Die Pac-12 Conference ist die am meisten übersehene Power-5 Conference im College Football: Weder versprüht sie den Glanz der SEC, noch kann sie mit Schwergewichten wie Clemson (ACC), Ohio State (Big Ten) oder Oklahoma (Big 12) aufwarten. Erschwerend kommt hinzu, dass die US-Westküste generell an der späten Zeitzone zu knabbern hat: Wenn am Pazifik Primetime ist, schlummert Max Mustermann im Osten schon längst in seinem Bett.
Die Pac-12 war vor 7-8 Jahren der heiße Scheiß, als Commissioner Larry Scott mit TV-Rekordverträgen neue Maßstäbe setzte, die Oregon Ducks mit ihrer atemberaubenden Offense die Footballwelt verzückten und niedliche Außenseiter wie Stanford um BCS-Bowls spielten.
Diese Zeiten sind längst vorbei. Heute spöttelt man über die Pac-12. In fünf Jahren College Football Playoffs qualifizierten sich gerade einmal zwei Pac-12 Teams fürs Semifinale (Oregon 2014, Washington 2016). Zum Vergleich: Die ACC war jedes Jahr vertreten, die Big 12 und Big Ten in jeweils drei Jahren, und die SEC in jedem Jahr, einmal sogar doppelt.
Auch dieses Jahr scheint es keinen wirklich aussichtsreichen Pac-12 Kandidaten zu geben – und dennoch finde ich persönlich die Pac-12 immer einen Hingucker wert. Der Football ist offensiv, es gibt in Chris Petersen (Washington), Chip Kelly (UCLA), Mike Leach (Washington State) und Kyle Wittingham (Utah) großartige Coaches, und in den USC Trojans einen historischen Giganten im Dornröschenschlaf.
Schauen wir auf die Season-Projections, so erwartet S&P+ vier Top-30 Teams, der FPI gar sechs. FP sieht überdies auch sechs Top-30 Offenses – und nur eine Offense außerhalb der Top-70. Überraschend: Im Gegenzug werden sogar sieben Pac-12 Defenses in den Top-30 erwartet.
North Division
Washington Huskies – Die stärkste Mannschaft der letzten Jahre, mit zwei Conference-Titeln und einer Playoff-Qualifikation in den letzten drei Jahren. Kurz gefasst: FPI und S&P+ sehen die Huskies jeweils als Top-20 Team auch für die neue Saison, auch wenn 2/3 der Defense ersetzt werden muss. Den meisten Projections nach zu urteilen ist Washington damit der Divisionsfavorit. Was die Huskies genau ausmacht, werde ich in einem vertiefenden Eintrag noch erörtern.
Oregon Ducks – Der „andere“ Mitfavorit in der Northern Division ist Oregon (für FPI als #10 Team des Jahres sogar der Pac-12 Favorit), der nach drei harzigen Jahren wieder massiv nach oben strebt.
Für die Ducks gilt: Zweites Jahr für Headcoach Mario Cristobal in Eugene. Cristobal hat einen Ruf als guter, aber nicht Elite-Coach. Seine beste Qualität ist das Recruiting: Seine Klasse von 2019 wird in den Top-10 gerankt, u.a. dank des extrem hoch eingeschätzten DE Thibodeaux. Sportlich gelten die Ducks als Breakout-Kandidat, was an neun Rückkehrern in der Offense und natürlich vor allem QB Justin Herbert liegt.
Herbert blieb etwas überraschend am College. Er wäre ein Top-10 Pick im letzten Draft gewesen und gilt neben Tagovailoa als einer der herausragenden Prospects für 2020. Doch Vorsicht bei Herbert: Seine Effizienz-Stats 2018 waren so überwältigend nicht, und in WR Dillon Mitchell ist der beste Deep-Threat weg. Trotzdem sieht FPI schon eine Top-5 Offense anrollen.
Zusatz-Schwierigkeit: Das direkte Duell mit Washington findet auswärts statt. Im Sinne eines Top-Records lauert zum Season-Opener eine weiterer Stolperstein, wenn es am 30. August auf neutralem Boden gegen die Auburn Tigers geht.
Washington State Cougars – Das Team von Air-Raid Guru Mike Leach. Letztes Jahr war Wazzu 11-2 und stand bis zur deutlichen Niederlage gegen die Huskies im „Apple-Cup“ im Schneetreiben von Pullman vor dem Einzug ins Pac-12 Finale. Jetzt sind der Pornoschnäuzer-QB Gardner Minshew, RB James Williams und die halbe Defense weg, weswegen Regression zur Mitte droht.
Die QB-Nachbesetzung wird zwischen Gabe Gubrud (transferierte von EWU rüber), Trey Tinsley und Tony Gordon ausgespielt. Dank des QB-freundlichen Air-Raid Schemas ist fast sicher, dass auch der neue QB gute Zahlen auflegen wird, aber ob es erneut eine Top-15 Offense sein wird? FPI ist hoffnungsfroh, prognostiziert die #12 Offense.
Doch selbst wenn die Offense erneut so zündet, bleibt ein gewaltiger Stolperstein: Ein ungünstig gelegter Schedule mit Auswärtsspielen bei den drei aktuell am höchsten gerateten Pac-12 Teams Washington, Utah und Oregon.
Stanford Cardinal – Spannende Zwischensituation in Palo Alto: Der Trupp von HC David Shaw befindet sich nach dem 9-4 im letzten Jahr im Umbruch, weil u.a. RB Love, WR Arcega-Whiteside und DE Okereke in die NFL verabschiedeten. Shaw lässt für gewöhnlich einen physischen Stil spielen, was insbesondere in der Defense mit 6-7 Abgängen schwer wird.
Shaw galt vor Jahren als künftiger NFL-Headcoach, doch die letzten Jahre stagnierte sein Programm etwas in der Entwicklung. Richtig gewackelt hat er bis dato nicht. Aber bei Stanford lauert ein unschöner Saisonauftakt mit Northwestern, USC, UCF und Oregon in August und September. Wenn das schief geht, möchte man nicht in Shaws Haut stecken.
Cal Golden Bears – Das Chamäleon unter den Pac-12 Teams. Cal hatte seit ich Football verfolge schon eine rein offensivorientierte und dann rein defensivorientierte Mannschaft. 2018 war vor allem letzteres der Fall: #116 Offense nach SRS, #22 Defense.
Vorteil Bears: Ihre exzellente Passing-Defense kehrt fast vollständig zurück. Dass man die letztjährige 7-6 Bilanz toppen kann, gilt allerdings nur als möglich, wenn man auf Quarterback mehr Punch bekommt als letztes Jahr – und wenn man ein out-of Conference Upset gegen die offensivgewaltigen Ole Miss oder North Texas schafft. FPI prognostiziert nur die #97 Offense, ist also eher skeptisch. In-Conference hat man insofern Pech, weil man gegen alle Brocken auswärts antreten muss: Washington, Oregon, Stanford, Utah.
Oregon State Beavers – Momentan tief in der Krise steckt Oregon State, letztes Jahr 2-10. S&P+ erwartet für die Biber die Performance des 105t-besten Teams in der FBS – aus den Power-5 Conferences sieht das Ranking nur Kansas (#107) und Rutgers (#108) noch tiefer. FPI ist einen Tick optimistischer, sieht Oregon State dank potenziell recht guter Offense immerhin als #80 im Land. Doch das alles ist Kleinschiss: Diese Jungs werden in der kommenden Saison weit weg von .500 und Bowl-Season sein.
South Division
Die Süd-Division der Pac-12 ist seit vielen Jahren das Stiefkind der Conference. USC kommt seit nunmehr einem Jahrzehnt nur mehr in Spurenelementen in Gang, UCLA scheint sich trotz Chip Kellys Einstellung nach wie vor nur beiläufig für Football zu interessieren, die beiden Wüsten-Unis sind zu eindimensional, Colorado verfügt nicht über die Ressourcen um dauerhaft oben mitzuspielen – und Utah ist trotz eines exzellenten Headcoaches durch das schwierige Recruiting (Mormonen!) etwas eingeschränkt.
Utah Utes – Was Headcoach Kyle Wittingham bei den Utes macht, ist aller Ehren wert. 2008 zum Beispiel beendete er die Saison ungeschlagen auf #2 in den AP-Polls, und auch wenn die Advanced-Stats nicht so gütig sind, so haben sich die Utes in den letzten fünfzehn Jahren trotz Conference-Wechsel und Umstrukturierungen mehr oder weniger als permantentes Top-40 Team etabliert.
Die allgemeine Erwartungen für 2019 ist nun, dass es das beste Jahr seit langem wird:
- Die Trendkurve der letzten Jahre zeigt steil nach oben.
- Letztes Jahr war man trotz Verletzungen auf Quarterback und Runningback 9-5 und verlor nur knapp das Conference-Finale gegen Washington.
- Nun kehren zehn Offense-Starter zurück und auch QB Tyler Huntley und RB Moss sind wieder fit.
- Die Utes-Defense ist seit einigen Jahren eine Bank – für den FPI ist sie als #13 im Land sogar die beste in der Pac-12.
Grund für Zweifel am Favoritenstatus der Utes bietet aber der Schedule mit Auswärtsspielen ausgerechnet bei USC und Washington.
USC Trojans – Faszinierend, wie das einst so mächtige USC (über zehn National Titles in seiner Geschichte) im Halbschlaf durch das letzte Jahrzehnt tingelt ohne ansatzweise den Anschluss an die Blütezeit unter Pete Carroll in den 2000ern zu schaffen. Man muss es immer wieder betonen: USC ist eines der historischen Schwergewichte im College Football. Das schafft viele Startvorteile, aber gratis bekommt man hohe Siegzahlen damit nicht, wie auch die Kollegen in Texas, Michigan oder Notre Dame über Jahre lernen mussten.
Carroll verabschiedete sich nach der Saison 2009 – dem ersten Jahr, in dem man nach mehreren historisch guten Spielzeiten Probleme hatte und der NCAA-Hammer wegen Recruiting-Verletzungen wartete. Seither war USC den Advanced-Stats nach zu urteilen bestimmt besser als man angesichts der permanent als enttäuschend gewerteten Records glauben möchte (nur einmal außerhalb der Top-25 in S&P+), aber eben nicht mehr das gewohnte Top-5 Team:
2018 war für USC unter diesem Gesichtspunkt der Tiefpunkt: Man war nur noch die #34 in S&P+ und die 5-7 Bilanz bedeutete das erste Verpassen der Bowl-Season seit fast 20 Jahren. Völlig enttäuschendes Quarterbacking vom 5-Star Recruit J.T. Daniels und eine Wackel-Defense waren die Hauptgründe.
Headcoach Clay Helton durfte dennoch bleiben. Er wurde allerdings angeschubst, den Offense-Trainerstab auf neue Beine zu stellen: Der bereits verpflichtete Wunsch-OC Kingsbury wechselte zwar kurzerhand weiter, weil er ein Headcoach-Angebot aus der NFL bekam, doch in Graham Harrell (zuletzt OffCoord bei North Texas) bekam man philosophisch ähnlichen Ersatz. Harrell war als Spieler wie Kingsbury Air-Raid QB unter Mike Leach, und verkörpert viele der Air-Raid Ideen auch als Coach. Air-Raid hält nun also auch in Los Angeles Einzug.
QB Daniels sollte davon profitieren. Die Skill-Player um den deutschstämmigen WR Amon-Ra St. Brown (Bruder von Equanimeous / eine offensichtlich altägyptisch angehauchte Familie, denn der dritte der St.Brown-Brüder heißt Osiris) gelten als durchaus aufregend. Kopfzerbrechen bereitet die Defense, die vor allem im Defensive Backfield mehr als grün ist.
Auch der Schedule ist nicht einfach. Zwar empfängt man USC und Utah zuhause, aber man muss auswärts nach Washington (übrigens auch auswärts im Rivalry-Game bei Notre Dame). Das spricht erstmal nicht für eine Leistungsexplosion nebst 11-1 ähnlicher Saison. Doch bei allen Fragezeichen stellt USC immer auch eines der athletisch talentiertesten Mannschaften – und wenn Daniels in der neuen QB-freundlichen Offense zündet, ist ein schneller Durchbruch bei USC immer möglich.
UCLA Bruins – Der Amerikaner hat die Vokabel „intriguing“ für das erfunden, was UCLA zum aktuellen Zeitpunkt ist. Uni und Footballprogramm sind erstmal schwer zu lesen: Eigentlich steinreich, doch der Wille zur Football-Elite zu gehören scheint zu fehlen. Auf der anderen Seite holte man letztes Jahr Chip Kelly als neuen Headcoach, was man angesichts von Kellys Ruf aus Oregon-Zeiten (2009-2012) als Kampfansage an die Granden interpretieren kann.
Kellys Debüt 2018 war natürlich unter ferner Liefen: 3-9. Strauchelnde Offense, unterirdische Defense. Doch es gab durchaus Anzeichen, dass Kelly seine atemberaubend geschwindige Offense weiterentwickelt hat und QB Dorian Thompson-Robinson sah als Freshman vielversprechend aus. Das könnte auf Verbesserung hindeuten.
FPI und S&P+ sind sich in der Prognose so uneins wie bei kaum einem anderen Team: FPI erwartet das #21 Team (mit der #14 Offense!), S&P+ nur das #63 Team. Was schließen wir daraus? Dass ich mich mit UCLA noch genauer beschäftigen muss um ein adäquates Urteil abgeben zu können.
Arizona Wildcats – Weiter zu den notorisch wechselhaften Wüstentrupps, die beide mehr über Offense als über Defense zu kommen scheinen.
Arizona war letztes Jahr 5-7. Die Offense um QB Khalil Tate war zwar als #43 okay, zündete aber nicht mehr so steil wie noch 2017 (als Tate Heisman-Ambitionen anmeldete). Doch um die Offense macht man sich weniger Sorgen. Größeres Problem ist die schwache Defense, die mal wieder alte Vorurteile von wegen „uninteressiert an Abwehr“-Headcoach Kevin Sumlin (der eigentlich früher Defensive Coordinator war) befeuerte. Wieviel besser das heuer wird, ist trotz Rückkehr fast aller Starter unmöglich zu prognostizieren.
Arizona State Sun Devils – Die „andere“ Arizona-Uni war etwas besser: 7-6 Bilanz im ersten Jahr unter dem Kult-Coach Herm Edwards. Auch hier ist eine Prognose wie immer schwierig: Die meisten Offense-Leistungsträger bleiben, aber der essenzielle WR N’Keal Harry ging als 1st Rounder in die NFL, und auch Quarterback hat man noch keine passende Antwort parat. 8-5 würde ebenso wenig überraschen wie 5-7. Im Prinzip ist ASU damit wie Arizona Woche für Woche Wundertüte.
Colorado Buffaloes – Die Mannschaft mit dem neuen Chefcoach: Mike MacIntyre musste nach 5-7 Bilanz in einer Saison der zwei Hälften (5-0 Start, 0-7 Finish) den Hut nehmen und wird durch Mel Tucker ersetzt. Tucker war zuletzt DefCoord in Georgia. Er hat die Aufgabe, das Sieb von Defense in den Griff zu bekommen. In der Offense sind die Aussichten etwas rosiger, u.a. dank des WRs Lavishka Shenault, der momentane hippe 1st-Round Tipp für den Draft 2020.
Wie immer schöne Übersicht, aber wie kommst du darauf, dass Kevin Sumlin früher DC war? Der Mann hat – wenn nicht HC – immer nur die offensive Seite des Balles gecoacht. Er wurde seinerzeit ja auch für die Texas A&M Offense um Johnny Manziel gefeiert und galt als Offensivguru. Als Spieler war Sumlin allerdings Linebacker (wie mir Wikipedia bei der Kontrolle meiner Klugscheißerei verriet).
Ja, du hast Recht.
Quelle war ein altes Interview mit Dana Holgorsen, der 2008 von Sumlin als OC in Houston angestellt wurde. Dort war mutmaßlich ein Tippfehler, es stand „DC“ anstatt „OC“. Ist mir geblieben, weil ich es so erstaunlich fand.
Ich sehe gerade bei Wikipedia, dass Sumlin tatsächlich „co-OC“ bei Oklahoma war, bevor er 2008 als Headcoach in Houston angestellt wurde.
Erklärt, warum er tatsächlich desinteressiert an Defense war.
Ich schaue eigentlich immer ganz gerne Pac-12 Football. Bloß das Conference Final hat mit den Rest gegeben, was für eine Trostlose Veranstaltung.
Bin am meisten auf Oregon gespannt. Herbert hat ja doch mehr Flauseln als Prospect als man gedacht hatte aber die OL hat viele gute Prospects für die Draft 2020.
Auch Chip hat es mir angetan. Bin sehr gespannt ob er seine Trademark Offense bei UCLA einführen kann.
Bei Stanford könnte man noch QB KJ Costello nennen den PFF als 2. Round Pick anpreist. Sicher ein interessanter QB.
Höchstwahrscheinlich bekannt, aber ich weiße in diesem Zusammenhang gerne nochmal auf den Pac-12 Network Channel bei YouTube hin. Für die ein oder andere Live Übertragung und natürlich darüber hinaus!
Osiris St. Brown wird hoffentlich bei Stanford auch endlich durchstarten.
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