-Ring und einem weiteren Finale, CB Richard Sherman war das Gesicht jener Mannschaft – aber der stille Earl Thomas war die Figur, die die Legion of Boom zusammenhielt. Jene Legion of Boom, die die NFL revolutioniert hat.

Die dafür gesorgt hat, dass die NFL das Regelwerk weiter gen Pass-Offense aufweichen musste. Die dafür sorgte, dass heutige Cornerbacks gut 6-8 Zentimeter größer geworden sind als früheres Gardemaß. Bis zur Legion of Boom hatten die Seattle Seahawks nichts Bleibendes zur NFL-Historie beigetragen. Doch sie wurde zu einer der besten Defenses ever, und zu einer der markantesten.

Mit Thomas geht das letzte, vielleicht wertvollste Mitglied jener epischen Abwehr. Er war der Trigger der Defense. Ohne ihn war die Defense merklich schwächer:

Baltimore zahlt ihm nun ca. 55 Mio. Dollar über vier Jahre, davon 32 Mio. guaranteed. 22 Millionen sollen im ersten Jahr ausgeschüttet warden. Thomas, mittlerweile 29, ist damit “nur” in einem Preis-Range von Landon Collins, den er sportlich in die Hosentasche steckt. Doch das Alter und eine schwere Verletzung in der letzten Saison sorgten wohl dafür, dass Thomas nicht mehr den neuen Maßstab setzt.

Für Baltimore ist es ein wichtiger Einkauf. Die Ravens haben mit Za’Darius Smith und C.J. Mosley zwei wesentliche Verteidiger verloren, sie haben in Terrell Suggs und Eric Weddle zwei Oldies ziehen lassen müssen. Pass Rush bleibt in Baltimore personell ein Fragezeichen, aber die Secondary kann sich nach dem Einkauf sehen lassen:

  • CB: Marlon Humphrey / Jimmy Smith / Brandon Carr
  • Slot-CB: Tavon Young
  • FS: Earl Thomas
  • SS: Tony Jefferson

In einer passgewaltigen AFC North, in der selbst das mutmaßlich schwächste Team (Cincinnati) mit A.J. Green einen fulminanten Receiver auffährt, ist das von großer Bedeutung. Thomas ist nicht nur ein Centerfielder. Er kann auch in der Box spielen. Mit ihm und Jefferson kann Baltimores DefCoord viele Schachzüge planen, um Offenses zu verwirren.

Man darf nun gespannt sein, ob die Ravens – die ähnlich wie zwei andere AFC-Contender wie Chiefs und Colts – noch einmal in der Free Agency aktiv werden, wenn es um Pass Rush geht, vielleicht mit einem Trade. Oder ob sie auf den Draft und die tiefe Draftklasse dort warten.

Baltimore verpflichtete auch RB Mark Ingram für 3 Jahre, 15 Mio. Die Anstellung verstehe, wer mag. Die Ravens waren eigentlich im Laufspiel gesattelt. Sie brauchen im Prinzip Pass-Anspielstationen für den QB Lamar Jackson. Was ein eindimensionaler Downhill-Runner wie Ingram der Ravens-Offense geben soll was nicht schon Gus Bradley ihr gibt, ist indes nicht ganz klar.

San Francisco 49ers

Der gestern angekündigte Dee-Ford Trade zu den 49ers ist durch: San Francisco bezahlt nur einen 2nd Rounder im Draft 2020 um sich die Dienste Fords zu sichern. Ford erhält einen Fünfjahresvertrag bei den 49ers über 87 Mio. Dollar – also in etwa auch das, was ein Trey Flowers in Detroit bekam. Das guaranteed money ist noch nicht bekannt.

Auf einem weißen Blatt Papier sieht der Trade wie ein Schnäppchen für San Francisco aus, das einen Top-Passrusher (Ford hatte 2018 insgesamt 84 QB-Pressures, #1, 35 QB-Knockdowns, #1, 15.1% QB-Pressure Rate, #1, und das beste PFF-Rating aller Defensive Ends) für einen 2nd Rounder im nächsten Jahr bekommt.

Doch schon gestern in unserer Twitter-Diskussion kamen die ersten Argumente gegen eine höhere Kompensation auf – und sie alle sind plausibel:

  • Ford hatte erst 2018 seinen Durchbruch, nach vier mickrigen bis mäßigen Jahren.
  • Hohe Gehaltsforderungen, die Kansas City nicht erfüllen kann
  • QB Mahomes, dank dessen Qualität man nicht allein auf das QB-Rookievertragsfenster schauen muss

Dass Ford kein “Scheme-Fit“ bei den Chiefs gewesen sei, gilt für mich nicht als Argument. 3-4 oder 4-3 Defense ist heutzutage nur noch ein Nebenprodukt, nachdem locker 2/3 der Snaps aus Nickel-Defense gespielt werden und Kansas Citys neuer DefCoord Spagnuolo eh nicht mehr als 3-4 Typ gilt.

Die 49ers bolstern mit Ford theoretisch ihren Passrush auf und sind nun nicht mehr zwingend ein Kandidat, sich mit dem #2-Pick im Draft einen Edge Rusher oder Defensive Tackle zu ziehen. Vielleicht werden sie den Pick traden, wenn ein Team geil auf einen Quarterback wie Haskins wird.

Die 49ers kauften auch RB Tevin Coleman für 2 Jahre, 10 Mio. von den Falcons ein. Coleman ist bereits aus Atlanta-Zeiten mit Headcoach Shanahan bekannt. Coleman kommt in ein Backfield, in dem mit Matt Breida (Breakout 2018) und McKinnon (teurer Free-Agent Einkauf 2018, der aber wegen Verletzung keinen Snap spielte) große Konkurrenz wartet. FB Jusczyk wird auf alle Fälle Snaps sehen, also ist nicht auszuschließen, dass entweder Breida oder McKinnon (hat erst ab 1. April Vertragsgarantien) noch gehen werden.

Kansas City Chiefs

Weil wir schon über die Chiefs gesprochen haben: Kansas City hat gestern seinen Strong Safety Eric Berry entlassen. Berry galt seit dem Draft 2010 als „The Fifth Dimension“, eine Urkraft im Defensive Backfield der Chiefs. Er war trotz einiger Verletzungen und Erkrankungen im Lauf der Jahre die große Konstante in der Chiefs-Verteidigung.

Nach Ford und CB Stevie Nelson ist Berry damit der dritte Abgang. Berry soll von FS Tyrann Mathieu ersetzt werden, wobei Mathieu ein klar anderes Profil als Freelancer hat. Berry soll mit Cleveland einen Interessenten haben, der bereit ist, die Schatulle zu öffnen um eine physische Präsenz neben FS Damarcus Randall ins Backfield zu stellen.

Oakland Raiders

Noch ein Move der Raiders am gestrigen Tag: Einkauf von WR Tyrell Williams für 4 Jahre, 44 Mio., die Hälfte davon garantiertes Gehalt. Williams ist das deep threat in der Gruden-Offense neben Antonio Brown. Die Frage bleibt allenfalls, ob der Kurzpass-Junkie QB Derek Carr überhaupt jemals tief genug geht um Williams zu füttern.

Für die Raiders ist das damit eine der aggressivst-möglichen Offseasons:

Den Raiders bleibt noch ein Draft mit drei 1st Round Picks. Man geht davon aus, dass sie mit einem der späten 1st Rounder oder einem Mid-Round Pick noch einen Running Back ergänzen werden. Ansonsten ist alles offen: Trade nach oben für einen Quarterback? Oder Aufbolstern der Defense?

Quarterback-Markt

Es kommt etwas Bewegung in den Quarterback-Markt. Die Jaguars, die Nick Foles auf sagenhaft stupide Weise als neuen Heiland preisen, feuerten ihren QB-Bust von 2014, Blake Bortles, und schlucken damit satte 16.5 Mio. Dead-Cap für 2019, sparen aber insgesamt 5 Mio. Cap-Space. Bortles gilt als Backup-Option für mehrere Teams, u.a. New England.

Dafür hat QB Tyrod Taylor schon für zwei Jahre einen Abnehmer in den Chargers gefunden. Taylor wäre vom Spielertyp her ein viel besserer Backup-QB in Baltimore, doch es scheint wohl seine Connection zu Anthony Lynn (die beiden kennen sich aus gemeinsamen Zeiten in Buffalo) gewonnen zu haben. Taylor ist interessanterweise ein völlig anderer QB-Typ als der Chargers-Starter Rivers.

Noch nicht klar ist, was mit Teddy Bridgewater passiert: Er sollte am Montag dazu tendieren, als Backup in New Orleans zu bleiben, aber seit gestern gilt es auch als möglich, dass Miami noch einmal ins Rennen einsteigt. Doch die Dolphins galten bislang als Team, das schon mit einem Auge auf den Draft 2020 und Tua Tagovailoa schielt, aber das NFL-Network spekulierte in der Nacht noch wild über eine mögliche Anstellung Bridgewaters in Miami über zwei Jahre.

Weitere Einkäufe

  • K Jason Myers (Pro Bowler), bisher Jets, hat in Seattle unterschrieben. Die Seahawks waren eines der Teams mit Kicker-Problemen im letzten Jahr. Der Preis ist gesalzen: 4 Jahre, 15 Mio.
  • LB/S Deone Bucannon wechselt nach Arizona nach Tampa: Einjahresvertrag. Interessantes Detail: In Tampa coachen mit Bruce Arians und DefCoord Todd Bowles die beiden Figuren, die Bucannon einst in Arizona groß gemacht hatten.
  • WR Cordarrelle Patterson geht von New England nach Chicago: 2 Jahre Vertrag, 10 Mio. totaler Umfang.
  • TE Demetrius Harris zu den Browns: 2 Jahre, 6 Mio. Ein ca. 2m hohes Redzone-Target für Baker Mayfield. Harris war in der Chiefs-Offense kein integraler Bestandteil im Sinne des Schemings, aber doch immer wieder mit auffälligen Plays.

Re-Signings

  • Colts: CB Pierre Desir bekommt in Indianapolis die Vertragsverlängerung. 3 Jahre, 25 Mio, Hälfte davon garantiert.
  • Patriots: CB Jason McCourty / 2 Jahre und WR Philip Dorsett / 1 Jahr
  • 49ers: DB Jimmy Ward / 1 Jahr (5 Mio.)
  • Panthers: OT Daryl Williams / 1 Jahr (6 Mio.) – Williams hatte als attraktivere Option in der Free Agency gegolten als das, was er nun vom eigenen Team bekommt.
  • Redskins: RB Adrian Peterson für zwei weitere Jahre, 5 bis max. 8 Mio. Peterson ist schon 33.
  • Cowboys: FB Jamize Olawale bleibt in Dallas.
  • Jaguars: OG A.J. Cann unterschreibt für 3 weitere Jahre, 15 Mio. in Jacksonville.
  • Packers: TE Marcedes Lewis / 1 Jahr und WR Geronimo Allison / 1 Jahr.
  • Chargers: DT Mebane mit neuem 2-Jahresvertrag.

Verbleibende Top-Optionen:

Noch ohne Vertrag zum offiziellen Start der Free Agency:

  • DE Ziggy Ansah (zuletzt Detroit)
  • EDGE Justin Houston (zuletzt Chiefs)
  • S Ha Ha Clinton-Dix (zuletzt Redskins)
  • LB K.J. Wright (zuletzt Seattle)
  • WR Golden Tate (zuletzt Philadelphia)
  • TE Jared Cook (zuletzt Packers Raiders)
  • LB Jamie Collins (zuletzt Browns)
  • DT Ndamukong Suh (zuletzt Rams)

Ich warte noch darauf, dass New England sich einen dieser 1B-Free Agents für nahe Liga-Minimum greift. Die Patriots sollen gestern mit einem optimierten Angebot an WR Adam Humphries (stand bei Tennessee im Wort) herangetreten sein, doch Humphries blieb bei seinem verbalen Committment zu den Titans. Patriots sind also bereits hinter verschlossenen Türen aktiv.

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4 Kommentare zu “Free Agency 2019 – Tag 3: Earl Thomas unterschreibt in Baltimore

  1. Die kommende Saison dürfte spannende Begegnungen bieten zwischen der AFC East und AFC Nord und innerhalb der eigenen Division. Das wird ein Gemetzel.

  2. Schade, dass Green Bay nicht Haha Clinton-Dix und Jordy Nelson zurückgeholt hat.
    Es ist so verwirrend, dass jede Offseason gefühlt ein Drittel der Spieler das Team wechselt. Zusammen mit Relocations macht das die Identifikation mit Vereinen einfach schwer. Als NFL-fan ist man nach zehn Jahren häufig nur noch Fan vom Vereinslogo. 😉

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