Das Attribut, das diese College-Football Saison 2019/20 bislang am besten beschreibt, ist „öde“. Nach sechs Spieltagen haben wir noch nicht ein nennenswertes Upset einer der Topmannschaften erlebt. Am nächsten dran waren wir vor zwei Wochen, als UNC mit einem Punkt gegen den Titelfavoriten Clemson verlor.
Doch selbst in jenem Spiel hätte der haushohe Favorit Clemson im Erfolgsfall noch eine relativ gute Chance zum Kontern gehabt, denn die 2-pts Conversion wurde mit rund eineinhalb Minuten auf der Uhr versucht.
Da wir auch schematisch noch nicht viel Neues erlebt haben, ist es momentan schwer, sich allzu viel Interessantes zur laufenden Saison aus den Fingernägeln zu saugen. Schauen wir mal ein paar Aspekte an:
Der Kreis der Titelanwärter ist übersichtlich
#1 Alabama (5-0) cruist bis jetzt ohne mit der Wimper zu zucken durch die Saison. QB Tagovailoa wirkt nicht so als hätte er irgendein Problem mit der umgestellten Offense – und jede Woche sorgt ein anderer seiner Superstar-Receiver für eine Monster-Partie. Allenfalls die Run-Defense der Crimson Tide hat bislang Verwundbarkeit gezeigt.
Play-off Chance laut ESPN FPI: 69%
SP+ Overall Ranking: #1
SP+ Offense: #2
SP+ Defense: #11
#2 Clemson (5-0) ist schon instabiler. Den Schreckmoment gegen UNC hatten wir schon oben, aber auch abseits jener Partie sah die Offense nicht immer dominant aus. QB Trevor Lawrence hat erstaunlich viele Unsicherheiten in seinem Spiel. Er hat bis jetzt den erwarteten Schritt nach seiner sensationellen Freshman-Saison 2018 nicht gemacht.
Play-off Chance laut ESPN FPI: 65%
SP+ Overall Ranking: #8
SP+ Offense: #15
SP+ Defense: #10
#3 Ohio State (6-0) ist der Titelanwärter, der im Vergleich zur Preseason-Projection den vielleicht größten Schritt nach vorn gemacht hat. Da muss man anfügen: Im Vergleich zu meiner Preseason-Erwartung. Ich hatte gedacht, dass die Umstellung auf Headcoach Ryan Day größere Probleme macht – aber Ohio State ist mit der neu formierten Offense um QB Justin Fields und RB D.K. Dobbins sowas wie „back to the roots“ gegangen und nach Advanced-Stats wahrscheinlich die bislang zweit-dominanteste Mannschaft der Saison (nach Alabama).
Play-off Chance laut ESPN FPI: 74%
SP+ Overall Ranking: #2
SP+ Offense: #5
SP+ Defense: #3
#4 Georgia (5-0) hat aktuell den besten Sieg aller Titelanwärter, weil es zuhause Notre Dame mit einem Score Differenz geschlagen hat. Aber ansonsten hatte man nur Sparringspartner im Schedule.
Play-off Chance laut ESPN FPI: 46%
SP+ Overall Ranking: #5
SP+ Offense: #6
SP+ Defense: #17
#5 LSU (5-0) spielt eine untypische Saison, war defensiv nicht immer sattelfest – man erinnere daran, wie Texas mit QB Ehlinger gegen die Tigers aufgetreten ist – doch dafür wirkt die Offense Woche für Woche explosiver. QB Joe Burrow, einst Dwayne Haskins‘ Backup bei Ohio State, gilt schon als einer der Top-3 Heisman Kandidaten (hinter Jalen Hurts und Tagovailoa). Folglich sieht SP+ die Tigers auch offensiv als Top-3 Team, aber defensiv nur als die #28.
Play-off Chance laut ESPN FPI: 31%
SP+ Overall Ranking: #4
SP+ Offense: #3
SP+ Defense: #28
#6 Oklahoma (5-0) hat noch gegen keinen veritablen Gegner gespielt, doch die bisherigen Performances waren überzeugend. Die Offense scheint um QB Hurts kaum Pace verloren zu haben und ist weiterhin die #1 im Lande, und auch die Defense scheint den notwendigen Sprung nach vorne gemacht zu haben: Sie ist momentan schon an #36 bei SP+ gerankt. Das ist ein gewaltiger Satz nach vorn.
Play-off Chance laut ESPN FPI: 43%
SP+ Overall Ranking: #3
SP+ Offense: #1
SP+ Defense: #36
Dahinter folgen im AP-Ranking in der Reihenfolge:
#7 Florida (6-0)
#8 Wisconsin (5-0)
#9 Notre Dame (4-1)
#10 Penn State (5-0)
Aus diesem Quartett hat interessanterweise Florida mit nur 8% Play-off Chance die geringste Chance. Dabei spielt nicht nur mit rein, dass UF keine gescheite Offense hat, sondern auch, dass es in der monströsen SEC mit Alabama, Georgia und LSU drei bessere Teams gibt. Am Wochenende gibt es LSU vs. Florida.
Penn State hat momentan 18% Playoffchance, Notre Dame 17%, Wisconsin 14%. Es gibt aktuell nur eine 15%-ige Chance, dass sich ein Team, das nicht in diesen Top-10 klassiert ist, sich eines der Playoff-Tickets schnappt.
Pac-12 bleibt im Playoff-Rennen außen vor
Oregon hat seine goldene Chance zu einem Statement verpasst, als es gegen Auburn offensiv nix zustande brachte. Die Ducks verschenken damit auch den überraschenden Fakt, dass ihre Defense nach fünf Spielen als #1 im SP+ Ranking ausläuft. Die Offense um Draft-Prospect QB Justin Herbert ist hingegen nur die #52 im Lande.
Das enttäuschende Washington hat schon zwei Niederlagen. Utah ist Utah und Stanford hat ein down year (nur #69 nach SP+ aktuell). Washington State (#7 Offense) und UCLA (#39 Offense) sind aufregend, aber sportlich nur zweite Geige, und USC ist zwar mit seiner neuen Air-Raid Offense mit jedem erdenklichen QB ein Hingucker, aber nicht stabil genug um den Big-Cows Paroli zu bieten.
Michigan von Jim Harbaugh bleibt underachiever
Die Wolverines sind nicht mehr ungeschlagen, weil sie von Wisconsin verprügelt worden, dass ihnen Hören und Sagen vergeht. Jene 14-35 Pleite war zwar die einzige bis jetzt. Doch Michigan war auch in anderen Spielen nahe am Desaster.
Harbaugh wirkt angezählter denn je. 2019 sollte nach dem Rücktritt von Urban Meyer in Ohio State endlich das Jahr werden, doch man ist wieder qualitativ Lichtjahre von den Buckeyes entfernt. Man sucht in der Offense händeringend nach einer Identität und kann sich trotz #2 Ranking bei SP+ Defense seit dem Debakel in Wisconsin nichtmal mehr darauf verlassen, dass Don Browns Defense Woche für Woche alle Gegner abräumt.
Wo gibt es noch ernsthafte Störer?
Wir brauchen Chaos-Agenten! Der logischste Tipp dafür ist wie so oft Auburn. Auburn ist nach seinem 5-1 Start zwar bereits angeschlagen, aber als #12 nach SP+ weiterhin ein gefährliches Außenseiterteam – und Auburn hat noch Matchups mit Alabama, Georgia und LSU vor der Brust. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass die Tigers zumindest einen der drei nicht bloß ärgern, sondern auch sogar schlagen können.
Ist auch Texas A&M gut genug? Die Aggies haben bereits gegen Clemson (total hoffnungslos) und Auburn (eher knapp mit 8 Punkten) verloren – doch als #19 nach SP+ bleiben sie eine gefährliche Wildcard für ein Upset. Auch sie spielen noch gegen die Big-Three: Georgia, Alabama, LSU.
Die Big Ten hat in Ohio State, Penn State und Wisconsin offensichtlich drei mögliche Contender – doch auch Michigan ist nach SP+ trotz aller Probleme noch immer in den Top-20 klassiert und hat trotz einer Niederlage noch das Potenzial, den Favoriten zumindest Nadelstiche zuzusetzen.
Clemson scheint trotz seiner Strauchler in der ACC ungefährdet, aber in der Big-12 hat Oklahoma trotz seiner explosiven Offense ausreichend Konkurrenz in Reichweite, dass zumindst ein Upset durchaus denkbar scheint. Vielleicht kommt das schon am Samstag – dann ist Red River Rivalry gegen Texas!
Finde es schön, dass die Akademische Viertelstunde mal wieder zurück ist. 🙂
Zur Zeit ist College Football aber schon ziemlich frustrierend, es spielen einfach fast immer nur die gleichen oben mit. So konstant über mehrere Jahre ist das in der jüngeren CFB-Geschichte ein ziemliches Novum.
Was mit aufgefallen ist in der laufenden Saison, sind die technischen Mängel der Underdogs. Zu viele Drops, Fumbels oder sonstige Unachtsamkeiten verhinderten in entscheidenden Spielsituationen die Chance auf ein Upset.
Es wird wohl „öde“ bleiben bis zum Playoff, sogar wenn ein Favorit mal straucheln sollte. Es sind leider keine direkten Gegner in Sicht auf die vier erstgenannten.
Oklahoma und LSU als Herausforderer sollten sich wirklich keinen Ausrutscher erlauben, was ich eher bezweifle.
finde ich auch College Football ist eben nicht so ausgeglichen wie die NFL, clemson und bama spielen doch in einer eigenen Liga an die kommt keiner mehr ran. die NFL ist spanender bis auf diese patriots die aber diese season von den saints gestoppt werden.
Früher gab es zumindest jedes Jahr 1-2 Störer, die die Top-5 aufgemischt haben. Aber jetzt sind seit 4-5 Jahren nur noch Alabama, Clemson, Ohio State, Georgia und Oklahoma.
Notre Dame, das theoretisch auch gute Voraussetzungen hat, gibt alles und wird in den Playoffs chancenlos abgeschlachtet.
Alabama und Clemson cruisen seit Jahren fast ohne Schreckminute durch die Regular Season, ehe sie im Finale gegeneinander spielen.
Naja, Ohio State ist regelmäßig ein Contender, dieses Jahr vielleicht wieder. DIe haben sich seit ihrem Titelgewinn 2014 halt regelmäßig mit einem Off-Game alles kaputt gemacht und es gab auch Jahre, in denen sie weit hinter Bama/Clemson waren, aber die haben schon gezeigt, dass sie veritabel um den Titel mitspielen können. LSU (vielleicht dieses Jahr) und Auburn (zB vor zwei Jahren) haben/hatten auch Teams, mit denen ein Titelgewinn möglich scheint/schien. Florida ganz vielleicht auch. Aber bis auf Alabama/Clemson, mit Abzügen Ohio State/Georgia/Oklahoma sind das vereinzelte Jahre und gereicht hat es bisher auch noch nicht, das ist der große Unterschied dieser Epoche zu den bisherigen. Alle anderen, auch Notre Dame, sind einfach zu weit weg, weil mit den Fortschritten, die unsere Welt und auch der Sport gemacht haben, die ressourcenstarken Programme ihre Vorteile besser ausspielen können. Über Recruits ist so viel bekannt wie nie zuvor, also ist die Miss-Rate derer, die sich quasi zuerst aus dem Spieler-Regal bedienen dürfen, geringer usw.
diese Recruits im College ist eben nicht so wie in der nfl eher fussball System mäßig,jeder gute Spieler geht eben zu den top Unis wie Alabama oder clemson. ich hoffe das mein Lieblings Team die boise state broncos mit ihrem blauen Kunstrasen Stadion mal in die playoffs kommen dürfen.
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