„Über den Tisch ziehen“, oder Jadeveon Clowney-Trade

Der lange erwartete Trade von Houston-Texans Jadeveon Clowney ist unter Dach und Fach. Abnehmer sind die Seattle Seahawks. Die Trade-Kompensation ist allerdings erstaunlich.

Dass Clowney getradet werden würde, war seit langem abzusehen: Die Texans hatten nach dem Ziehen der Franchise-Tag auf einen langfristigen Vertrag verzichtet. Die Zeichen standen seit Monaten auf Trennung. Die einzige Frage blieb der Preis, die Houston für Clowney bekommen würde.

Alle Welt hatte angenommen, dass man Clowney für zumindest einen Offensive Liner verscherbeln würde – schließlich spricht alle Welt seit Monaten über die desaströse Offensive Line der Texans (ich hatte schon auf die Schwächen in jenem Argument hingewiesen).

Doch vor wenigen Minuten kam heraus, dass die Texans für Clowney nur einen 3rd Round Pick 2020 plus die beiden Linebacker Jacob Martin und Barkevious Mingo (ex 1st-Round Bust) zurückbekommen. Diese geringe Kompensation geht als relativer Schocker durch.

Als ob die Texans ohne ihren GM verhandelt hätten.


Für die Seahawks ist der Trade ein No-Brainer. Er ist überdies relativ risikolos. Zwar darf zum aktuellen Zeitpunkt wegen der Franchise-Tag kein langfristiger Vertrag mit Clowney mehr ausgearbeitet werden, doch selbst im Falle einer Trennung nach der Saison 2019 ist ein 3rd-Round Compensatory-Pick wahrscheinlich.

Dass man keinen Offense Liner für Clowney zahlen musste: Priceless. In Clowney bekommt man einen der besten Edge-Rusher der NFL, u.a. die #2 in ESPNs Pass-Rushing Win-Rate. Jedes Jahr, in dem man Russell Wilsons Fenster nicht optimal nutzt, ist ein verschenktes Jahr. Und so sind weder Einjahres-Leihe (weil man den 3rd Rounder ein Jahr später zurück bekäme) noch langfristige Bindung Clowneys ein schlechter Deal für die Seahawks.

GM John Schneider versteht seinen Job.

Für Clowney ist die Situation nahezu ideal: Er hat die Möglichkeit in Seattle ein „Contract Year“ zu spielen und wäre 2020 erneut Free Agent. Die Seahawks sind im Vergleich zur relativ anonymen Franchise in Houston ein Team mit viel Tam-Tam, spielt u.a. fünf Primetime-Spiele in der kommenden Saison – Clowney bekommt in Seattle ausreichend Chancen, sich in Szene zu setzen.


Und die Texans?

JEEEEEEEEEEEEEEEEEZHOLYFUCKINGSHIT.

Ich bin bekanntlich nicht der Meinung, dass Houston unbedingt Offense Line brauchte, weil die Texans mit Scheming durchaus hätten einiges machen können um QB Watson zu schützen. Doch natürlich hätte ein Starting-Tackle o.ä. nicht geschadet.

Es sieht nun tatsächlich so aus, als habe der späte Zeitpunkt des Trades die Texans extrem viel gekostet, wenn man vergleicht, was die Seattle Seahawks vor einigen Monaten für Frank Clark, einen schwächeren Spieler als Clowney, herausschlagen konnten.

Die Texans bekommen wenige Tage vor Saisonstart im Prinzip den Compensatory-Pick für Clowney ein Jahr früher als geplant, plus zwei willkürliche Namen um den Deal weniger katastrophal aussehen zu lassen. So geht das, wenn man keine langfristige Strategie verfolgt.

Aber immerhin haben sie das Gehalt eines General Managers gespart.

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14 Kommentare zu “„Über den Tisch ziehen“, oder Jadeveon Clowney-Trade

  1. Dieser „Trade“ ist der krönende Abschluss einer der miesesten Preseasons der Texans. Auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt kein vernünftiger Gegenwert mehr für einen Pro-Bowl DE und ehemaligen 1st Pick zu erwarten war, ist dieses Ergebnis ein Beleg für den Dilettantismus des FO seit der Owner-Erbschaft. „Über den Tisch ziehen lassen“ trifft es nicht so wirklich, man ist eher mit Geschenk über den Tisch gesprungen. Ob ein Aussitzen von Clowneys Tag in dieser verfahrenen und definitiv selbst verschuldeten Situation für die Texans besser als dieser Trade gewesen wäre, kann man nur mutmaßen.

    Nachdem man bereits den Wechsel vom überraschend entlassenen GM Gaine zu Caserio peinlich versaut hat, fehlt es dem übrigen Senior Management scheinbar komplett an Geschick und Ahnung.
    Der Mob hat auf jeden Fall schon mal die Fackeln und Heugabeln griffbereit und schießt sich weiter auf den starken Mann Bill O´Brien ein, der als HC/GM Kombi keine besonders glückliche Figur macht.

  2. Die Texans bräuchten wohl einen anderen GM, was schwerer wiegt Schottenheimer.
    Hätten sie keinen Jungen vielversprechenden QB wäre es besser zu ertragen.

    Nebenbei haben die Jets ihren 3rd Rounder Polite gecuttet, was ich ziemlich seltsam finde. Nach Hackenberg der nächste frühe Pick der keinen Snap für die Jets sieht.

  3. Houston hat für Tunsil getradet.
    LT Laremy Tunsil und WR Kenny Stills und einen 4th Roundr für 2 1st Rounder und einen 2nd Rounder und ST Johnson Bademosi and OL Julien Davenport die nach Miami gehen.
    Ich verstehe gerade gar nicht was die Texans vorhaben.
    O’Brien scheint als GM alles zu vergessen was er von BB gelernt hat.
    Und Miami wird Rosen damit verbrennen, aber erstmal schauen was Fitzmagic aus dem Team zaubern wird.
    Nur was will Miami dann mit Rosen?

  4. Pingback: NFL Roster Cut Deadline 2019: Texans-Nuggets, Teil 2 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  5. Das ist das Problem der Franchises, die nur von heute auf morgen denken.

    Jets-GM Maccagnan hatte keinen Plan, was sich nun darin offenbart, dass Gase/Douglas seinen hohen Pick so schnell feuern. Auch um nochmal in aller Deutlichkeit zu zeigen, wie schlimm Maccagnan war und wie wenig sie selbst für etwaiges Versagen in den nächsten 2 Jahren können?

    Die Texans sind noch immer planlos. Hat die GM-„Suche“ gezeigt. Haben die letzten beiden Tage in aller Brutalität gezeigt.

    Die Dolphins und Seahawks, die wissen, wohin ihre Reise in den nächsten Jahren geht / gehen soll, als große Gewinner, die diese planlosen Franchises abzocken.

  6. Für dieses Verhalten wurde Le’veon Bell letztes Jahr verlacht – über Clowney redet jetzt kein Mensch; dafür verlachen alle Bill O’Brien – Kevin Colbert hat letztes Jahr kaum jemand verlacht.

    Wo ist der Unterschied? Ich habe das über die Offseason nicht verfolgt, also wahrscheinlich fehlen mir da Infos, aber auf den ersten Blick sieht es für mich prinzipiell wie die Bell-Situation aus.

    * Team & Spieler: „Ja, wir wollen neuen Vertrag machen“
    * Verhandlungen
    * Team & Spieler „Nee, so aber nicht! Da hatten wir in ganz anderen Dimensionen gedacht.“

    Beide verhandeln weiter. Kein Ergebnis. Spieler feuert Agent.

    * Team: „Na ja, dann machen wir diese Saison eben über Franchise Tag.“ – Spieler: „Nee, dann spiele ich nicht. Tradet mich lieber.“
    * Team: „Wir traden Dich nicht“ – Spieler: „Das werden wir ja sehen“.
    * Team: „Du mußt für uns spielen, wenn wir dich nicht traden! – Spieler: „Ich muß gar nichts außer sterben irgendwann.“
    * Team: „Wir können genauso bockig sein wie du; dann spielst Du eben überhaupt nicht.“ Spieler: „Hemmungen! Traut ihr euch eh nicht!“

    Und an diesem Punkt hat Kevin Colbert dann einfach 0,0 Gegenwert bekommen und BoB immerhin einen 3rd-rd pick plus zwei Spieler (3rd-rd compensatory pick nächstes Jahr hätte Houston wohl gar nicht bekommen, da sie mit >$75Mio Cap Space 2020 wahrscheinlich selbst FA verpflichtet hätten, die sich dann mit Clowney weggekürz hätten).

  7. @Herrmann: Das dachte ich zuerst auch, aber man darf den Positional Value nicht vergessen. Clowney spielt auf der viel wichtigeren Position als Bell, für den ein Mega Contract Verschwendung gewesen wäre. Bei Clowney ist das anders.

    Der Trade Value, den die Texans kassiert haben, ist ein Witz. Ich glaube es wäre an dem Punkt besser gewesen Clowney sitzen zu lassen und den Pick 1 Jahr später zu kassieren, weil Clowney vielleicht doch zurückgekommen wäre, als sich zum Gespött der NFL zu machen.

    Der Fins Trade mit Tunsil hat dann ja auch gezeigt, wie planlos das „Front Office“ in Houston ist.

  8. @FloBlogs Klar, positional value ist hier wichtig; und ja: natürlich hat Houston das wahrscheinlich schlecht verhandelt (angenommen: Clowney hat etwas lächerliches verlangt wie „höchstbezahlter Verteidiger der NFL“ – dann hätte man ihn lieber gleich traden sollen statt versuchen, zu einer Einigung zu kommen). Und ja: in diesen Momenten bin ich auch immer froh, daß „mein“ GM Belichick ist, der das von vornherein anders angegangen wäre.

    Mich wundert nur, daß NFL-Twitter – schon vor dem Tunsil-Deal – 100% der Meinung war, daß das die mit Abstand lächerlichste „GM“-Verhandlung aller Zeiten war – wo ja letztes Jahr bei derselben Situation der Spieler komplett lächerlich war und eben nicht der GM.

    Es „fühlt“ sich zumindest so an, als hätte der move zu gut in das Narrativ „Ohne einen GM ist Houston peinlich“ gepaßt, also hat man ohne Nachzudenken „Clowney-für-einen-3rd-rounder“ als Beweis für die Richtigkeit seines eigenen Narrativs genommen. Genauso wie man letztes Jahr dieselbe Aktion in das Narrativ „Man-sollte-keine-Running-Backs-teuer-bezahlen“ reingeschrieben hat.

    Der Widerspruch: 2018 ist 100% der Spieler der Idiot 2019 ist 100% der „GM“ der Idiot wird nicht mal ansatzweise thematisiert. Das ist es, was mich so stutzen läßt.

    Ganz ernsthaft: ich meine das gar nicht ironisch oder passiv/aggressiv; vielleicht habe verschiedene Aspekte nicht mitbekommen, die in der Offseason passiert sind, daher frage ich auch. Aber allein der Umstand, daß Clowney seinen Agent während der Verhandlungen gefeuert hat (!), ist doch schon ein deutliches Signal dafür, daß auch auf der Spielerseite etwas schiefgelaufen ist und der „GM“ damit Pech hatte.

  9. Bell und Clowney sind wie gesagt nicht vergleichbar, weil man für Bell in der heutigen NFL kaum mehr als einen 3rd Rd im Trade bekommt, aber für Clowney ist der Preis einfach mickrig.

    Ich stimme dir zu, dass Colbert bei den Steelers Glück hatte, in der öffentlichen Meinung. Weil Bell seinen viel zu hohen Contract Vorschlag nicht akzeptiert hat. Das war der Fehler von Bell. Deswegen auch so viel Häme gegen Bell.

    Colbert ist auch davon gekommen, weil auch die letzten Truther intuitiv wissen dass RBs nicht mehr die Bedeutung von früher haben.

    Wir wissen nicht was man Clowney geboten hat (wenn überhaupt) deswegen ist es unmöglich abzuschätzen ob der Spieler hier verbockt hat oder nicht. Clowney konnte nach der Deadline im Juni auch gar nicht mehr einen Vertrag verhandeln, das muss man bei der Entlassung vom Agenten auch berücksichtigen.

    Die Texans haben viel zu lange gewartet in der Clowney Situation, weil sie eben keinen Plan haben. Das wäre BB nicht passiert wie du richtig schreibst. Trotzdem muss man doch für Clowney mehr herausschlagen als diese miese Compensation wenn man schon den Spieler vergrault.

  10. @Herrmann: Oberflächlich gesehen hast du einige gute Argumente, bei der Bell-Situation muss man aber unter die Oberfläche gehen:

    1) Er ist ein RB. Die wohl am wenigsten wertvolle Positionsgruppe der NFL (Kicker etc. ausgenommen).

    2) Er hat eine ausschweifende Drogen – und Verletzungshistorie.

    3) Er war noch nie 100% auf den Football konzentriert, gibt sich beispielsweise auch als (wenig talentierter) Rapper und haut Alben raus.

    4) In einem dieser Songs hat er dann auch unverblümt rausgehauen, dass er über $15 Mio. pro Jahr von den Steelers möchte und einen neuen Rekord setzen will.

    5) Er hat vorher mehrfach gegenüber Teammitgliedern und Offiziellen angekündigt, die Saison spielen zu werden, und sich dann doch im letzten Moment aus dem Nichts umentschieden.

    Colbert hat meiner Meinung genau richtig gehandelt. Bell’s Trade-Markt war nicht da, kein Team wollte seine absurden Vorstellungen erfüllen und dann auch noch Picks aufgeben.

  11. @Hermann:
    2/2
    Letztendlich hat Colbert Bell ja sogar einen extrem hoch dotierten Vertrag angeboten (besser als sein jetziger bei den Jets). Ein Vertrag, der nach jeglichem Verständnis unglaublich lukrativ für einen RB war.

    Bell hat abgelehnt.

    Damit war sein Trade-Markt (wie bereits erwähnt) komplett unten durch. Kein Team war bereit so einen Vertrag zu zahlen oder ihn für einen hohen Pick ein Jahr zu „mieten“.

    Deshalb gibt auch keiner Colbert die Schuld. Er hat getan, was er tun konnte. Bell hat es grandios verbockt bzw. sabotiert.

    In Clowneys Situation wissen wir vieles nicht, aber die ganzen Berichte lassen den Schluss zu, dass die Texans zumindest eine gehörige Portion Teilschuld an den verbockten Verhandlungen haben. Deswegen hier die Häme.

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