Wie kann man sich nach einem Wochenende mit Clemson vs. Ohio State und der Zentimeterentscheidung im NFL-Playoffrennen noch motivieren, heute Abend wieder College Football Bowl-Season einzuschalten?
Die Antworten geben wie immer Jan Weckwerth (@giannivanzetti / Triple Option Blog) und Christian Schimmel (@Chris5Sh / u.a. Der Draft).
Bowl-Programm von heute:
First Responder Bowl: Western Kentucky – Western Michigan (18h30)
Music City Bowl: Louisville – Mississippi State (22h)
Redbox Bowl: Cal – Illinois (22h / FOX)
Orange Bowl: #9 Florida – #24 Virginia (02h)
Es ist der Lackmus-Test: Wer heute Bowl-Football schaut, ist wirklich Hardcore-Footballfan.
#19 Bitte Motivationshilfe: Wie rafft man sich nach College-Football Playoff-Semifinals und NFL-Regular Season auf, heute Nacht wieder Bowl-Football zu schauen?
Christian Schimmel: Es ist Football. Es ist Football auf einem guten Niveau mit einem Haufen Draft Prospects. Gerade Cal hat in der Defense einige. Man findet in aller Regel immer einen Grund einen Bowlsieg einem Team mehr oder weniger zu gönnen. Dazu könnte Florida gegen Virginia ein ziemliches Freak Spiel werden, speziell dann, wenn die Gators nicht voll motiviert in die Partie gehen. Und es ist Football.
Jan Weckwerth: Zugegeben, nach einem Spiel wie dem Fiesta Bowl zwischen Clemson und Ohio State ist es nicht immer leicht, sich für jeden x-beliebigen Bowl zu erwärmen. Aber wenn nötig, kann man ja auch mal einen oder zwei Bowls auslassen, es wird schließlich niemand zum Ansehen aller 41 Bowl-Spiele gezwungen.
Ich habe stattdessen gestern die NFL eher nebenherlaufen lassen und werde heute auf jeden Fall einen Blick riskieren.
Redbox Bowl
#21 Lovie Smith mit Illinois in einer Bowl – Coaching-Leistung des Jahres?
Jan Weckwerth: Auf jeden Fall eine der besten Coaching-Leistungen des Jahres. Wer das vor der Saison erklärt hätte, wäre wohl für verrückt gehalten worden. Illinois wurde nicht weit über Rutgers eingeordnet und es mehrten sich die Stimmen nach einer Ablösung von Lovie Smith. Mittlerweile hat er eine Vertragsverlängerung bis 2023 erhalten – so schnell kanns gehen.
Der Turnaround ist in vielerlei Hinsicht sensationell. Die Illini verloren vor der Saison ihren besten Spieler DE Bobby Roundtree durch einen fürchterlichen Schwimmunfall, bei dem er sich eine schwere Wirbelsäulenverletzung zuzog. Dazu kamen weitere Verletzungen (wie die von Top-Recruit Marquez Beason) und Eligibility-Probleme.
Doch schlugen gleich mehrere Transfers voll ein (QB Brandon Peters, WR Josh Imatorbhebhe, OG Richie Petitbon, DE Oluwole Betiku). Gerade bei Michigan Transfer Peters wunderten sich viele, da OC Rod Smith eigentlich lieber mit dual-threats arbeitet, aber er nahm einige schematische Adjustments vor und schnitt die Offense auf seine Stärken zu. Entscheidend war jedoch die Leistung von der Defense, also Lovie Smiths Spezialdisziplin. Vor der Saison schätzte ich die Secondary als potenziell beste Unit ein, und die ist dem durchaus gerecht geworden.
Nun muss es für Smith erst einmal darum gehen, diese Leistung zu verstetigen. Schließlich verlassen einige Schlüsselspieler und eben auch die Grad Transfers das Team. Noch bin ich ein wenig skeptisch, was die Aussichten in 2020 angeht. Das soll aber nichts von diesem Riesenerfolg nehmen.
#22 Cal vs. Illinois – Punkte Over/Under von 14, oder?
Christian Schimmel: Under. Cal wird ohnehin nicht viel Scoren, weil Probleme mit Quarterback und Ball bewegen ist deren Sache ohnehin nicht. Illinois wird nicht scoren. weil die Cal-Defense gegen durchschnittliche oder schlechtere Angriffsreihen wenig zugelassen hat. Erinnert sich noch jemand an den jubelnden Frank Beamer beim 0:0 von Virginia Tech gegen Wake Forrest? So ein Spiel erwarte ich.
Jan Weckwerth: Das offizielle over/under liegt immerhin bei 44, man traut den beiden Teams also offensiv etwas mehr zu. Voraussichtlich werden einige defensive Spieler fehlen (unter anderem Cals Top-S Ashtyn Davis), von daher erleben wir vielleicht doch ein wilderes Spiel als gedacht. Bowl Games sind oftmals so unwägbar, darum würde ich hier sowieso nie wetten.
Orange Bowl
#23 Dan Mullen scheint nur der letzte in einer Reihe von Coaches zu sein, die daran scheitern, bei Florida zehn Jahre nach dem Abgang von Tim Tebow mal wieder sowas wie Offense zu bauen. Warum kriegen es die Gators mit all ihrem Talent einfach nicht gebacken?
Christian Schimmel: Ich hatte schon den Eindruck, dass es besser geworden ist. Auch Florida hatte auf Quarterback Verletzungsprobleme, schematisch glaube ich aber, dass Mullen in eine richtige Richtung geht. Immerhin geht es meist in Richtung 30 Punkte, das war gegen gute SEC Gegner in den letzten auch eher die Ausnahme. Ich bin gespannt, wie es läuft, wenn Mullen mal „seine“ Recruits auf den Platz bringt. Aktuell bin ich bei den Gators vorsichtig optimistisch, trotz der besser werdende Konkurrenz in der SEC East.
#24 Man hört bei Florida und auch Virginia von einigen interessanten Draft-Prospects. Welche könnten dabei gemeint sein?
Jan Weckwerth: Das sind zu viele, um sie hier alle vorzustellen. Daher beschränke ich mich hier auf die wichtigsten, die bereits für die kommende Draft in Frage kommen könnten.
Bei Florida ist zunächst Top Prospect CB C.J. Henderson zu nennen, ein sehr athletischer Man Cover CB, für mich ein 1st round Kandidat. Henderson hat allerdings bereits declart und wird im Bowl nicht auflaufen.
Interessant ist ferner die DE-Zange aus Jabari Zuniga und Jonathan Greenard. Während Zuniga mit großen Verletzungsproblemen zu kämpfen hatte, spielte Louisville Transfer Greenard eine herausragende Saison, übrigens nicht nur als Passrusher, sondern auch gegen den Lauf und als Edgesetter. Ein weiterer Kandidat ist CB Marco Wilson, dazu gefiel mir S Shawn Davis ziemlich gut. Die starke Gators Defense ist insgesamt relativ jung, so dass voraussichtlich einige Spieler zurückkehren werden.
In der Offense könnte man auf den vielseitigen RB Lamical Perine trotz einer statistisch eher enttäuschenden Saison sowie auf WR Van Jefferson achten. Der beste Offense-Prospect TE Kyle Pitts muss noch ein Jahr am College bleiben.
Bei Virginia bin ich ein großer Fan des Linebacker-Corps, wenngleich ich nicht weiß, wie weit alle gut für die NFL projecten werden. Die Cavaliers spielen eine 3-4 mit außergewöhnlich langen OLBs. Einer davon ist Charles Snowden, der mit seinen angegebenen 6‘7 und Tentakelarmen für die Edge eine verlockende Option sein könnte. Auf ILB steht mit Jordan Mack ein außergewöhnlich spielintelligenter Typ mit hoher Vielseitigkeit, der auch als Inside Blitzer sehr gefährlich ist. Weitere interessante Spieler sind 5-tech DE Eli Hanback und der hart hittende Safety Joey Blount.
In der Offense bin ich gespannt, ob ein Team dual-threat QB Bryce Perkins eine Chance gibt, ein spektakulärer Runner, der als Passer jedoch eine schlechtere Saison gespielt hat als 2018. WR/KR Joe Reed ist ein „Ball schnell in die Hand und Yards after Catch“-Spieler, der eventuell später in der Draft Interesse hervorrufen könnte, ebenso wie WR Hasise Dubois mit seinen gelegentlichen Highlight Catches.
Bester Prospect der Cavaliers ist eindeutig CB Bryce Hall, der bereits letzte Saison ein hoher Draftpick gewesen wäre, sich aber zu einer Rückkehr entschied. Leider verletzte er sich schwer am Knöchel und fällt für den Rest der Saison aus.
Der von mir angepriesene Cavaliers ILB Jordan Mack wird wegen Verletzung leider nicht auflaufen können.
zu Clemson vs Ohio State: wie falsch bzw schlecht war eigentlich die Entscheidung von OSU, nach dem letzten Touchdown statt den kick, die 2.Point-Conversion zu versuchen und so statt mit einer 2 Punkte Führung mit einem FG Vorsprung in die letzten Minuten zu gehen? Ich meine, was bringen mir 2 Punkte Vorsprung? Wäre Etienne nicht zum TD durchgelaufen (sah nicht nach Intentional TD der Defense aus, auch wenn missed Tackles dabei waren), sondern „nur ein neues first down gemacht, hätte Clemson die Uhr melken können ohne Ende und dann am Ende im schlechtesten Falle halt mit einem FG trotzdem in Führung gehen können. So ließ man letztlich OSU doch noch sehr viel Zeit auf der Uhr und man war letztlich dann doch sehr glücklich, dass man das Ding mit ner INT noch retten konnte. Alles in allem für mich doch sehr fragliches Time Management auf beiden Seiten. Oder muss man das im College Football bissl anders betrachten (andere Regeln als NFL, v.a. dass die Uhr nach neu erreichten First Downs angehalten wird u.ä.)
soll oben natürlich heissen: Wie falsch war es zu kicken und nicht die 2-Point-Conversion zu versuchen
@Rantanplan: Der Kick zum 23-21 ist unentschuldbar.
Beim Etienne-TD: Ja, dachte ich mir auch sofort, dass da vielleicht abknien besser gewesen wäre, aber es gibt zwei Punkte, die man beachten muss:
1. Es war ein „langer“ TD. Etienne konnte mental nicht darauf vorbereitet sein, dass 1st&Goal möglicherweise besser sei als Touchdown. Hier würde ich damit entschuldigen, dass das keine ausgefuchsten Vollprofis sind – und selbst in der NFL immer wieder dieser „Fehler“ begangen wird.
2. College-Kicker sind keine NFL-Kicker. Und ohne TD war man noch immer auf einen gelungenen Kick angewiesen.
Vielleicht müsste man dann noch in Betracht ziehen, dass Clemson von der 1 hätte 3x laufen können und somit entweder Uhr melken oder eben 40-80 Sekunden später den TD machen.