NFL Rückspiegel 2019 auf Woche 2 – Teil 2

Zwei Wochen NFL sind gespielt. Das ist ein Achtel der Saison. Wir wissen noch nicht viel über die 32 Mannschaften, doch wir wissen schon jetzt mehr über die Offenses als wir jemals über die Defenses wissen werden.

Glaubste nicht? Nun – Timo Riske (@PFF_Moo) hat letztes Jahr eine Studie gemacht, die genau das belegt:

Die wesentlichen Aussagen für die, die solche Grafen nicht lesen wollen:

  1. Passspiel ist stabiler als Laufspiel, und Offense ist viel stabiler als Defense
  2. Nach zwei Wochen wissen wir über die Offense bereits mehr als wir nach 17 Wochen jemals über die Defenses wissen werden.
  3. Der Quarterback (türkise Linie) kontrolliert fast die komplette Offense-Performance (blaue Linie)

Es gibt natürlich noch einiges zu lernen über die einzelnen Mannschaften, doch das meiste davon betrifft die Offenses. In 3-4 Wochen haben wir dann schon eine sehr gute Vorstellung davon, was die Offenses zu leisten imstande sind. Wer die neuen Sterne am Himmel dann noch nicht ernst nimmt, für den wird es später ein böses Erwachen geben.


Die Qualität der Offense in den ersten beiden Wochen der Saison 2019 ist allerdings noch ausbaufähig. Eine der Auffälligkeiten an den ersten NFL-Spieltagen ist die schiere Menge an Holding-Strafen, die vielerorts den Spielrhythmus stören:

Bei solchen plötzlichen Strafen-Exzessen hat die NFL in den letzten Jahren häufig schnell reagiert und ab ca. Ende September bis Anfang Oktober wieder den Ausgangszustand hergestellt (z.B. in den letzten Jahren mit Defensive Holding). Man darf gespannt sein.

New York Jets 3, Cleveland Browns 23

Erster Saisonsieg für die Browns – und ein Pflichtsieg bei hoffnungslosen Jets, die mit QB Siemian nicht den Hauch einer Chance hatten, und bei denen sich Headcoach Adam Gase auch nicht wirklich helfen ließ – Gases Play-Designs waren teilweise absurd. Die Stimmung im Jets-Lager ist nach dem missratenen Start dann auch bereits miserabel.

Wir wollen aber zumindest verhalten optimistische Stimmung verbreiten – lass uns also auf die Browns schauen. Sie waren natürlich haushoch überlegen, aber so wirklich überzeugend fand ich die Vorstellung trotzdem nicht.

QB Baker Mayfield ist sehr zögerlich in der Pocket, braucht viel zu lange für seine Reads. Am Montag riss ihn ein 89-yds TD Catch/Run von Odell Beckham raus, aber da war über weite Strecken wenig Rhythmus und viel Stückwerk dabei. Offensive Line ist nicht überzeugend, doch die bisherige Haupt-Enttäuschung ist Mayfield selbst:

Erstaunlich ist auch die geringe Play-Action Quote der Browns in den ersten beiden Spielen: Nicht einmal jeder 5te Pass war Play-Action. Fazit: Es gibt noch viel Verbesserungspotenzial für die Browns.

Detroit Lions 13, Los Angeles Chargers 10

Überraschende Partie mit so wenigen Punkten – was man nach einem Spielverlauf mit zwei Mannschaften, die folgende Offensiv-Zahlen auflegen, gar nicht vermuten würde:

  • Lions: 57 Plays, 6.0 Yards/Play, 0.14 EPA/Play
  • Chargers: 62 Plays, 7.5 Yards/Play, -0.01 EPA/Play

Wenn zwei Offenses zusammen fast 7 Yards/Play machen, sind 23 Punkte doch teuflisch wenig.

Die Lions waren nach dem ästhetisch fantastischen Sieg-TD von QB Stafford für WR Kenny Golladay kurz vor Schluss ein mehr glücklicher als verdienter Sieger, denn sie schmarotzten eiskalt von den „same old Chargers“-Bolzen mit zwei verschossenen Fieldgoals und einer Rivers-Interception in Doppeldeckung hinein in den letzten drei Drives.

Detroit ist damit überraschenderweise 1-0-1 und noch ungeschlagen. Grund für allzu große Euphorie ist das noch nicht, doch es ist besser als der befürchtete 0-2 Start. Aber ärgerlich: Das 1st-Down Play-Calling ist andeutungsweise so konservativ wie befürchtet. Detroit in 1ten Halbzeiten ohne die Plays nach der 2-min Warning:

  • 12 Pässe, 17 Rushes
  • 17 EPA/Pass vs. 0.08 EPA/Run
  • 58% Pass-Success Rate vs. 41% Run Success-Rate
  • 7 NY/A Passing vs. 4.7 Yards/Carry Rushing

Wollen die Lions Play-Action Passing “etablieren”? Stafford ist mit 16/21 für 254 Yards mit 12.1 NY/A im Play-Action Passing bislang außerordentlich erfolgreich. Doch es braucht dafür kein gutes Laufspiel.

Oakland Raiders 10, Kansas City Chiefs 28

Das beste Beweismittel dafür sind die Chiefs. Die sind eine atemberaubend gute Play-Action Offense in den ersten beiden Wochen, obwohl sie weder viel noch erfolgreich laufen. QB Patrick Mahomes bislang im Play-Action Passing:

  • 19/29 für 346 Yards mit 11.9 NY/A Passing und 2 TD

Die Chiefs sind in den ersten beiden Spielen absolut atemberaubend. Letzte Woche in Jacksonville eine der besten Passing-Defenses der NFL an die Wand gespielt. Am Sonntag ein gutes Viertel in Oakland (das zweite, in dem Mahomes alle vier TD auflegte) und einen lockeren Sieg im Vorbeispazieren eingefahren.

Kansas City macht so vieles richtig:

  • 1st Down Playcalling in der 1ten Halbzeit: 19 Pässe, 7 Rushes. Die Chiefs legen 16.6 NY/A Passspiel auf, 0.98 EPA/Pass und 63% Success-Rate im Passspiel. Der Lauf ist unterirdisch mit 0% Success-Rate, 1.6 Yards/Carry und -0.42 EPA/Run. Trotzdem funktioniert wie von Geisterhand alles, auch Play-Action.
  • Early Down Playcalling bringt einen 30-zu-14 Split Pass/Run. Das ist 70% Pass-Quote – genau wie ich in der Preview gefordert hatte!

Monster-Offense auf allen Ebenen im Passspiel.

New York Giants 14, Buffalo Bills 28

Ich habe das Spiel nicht gesehen, aber die Giants haben im Nachgang das seit zwei Jahren überfällige gemacht und QB Eli Manning gebencht. Nun kommt trotz aller Beteuerungen von GM Dave Gettleman über die Off-Season („Eli ist unser Starter und im Notfall lassen wir ihn noch drei Jahre drauf“) schon der 1st-Round Rookie-QB Daniel Jones aufs Feld. Damit ist einmal mehr bewiesen, dass alles Gelaber der NFL-Verantwortlichen in der Offseason eben eines ist: Gelaber.

Eli Manning geht mit einem robusten 117-117 Record in Rente, hat aber zwei Superbowls gegen die Patriots gewonnen und gilt für viele damit als Hall-of-Famer. Manning war nach DVOA in keinem Jahr ein Top-5 QB, hatte nur vier Top-10 Finishes. Doch zwei Ringe überstrahlen in der NFL so vieles.

Baltimore Ravens 23, Arizona Cardinals 17

Ich habe die Partie live begleitet. In der Nachbetrachtung bleiben mir vor allem drei Dinge hängen:

  • Klassevorstellung von QB Lamar Jackson, der diesmal auch als Runner verstärkt in Szene gesetzt wurde. Jackson sah viel mehr Druck als noch in Woche 1, und er machte seine Sache hervorragend. Jackson war als Passer erneut großartig: 0.29 EPA/Dropback, mit 51% Success-Rate.
  • Auf Cardinals-Seiten gefällt mit QB Kyler Murray außerordentlich. Diese 10-Personnel Offense mit vielen schicken Play-Designs ist optisch so außergewöhnlich, dass ich mich schon jetzt Woche für Woche auf die Cards freue.
  • WR Larry Fitzgerald ist noch längst nicht shot!
  • Kliff Kingsbury ist zu konservativ. Drei Fieldgoals als Außenseiter innerhalb der gegnerischen 10-yds Line zu schießen, ist schlicht bodenlos schlecht und eindeutig „Mike-McCarthy-Territorium“ – was ausdrücklich kein Kompliment für einen Play-Caller ist. Kingsbury kam mit dem Ruf des Aggressors in die NFL.

Hätte Arizona die Partie gewinnen können? Natürlich. Die Cardinals sind in den letzten eineinhalb Spielen durchaus die optimistischste Variante ihrer selbst, die man sich vor der Saison ausmalen konnte und mit der man sogar einen Wildcard-Platz nicht für ausgeschlossen halten konnte.

Doch will man mit den besseren Mannschaften in der NFL nicht nur mithalten, sondern sie auch schlagen, muss Kingsbury dringend seine geschissen vollen Unterhosen wechseln.

Atlanta Falcons 24, Philadelphia Eagles 20

Das Sunday Night Game als würdiger Kracher der Woche. Die Atlanta Falcons besiegen die Philadelphia Eagles trotz 3 Matt-Ryan INTs am Ende 24-20, weil Dan Quinns Falcons bei 4th & 3 mit einem fantastischen Play-Call aufwartete: LT Matthews räumte beim kurzen Anspiel für WR Julio Jones den einzigen verbleibenden Verteidiger aus dem Weg und Jones lief untouched zum entscheidenden TD durch.

Der Sieg für Atlanta war schon extrem wichtig im NFC-Playoffrennen und überdies nach der deprimierenden Auftaktpleite in Minnesota gut für die Moral. Die Falcons sind erstaunlich druckvoll im Pass-Rush und funktionieren in der Offense trotz inexistentem Laufspiel. Sehr krass finde ich übrigens den Run/Pass Split der Falcons in den ersten Halbzeiten (ohne 2-min Warning):

  • 1st Down: 16 Pässe, 13 Läufe
  • 2nd Down: 15 Pässe, 5 Läufe
  • 3rd Down: 10 Pässe, 0 Läufe

Atlantas 1st-Down Rushing ist mit -0.56 EPA/Run, 23% Success-Rate und 2.8 Yards/Rush dermaßen desaströs, dass man sich ernsthaft fragt, warum das kein 80/20 Split im Playcalling ist. In den beiden folgenden Downs sind die Falcons nur noch darauf bedacht, Verlorenes nachzuholen und mit über 80% Pass-Quote sehr ausrechenbar.


Auf Eagles-Seite gibt es zwar noch keinen Grund zur Panik, aber eine Woche nach der nicht überzeugenden Vorstellung gegen Washington ließ die Performance in Atlanta erneut Wünsche offen. Ausdrücklich ausschließen kann man davon das in-Game Coaching von Doug Pederson, der erneut ausreichend Aggressivität in 4th Downs und 2pts-Conversions an den Tag legte.

Doch dafür wackelt die Offense. Laufspiel schien überhaupt nicht in die Gänge zu kommen und im Passspiel kann man sich darüber streiten, ob besonders in Halbzeit 1 QB Carson Wentz viel zu zögerlich war oder ob ihm die Offensive Line keinen guten Schutz bot. Fakt ist: Immerhin wieder geriet Wentz in der Pocket massiv unter Druck, musste gleich mehreren Pass-Rushern entfleuchen oder sich von ihnen wegducken und begraben lassen.

Wentz war vor allem in der 1ten Halbzeit schlecht: 6/16 complete, insgesamt nur 2.9 NY/A und -0.24 EPA/Pass. Nach der Pause wurde es für Wentz deutlich besser: 28 Dropbacks, 0.21 EPA/Pass und 6.6 NY/A im Passing.

Ohne auf zwei haarige Referee-Entscheidungen gegen Wentz eingehen zu wollen: „Stabil“ war das ganze nicht. Es gab auch immer wieder Aussetzer andernorts: So hatte WR Agholor im finalen Drive der Eagles bei einer tiefen Bombe von Wentz, die wirklich zentimetergenau in den Lauf gelegt war, einen kompletten Aussetzer und droppte den Pass. Agholor rehabilitierte sich zwar mit einem ebenso kritischen wie unwahrscheinlichen 4th-Down Catch bei einer Art Hail-Mary ein paar Sekunden später. Doch das reichte dann nicht mehr: Die Eagles hatten bereits den TD verpasst und holten ihn auch nicht mehr nach.

Ob man die ganze Performance mit den zahlreichen kleineren und größeren Verletzungssorgen auf Eagles-Seite entschuldigen kann, steht auf einem anderen Blatt. Zum Beispiel verletzte sich diesmal beim Aufwärmen TE Goedert, womit die 12-Personnel Offense eines zentralen Elements beraubt wurde. Man musste auch auf die WRs Jackson & Jeffery verzichten, die keinen einzigen Ball fingen. Aber die Nachzügler wie z.B. WR Arcega-Whiteside, die hätten an Stelle der Ausgefallenen auf die Bühne treten, waren eher enttäuschend.

Kann man die mäßige Eagles-Performance allein auf die Ausfälle schieben, ist Beruhigung der angespannten Nerven angesagt. Doch die Eagles dürfen sich nach zwei suboptimalen Auftakt-Performances durchaus zu fragen beginnen, ob sie nicht doch grundsätzlichere Probleme zu beheben haben.

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13 Kommentare zu “NFL Rückspiegel 2019 auf Woche 2 – Teil 2

  1. Ich habe mal eine Frage zum Thema der Quarterback hält den Ball zu lange. Ist das wirklich eine Stat mit der die Leistung eines Quarterbacks bewertet werden kann? Für mich sagt die Statistik oben viel eher aus, dass bei den Plays, in denen Mayfield den Ball weniger als 2,5 Sekunden hält, entweder kurze Pässe geworfen wurden oder die WR gute Seperation kreiert haben. Bei den anderen Plays hat das eben nicht funktioniert.
    Werden eigentlich designte Runs oder Scrambles, durch die ja durchaus positive Yards erzielt werden können, bei solchen Statistiken rausgerechnet?

  2. Weshalb werden eigentlich die San Francisco 49er kaum erwähnt bei den Bloggern? – und dies nach 2 Auswärtssiegen. Sie haben beide male nur 17 Punkte zugelassen.
    Die nächsten Gegner:
    Pittsburgh Steelers at Home
    Bye Weekend
    Cleveland Browns at Home
    Los Angeles Rams in LA

  3. Ich finde das mit dem lange Ball halten sehr schlüssig und super spannend, danke dir, dass du das hier so toll aufdröselst. Was ich mich noch Frage ist, was können eben jene „schnellen QBs“ besser, dass sie den Ball durschnittlich nur <2,5 sek. halten?
    Haben sie die Reads schneller durch?
    Können sie vor dem Snap besser sehen als andere was passsieren wird, also besser die D# lesen? (ergo Spielintelligenz)
    Haben sie mehr Vertrauen in ihre Ballfänger (und deren Route-running-skills)?
    Hat es etwas mit Athletik zu tun?
    Haben sie mehr Selbstvertrauen?
    Oder alles zusammen, oder ganz etwas anderes, oder deine dies, der andere das?

    Sehr interessant jedenfalls!

  4. Alles valide Fragen. Sie führen zum „heiligen Gral“ des Football – dem Entscheidungsprozess des QBs. Dss ist das oberste Analytis Ziel der nächsten Jahre.

    Die Öffentlichkeit über die Beziehung QB, OL und Routen aufzuklären, wird eines der nächsten wichtigen Dinge der nächsten Offseason sein. Ich weiß, dass PFF diesbezüglich einiges unternehmen wird.

  5. Für mich wird in diesem sehr guten Artikel, den ich bereits gelesen hatte, mehr auf das Verhältnis QB zu Pressures und Sacks eingegangen. Natürlich hängt alles miteinander zusammen, aber das Ballhalten größtenteils auf die Leistung des Quarterbacks zurückzuführen, finde ich schwierig.
    Wäre dann die Quintessenz, dass der Quarterback besser vor Ablauf der 2,5 Sekunden den Ball ins Aus wirft als ihn zu halten und möglicherweise noch ein Play zu kreieren? Wieso eigentlich 2,5 Sekunden? Ist das die Zeit, die ein D-Liner im Durchschnitt braucht, um an der O-Line vorbeizukommen?

  6. Nein, das möchte ich nicht sagen. Länger den Ball halten ist mehr dazu da um den Stil des QB zu beschreiben als seine Effizienz.

    Die 2,5 sek sind ein gewählter Wert ähnlich der Success Rate. Sie bringen die QB Pressures auf eine binäre Skala: 1 oder 0. Ist leichter greifbarer als eine Funktion über die Zeit. Die ist „next step“.

  7. Wie Stil und Qualität/Effizienz zusammenhängen, darüber gibt es momentan nur interessante Ansätze und Indizien, aber noch keine wirklich gesicherten Erkenntnisse.

    Ich denke, nächstes Jahr um die Zeit wissen wir viel mehr.

  8. Pingback: Sonntagsvorschauer – Woche 3 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  9. Pingback: Nachwehen von NFL-Woche 3 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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