Letztes Jahr habe ich gezeigt, dass NFL-Passspiel effizienter ist, wenn weniger Receiver auf dem Spielfeld stehen. Das Argument findet sich dieser Tage in zahlreichen Varianten von wegen „12-Personnel Passing ist erfolgreicher als 11-Personnel Passing“ – Passspiel mit zwei Receivern plus zwei Tight Ends ist erfolgreicher als Passspiel mit drei Receivern am Feld.
Das Portal Five Thirty Eight hat letzte Woche eine Vertiefung dieses Arguments vorgenommen:
Der Artikel betrachtet zwar nicht die Anzahl der Receiver, sondern die Anzahl der Routen. Doch im Prinzip ist er ein leicht anderer Betrachtungswinkel auf die Problematik des Passspiels – mit einigen erstaunlichen Ergebnissen.
Auf der Oberfläche ist das Resultat dieser Josh-Hermsmeyer-Studie durchaus ähnlich mit dem Ergebnis aus dem letzten Jahr: Je mehr Routen gelaufen werden, desto ineffizienter wird das Passspiel:
- 2 Routen = 39% Pass Success Rate, -0.03 EPA/Pass
- 3 Routen = 45% Success-Rate, +0.12 EPA/Pass
- 4 Routen = 44.9% Success-Rate, +0.07 EPA/Pass
- 5 Routen = 44.8% Success-Rate, +0.04 EPA/Pass
Das Resultat impliziert, dass NFL-Passspiel am besten dann funktioniert, wenn nur 3 Routen gelaufen werden – nicht vier oder fünf. Quasi: Je weniger Spread, desto besser. Doch Hermsmeyer ist schnell darin, nicht zu viel in dieses Ergebnis hineinzulesen, und bricht das Ergebnis herunter auf Passspiel mit Play-Action und ohne Play-Action.
Play-Action vs. Non Play-Action
Wir wissen bereits: Play-Action ist ein absolutes Erfolgsgeheimnis in der NFL. Es ist sensationell erfolgreich, klappt auch ohne funktionierendes Laufspiel und wird bislang viel zu wenig von NFL-Teams eingesetzt.
Hermsmeyer beweist in seiner Studie, dass der Grund für erfolgreicheres Passspiel mit weniger gelaufenen Routen allein vom Play-Action Fake her rührt. Hier das Ergebnis seiner Studie (Achtung, Daten schamlos von 538 übernommen):

Quelle: Five Thirty Eight (Josh Hermsmeyer)
Ohne den Play-Action Fake ist der NFL-Playcaller extrem rational: Je mehr Routen, desto erfolgreicher die Passing-Offense nach Success-Rate und nach EPA/Passversuch, und desto häufiger callen die Play-Caller auch den Fake. Callt der Offensive Coordinator in der NFL also Passspiel ohne den Play-Action Fake, kann er totale Effizienz für sich beanspruchen…
…doch gleichzeitig muss man ihm völlig Irrationalität vorwerfen, weil er zu selten den extrem effizienten Play-Action Fake einbaut. Denn nur 19% der Pässe im Betrachtungszeitraum rührten aus Play-Action Passing – obwohl das Play-Action Passing so viel effizienter ist:
- 20 EPA/Pass mit Play-Action
- 02 EPA/Pass ohne Play-Action
- (Vergleich: Laufspiel hat weniger als -0.05 EPA/Run)
Der Clou: Play-Action Passing funktioniert wesentlich besser mit weniger gelaufenen Routen am Feld, was auch nachvollziehbar ist: Mit 5 Routen gibt es keinen Runner, zu dem man den Fake antäuschen könnte. Der große Erfolg des Play-Action Passings rührt also daher, der Defense aufzutischen, dass man laufen wird – was besser dann funktioniert, wenn man schwereres Personal am Feld hat und entsprechend weniger Routen läuft!
So können wir aus der Studie und bisher gewonnenen Erkenntnissen festhalten:
- Der globale Erfolg des Passspiels mit weniger Routen rührt vor allem aus dem Play-Action Fake, der besonders effizient mit weniger gelaufenen Routen ist
- In Plays ohne den Play-Action Fake, also in 80% der Passspielzüge, ist die NFL total rational.
- Mehr Spread-Personal (mehr Routen) ist auch besser für das Run-Game, weil es weniger Leute in der Box impliziert – was bekanntlich der wichtigste Treiber für erfolgreiches Laufspiel ist.
- Gleichzeitig ist Play-Action Passing dermaßen krass erfolgreicher als konventionelles Passing, dass es mit nur 19% Einsatz viel (und ich meine: VIEL!!) zu selten eingesetzt wird.
- Es gibt zum momentanen Zeitpunkt wenig Anzeichen, dass die kritische Masse an Play-Action Spielzügen erreicht ist.
Wo liegt denn nun das Optimum?
Anders: Wir können nun erahnen, dass das Optimum im NFL-Playcalling sich irgendwo in diesem Raum abspielt:
- Wesentlich mehr Passspiel als Laufspiel
- Grundsätzlich sind mehr potenzielle Ballfänger, die Routen laufen, besser, weil sie Passspiel und Laufspiel erfolgreicher machen
- Doch mitten rein platzt die Erkenntnis, dass die Offense am effizientesten dann ist, wenn sie Laufspiel vortäuscht und Passspiel bringt (Play-Action) – und dies ist besonders erfolgreich dann, wenn eben nicht die maximale Anzahl an Receivern am Feld ist.
Der Verdacht liegt nahe, dass 12-Personnel vor allem als optimales Play-Action Einsatzgebiet so erfolgreich ist. Ohne einen Fake im Play-Design einzubauen, ist es besser, möglichst viele potenzielle Ballfänger in den Route-Tree zu schicken: 11-Personnel oder 4-WR Formationen tendenziell besser, weil sie in ihrem Kerngeschäft – dem Schlagen von Verteidigern – besser sind als gewöhnliche Tight Ends oder Runningbacks.
Wir haben somit viele Indizien, dass die bessere Execution und besseres individuelles Personal weit weniger wichtig sind als das psychologische Moment:
- Aufrechter Kampf ist lobenswert – und gut.
- Doch schon simple Täuschung der Defense ist besser als der beste aufrechte Kämpfer.
- Und gut gemachte Täuschung ist die tödlichste Waffe einer zeitgenössischen NFL-Offense.
Erinner dich an all das, wenn das nächste Mal von „Max Protection“ und Establish the Run im Fernsehen geschwafelt wird. Denn jetzt bist du schlauer.
Super aufschlussreich. Frage mich, wovon der Erfolg von Play-Action abhängt. Ist es die Qualität des QB die Täuschung umzusetzen, ist es die volle Box die die Sicht „behindert“ oder ist es die Defense, die zu leicht zu täuschen ist. Vermutlich von allem etwas. Und: wenn es so erfolgreich ist, müsste es am Spielfeld ja auch den engstirnigsten Coaches auffallen und diese müssten es dann häufiger spielen lassen.
Ist in den Statistiken auch RPO mit drin? und was ist der genaue Unterschied zwischen RPO und Play Action?
Sorry, wenn die Fragen dämlich sind, aber ich versuche zu lernen 😉
Buddy, ich meine das ist vor allem auf die Defense zurückzuführen, weil sich die Linebacker von Klein auf angewöhnen auf den Fake zu reagieren und dann die Zonen zwischen LB und Safety offen sind und die Offense dort reinschießen.
Klar macht ein besserer Fake noch etwas aus, aber die LB sehen die Bewegung der OL und gehen auf den Run Play los. Wird wohl noch Jahre dauern bis die Defender dagegen ansetzen können.
@sam82:
bei playaction steht *vor* dem snap das es der pass wird.
Bei RPO wird das nach dem snap entschieden, je nachdem was der (meist) LB tut.
Das andere ist die O-Line. Bei RPOs blockt die O-Line Run und bei Play action blockt die O-Line Pass.
Das hat auch damit zu tun das playaction meist tiefe Route hat und wenn die da run blocken hast du illegal man downfield.
Andererseits hast du bei RPOs auch keine Runninglane wenn da nicht run geblockt wird. Da hält dann die passpro auch nciht lange, auch weil du ja qua design nen ungeblockten man hast.
Als Folge sind die meisten RPOs einfach ne Slant für ein paar Yards und Playaction häufiger mal 20 yards.
@blub: Danke, aber ist es nicht so, dass auch Play Action wie ein Run Play aussieht ganz am Anfang. Sicher nicht so lange wie RPO weil das wie ich es verstehe als Run Play designt ist, aber bestimmt für die ersten Momente? Ich meine, wenn eine Defense von Anfang an sieht, dass sie Pass erwartet, wo wird sie dann noch überrascht?
Oder ist es das Mindgame 1. sehe Pass 2. Fake, also doch Run 3. Oh shit doch Pass! das sie freezen lässt?
ja klar, bei beiden wird erstmal der run angetäuscht.
Das umgekehrte pass antäuschen, dann trotzdem laufen gibts auch, nennt sich draw play. ist aber seltener.
Danke, ja das dachte ich mir, denn man hört oft dass Defenses vor allem die OL lesen, wenn sie nach dem Snap reagieren.
Wundere mich oft, dass zwischen den TV Commentators und Twitter oft unterschiedliche Einstufungen von plays als PA oder RPO gesehen werden, aber das scheint nicht immer ganz einfach zum Unterscheiden sein…
Bleibt in der Tat die große Frage, warum Coaches den PA Fake nicht häufiger einsetzen. Ca. 20% scheint mir sehr wenig zu sein, wenn man sich den Gap in der Effizienz anschaut!