Stick to Sports (II)

Lass mich heute mal beginnen mit dem Verweis auf die wirklich exzellente Down, Set-Talk Diskussion über die aktuellen US-Proteste und welche Rolle die NFL dabei spielt bzw. vor allem welche sie hätte spielen können. Adrian Franke macht dabei einige exzellente Punkte.

Vorteil für mich: Ich muss sie damit nicht mehr aufschreiben. Einfach reinhören (erste 15-20 Minuten) genügt.

Und damit ab zu den heutigen Themen.

Über Meinungsfreiheit

Lass es mich mal so sagen: Ich habe in den letzten drei Monaten jeden Tag bei FOX News reingezappt. Es ist schwere Kost, selbst wissend, dass es sich um Donald Trumps inoffiziellen Werbesender handelt.

Gestern lieferte sich Laura Ingraham, eine der Speerspitzen der Steigbügelhalter, mal wieder so einen Moment, der mich manchmal daran zweifeln lässt wie viel Selbstachtung bei diesen Leuten nach Abschalten der Kameras eigentlich noch da ist:

Laura Ingraham über LeBron James und Kevin Durant: „Shut up and dribble“

Laura Ingraham über Drew Brees: „You’re allowed to have an opinion!”

Lass uns mal die Heuchelei dieser Worte ausblenden – wir sind da längst abgestumpft: Niemand hat Brees dafür kritisiert, seine Meinung kundgetan zu habenWas hingegen massiv kritisiert wurde, ist der Inhalt der Brees’schen Ergüsse.

Doch Ingraham griff James frontal dafür an, überhaupt Stellung bezogen zu haben für etwas, das sich außerhalb eines Basketballfeldes abspielt. Weil es nicht in ihr Weltbild passte.

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und bleibt in ihrer liberalen Auslegung eines der weniger werdenden Kapitel um die ich die USA manchmal noch beneide.

Wir sprechen hier nicht über Corona und Viren und einen Themenkomplex mit kaum mehr als einer Handvoll ernst zu nehmender Experten pro Land. Wir sprechen hier im Kern über Menschlichkeit. Dort muss jeder mitreden dürfen.

Auch James. Und selbstredend auch Brees.

Freilich ist das, was Brees verzapfte, nicht schön. Es war ein verblüffendes Zeugnis von Ignoranz, ein Indiz dafür, wie die Hirnwäsche des strukturellen Rassismus selbst einen zweifellos klugen Mann wie einen NFL-Quarterback bei einfachsten Fakten zu verblenden imstande ist.

Doch selbst Brees Scheiße erzählen und sich sogar noch als Opfer hinstellen zu lassen ist einem Halt’s Maul in 1000 von 1000 Fällen vorzuziehen. Dass der Haussender des Präsidenten nun allerdings Meinungsfreiheit zu untergraben beginnt, und das an der „falschen“ Flanke des Spielfelds, ist mehr als bedenklich.

Unfromm

Ich schrieb gestern über „Fortschritt“. Wenige Stunden danach ging ein Post viral, der Ausschnitte aus Jake Fromms Privatnachrichten veröffentlichte. Fromm schrieb darin u.a. [but no] guns are good, they need to let me get suppressors, just make them very expensive so only elite white people can get them:

Den genauen Chat sowie die Versuche, die Veröffentlichung der aus dem Frühjahr 2019 stammenden Messages zu verhindern, kann man hier nachlesen.

Fromm entschuldigte sich nur wenige Stunden nach dem Durchsickern der DMs mit einem klassisch-windelweichen Statement, verbreitet durch die Steigbügelhalter der NFL-Medien wie Schefter oder Rapoport.

Doch der Schaden ist längst angerichtet. Fromm wird möglicherweise anders als Kaepernick seinen Platz in der NFL behalten dürfen, und viele Leute werden darüber kotzen. Doch die schiere Gewalt des Gegenwinds für Fromms rassistische Denkmuster allein nennt sich Fortschritt – und auch die Erkenntnis, dass Lippenbekenntnisse nicht mehr ausreichen um ungeschoren davon zu kommen.

Wie man es richtig macht

Eines der besten Statements aus NFL-Kreisen, die ich bislang gehört habe, kommt von Colts-GM Chris Ballard: Schonungslos, selbstkritisch, augenöffnend. Ballard scheut darin nicht davor zurück, seine eigenen Versäumnisse prominent zu diskutieren und sein Umdenken in den letzten Tagen zu schildern.

Ballard fühlt sich damit wesentlich authentischer als die meisten frisch aus der PR-Zentrale gedruckten Statements einer Liga, die sich bis heute weigert, ihre Rolle zu hinterfragen:

Einen größeren Ausschnitt seines Statement gibt es bei Youtube.

Mit Reden allein ist natürlich noch nicht viel getan, und ohne folgende Taten wird auch Ballard mit dem Vorwurf des Lippenbekenntnisses konfrontiert werden. Seine Rede ist ein Anfang, nicht mehr. Aber immerhin.

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12 Kommentare zu “Stick to Sports (II)

  1. Fromm darf wohl bleiben, echt übel

    Zu Ballard: So gut sein Statement sein mag, mir geht das von Klemko nicht aus dem Kopf, wie können die GM die so lange mit so vielen Schwarzen zu tun gehabt haben, das ganze Problem einfach übersehen?

  2. Das Problem ist weniger, dass Fromm seinen Job behält. Viel, viel schlimmer ist, dass Kaepernick so offensichtlich ausgegrenzt wird.

    Eine Gesellschaft muss ersteres aushalten. Letzteres darf sie nicht akzeptieren.

  3. Zu Ballard – und das ist weniger Entschuldigung als Erklärung:

    Gerade nach allem, was man in den letzten Tagen wieder an Reaktionen gesehen hat, kann ich mir gut vorstellen, dass GM/Scouts/Coaches das Problem seit langem einfach ausklammern. Brainwash ist mächtig.

    Wenn ein intelligenter Mann wie Brees es nach 20 Jahren in ein und derselben Umkleidekabine wie 40 Schwarze zustande bringt, das Problem auszuklammern, dann reden wir nicht über individuelles Versagen, sondern über ein strukturelles Problem.

    Ich kann mir eher vorstellen, dass, so wie die Gesellschaft gebrandet zu sein scheint, GM die Hintergründe von schwarzen und weißen Prospects durchleuchtet haben und schließen, dass Schwarze grundsätzlich ein größeres Problem zu sein scheinen, weil es dort schlimmer zu geht.

    Scheuklappen eben. Du hast das Problem immer passiv (oder aktiv) ausgeblendet, du denkst nicht dran, du hast kein Bewusstsein für das Problem oder dich dafür zu öffnen.

    Ballard führt ja aus, dass die letzten Tage Augen öffnend waren. Kannst du ja an dir selbst auch manchmal erkennen, dass du bestimmte Dinge einfach lange Zeit nie gesehen hast bist es dir wie Schuppen aus den Augen fällt.

    Klingt natürlich komisch bei einem so weitreichenden Problem wie dem Alltagsrassismus, aber es scheint mir eine plausible Erklärung zu sein.

  4. Würde es trotzdem gerne als Zeichen sehen, aber es wird nicht passieren 😦

    Zu Ballard, ja wenn man es so sieht, dann ist das Problem aber auch hochgradig dramatisch und allerhöchste Zeit zu reagieren. Wenn sich US Schwarze anhören müssen, daß sie nicht reklamieren sollen weil es ihnen besser geht als 1865 dann weiß man einfach nicht mehr was man sagen soll!

  5. …mir fällt es sehr schwer zu sehen, dass Leute wie Brees, Fromm und wie sie alle heißen, Rassismus passiv ausklammern. Gerade bei Brees… der ist so und der meint das so, der hat nicht eine „blinde Stelle“, die er einfach auf Grund eines mangelnden Reflexionsvermögens ignoriert, oder noch nicht entdeckt hat, oder whatsoever. Der kuschelt beim National Championship Game nicht mit Trump, weil er es nicht besser weiß, sondern weil er das so will… Es ist auch keine Einzelmeinung und persönliche Story, die er erzählt. Wer so eine Bekanntheit genießt und so auf Du-und-Du mit dem Machthaber ist, ist auch Teil der Kommunikationsstrategie.

    Bei Leuten wie Ballard tue ich mir schwer ihn mit dem Guy next door zu vergleichen, dafür ist er die Leiter zu weit rauf geklettert, dass ihm die Sicht auf diese Dinge versperrt wäre. Da sehe ich weniger ein „Wie schuppen von den Augen fallen“, als ein sich positionieren, wenn es möglich/opportun ist. Ich möchte sein Statement nicht schlechtreden, gut, dass es da ist, besser als nichts, aber in seinem „I’ve been ignorant!“, sehe ich mehr jemanden, der bei den Zielionen Situationen doch eher nix gesagt, oder doch eher den weißen Dude eingestellt und im System das Schulterklopfen kassiert hat, als sich in den Gegenwind zu stellen und sich so möglicherweise selbst die Karriereleiter zu verbauen. Aber es kann natürlich sein, dass er und viele andere in seiner Position nicht sehen, dass sie v.a. von weißen Männern umgeben sind und glauben, dass sie alle dort sind, weil sie die besten und hellsten Köpfe sind… aber das glaube ich nicht.

  6. Danke für den Artikel.

    Zu Ballard, ich kann es mir so vorstellen, dass er wie so viele in der getrennten Community aufgewachsen ist, sich nie mit den Problemen auseinandersetzen musste und vielleicht im Hinterkopf schon wusste, dass es unrecht war, aber weil alle so ticken und niemand etwas dagegen macht, verdrängt man das ganze Problem nur zu gern anstatt sich der Realität zu öffnen.

    Das größte Problem dürfte wirklich die Tatenlosigkeit sein. Niemand sagt was, also ändert sich nie was. Und wenn dann jemand mal eine Aktion setzt wird er als SOB vom wichtigsten Politiker im Land niedergemacht.

    Allein dass der Rassismus Punkt jetzt omnipräsent ist, wird helfen hier einen Schritt weiterzukommen. Hoffentlich ebbt es nicht nach ein paar Tagen wieder ab, sondern bleibt auf der Agenda.

  7. Das mit den Scheuklappen/der Ignoranz, dem Wundern, warum man das nicht wahrnimmt ist ein einfaches psychologisches Phänomen. Ich habe keine Lust, in meinen Unterlagen nachzuschauen (bin nur Lehrer, kein Psychologe und müsste ein wenig suchen).
    Generell gilt: Wir erleben eine gewisse Sozialisation, die in verschiedenen Umgebungen unterschiedlich abläuft (= beeinflusst und verändert wird) und unterschiedlich wirkt. Die Abgrenzungen dieser Umgebungen sind subjektiv, individuell äußerst unterschiedlich und inkonsistent.
    Das Ergebnis dieser Sozialisationsprozesse ist ein Wertesystem, dass eben auch situativ unterschiedliche Schwerpunkte hat. Der Großteil der Sozialisation läuft unbewusst ab. Und unser Kopf versucht neue Situationen in die vorgefertigten Strukturen einzufügen, da zuviel innere Zerrissenheit Stress und letztendlich Handlungsunfähigkeit verursacht.
    Dazu kommt, dass denken nicht gleich handeln ist. Mir können Aspekte vollkommen bewusst sein und dennoch handle ich komplett konträr, weil sich die Handlungsmuster über Jahre eingespielt haben und es großen Aufwand (Arbeit + Stress) bedeutet sie zu durchbrechen.

    Am aktuellen Beispiel:
    1. Ich kann in der Schule und Elternhaus zum Beispiel mein lebenlang gelernt haben:
    – Wenn du hart arbeitest wird was aus dir. (Immer wieder erfahren)
    – Alle Menschen sollen die gleichen Chancen bekommen. (Immer wieder erzählt)
    3. Es funktioniert alles, ohne dass sich jemand groß beschwert => Meine bisherigen Handlungsmuster und Wertehaltungen scheinen konsistent zu sein und haben sich als funktionierend herausgestellt. Der berufliche Erfolg und Umgang mit Freunden spiegelt: Das passt alles. => Die Wertehaltung verfestigt sich.
    4. Im Lockerroom läuft also alles normal. Kommt mal ein schwarzer Spieler auf die Idee etwas zu sagen, dann nehme ich mich seinem Problem an. Ich höre zu, gebe ihm 1, 2 Tage frei, um sich drum zu kümmern, spende Geld, whatsoever. Alle sind dankbar. Ich stehe toll in den Medien dar. Der Kopf denkt: Das passt ja alles gut zusammen und klappt.
    Gefestigt wird das davon, dass Minoritäten ihr leben lang lernen, dass die Probleme ansprechen, häufig nicht gut ankommt. Sie drängen also nicht all zu stark (im Extremfall: siehe Kap).
    5. Als Coach merke ich also, alles was bisher geklappt hat, ist so in Ordnung. Es gibt hi und dort Probleme, es müsste alles etwas besser sein, aber es funktioniert und eigentlich habe ich ja auch andere Probleme, um die ich mich erstmal kümmern muss.

    Da ist es wirklich ganz normal – oder besser: menschlich – solche Fässer nicht aufzumachen, weil es fordert, sein eigenes Weltbild in Frage zu stellen, seine eigenen Handlungen aus der Vergangenheit, zuzugeben, dass man Teil des Problems ist. Und das geht im Prinzip nur über 2 Varianten: Anstregende, lang anhaltende, reflexive Prozesse (Coaching/Therapie) oder BOOM, es explodiert und gibt einen Anlass, dass alles in Frage zu stellen.
    (Ähnlich wir in jedem Change-Prozess: lang und anstrengend Mitarbeiter*Innen überzeugen oder einmal explodieren lassen, damit jedem klar ist, es muss sich was ändern).

    Schlussfolgerung: Es ist leider ganz normal, dass es so abläuft und betrifft viele Bereiche:
    Fleischkonsum/Autofahren/Plastiknutzung/Gendern: Fast jeder/jedem ist klar, dass das nicht gut ist, aber ändern ist trotzdem anstrengend.
    Kindererziehung: Eigentlich gebe ich meinem Kind das Ipad zu oft, wenn ich Ruhe möchte, aber es klappt ja irgendwie doch ganz gut und entwickelt sich eigentlich super.
    Sport/ Spazieren gehen statt Fernsehen, Früher aufstehen, direkt mit Arbeit anfangen, statt rumzudaddeln. Öfter mit dem guten Freund aus Schulzeiten telefonieren. Seltener zu treffen gehen, die man eigentlich für sinnfrei hält, …, you name it.

    Deshalb sind die Statements so wichtig, auch das von Brees, die sagen, ich habe die Augen zu gemacht, ich habe nicht richtig zu gehört, ich habe das nicht wahrgenommen, ich habe Fehler gemacht, and so on.
    Selbst wenn Brees das nicht ernst meint, je häufiger solche Aussagen kommen, desto normaler ist es, Fehler einzugestehen. Und das muss passieren, damit sich was ändert und neben der Aufmerksamkeit, ist das der erste Schritt. Quasi eine Akzeptanz / eine positive Fehlerkultur.

    Let’s #sticktosports and know #sportsispolitics

  8. Zu Chris Ballard:
    sehr gutes erstes Statement: Die Gefahr im Moment ist, dass es sich auf die Polizeigewalt und Proteste versteift. Das ist ja eigentlich nicht das Problem, sondern „nur“ das extreme Symptom.
    Das Problem ist ja struktureller Natur: Die häufigen kleinen Beleidigungen, die Nichtbeachtung oder das länger warten lassen in Einkaufsläden etc., das erst als letzter, oder gar nicht, zu einem Geburtstag eingeladen werden, die schwierigen Job-Interviews, das seltener zitiert werden, seltener als Interviewpartner*In eingeladen werden, …
    Ich hoffe, hoffe, es verstetigt sich und bleibt nicht bei der Symptombekämpfung.

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