Die NFL Combine 2020 ist vorbei. Mal ein paar (unvollständige) Notizen zu den Offense-Positionen.
Quarterbacks
Joe Burrow – Lassen wir mal die elendige Diskussion über Hand-Size außer Acht, sie ist nur für die relevant, die Burrow nie haben spielen sehen. Viel wichtiger: Burrow hat erstmals ein klares Commitment abgegeben, dass er kein Problem damit hat, für die Cincinnati Bengals zu spielen, sollten die ihn an #1 drafen.
Tua Tagovailoa – Wichtigster Punkt: Tuas Hüfte scheint weniger und weniger ein ernsthaftes Problem für die Ärzte zu sein. Die Hüfte wurde schon mehrfach untersucht, alle kamen zum selben Ergebnis: In Kürze dürfte Tua freigegeben werden. Natürlich ist das erstmal Theorie. Im Training und auf dem Spielfeld muss erstmal live getestet werden, ob alle Bewegungen intakt sind.
Mehrere Beobachter haben im Zuge der Combine darüber gesprochen, dass Tua das ganze Jahr aussetzen sollte. Unter anderem Mel Kiper, der noch mit einer ganz anderen Aussage zu Tua verblüffte: Kiper, das Urgestein der Draft-Berichterstattung, sagte ganz unverhohlen, dass die Washington Redskins Tua an #2 draften und in Konkurrenz mit Dwayne Haskins gehen lassen sollten. Eine solche Meinung in einem so großen Network wie ESPN: Bislang ungehört! Das bisherige Nerd/Analytics-„Hirngespinst“ könnte tatsächlich salonfähig werden!
QBs allgemein – Freilich besteht auch noch die Möglichkeit, dass man in Tua ein zu großes Risiko sieht, und dass dann ein Herbert oder Love als QB2 gehen. Beiden bescheinigte man gute Workouts.
Jake Fromm vs. Jacob Eason – Ich habe ein bisschen in die QB-Drills reingeschaut. Fromm und Eason mussten hübscherweise genau hintereinander werfen: Der Big-Arm Eason und der Accuracy-Weak Arm Fromm. Die Unterschiede waren krass. Easons Bälle kommen wesentlich schöner raus, sind aber unpräziser. Fromm dagegen muss für seine Würfe wesentlich mehr arbeiten, die Bälle fliegen längst nicht so organisch, sind aber insbesondere auf den kurzen Routen deutlich präziser. Alles wie gehabt also. Aber man muss es selbst einmal gesehen haben.
Jalen Hurts – Alle sagen: Gewinner. Hurts musste sich mal wieder die alte Leier von wegen Umschulung auf andere Positionen anhören, wollte davon aber nix wissen. I’m a QB. Sein Workout galt als gut, und auch bei Steve Mariucci machte er einen guten Eindruck:
Runningback
Ich habe nicht viel gesehen, aber die Klasse soll gut ausgesehen haben. Cam Akers scheint einer der größten Gewinner zu sein. 217 Pfund und trotzdem schneller als 4.50 im Sprint. Sehr fluide in seinen Workouts.
PFF #1 Back Zack Moss zog sich eine Verletzung zu und hatte schwache Zahlen (u.a. 4.65 Sprintzeit). Er muss mit ernsthaften Workouts nun erstmal bis zum Pro-Day warten.
Jonathan Taylor aus Wisconsin mit 4.39 Sekunden. Die allgemeine Überraschung ob dieser schnellen Zeit kann ich nicht ganz nachvollziehen, der Mann ist und war schon immer eine Rakete.
Wide Receiver
Henry Ruggs smit 4.27 Sekunden. Kein neuer Rekord, aber immerhin schnellster Receiver. Sein College-Kollege Jerry Jeudy dagegen mit eher enttäuschenden (*) 4.45 Sekunden. (*) „Enttäuschend“ gemessen an den sehr hohen Erwartungen an diesen Top-Prospect.
Auch eher unter den Erwartungen: Lavishka Shenault, fast überall ein Top-5 Receiver, mit nur 4.58 Sekunden. Noch schlimmer: Shenault gab hinterher bekannt, sich einer Operation unterziehen zu müssen. Damit sind seine mäßigen Combine-Werte teilweise entschuldigt – aber das große, seit Monaten wie ein Damoklesschwert über ihm hängende Verletzungsfragezeichen ist wieder dick und fett da.
Jalen Reagor mit 4.47 Sekunden nicht „schlecht“, aber für einen so explosiven Athleten hatte man etwas mehr erwartet.
Als mit die größten „Gewinner“ machte man LSUs Justin Jefferson, USCs Michael Pittman und Baylors Denzel Mims aus. Vor allem Mims gelang es offenbar, Eindruck zu schinden (die 3-cone Zeit ist atemberaubend):
Ceedee Lamb – Der für gewöhnlich vertrauenswürdige Ben Allbright sorgt mit diesem Tweet für ein paar Zweifel, wenn es um die Top-2 WR Lamb und Jeudy geht:
Kein 40-yds Sprint von Tee Higgins. Damit ist der Vorwurf, er sei zu langsam, erstmal nicht widerlegt.
Tight End
Sensationelle Sprintzeit für Albert Okwuegbunam. Keine Sau hatte den gekannt, und dann rennt er 4.49 Sekunden. Sprintzeiten sind generell extrem überbewertet, aber solche Zahlen bringen dich zumindest medial auf das Präsentierteller.
Auch Chase Claypool mit starker, ja noch besserer Zeit: 4.42 Sekunden. Claypool ist eigentlich Receiver, doch ein großes Thema der Combine war seine mögliche Umschulung auf Tight End. Für Claypool könnte das eine ernsthafte Option sein – schließlich hätte er auf TE nun ein Alleinstellungsmerkmal: Das des athletischsten Prospects auf seiner Position.
Der bislang als hoch geratete Hunter Bryant von Washington dagegen mit enttäuschenden 4.74 Sekunden im Sprint.
TE Jared Pinkney, während der Saison hie und da als ein möglicher 2nd/3rd Rounder genannt, kriegt weiter auf die Fresse. Schon seine Senior Bowl war mies. Jetzt bescheinigten ihm einige Teams offenbar, dass er ein Loser sei. Dazu eine Sprintzeit mit einem 5er vorne. Damit gewinnst du keine Freunde.
Offensive Line
Die Beobachter sind sich einig: Absurde Klasse in der Spitze. Als Mekhi Becton, Tristan Wirfs, Ezra Cleveland und Co. ihre Workouts abhielten, explodierte Twitter.
Becton: Ein unglaublicher Bolzen mit fassungsloser Sprintzeit. Sehenswert waren auch seine OL-Drills. Wenn solche 350-Pfund Bomber wie Ballerinas am Feld tanzen, dann denkst du dir immer, wieso kann ich das mit meinen 85 Kilo nicht?
Wirfs: Bei diesen Vergleichen ist natürlich immer aufzupassen, aber die athletischen Werte von Wirfs sind die besten seit 2006 für einen Mann mit seinen Maßen:
Dazu C Netane Muti mit 44 (!) Bench-Press Reps.
OT Trey Adams, früher mal als 1st-Rounder gehandelt, war dagegen durch die Bank so schwach, dass Scouts jetzt ernsthaft drüber nachdenken, ihn als „undraftable“ einzustufen. Adams schien das alles nachher mit Humor zu nehmen. Wenn er was ändern könne, dann ganz was anderes.
Natürlich ist bei diesen ganzen Workouts immer aufzupassen. Athletik ist wichtig und bessere athletische Zahlen sind natürlich optimaler als schlechte, aber Athletik allein deckt nur einen Teil dessen ab, was einen Footballspieler ausmacht.
Ruggs kommt in der Wahrnehmung jetzt teilweise sogar besser weg als Jeudy. Wenn man die Alabama-Offense ansieht, dann tut man sich schwer, zu so einem Urteil zu kommen. Aber eine gemessene Sprintzahl dominiert nun einmal unser Gedächtnis, auch wenn wir wissen, dass es wichtigere Faktoren als geradeaus zu laufen gibt.
Der Move mit Tua zu den Skins wäre schon Hammer, da scheinen die Cardinals die Büchse der Pandorra geöffnet zu haben, dass solche Picks jetzt ernsthaft diskutiert werden.
btw das Adams Video ist von einem Team Interview. Mies, dass sowas geleaked wird!
Der Eagles GM meinte mal man sollte mindestens jedes 2 Jahr einen ziehen.
Und Haskins war ein Snyder Pick, Dazu ist Tua wohl so oder deutlich besser. Keines der Teams wollte allerdings an 1 oder 2 Picken.
Auch Belichick hat übrigens alle 2-3 Jahre einen signifikanten Pick in einen QB gesteckt (2. – 4. Runde), Motto: Im besten Fall entwickelst du einen Starting-QB, den du einsetzen oder teuer verkaufen kannst und in der Zwischenzeit als Backup-Absicherung hast.
Im schlimmsten Fall hast du halt mal einen Pick verschenkt.
Die Denke geht jetzt den nächsten Schritt. QB = so wichtige Position, dass man zuerst sie idealstmöglich besetzen muss, bevor man wirklich auf Jahre Contender ist. Und so sind auch zwei 1st-Rounder en suite es wert, weil man damit die Chance drastisch erhöht, „den einen“ zu bekommen weil „der erste“ erstmal nicht ohne Zweifel geblieben ist.
Schlimmstenfalls kann man „den anderen“ dann immer noch für etwas Wertverlust noch verkaufen. Siehe Cardinals, für die das QB-Wechselspielchen eher positiv ausgegangen ist, auch wenn sie nie in einen echten Kyler/Rosen Positionskampf gegangen sind.
Trey Adams… *haha* genialer Link!
Bleibt zu hoffen, dass er die Chance bekommt zu beweisen, dass er trotz schwacher Combine in die NFL gehört.
Ich meine, Tua hätte vor einigen Wochen selbst gesagt, dass es die optimale Position wäre, zu einem Team zu gehen, wo er eine Saison nicht starten muss.
War Mel Kiper nicht derjenige, der versprochen hat zurückzutreten, wenn Jimmy Clausen nicht ein NFL-starter wird? Redet ein bisschen viel, der Gute.
Kiper – Ja. Aber für ESPN-Pundit Verhältnisse war das sogar noch ein harmloser Take 😉
Kiper spricht der radikaleren Ecke der Analytics-Community mit seinem Hawkins/Tua Take aber aus der Seele. Eric Eager hat beim PFF-Forecast Podcast öfters drüber gesprochen, dass Teams diesen „Double-QB“ Move häufiger machen sollten, weil Ziel #1 ist Top-QB und damit erhöht man die Chance und kann den anderen QB immer noch verkaufen.
Moo hat mit einer detaillierten Studie nachgelegt:
https://www.pff.com/news/nfl-why-sprinting-to-the-podium-at-no-2-overall-with-chase-young-on-the-card-might-be-a-bad-idea
Die letzte große Hürde sind die Medien, die Haskins damit quasi abschreiben. Wenn aber ein Kiper auf einem großen Network die Meinung raushaut…
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