Super Bowl LIV Preview: Chiefs-Offense vs 49ers-Defense

Bei der Chiefs-Offense weiß man immer gar nicht, wo man anfangen soll. Sie sind dank Andy Reids superben Maßschneidern von Schemes für die individuellen Stärken seiner exzellenten individuellen Talente im Kader so komplex, daß man Bücher darüber schreiben könnte. Korsakoff hat hier einige detaillierte In-depth Analysen zusammengetragen. Hier nun der Versuch von der defensiven Seite her zu denken und dabei von hinten nach vorne zu gehen.

Safety First? Two Safeties First?

Wie bringt man etwas Linie in dieses vielschichtige System, um es besser zu verstehen? Vielleicht über die andere Seite – die Antworten der Defense. Von Peyton Manning haben wir gelernt, daß wir immer zuerst gucken, ob es einen tiefen Safety in der Mitte des Feldes gibt oder ob zwei Aufpasser tief stehen?

Gegen die Kombination aus extrem schnellen Wide Receivers Tyreek Hill, Mecole Hardman und Sammy Watkins plus Raketenwerfer Patrick Mahomes muß das erste Ziel immer sein: Big Plays verhindern.

Charakteristisch für den Chiefs-Angriff ist die relativ enge Aufstellung vor dem Snap. Selten steht ein Wide Receiver außerhalb der Zahlen, die auf dem Feld aufgemalt sind. Und wenn, dann ist es meist #14 Watkins oder #11 Demarcus Robinson. Die Sprinter #10 Hill und #17 Hardman stehen meist sehr nah an der Offensive Line.

So eine “enge” pre-snap Offense hatten wir letztes Jahr auch im Super Bowl: die Los Angeles Rams von Sean McVay. New England unter Bill Belichick und Brian Flores haben darauf mit häufiger Quarters Coverage reagiert.

Das heißt: der tiefe Teil des Feldes wird geviertelt, die beiden “Seitenlinien-Cornerbacks” starten zwar beim Snap vorne an der LOS, aber gehen dann tief alles mit; und die beiden mittleren tiefen Viertel werden von zwei Safeties übernommen. Damit hat man zwei Vorteile:

  • die bei McVay und Reid besonders beliebten intermediate routes über die Mitte sind relativ gut abgedeckt
  • das Big Play läßt sich einfacher verhinder, je mehr Verteidiger sich den “tiefen” Teil des Feldes teilen.

Sieht schematisch folgendermaßen aus, Fokus auf die vier Defensive Backs mit dem Marker „1/4“:

 

Der Nachteil ist natürlich: underneath ist mehr Platz. Es fehlt ein Spieler gegen den Lauf und ein Spieler für die kurzen Zonen.

Aber besser, Mahomes muß achtmal pro Drive gut sein, als nur dreimal. No easy points sagt man im Basketball: anstatt den Korbleger zuzulassen lieber Foul spielen und den Angreifer an die Freiwurflinie zwingen. Ja klar: Mahomes wird auch Drives haben, bei denen er achtmal gut ist. Aber man darf es ihm nicht noch leichter machen, indem man Tyreek Hill einfach durchlaufen läßt.


Tennessee hat es im Championship Game ähnlich gemacht. Entweder gleich mit zwei Safeties gespielt oder Tyreek Hill gedoppelt. Vorne haben sie vor allem in der zweiten Halbzeit einen schematischen Nachteil der Sicherheitsdeckung ausgeglichen: sie haben einen Pass Rusher rausgenommen und einen vierten Paßverteidiger in die kurzen Zonen geschickt. Das hat so semi funktioniert, weil Mahomes nur gegen drei Pass Rushers natürlich viel Zeit hat und auch gegen acht Paßverteidiger häufig einen Paß anbringen kann.

Aber: der beste Pass Rush ist viel Zeit. Je länger der QB den Ball in der Hand hat, desto mehr Zeit habe ich, ihn zu Fall zu bringen.

Einen Tod muß San Franciscos Verteidigung sterben. Es sollte nur nicht der schnellste sein. Also: Defensive Game Plan sollte mit zwei Safeties beginnen, entweder klassisch Cover-2 oder eben Quarters Coverage (Cover-4). Oder auch einer Mischung aus beiden: Cover-6, sprich: auf der einen Seite Cover-4, also zwei tief. Auf der anderen Hälfte Cover-2, also nur ein Mann tief für die Spielfeldhälfte.

Cover-6 buzz weak

Auf twitter.com habe ich noch eine sehr interessante Variante von Cover-6 entdeckt. Eine Variante, mit der die Chargers unter DC Gus Bradley viel Erfolg hatten: Cover-6 buzz weak.

Sieht folgendermaßen aus. Das besondere Element hier, der „buzz“, ist der Spieler mit dem Marker „Look for Overs from 3“ („3“ meint die drei WRs auf der gegenüberliegenden Spielfeldseite). Dieser Spieler hängt sich nämlich an die crossing route, die durch seine Zone läuft und wird dann damit Mannverteidiger.

Smarte Mischung aus Zonen- und Mannverteidigung. Leuchtet ein. Aber: San Franciscos Defense spielt meistens nur mit einem tiefen Safety, viel Cover-1 und viel Cover-3. Aber auch: San Diegos DC ist Gus Bradley – und der war mal Chef von Robert Saleh in Seattle und hat ihn dann mit nach Jacksonville genommen. Es scheint also eine gute persönliche Beziehung zu geben. Wenn ihr also im Super Bowl seht, wie ein mitteltiefer Safety aus der Mitte plötzlich Richtung Seitenlinie rennt, dann wißt ihr: das hat sich Saleh von Bradley erklären lassen.

Hier ist ein Beispiel der Patriots gegen die Rams von Scott Geelan. Dabei nicht verwirren lassen von den 3 und 6 und 4 und “buzz” in dem sehr lesenswerten Thread; es sind simpel gesagt einfach vier tiefe Verteidiger, die sich die Breite aufteilen, von denen aber einer die Aufgabe hat, seine Zone zu verlassen, wenn von der gegenüberliegenden Seite ein Receiver in seine Zone kommt und Richtung Seitenlinie unterwegs ist, der “Look for deep over”-Kollege in folgendem Bild:

Warum funktioniert Cover-6 buzz weak so gut gegen die Chiefs? Weil sie die Überlegenheit der Lieblingsformation der Chiefs eliminiert. Das ist die 1 x 3-Aufstellung, die “1” ist dabei TE Travis Kelce auf der einen Seite der Offensive Line (die “weak side”), die “3” sind drei Wide Receivers. Kelce beschäftigt dabei zwei Verteidiger, während von der anderen Seite einer der drei WRs horizontal durch die Hintertür reingerauscht kommt. Adrian Franke hat in seiner Preview über diese Aufstellung geschrieben.

Also in Stichpunkten:

  • Ziel: tief dicht machen
  • Mittel: zwei tiefe Safeties.
  • Neue Coverage gelernt: Cover-6 weak buzz. Danke Twitter.

Alternative: Doppeltes Doppel

Die Patriots haben gegen die Chiefs einen anderen Ansatz gewählt, nämlich das doppelte Doppeln. Hill wird gedoppelt und ebenso Kelce gedoppelt – alle anderen Defensive Backs sind damit auf sich allein gestellt. Damit wären die 49ers mutmaßlich schlecht bedient, weil sie nicht die personelle Tiefe in der Secondary haben, um einen Watkins und Hardman zu bändigen.

Aber auch hier wieder ein weiteres aber: die 49ers müssen zwingend viele verschiedene Coverages spielen, denn kaum jemand ist besser darin, sich während eines Spieles auf deinen Gameplan einzuschießen als Andy Reid. Die Titans zum Beispiel hatten scheinbar zwei völlig verschiedene Gameplans für die zwei Halbzeiten. In der ersten Hälfte vorne relativ aggressiv, auch mit Blitzes gegen Mahomes. In der zweiten Hälfte dann der passive Rush-3-Drop-8-Plan.

Zusammengefaßt hätte wir dann vier Ansätze um den tiefen Ball zu verhindern:

  • Cover-4/Cover-6 buzz weak
  • Cover-2
  • Doppeltes Doppeln
  • Rush-3-Drop-8 (hat SF auch gegen GB teilweise gezeigt, mit Dee Ford, der in Coverage droppt).
  • –> für Sonntag zum Zuschauen: wieviele Verteidiger stehen tief?

Finger lassen würde ich von Cover-3 und Cover-1. Denn: niemand neben Payton/Brees attackiert die Nahtstellen in der Mitte des Feldes so gut wie Reid/Mahomes. Riecht Andy Reid einen Single High Safety, attackiert er den armen Kerl mit Hill und Kelce. In der Analyse von Franke sieht man das auf Seite 1 unten sehr gut im Bild: die sogenannten seam routes.

Travis Kelce

Überhaupt Travis Kelce. Was macht man mit dem? Zwei Ansätze haben sich ligaweit etabliert. Eins: doppeln. Zwei: einen Cornerback oder Safety gegen ihn stellen, statt einen Linebacker oder ihn eine gemütliche Zone suchen lassen.

Was nicht geht: Kelce behandeln als wäre er ein “normaler” Tight End. Dann macht er 11 Catches für 130 Yards und 8 First Downs.

Wenn man Kelce in Manndeckung nimmt, muß der Verteidiger gute Coverage Skills haben und sollte nicht zu klein sein. Slot-CB K’waun Williams böte sich an, ist aber klein (1,75m). Safety Jimmy Ward hat als Ex-CB recht gute Coverage Skills, aber noch besser passen würden Safety Jaquiski Tart: 1,85m und ca. 100kg. Gutes Personal, um Kelce in Man Coverage zu verteidigen, aber mit “gut” kommt man eben nur so weit. So oder so sollte häufig gedoppelt werden.

Wildcard bei Kelce: seine Unbeherrschtheit. Kelce verliert relativ schnell die Nerven, wenn sein Gegenspieler eine Klette mit dirty hands ist. Dann läuft er rot an und wird unkonzentriert. Im besten Fall droppt er dann Pässe, im schlimmsten holt er sich Flags für Personal Fouls ab.

Williams & Mahomes

Wir würden uns also auf die tiefen Bälle und Travis Kelce konzentrieren. Damit bleibt zwangsläufig nah an der Line of Scrimmage viel Platz.

Platz, den RB Williams für Catches und YAC nutzen kann. RB Damien Williams geht oft unter. Er ist mittlerweile in seinem sechsten Jahr, ist nie wirklich aufgefallen, ist overall nicht besonders talentiert, hat aber zumindest recht gute Hände für einen Running Back. In der AFC East kennt man ihn noch als 3rd Down Back der Dolphins.

Williams hat im November die Rolle als RB1 vom alten Shady McCoy übernommen und nutzt die geringe Aufmerksamkeit, die Defenses ihm geben (müssen) relativ gut aus. In den letzten drei Spielen bekam er 19 Targets. Heute sollten es wieder viele sein.

In den letzten drei Spielen hatte auch Mahomes mit seinen Beinen relativ viel Freiraum. 22 Scrambles für 130 Yards. Freiraum sollte er auch im Super Bowl haben, aber die 49ers haben hinter ihrer starken Defensive Line auch smarte Linebackers in Fred Warner und Kwon Alexander. Diese müssen zwingend Mahomes in Schach halten.

Pass Rush & Turnovers?

Nicht gesprochen haben wir hier über diese starke Linie und den Pass Rush der 49ers. Das haben andere anderswo besser getan. Hier nur ein Gedanke dazu: ein starker 4-men-rush ist gegen diese Chiefs-Offense kein toller Vorteil, sondern eine zwingende Notwendigkeit. Ohne starken 4-men-rush bist du hilflos und ertrinkst schnell. Mit starkem 4-men-rush kannst du immerhin noch strampeln und struggeln und dich mehr oder weniger lange über Wasser halten.

Gegen die Chiefs gilt noch mehr als sonst die relativ neue Erkenntnis aus der Analytics-Ecke: Coverage ist wichtiger als Pass Rush. Aber auch hier noch ein aber – und das ist dann das letzte Aber in diesem Artikel: ein kluger Mann hat mal gesagt: “Pass Rush creates turnovers, Coverage creates sacks”.

Wenn der Pass Rush durchbricht und Mahomes sehr schnell handeln muß, überschätzt er sich manchmal und hält sich für feuerfest und kugelsicher. Dann ist die Chance für Turnovers da und damit ist man als Defense mal auf der richtigen Seite des “Big Plays”.


Die Chiefs werden Punkte machen. Die 49ers müssen sie dafür hart arbeiten lassen. In der Paßverteidigung dürfen sie keine Risiken eingehen, aber dafür hoffen, daß aufgrund des Pass Rushes Mahomes Risiken eingeht.

 

 

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7 Kommentare zu “Super Bowl LIV Preview: Chiefs-Offense vs 49ers-Defense

  1. Interessant. Bin gespannt wofür die Niners sich entscheiden.

    In dem ersten Bild, dieses „6-1-4“ der Patriots, mit welchem Personal spielten sie das? Waren das 3 LB, 4 DB?s Oder nur ein LB (der ohne Markierung) und 6 DBs?

    Ich frage mich – losgelöst von der Raumaufteilung -, warum man gegen die Chiefs nicht viel öfter mit mindestens 5, besser 6 DBs spielt.

  2. Ich bin da immer etwas hin und hergerissen.
    Ich respektiere den Aufwand und die Recherche, die für diese Ausarbeitung notwendig ist. Und es ist viel gutes dabei. Es ist sicher nicht einfach die kernigen zu finden und wichtige Möglichkeiten aufzureißen.
    Andererseits tue ich mich immer schwer, nfl defenses so zu simplifizieren.
    Keine Nfl Defense kann bestehen, ohne dass sie eine Lösung für die seam routes in cover 3 besitzt. In cover 1 sind seams sowieso weniger ein Problem, weil man coverage gespielt wird.
    Es geht oft darum favorisierte matchups zu bekommen. Das ist letztlich auch die Idee von Cover 6 buzz, das ja auch einfach eine simple Cover 3 aus einem two high look ist; bei der aber dann ein Safety in das matchup mit dem tiefen crosser kommt, statt eines linebackers.
    Cover 6 ist hier tatsächlich auch irreführend, weil es keine klassische Cover 6 ist sondern eine Cover 3, die, so denke ich, aus dem Saban tree stammt, welcher seine Rotation in 3 und 6 einteilt.
    Bei base Cover 3 aus Single high ist dementsprechend auch weniger das Problem, dass die seam offen ist, als das es ein problematisches matchup mit einem linebacker ist – kombiniert man das mit playaction sind die Erfolgsaussichten groß.
    Ebenso bei quarters: hier sind zwar vier tiefe Zonen, aber weil die safetys hohen run support leisten müssen und auch aggressiv gegen alle inbreaking routes spielen ist es Durchaus möglich die tiefe Mitte mit geschemten Routen zu attackieren.

    In aller kürze: nfl defenses sind wesentlich komplexer als man immer denkt und als einem die meisten Moderatoren weismachen wollen.
    Es ist ein faszinierendes Thema in das ich mich seit Jahren einarbeite – selten sind die Lösungen so einfach, wie sie scheinen.

  3. Pingback: Preview Super LIV: 49ers Offense vs Chiefs Defense | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

  4. In aller kürze: nfl defenses sind wesentlich komplexer als man immer denkt und als einem die meisten Moderatoren weismachen wollen.

    Ja, das ist fraglos so. Und durch Filmanalysen von Greg Cosell und Nerds auf Twitter oder anderswo wird man niemals alles verstehen. Aber man kann durchaus immer ein bißchen mehr verstehen und lernen, und das macht ja den Reiz aus. Auch nach vielen Jahren noch, genau wie Du schreibst. (Das ist übrigens besonders interessant, wenn man sich mit dem heutigen Wissen um Schemes im Sommer alte Spiele anschaut.)

  5. @Josef

    In der ersten Halbzeit waren es fünf Defensive Backs, wobei Safety Chung dort wie ein OLB gespielt hat. Nach seiner Verletzung wurde er dann in dieser 6-1-4 durch einen LB ersetzt.

  6. Pingback: Superbowl-Sonntag 2020 | Sideline Reporter - Eier, wir brauchen Eier!

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