College Football der Sechziger Jahre als Auseinandersetzung von Liberalen und Konservativen

In Sachen College-Football Historie nähern wir uns rapide der Moderne – wir kommen heute schon in den 1960er Jahren an. Wir haben bislang gesehen, wie Football sich aus Fußball und Rugby entwickelte, welche Kinderkrankheiten, aber auch welche existenziellen Schwierigkeiten er dabei überstehen musste, wie Football zum Wirtschafts- und Kriegsfaktor wurde – und wie er in den Vierzigern und der unmittelbaren Nachkriegszeit als US-weite Projektion von Toughness als Abhärtungskur für die verweichlichte Jugend propagiert wurde.

Dieser Konflikt zwischen Kriegsveteranen wie Woody Hayes oder Bear Bryant als Headcoaches und einer immer stärker nach Freiheit strebenden Jugend verband sich ab den frühen 1960ern zunehmend zu einem explosiven Gemisch, das im gesellschaftlichen Bereich in den Hippies endete, und auch im College Football zunehmend schwer zu unterdrücken war. Das resultierte unter anderem in massiven Protestaktionen, aber auch Drogenskandalen an einigen der größten Footballprogrammen.

Doch auch in den Front-Offices der Universitäten rumorte es. Die Sowjets hatten Anno 57 mit Sputnik den ersten Satelliten ins All geschossen und Amerika begann sich zu fragen, ob es nicht in der intellektuellen Ausbildung seiner Jugend etwas falsch gemacht habe. Verstärkt riefen die Eliten in den Elfenbeintürmen dazu auf, Football zu boykottieren und sich auf das Wesentliche, das geistige Wettrüsten, zu konzentrieren – und sich auf Bildung zu fokussieren.

Professoren und Coaches waren also keine Freunde – Football war nicht bloß zu kommerzialisiert. Es hielt seine Jugend auch von sinnvollerer Beschäftigung wie zum Beispiel dem Pauken ab. Und so setzte die Universitätsleitung der Ohio State University 1961 ein ganz fettes Ausrufezeichen, als sein Board of Trustees nach einer ungeschlagenen Saison und dem #2 Ranking im AP-Poll eine Einladung zur prestigeträchtigen Rose Bowl per Akklamation ablehnte.

Doch die progressiven Kräfte hatten keine Chance: Noch im gleichen Jahr in dem Ohio State aus akademischen Gründen die Rose Bowl ausschlug, verwässerte die Heimat-Liga der Buckeyes, die altehrwürdige Big Ten Conference die Aufnahmebedingungen für Studenten: Der notwendige Notenschnitt zur Aufnahme in ein Footballteam wurde gesenkt um mit der alles dominierenden SEC (die sich einen Scheißdreck um Noten und Amateurstatus kümmerte solange es nur bessere Siegbilanzen einbrachte) auch künftig noch mithalten zu können.

Michael Weinreb schrieb in seinem Buch „Season of Saturdays“ über dieses Dilemma der frühen Sechziger: The liberals won the battle. The conservatives, Woody Hayes foremost amongst them, won the war.

Schwarz gegen Weiß – besser: Weiß gegen Schwarz

Doch während die konservativen Kräfte im College Football in Sachen Bildung mit dem Twain’schen Credo „Ich lass mir meine Bildung nicht durch die Schule beeinträchtigen“ die Überhand bewahrten, braute sich im Hinterhof schon der nächste massive Konflikt zusammen – diesmal mit dem „schlechten“ Ende für all jene, die noch heute an die Überlegenheit der weißen Rasse glauben: Welcome to the Rassismusdebatte. Sie sollte nicht das Leben von Generationen von Amerikanern für immer verändern, sondern auch den Football am Spielfeld.

Wer sich alte Footballaufzeichnungen aus den Vierzigern oder Fünfzigern anschaut, sieht ein Schwarz/Weiß Bild. Genauso schwarz/weiß wie die Bilder war die damalige Trennung von Menschen unterschiedlicher Hautfarben – man braucht gar keine Farbbilder um zu erkennen, dass insbesondere im US-Süden, dem Bible-Belt, noch ganze Mannschaften (inklusive Coaches und Backups) komplett weiß waren!

Man muss sich das vorstellen: Es gibt da alles dominierende Teams wie Ole Miss, LSU oder Alabama, die nicht einen einzigen farbigen Spieler in ihren Reihen hatten! Samt des Wissens um die Problematik und Mississippi Burns und allem drum und dran: Diese Bilder und die vielen Geschichten drum herum lassen zumindest mich immer wieder aufs Neue schlucken.

Ich habe schon über das legendäre Ole-Miss Team von 1959 geschrieben – das vielleicht dominanteste Footballteam aller Zeiten. Es gab in der ganzen Saison drei Touchdowns auf. Es war: Komplett weiß.

Natürlich gab es Aufbegehren. Martin Luther King oder der radikalere Malcolm X sind auf gesellschaftlicher Ebene zu nennen. Doch auch an zahlreichen Colleges gab es Studentenproteste und auch Aufbegehren in den Umkleidekabinen.

Vor allem der Süden erwies sich als Bollwerk gegen die Schwarzen: Alabamas Gouverneur, der kauzige Außenseiter George Wallace, erzielte mit dramatischen Sprüchen gegen die Farbigen Rekordwerte und verhinderte über die kompletten 1960er Jahre erfolgreich eine Integration von Farbigen im Football-Flagschiff, der University of Alabama.

Diese Abwehrhaltung des Süden war auf dem Footballfeld ein sportlicher Segen für Mannschaften aus dem fortschrittlicheren Norden und der Westküste: Unis wie Michigan State, Notre Dame, USC oder Minnesota, die sich frühzeitig den Schwarzen öffneten, erlebten goldene Zeiten: Sie rekrutierten munter in den Südstaaten, wo den besten schwarzen Athleten der Zugang zu größeren Universitäten verwehrt blieb.

Insbesondere Alabama, aber auch LSU oder Ole Miss, hatten noch bis Anfang der 1960er Jahre gigantische Erfolge mit dem Gewinn mehrerer Landesmeistertitel erzielt. Doch der unter der Oberfläche schwelende Konflikt begann alsbald zu brodeln, und er wurde Mitte der Sechziger zunehmend unkontrollierbar.

Leute wie Bear Bryant (Erinnerung: Der Headcoach von Alabama) erkannten schon frühzeitig, dass ohne mittelfristige Integration kein Fortbestand der Dominanz erwartbar war. Doch selbst Bryant, der zweitmächtigste Mann im Staate Alabama (nach George Wallace), kam nicht an gegen die rassistische Bevölkerung, die keine Schwarzen auf Tuscaloosas Footballfeldern sehen wollte, wie sie auch nicht gemeinsam mit Schwarzen in Busse einsteigen oder mit Schwarzen auf die gleichen Schulen gehen wollten.

Spiel des Jahrhunderts und seine Nachwehen

Das alles gipfelte in der legendären Saison 1966 in einem Three-Way Showdown zwischen Notre Dame, Michigan State und Alabama, über den ich auf diesem Blog schon einmal vor ein paar Jahren geschrieben haben:

  • Das komplett weiße Alabama auf der einen Seite, mit seiner 11-0 Saison als vielleicht das bestes Team der Saison, das allerdings die progressiven Medien in New York gegen sich
  • Das vollständig integrierte Michigan State von Coach Duffy Daugherty, einem Freund Paul Bryants, erlebte seine Blütezeit, weil Daugherty auf Bryants Empfehlungen hin die besten Schwarzen aus dem US-Süden nach East Lansing holte – alles Athleten, auf die Bryant wegen der Segregationspolitik seiner Universität keinen Zugriff hatte.
  • Mittendrin das teilweise integrierte Notre Dame, noch immer Liebling der New Yorker Medien, das keine Angriffsfläche auf dem Boden der Rassendiskussionen bot, aber sich fortschrittlich genug präsentierte.

Im „Spiel des Jahrhunderts“ im November 1966 trafen schließlich Notre Dame und Michigan State aufeinander. Die Legende will es so, dass am Ende des Spiels bei Spielstand 10-10 der Notre-Dame Coach Ara Parseghian auf remis spielen ließ, weil er wusste, dass die Medien niemals Alabama, so ungeschlagen es sein mochte, über ein 9-0-1 Notre Dame zum National Champ wählen würden, und weil er auch wusste, dass Notre Dames Popularität groß genug war um vor einem 9-0-1 Michigan State zu bleiben, so integriert es auch spielte.

1966 gilt somit als ein erster großer Wendepunkt beim Thema College Football & Rassismus. Noch knickten die Eliten nicht ein – Alabama blieb vorerst noch blütenweiß, wie auch Texas und Arkansas in den Rednecks – doch mit Notre Dame vs. Michigan State war ein sichtbarer Grundstein gelegt dafür, was sich in den nächsten fünf Jahren abspielen sollte.

Der andere große Impact von Notre Dame vs. Michigan State 1966? Es beförderte die Landesmeister-Diskussion vom überwiegend sportlichen Ergebnis zu einem soziopolitischen Gesamtbild. Es war mit Blick auf die spätere Entwicklung vielleicht sogar gut, dass nicht Alabama zum Titelträger gewählt wurde. Doch es war nicht notwendig – denn die sportliche Entwicklung der nächsten Jahre spülte die einfarbig weißen Mannschaften sowieso mit rasanter Geschwindigkeit von den Spielfeldern.

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2 Kommentare zu “College Football der Sechziger Jahre als Auseinandersetzung von Liberalen und Konservativen

  1. Pingback: College Football Geschichtsstunde: Die Exzesse der Achtziger Jahre | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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