College Football 2019 Preview: Die Atlantic Coast Conference (ACC)

Die Atlantic Coast Conference (ACC) ist eine eigentlich wenig glamouröse Conference entlang der Atlantikküste. An Aufmerksamkeit wird sie deutlich von den westlich angrenzenden Big Ten Conference und der Southeastern Conference (SEC) in den Schatten gestellt.

Doch drei der letzten sechs Landesmeistertitel wurden von ACC-Mannschaften gewonnen, mit einer vierten knappen Endspielniederlage. Das liegt daran, dass in den letzten Jahren zwei schlafende Giganten aus der ACC dank phänomenalem Recruiting zu alter Stärke zurückgefunden haben: Florida State in der Jimbo-Fisher Ära (#4 im Recruting in den letzten vier Jahren) und der aktuelle Titelträger Clemson (sogar #3 im Recruiting) von Dabo Swinney.

Doch anders als in der SEC, wo generelle Qualität auch hinter Alabamas überragender Dominanz auf breiter Basis aufgestellt ist, ist das Leistungsgefälle hinter Clemson und mit Abstrichen FSU schon sehr hoch. Das kann man daran ablesen, dass in den momentanen Projections von FPI und S&P+ nur noch die Miami Hurricanes als drittes mögliches Top-30 Team angepriesen werden (FPI #32, S&P+ #19).

Die meisten Mannschaften hinter diesem Duo/Trio an der Spitze werden irgendwo um oder etwas über dem FBS-Durchschnitt herum erwartet. Das Positive: Mit Louisville und Georgia Tech gibt es zwar momentan auch zwei Mauerblümchen, doch sie sollten zumindest keine absolute Katastrophe wie z.B. Rutgers in der Big Ten Conference sein.

Hier der grobe Statistik-Überblick auf die 14 ACC-Mannschaften vor der laufenden Saison:

ACC 2019.png

Wie wir sehen, konnte man abseits von Clemson (8-0 ACC-Bilanz), UNC (1-7 ACC-Bilanz) und Louisville (0-8 ACC-Bilanz) letzte Saison getrost behaupten: Sie haben sich die Spiele untereinander ausgewürfelt: Kein anderes Team weniger als drei Siege, nur zwei weitere mit mehr als fünf. Das passt dann auch wunderbar zum oben beschriebenen „Drang zum Mittelmaß“: Wenn alle fast gleich gut sind, tendieren die Spiele dazu knapp zu werden. Das ist aufregend, führt aber am Ende auch sportlich zu einem schwer einzuordnenden Wulst.

Atlantic Division

Clemson Tigers – Der regierende National Champion. Clemson lieferte letztes Jahr die erste 15-0 Saison ever und gilt trotz des Abgangs der kompletten Defensive Line in die NFL erneut als stärkstes Team der ACC. Das mag sogar eine Untertreibung sein: „Haushoch“ ist die Vokabel, die man in den Mund nehmen muss, wenn man Clemsons Favoritenstatus adäquat beschreiben möchte. Fürs erste kann man es dabei belassen, denn natürlich wird ein genauerer Blick auf diese Mannschaft folgen.


Florida State Seminoles – FSU, eigentlich ein ACC-Gigant, erlebte 2018 im Debütjahr von Headcoach Willie Taggert die erste Losing-Season seit sage und schreibe 43 Jahren: 5-7 Bilanz. Der genaue Blick auf FSU kommt morgen. Die Synthese davon: Offensive Line war die katastrophale Sollbruchstelle von 2018 – und sollte sie einigermaßen behoben sein, kann FSU zur anstehenden Saison schon allein wegen der fantastischen Recruits wieder mit einer positiven Saisonbilanz rechnen. Dass man allerdings Clemson gefährlich werden kann, gilt als ausgeschlossen.


Syracuse Orangemen – Das Reich vom schwarzen Headcoach Dino Babers, der in seinem dritten Jahr mit 10-3 Bilanz die beste Syracuse-Saison seit fast 20 Jahren hinknallte. Eine Wiederholung des Streichs wird schwierig, weil sich der lebenswichtige QB Eric Dungey in den Footballruhestand verabschiedete und kein Nachfolger in Sicht ist. Ohne eine ähnlich potente Offense wird die Defense umso wichtiger. Die hat einen Vorteil: Sie ist auf allen Ebenen mit Seniors gespickt und bringt 71% der Production zurück. Doch der große Knackpunkt für 2019 ist die Offense, die im FPI nur als #75 erwartet wird.


NC State Wolfpack – NC State von Headcoach Dave Doeren kommt aus einer 9-4 Saison, die viel Lob einbrachte. Doch nun verlor man in QB Ryan Finley und WR Kelvin Harmon zwei wichtige Leistungsträger und bringt nur 1/3 der Production zurück – immer ein Alarmzeichen mit Blick auf die Qualität in der unmittelbar anstehenden Saison. Vorteil NC State: In den letzten vier Jahren recruitete Doeren relativ gut: Er ist die #32 landesweit. Nur fünf Teams in der ACC waren besser im Anlocken von Highschool-Talenten.

Doch zusätzlich zu allen Fragezeichen in der Offense gesellt sich auch die Ungewissheit ob eines neuen Offensive Coordinators: Doeren installierte Kurt Roper. Ein Guter. Aber wie schnell greifen Ropers Änderungen?


Boston College Eagles – BC hat sich unter Headcoach Steve Addazio auf sieben Saisonsiege eingeschworen. 2018 war das so. 2017 ebenso. 2016? Erraten: Auch. In fünf von sechs Spielzeiten erzielte Addazio in Boston eine 7-6 oder 7-5 Bilanz. Richtig ungeduldig wird dennoch niemand, weil man in Boston für den überschaubaren Ressourceneinsatz schlicht nicht mehr erwartet.

Markenzeichen der Eagles unter Addazio sind physische Offense Line und eine furztrockene Defense, die allerdings jeweils Leistungsträger verlieren (OG Lindstrom 1st Rounder, DE Zach Allen 3rd Rounder). Gar nur 3 oder 4 Defense-Starter kommen zurück: 38% der Production. Keine ACC-Defense muss mehr Qualitätsverlust ersetzen.

In der Offense ruhen die Hoffnungen auf RB A.J. Dillon und QB Anthony Brown. Dass der FPI trotz der Rückkehr dieser beiden Leistungsträger der letztes Jahr etwas „fluky“ guten Offense nur die 78t-beste Offense (und damit zweitschlechteste der ACC) erwartet, spricht Bände.


Wake Forest Demon Decons – Wake Forest hat sich unter Dave Clawson bei roundabout knapp über .500 stabilisiert und scheint darüber nicht unglücklich zu sein. Man spielt einen erwartbaren Stiefel, schlägt die Gurkentruppen im Schedule und ist relativ chancenlos gegen die höherklassigen Teams. Nur wenn die Defense die absurde Anfälligkeit gegen Big-Plays (#120) in den Griff bekommt, kann sich daran etwas zum Besseren verändern.


Louisville Cardinals – Eine der Enttäuschungen von 2018. Louisville kollabierte schon in Jahr 1 nach QB Lamar Jackson auf 2-10, feuerte in der laufenden Saison den seit langem umstrittenen Cheftrainer Bobby Petrino und drückt nun in Form des neuen HC Scott Satterfield (baute zuletzt das nahe Appalachian State auf) den Reset-Button, charakterlich wie sportlich.

Dass Satterfield schon 2019 viel bewegen kann, gilt als unwahrscheinlich: Die Defense ist an Talent über Jahre ausgeblutet, sodass auch 79% rückkehrende Production nicht viel helfen wird. Auch QB Jawon Pass gilt als völlig verunsichert.

Schlusssatz zu Petrino: Louisville ist nach den Atlanta Falcons, Arkansas Razorbacks und Western Kentucky Hilltoppers die vierte Station en suite, auf der Petrino verbrannte Erde hinterließ. Wie viele Cheftrainer-Angebote wird dieser Typ noch bekommen?

Coastal Division

Miami Hurricanes – Miami ist wie Clemson oder FSU immer einen genaueren Blick wert, daher an dieser Stelle erstmal nur kurz: Die Canes sind der Divisionsfavorit. Neuer Headcoach ist der bisherige DefCoord Manny Diaz, nachdem Mark Richt völlig überraschend im Dezember seinen Rücktritt erklärt hatte. Die Defense gilt als eine der besten im Lande – weswegen der sportliche Erfolg in letzter Konsequenz von der Offense abhängt: Neuer QB ist Tate Martell, den man von Ohio State holte.


Virginia Tech Hokies – Relativ klare #2 der Coastal-Division auf dem Papier ist Virginia Tech. Letztes Jahr waren die Jungs von Justin Fuente 6-7 und auf ganzer Linie mittelmäßig, in der Defense sogar eher enttäuschend. Doch just diese Defense macht nun Hoffnung auf Verbesserung: Sie bringt fast alle Starter und satte 96% der Production zurück und sollte nach einem Lehrjahr besser aufgestellt sein.

Zusatzmotivation für die Defense: Der langjährige DefCoord Bud Foster, Architekt u.a. einer Defense, die die Hokies 1999/2000 ins National Championship Game brachte, tritt nach Ende der Saison nach fast 25 Jahren als DefCoord zurück:

Doch die langjährige Defense-Schmiede Virginia Tech hat schon seit ein paar Jahren die Transformation zu einer Uni, die attraktive Offense spielen will, begonnen. Allein, es fehlte zuletzt etwas an Spielermaterial: QB Ryan Willis war 2018 zwar okay, aber alles hofft, dass der Backup im Hintergrund, Quincy Patterson, bald übernehmen kann. Im Prinzip sind die meisten optimistisch, dass es mit der Offense 2019 nach oben gehen wird.


Virginia Cavaliers – Die Cavs aus dem liberalen Charlottesville verfügen theoretisch nicht über die Mittel der Hokies, waren letztes Jahr mit 8-5 aber sogar besser. Verantwortlich dafür war – nicht überraschend, wenn man weiß wer Headcoach ist (Bronco Mendenhall) – die knackige Defense (#21 nach SRS-Point Differential). Jene Defense bringt nun die meisten Starter zurück – u.a. den von vielen als besten Cornerback des Landes gepriesenen CB Bryce Hall, bei dem man letztes Jahr nur einen Kritikpunkt anbrachte: Er fing zu wenige Interception (2 INT, 6 gedroppte INTs). Doch solcherlei Stats sind volatil und können oft innerhalb weniger Wochen komplett drehen.

Dämpfer für allzu hohe Erwartungen: In der Offense ist man zu abhängig von QB Bryce Perkins, vor allem jetzt, wenn die Hälfte des Line-Ups um ihn herum ersetzt werden muss.


Pittsburgh Panthers – Hätteste noch gewusst? Pitt gewann letztes Jahr die Division. Die Jungs von Pat Narduzzi waren zwar am Ende nur 7-7, aber 6-2 in der ACC. Sie schmarotzten eiskalt von der überraschenden Schwäche der Konkurrenz in Miami oder Virginia, wurden dann aber im ACC-Finale von Clemson abgeschossen. Obwohl sowohl in Offense wie auch in Defense 2/3 der Production bleibt, gilt eine Wiederholung des Streichs als quasi unmöglich.


Duke Blue Devils – Das Gegenstück zu Pitt war Duke: 8-5 Bilanz, aber nur 3-5 in der Conference. 8-5 als Saisonstartbilanz riefe bei „Duke Basketball“ panische Reaktionen hervor, doch im Football sorgt ein derartiges Abschneiden für allgemeine Zufriedenheit.

Dass man erneut fünf Siege out of conference holen kann, gilt als ausgeschlossen – schließlich spielt man u.a. gegen Alabama und Notre Dame. Und natürlich: Man verliert über 60% der Offense-Production, darunter den Top-10 Draftpick QB Daniel Jones (jetzt NY Giants).


North Carolina Tar Heels – Erzfeind der versnobten Duke University sind die UNC Tar Heels – zumindest im Basketball. Im Football ist UNC vor allem eines: Verschwendetes Talent. Im Recruiting ist man Top-30, man schickt häufig gute Prospect in die NFL, aber auf dem Platz fährt man jahrein, jahraus nur durchschnittliche Bilanzen ein.

„Durchschnittlich“ wäre 2019 allerdings schon ein Fortschritt, denn UNC kollabierte letzten Herbst total: 2-9 Bilanz. Folge: Headcoach Fedora wurde gefeuert und wird durch einen Altbekannten ersetzt: Mack Brown, den Architekten der großen Texas-Blütezeit zwischen 2004 und 2009. Brown war schon vor rund 20 Jahren mal Cheftrainer in Chapel Hill bei UNC – insofern ist er mit dem Ambiente und dem wunderschönen Campus schon vertraut.

Doch ist Brown noch mit dem modernen Football vertraut? In Texas scheiterte Brown nach dem Abgang von Colt McCoy fünf Jahre lang daran, ein sehr viel besser ausgestattetes Footballprogramm wieder auf die Beine zu bekommen. Dass das nun mit einigen Jahren Abstand beim permanenten „underachiever“ UNC wesentlich besser wird, darf man ruhig bezweifeln.


Georgia Tech Yellow Jackets – Zuletzt das am stärksten veränderte Team: Georgia Tech, das sich von Flexbone-Triple Option Coach Paul Johnson trennte und im neuen HC Geoff Collins nun einen Spread-Option Coach einstellte. Als Hauptgrund nannte man das zuletzt verwaiste Recruiting (nur #52 im Schnitt über die letzten vier Jahre): Mangels ernsthafter NFL-Aussichten schaffte man es seit Jahren nicht mehr, höherwertiges Talent nach Atlanta zu locken. Zu untypisch die Offense. Dabei glich gerade diese den Talentnachteil relativ gut aus: 2018 war man wieder 7-6, was nicht überragend, aber passabel ist.

Von Johnsons fast 15-jähriger Amtszeit bleiben ein Conference-Gewinn und mehrere „ranked finishes“ in Erinnerung. Man kann mit seinem Abgang davon ausgehen, dass die reine Triple-Option Offense damit in den Power-5 Conferences auf Jahre ausgedient hat.

Sportlich ist das Team für 2019 schwer zu prognostizieren. Zwar hat Johnson schon in den letzten Jahren seine Offense an einigen Stellen pass-freundlicher und pass-lastiger gemacht, doch es ist fast unmöglich zu sagen, ob ein bisheriger Triple-Option QB plötzlich eine konventionelle Spread-Offense orchestrieren kann.

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Ein Kommentar zu “College Football 2019 Preview: Die Atlantic Coast Conference (ACC)

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