Die Notre Dame Fighting Irish sind eines der ikonischen Teams im College Football – Michael Weinreb beschreibt das Footballprogramm in seinem Buch „Season of Saturdays“ sogar als das wesentlichste in der landesweiten Entwicklung des College Football.
Notre Dames Ruf wurde schon 1913 begründet, als die Fighting Irish unter Zuhilfenahme des Vorwärtspasses zum ersten Mal mit Army einen der damaligen Big-Player besiegen konnten. In den 1920er Jahren wurde Notre Dame dank der „Four Horsemen“ zum landesweiten Mythos. Besonders hilfreich dabei waren die guten Beziehungen der Campus-Legende Knute Rockne zur New Yorker Presse.
Notre Dame gewann in seiner langen Geschichte insgesamt 11 National-Titles – der letzte liegt allerdings bereits über 30 Jahre zurück (er kam 1988). Weil die Universität über ein Selbstverständnis verfügt, das es kaum erlaubt, sich in einer Conference als ein Team unter vielen unterzuordnen, spielt Notre Dame weiterhin als eines von wenigen Teams als Independent. Sprich: Keine Zugehörigkeit zu einer Liga. Man stellt sich den Spielplan selbst zusammen.
In den letzten Jahren wurde dieses Dasein jedoch immer schwieriger. Notre Dame ging bereits eine Kooperation mit der ACC (Atlantic Coast Conference) ein, gegen deren Mannschaften man rund fünf Spiele pro Jahr bestreitet.
Notre Dame hatte vor allem ab Mitte der 1990er einige richtig verwachste Saisons – getriggert von unglücklichen Coaching-Einstellungen wie Bob Davie, Tyrone Willingham, Charlie Weis oder die nur 5-tägige Amtszeit des „Lügenbarons“ George O’Leary. Sie alle wurden mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt, weil sie nicht mehr an alte Traditionen anknüpfen konnten.
Retter Brian Kelly
Doch seit Head Coach Brian Kelly zur Saison 2010 übernahm, hat sich das Programm wieder auf hohem Niveau stabilisiert. Die Fighting Irish sind natürlich nicht in jeder Saison ein Kandidat auf das National Championship Game, aber es gibt immerhin einige durchaus erfolgreiche Anläufe zu vermelden (2012 stand man im Endspiel und 2018 scheiterte man erst im Halbfinale).
Schaut man sich die finalen Rankings im F/+ Ranking an, so sieht man, dass Notre Dame sich mit wenigen Ausnahmen wieder als legitimes Top-15 Programm etabliert hat:
Das Problem ist jedoch schnell erkannt: Die absolute Spitze um Alabama oder Clemson ist meilenweit entrückt. In den beiden Jahren, in denen Kelly das Team am weitesten brachte, setzte es am Ende herbe Pleiten (42-14 Finalpleite gegen Alabama 2012, letztes Jahr 30-3 von Clemson im Semifinale abgewürgt).
Bei aller Wertschätzung, die man Kellys Arbeit entgegenbringen möchte, geht die Angst um, dass man in einer Welt der Power-Conferences in SEC oder Big Ten mit einem „Ceiling“ von Top-8 bis Top-15 leben muss und nie mehr an die glorreichen alten Zeiten anknüpfen kann.
Als jemand, der nie ein besonderer Notre-Dame Fan war, muss ich gestehen: Das ist irgendwie schade. College Football lebt bei all seinen Flauseln von den zentnerschweren Rucksäcken voll Tradition, und es ist immer faszinierend zu beobachten, was in den USA-Fanbases abgeht, wenn Teams wie Michigan, Texas oder eben Notre Dame plötzlich wieder so etwas wie National-Title Luft schnuppern. Dann sind auf einmal ganze Regionen wieder hellwach und viele nächtliche Spiele werden ganz anders aufgeladen, wo Dorftrupps wie Oregon oder Virginia Tech keinen Hahn zum Krähen bringen.
Notre Dame von 2018
- Record: 12-1 (Playoff-Halbfinale)
- Overall S&P: #13
- Offensive S&P: #33
- Defensive S&P: #10
Notre Dame war letztes Jahr vor allem in Pass-Offense und Pass-Defense stark. Sobald es auf Laufspiel angewiesen war, ging die Effizienz den Berg runter: Trotz der Einwechslung von Big-Play RB Dexter Williams nach einem Saisondrittel war man mit nur 4.9 Yards/Carry shaky und nur die #77 im Lande.
Notre Dame von 2019
Das Gute: In QB Ian Book scheint Kelly eine Lösung für die nächsten zwei Jahre gefunden zu haben. Book wurde letztes Jahr erst im Lauf der Saison zum Starter, weil Brandon Wimbush zwar ein phänomenaler Athlet, aber extrem ineffizienter Passer war. Book ist als Läufer keine Bedrohung, doch das machte er mit Passspiel über alle Ebenen des Spielfelds wett. Book ist sowohl zu gebrauchen für Deep-Passing als auch für die von Kelly so geliebte No-Huddle-Offense, die er in seiner Notre-Dame Zeit zu selten spielen konnte.
Zur neuen Saison verliert man allerdings Books Lieblings-Receiver Miles Boykin auskommen: Boykin, bester deep threat der letzten Saison, ging als 3rd Round Draftpick in die NFL. Notre Dame hatte selten Probleme, gute Receiver zu ersetzen, doch Boykin war der einzige, der für Big-Plays sorgte.
Die Senior-WRs Chase Claypool und Chris Finke sind eher possession receivers, nur die bislang wenig erprobten Michael Young und Kevin Austin jr. gelten als explosivere Typen (hatten zusammen aber nur 12 Catches). Die beste deep threat-Option für 2019 könnten tatsächlich zwei völlige Grünschnäbel sein: Die Freshmen Braden Lenzy und Lawrence Keys. Beide haben erstklassige Sprintzeiten.
Wie das Laufspiel funktionieren soll, ist auch noch nicht ganz klar. Zwar gilt die Offensive Line dank zweier Top-Tackles und eines von Verletzung genesenen Guards weiterhin als Top-Unit.
Doch woher sollen ohne den explosiven Dexter Williams die Big-Plays herkommen? Jafar Armstrong hatte gute Success-Rate, aber trotz 5.3 Yards/Carry kaum Big-Runs. Für gewöhlich ist man mit einem solchen Rushing-Profil im College Football auf extrem hochprozentige Success-Rate angewiesen, doch gegen die Topteams im Schedule reicht selbst das zu selten…
….und wir haben schon eingangs gelernt, dass sich Notre Dame mit seinem Eigenbild nur mit den Allerbesten messen möchte – idealerweise erfolgreich messen möchte.
Relativ unklar ist, was mit der Defense abgeht. Dort wechselte Notre Dame in den letzten Jahren die DefCoords wie andere ihre Unterhosen: Von Bob Diaco über Brian Van Gorder hin zu Mike Elko und letztes Jahr Clark Lea.
Leas Markenzeichen ist eine bend but don’t break Defense, Fokus auf soliden Passrush und gute Coverage. Es wird wenig Rambazamba veranstaltet, dafür verhindert man Big-Plays.
Das ging gut bis zum Semifinale – Clemson war dann schließlich zu stark, spätestens als der überragende CB Julian Love (4th Round Draftpick NY Giants) ausfiel. Neben Love verliert Notre Dame auch DT Jerry Tillery (1st Rounder), LB Te’Von Coney und LB Drue Tranquill (4th Rounder), alles wichtige Leistungsträger.
Die Secondary um das erstklassige Safety-Pärchen Alohi Gilman und Jalen Elliott gilt als gesetzt, doch in der Front-Seven fehlt nach Tillerys Abgang eine massive Präsenz in der Spielfeldmitte. Das Edge-Rush Pärchen ist mit den spektakulären Ends Khalid Kareem und Julian Okwara stark besetzt, doch die beiden werden sich im 1-vs-1 schwer tun, wenn gegnerische Offenses sie ohne Gefahr durch die Mitte in Doppeldeckung nehmen können.
Schedule und Ausblick
Zwar gibt es mit @Louisville, New Mexico, Virginia, Bowling Green, Virginia Tech, @Duke, Navy, USC und Boston College insgesamt neun Teams, gegen die Notre Dame mit mehr als 85% Siegwahrscheinlichkeit favorisiert ist. Aber um im Playoff-Rennen ein Wort mitzureden, muss Notre Dame vermutlich erneut ungeschlagen 12-0 gehen – und dort haben wir drei entscheidende Spiele, in denen sich das Schicksal der Saison entscheiden wird:
- 09. @Georgia (31%)
- 10 @Michigan (41%)
- 11. @Stanford (67%)
Angesichts solcher Gegner wäre ein 12-0 schon sensationell. Wahrscheinlicher ist ein 10-2, und das würde zwar für eine Neujahrs-Bowl reichen, nicht jedoch erneut für die Playoffs.
Die Frage ist dann, wie Notre Dame ein derartiges starkes, aber eben nicht perfektes Abschneiden bewerten würde. Würde Brian Kelly dann für sein aggressives Coaching und Management der letzten Jahre gelobt werden, oder würden dann wieder die vielen Stimmen hervorkriechen, die Kelly ankreiden, es erneut nicht in die absolute Elite geschafft zu haben?
Wieso sind 4.9 Yards/Carry „shaky“?
Zweimal gelaufen, hat man ein neues First down.
Was habe ich übersehen?
Varianz und Turnover.
Ohne beides wäre die Offense, die 2.5 Yards/Play macht, die beste aller Zeiten.
Notre Dame hat immer das „Problem“ eines sehr starken selbstgewählten Spielplan. Diese Saison sehen die ACC-Gegner aber sehr soft aus. Michigan und Stanford besiegen, dann wäre man 11-1. Schwierig, aber durchaus möglich.
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