LSU vs. Clemson – Nachklapp und Draft-Preview

LSU vs. Clemson hat nicht bloß den ersten National Title für die Bayou Bengals seit 12 Jahren gebracht, sondern auch die Frage ob es sich bei diesem 15-0 Champion, der gegnerische Mannschaften heuer gleich in Serie abgeschossen hat, um die vielleicht dominanteste Mannschaft ever gehandelt haben könnte. Oder zumindest: Die dominanteste Offense aller Zeiten?

Solche Diskussionen in historischen Dimensionen sind mir mit meinen knapp 15 Jahren Erfahrung im College Football natürlich a bissl zu hoch – aber ich würde zumindest behaupten, dass es in diesen letzten 15 Jahren wenige ähnlich dominante Mannschaften gegeben hat.

FSU 2013 war eine superbe Mannschaft fast ohne Schwächen. Clemson letztes Jahr war mit Lawrence, einem klasse Receiver-Duo und einer grandiosen Defensive Line vielleicht auch in diesen Sphären. Aber ansonsten war LSU wohl unangreifbar.

Das Spiel selbst war schon relativ nahe an einem NFL-Spiel, was Intensität und Geschwindigkeit anging. Man sah sogar richtige Press-Coverage gegen die Receiver, und natürlich gutes Blocking und viele starke Pässe der Quarterbacks. Zu Burrow komme ich gleich – ich fand aber Trevor Lawrence in dieser Partie nicht überzeugend. Lawrence war weder besonders entschlossen noch besonders akkurat. Gegen Ohio State konnte er die Probleme im Passspiel noch als Runner übertünchen. Im Finale war damit Schluss.

Die erste Halbzeit hatte einen eindeutigen roten Faden im Suchen von LSU nach dem Schlüssel zum Erfolg. Clemsons Defense machte lange Zeit alles richtig und heizte Burrow mit vielen Blitz-Paketen mächtig ein. Burrow hatte anfangs sichtlich Probleme. Aber Burrow konterte trotzdem mit Big-Plays und hatte die Defense Mitte zweites Viertel ausgeguckt. Nach dem TD kurz vor der Pause war das Ding im Prinzip fast schon gegessen.

Weil Clemson nach kurzem Aufflackern im dritten Viertel die Offense nicht mehr in den Griff bekam und mit seiner eigenen Offense auch aufgrund Lawrences suboptimalem Tag nie wirklich brandgefährlich wirkte, war der 35-25 Touchdown schon die Vorentscheidung – und das 42-25 früh im vierten Viertel der Dolchstoß. So hatte das Spiel sehr viel – aber letztlich nur wenig Spannung. Ich glaube auch nicht, dass der Ausschluss vom Blitzing-Linebacker Skalski entscheidend war – Clemsons Defense hing schon vor seinem Targeting total in den Seilen.

Lass uns noch im Nachgang an das Finale von letzter Nacht auf ein paar Prospects für den anstehenden NFL-Draft 2020 blicken.


QB Joe Burrow – Bombastische Performance. Burrow hat die sensationellste Saison ever hinter sich – und das nicht gegen den FC Hintertux, sondern gegen die SEC sowie die Clemson-Defense. Er hat fünf Top-10 Defenses nach SP+ zertrümmert.

Die Spatzen pfeifen es nun von den Dächern, dass Burrow im April an #1 gedraftet wird und nach Cincinnati geht. Normalerweise gibt es zumindest ein paar Wochen lang ernsthafte Diskussionen über das #1 Prospect im Draft. Heuer wohl nicht. Burrow hat sie alle abgehängt.

Burrows Entwicklung ist auch deshalb faszinierend, weil er mit 23 ein relativ alter Prospect ist. Er ist z.B. älter als Lamar Jackson, der schon zwei Jahre NFL hinter sich hat. Burrow war jahrelang ein unbeachteter Backup-QB bzw. „Low-Level Starter“, der erst in seiner Senior-Saison kometenhaft nach oben geschossen ist. Letztes Jahr wäre er vielleicht als 5th Rounder durchgegangen.

Was mich zum durchaus faszinierenden Thema „Spielerentwicklung“ bringt: Nur mal hypothetisch – wäre Burrow 2019 in den Draft gegangen und hätte danach die gleiche Entwicklung in der NFL genommen, er wäre der größte Draft-Steal seit Tom Brady. Manchmal ist Timing das wichtigste – manche Late-Round Draftpicks nehmen bestimmt eine ähnliche „Spätzünder-Entwicklung“ wie Burrow, nur dass sie dann halt ihr Breakout-Jahr nicht im letzten Jahr College, sondern im ersten oder zweiten Jahr NFL haben.

Das führt den ganzen Scouting-Prozess ein bisschen ad absurdum (ein bisschen wohlgemerkt!) – denn das letzte College-Jahr überstrahlt meistens alles andere. Wo man sich in der NFL einig ist, dass man mit einem Jahr Sample-Size noch keinen Spieler vernünftig bewerten kann, glaubt man dass ein Jahr College locker ausreicht um die Qualität eines Spielers zu bewerten.

Dieser Gegensatz zwischen linearer Projektion des letzten College-Jahres versus der nichtlinearen Entwicklung von jungen Spielern ist aus meiner Sicht einer der wesentlichen Gründe dafür, dass wir immer wieder 1st-Round Busts und Late-Round Steals haben.

Burrows NFL-Aussicht fasziniert mich total. Die Offense, die er bei LSU gespielt hat, war sensationell und mit so vielen tiefen Pässen durchzogen, da geht einem das Herz auf: So muss man Football spielen!

Burrow hat etwas Big-Ben haftes was Playmaking und Furchtlosigkeit angeht – und er ist ähnlich mobil. Seine Würfe 2019/20 waren so atemberaubend präzise, dass es prinzipiell keinen Angriffspunkt gibt. Das interessante ist der Arm: Burrow hat keinen Raketenarm à la Mahomes, attackierte aber dennoch jeden Punkt am Feld – und hatte gegen die besten College-Offenses damit Erfolg. In der NFL sind die Verteidiger noch einen Tick schneller – vielleicht reicht sein Arm dann nicht fürs Allerhöchste der Gefühle. Ich lese bei Burrow oft von Matt Ryan 2.0. Aus meiner Sicht ist er mehr Playmaker als Ryan – aber es bleibt natürlich die Red-Flag, ob 2019 nicht schon sein absolutes Ceiling war, und wieviel an der perfekt designten Offense und an den unglaublichen Receivern gelegen hat. Das wird man im Scouting-Prozess noch sehen müssen – andere verstehen dort mehr.


WR Justin Jefferson – Jefferson war der WR2 bzw. Slot-Receiver in der LSU-Offense. Die #1 Chase ist erst 2021 draftberechtigt. Jefferson dürfte als deutlich schwächerer Prospect durchgehen und keinen 1st oder 2nd Round Hype bekommen.

Jefferson wirkt mir wie ein sehr intelligenter Receiver, der wenige Fehler wie Drops begeht. Viel von seiner Production gilt als „Scheme-Produkt“, wenn ich Leuten wie Smart-Football zuhöre. Auffällig an Jefferson: Er spielte recht wenig „draußen“. Kaum Iso-Routes, kaum Press-Coverage. Aber das ist bei College-Receivern ja generell so ein Thema…


CB Kristian Fulton – Fulton war im Finale häufig im Brennpunkt, weil er mindestens 7-8 Mal attackiert wurde, und mindestens zweimal war seine Coverage richtig suboptimal. Aber das ist das Los, wenn man der CB2 in der eigenen Mannschaft ist.

Fulton hat ein Drogen-Geschichte, wird aber wohl trotzdem als 1st Rounder durchgehen. Er hatte schon 2018 eine erstklassige Saison. 2019 war zu Beginn etwas wackeliger, u.a. mit LSUs Defense-Problemen in der ersten Saisonhälfte. Aber Fulton spielt mit einer für Cornerbacks nicht oft gesehenen Souveränität. Er ist brutal beweglich und lässt sich auch von trickreichen Receivern so schnell nicht aus der Ruhe bringen. Ich glaube, man kann ihn für einen der besseren Cornerback-Propects der letzten Jahre halten.


S Grant Delpit – Für den Kollegen Jan Weckwerth war Delpit ein Man-Crush. Ob seiner phänomenalen Athletik kann man nachvollziehen, warum. Delpit wird für Scouting besonders interessant, weil er über weite Strecken von 2019 mit argen Tackling-Problemen zu kämpfen hatte und in gar einigen Momenten mit seiner Aggressivität überzog und blöd aussah als sich Ballträger mit simplen Moves links oder rechts an ihm vorbeischwindelten.

Bei Safetys ist natürlich immer aufzupassen: Schießen sie einen Bock, brennt gleich die Hütte und wir tendieren überzureagieren. Delpit denke ich ist Athlet genug um mit seinem Playmaking für die meisten Teams einen 1st Rounder wert zu sein.


WR Tee Higgins – Higgins war der #1 Receiver in Clemson und er bekam in den letzten Monaten viel Hype als ganz hoher 1st Rounder. Ich bin mir bei ihm nicht ganz sicher: Er ist zwar prototypisch gebaut, aber in den Playoffs hat er nicht überzeugend ausgesehen. Clemson brauchte Monster-Performances von ihm – er hat zwei unterwältigende Partien gespielt.

Soll man diese damit entschuldigen, dass Clemson ihn relativ einfallslos straight 1-vs-1 gegen Superstar-Corners wie Stingley oder Fulton hat spielen lassen? Oder damit, dass er im Semifinale schnell ausgeknockt wurde und auch im Endspiel mehr als einen Drive mit Zipperlein in der Kabine verbrachte?

Punkt bleibt: Higgins ist mit seinen Gardemaßen von 6‘4 mit 205 Pfund ziemlich genau wie ein prototypischer Outside-WR gebaut. Das große Problem, das ich aktuell sähe: Er ist weder superschnell noch wirkt er besonders spektakulär darin, sich von Cornerbacks zu lösen. Am College war das kein Problem, weil er mit seiner superioren Physis und seinen langen Armen die meisten Pässe in seine Richtung eh gefangen hat. Aber wir hatten in den letzten 6-7 Jahren immer wieder das Problem, dass solche physisch imposanten Receiver ohne entsprechende Top-Qualitäten im „Separating“ in der NFL Probleme hatten. Da halfen oft auch die sichersten Fanghände nicht.


RB Travis Etienne – Etienne war der Trigger der effizienteste Rushing-Offenses im College Football. Er ist antrittsstark, schnell und wuchtig – im Prinzip der Traum jedes Runningback-Scouts.

Bei ihm konzentrieren sich die Zweifel an zwei Dingen: a) Wie viel war er Produkt der meistens überlegenen Clemson-O Line? Er hatte zwar viele Big-Plays, aber auch viele große Löcher zum Durchlaufen. Und vor allem b) was macht er als Receiver? Etienne wurde lange Zeit kaum im Passspiel eingesetzt – und wenn, dann war er ein Butterfinger. Erst in den Playoffs hat ihn Lawrence das eine oder andere Mal angespielt – Resultat u.a. ein Receiving-TD gegen Ohio State.


LB / S Isaiah Simmons – Simmons war der Mann um den herum Clemson seine beiden Gameplans in den Playoffs gebaut hat. Er war im Prinzip überall zu sehen – als Blitzer, in Slot-Coverage gegen TE Moss, und als Aggressor in Run-Defense. Simmons ist ein ziemlich spektakulärer Prospect, weil er schwierig einzuordnen ist.

Er hat am College Linebacker, Slot-Corner und Safety gespielt. Er ist mit roundabout 6‘4 bei 220 Pfund mehr wie ein Safety gebaut als ein echter Linebacker – und er hat den entsprechenden Speed. Früher wären solche Spielertypen als „Tweener“ verschrien gewesen und in die 3te Runde gefallen, aber spätestens seit Derwin James sind sie total „in“.

Ich bin gespannt wie die NFL Simmons sehen wird: Als Linebacker – obwohl er bestimmt nicht dafür gebaut ist, direkt hinter der Box gegen doppelt so große Defense Liner zu spielen. Oder doch als verkappter Defensive Back als ideale Matchup-Waffe gegen Tight Ends und Slot-Receiver. Und wie hoch wird ihn die NFL bewerten: Geht er als höherer 1st Rounder?

Wäre für den einst im Recruiting krass übersehenen Simmons sicher eine große Genugtuung.


CB A.J. Terrell – Terrell ist ein weiterer der vielen guten, aber nicht total überragenden Cornerback-Prospects, die Clemson seit Jahren in die NFL schickt. Terrell hat eigentlich vieles, was die NFL mag: Er ist hoch aufgeschossen und schnell. Aber gegen J’Marr Chase sah er im Finale mehrfach wie ein Schulbub aus. Ich würde annehmen, dass die NFL angesichts seiner sehr ranken Statur ein paar physiologische Fragen („kann er überhaupt einen kräftigen Tackle setzen?“) stellen wird – und dass insbesondere seine Playoff-Performance noch einmal kritisch unter die Lupe genommen wird.

Aber andererseits mag die NFL normalerweise solche athletisch so talentierten Cornerbacks, sodass man schon davon ausgehen kann, dass Terrell vielleicht 2nd oder 3rd Rounder wird.

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11 Kommentare zu “LSU vs. Clemson – Nachklapp und Draft-Preview

  1. Re Burrow:
    Nur den Stats nach war ja kein schlechtes Spiel dabei, aber wenn ich in der Offseason ein oder zwei Spiele sehen sollte, in denen seine Schwächen sichtbar sind, welche wären das?

  2. nicht College Football: Luke Kuechly hat soeben seinen Rücktritt verkündet und seine Karriere in der NFL beendet! Ein weiterer Superstar nach u.a. Patrick Willis, Andrew Luck und Gronkowski der sehr früh seinen Rücktritt verkündet…

  3. @Herrmann: Vanderbilt war kein ideales Spiel. Auburn hat Probleme mit Interior-Passrush offengelegt, plus eine suboptimale Performance in der Redzone.
    Erstes Viertel gegen Clemson hat ein paar Probleme mit viel Blitzing gezeigt, aber eben auch die Lösungen (wo irgendwie möglich tief gehen und enge Fenster treffen, auch wenn der Gegner prinzipiell zum Laufen einlädt).

    Ansonsten 2018.

    Ich finde überhaupt, dass 2018 das noch interessantere Tape sein muss – gibt es Stellen, an denen man erkennen kann, dass dort der zukünftige Heisman-Champion spielte?

    Der krasse Sprung so spät in der Karriere macht irgendwie Angst und Hoffnung zugleich: Wie groß war der Anteil der Umstände? Oder kann man das replizieren auch für anderen ähnlich talentierte QBs, die ihr Potenzial lange Zeit nicht nutzen? War 2019 vor allem Burrow, der es plötzlich „verstanden“ hat, oder war es vor allem systembedingt?

    Ich schrieb ja erst im Sommer:

    Doch den Durchbruch verpasste LSU in den letzten Jahren stets wegen seiner zu sterilen Offense. Und so ist die interessanteste Personalie bei LSU weder Headcoach Ed Orgeron noch der DefCoord noch einer der Top-Talente in der Defense, sondern OffCoord Steve Ensminger, dessen Spread/RPO-Offense aus der Shotgun-Formation wesentlich besser zündete als man es sich je erträumen konnte.

    Mitverantwortlich dabei war auch QB Joe Burrow, ein mobiler Mann, der kurz vor der Saison von Ohio State zu LSU gestoßen war und sich mit zunehmendem Saisonverlauf immer besser in die Offense fuchste. Burrow ist kein überragender Passer, aber er ist ein hervorragender Scrambler in kurzen Down-Situationen und kann nun hinter einer fantastischen Offensive Line einen erfahrenen, explosiven WR-Corps bedienen.

    „Kein überragender Passer“. Was von 2018 auf 2019 umgestellt wurde, sollte Gegenstand kritischer Betrachtung sein.

  4. Simmons könnte ich mir gut bei den Cowboys vorstellen. Safety ist meiner Meinung nach deren größter Need und ich stehe auf so variable Spielertypen. Bin schon ein großer Fan von Jabrill Peppers gewesen.

  5. @korsakoff

    Danke. Ist ja wild: ich hatte gar nicht auf dem Schirm, daß Burrow 2018 auch Stammspieler war – und der Unterschied so riesig ist. Super interessanter Fall für’s Scouting und „QB evaluation“.

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